Als Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, 1870 in Simbirsk an der Wolga geboren wurde, durchlebte Russland turbulente Zeiten. Eine politische Biographie von Willy Hämmerle.
Am Land herrschten noch immer die adeligen Großgrundbesitzer mit harter Hand über die Bauern, die massenhaft im Elend lebten. Viele von ihnen trieb es in die Städte, wo sich die moderne Industrie mit rasanter Geschwindigkeit entwickelte. An der Spitze des Ganzen herrschte der Zar despotisch über das halbfeudale Land.
Im Angesicht dieser Despotie war es die s.g. Intelligenzija (Studenten, Schriftsteller, Ärzte, Lehrer, Wissenschaftler, Künstler usw.), die zunehmend revolutionäre Schlüsse zog – und sich dem Terrorismus zuwandte. Die Idee war, dass eine spektakuläre Aktion die Bauern gegen den Zaren wachrütteln soll, damit diese dann eine freie Gesellschaft, eine Art „Agrarsozialismus“, schaffen. Ihren Höhepunkt hatte diese Strömung in den 1870er Jahren bis zum 1. März 1881, als es den Terroristen der Organisation „Volkswille“ gelang, Zar Alexander II in die Luft zu jagen. Aber die Bauern rührten sich nicht, sie misstrauten den „Städtern“ und das erhoffte große Erwachen blieb aus.
Wie Lenin politisiert wurde
Auch Lenins großer Bruder Alexander, genannt Sascha, war ein Anhänger des „Volkswille“ und beteiligte sich 1887 an der Planung eines weiteren Attentates, diesmal auf Zar Alexander III. Schlussendlich kam es nicht einmal zum Attentat selbst. Sascha und seine Genossen wurden verhaftet und hingerichtet.
Bis dahin hatte der damals 17-jährige Lenin mit revolutionärer Politik nicht viel am Hut gehabt. Während Alexander im gemeinsamen Zimmer das Kapital von Karl Marx studierte, beschäftigte sich sein kleiner Bruder mit der russischen Literatur. Die Verhaftung, der Prozess und die bald darauf folgende Hinrichtung Alexanders änderten aber alles. Lenin versuchte herauszufinden, wofür sein Bruder bereit gewesen war, sein Leben zu lassen und begann die klassischen Schriften der „Narodniki“ oder auch „Volkstümler“, in deren Tradition sich die Anhänger des „Volkswillen“ sahen, zu lesen was ihn weiter zum Marxismus führte.
Aber dieser Weg war nicht geradlinig. Lenin wurde nicht über Nacht vom braven Schüler zum marxistischen Berufsrevolutionär. Im Sommer 1887, nur wenige Monate nachdem sein Bruder hingerichtet wurde, ging Lenin nach Kasan, um dort Recht zu studieren. Er wurde aber bald von der Universität verwiesen und in ein kleines Dorf verbannt, weil er sich an einem Protest beteiligte. In dem Protest ging es um verhältnismäßig wenig, doch beim Namen Uljanow wollten die Behörden kein Risiko eingehen.
In der darauffolgenden Zeit geriet er in Kontakt mit verschiedensten politischen Zirkeln, in denen auch die marxistische Literatur immer populärer wurde. Er studierte vor allem „das Kapital“, das ihn in den Händen seines Bruders zuhause noch gar nicht interessiert hatte. Jetzt aber gab es ihm ein tiefes Verständnis von der Gesellschaft, in der er lebte.
Es dauerte aber noch ein paar Jahre, mehrere Wohnsitzwechsel und das Nachholen seines Universitätsabschlusses, bis er vollständig vom Marxismus überzeugt war. Er hatte sich in der Zwischenzeit eingehend mit den Werken von Marx und Engels beschäftigt und Kontakt zur Gruppe „Befreiung der Arbeit“ von Plechanow, dem „Vater des russischen Marxismus“, aufgenommen.
Die Marxisten waren der Ansicht, dass sich der Kapitalismus in Russland zwar in einem anderen Tempo und mit gewissen Besonderheiten entwickelt – aber trotzdem den gleichen Gesetzen wie im Westen folgt: Der zentrale Konflikt war zwischen Kapital und Arbeit, und nur die in Russland noch junge, aber schnell wachsende Arbeiterklasse wäre in der Lage, die Produktion in ihre eigene Hände zu nehmen und eine freie Gesellschaft zu schaffen.
Im Jahr 1893 zog Lenin schließlich nach St. Petersburg und begann mit der systematischen Aufbauarbeit. 1895 mündete diese in der Gründung des „Kampfbunds zur Befreiung der Arbeiterklasse“. Das war der erste Versuch, die vielen marxistischen Zirkel zu einer echten Organisation zu vereinen, mit dem Ziel, die St. Petersburger Arbeiter für die Revolution zu gewinnen. Sie verteilten Flugblätter und agitierten vor Fabriken. Revolutionäre in anderen Städten taten es ihnen gleich und gründeten ihrerseits „Kampfbünde“. Doch die Geheimpolizei kam ihnen auf die Schliche und Lenin wurde mit einigen anderen führenden Mitgliedern ins Gefängnis gesteckt und später ins Exil nach Sibirien geschickt.
Was tun?
Nach seinem sibirischen Exil, jetzt im westeuropäischen Exil, konzentrierte sich Lenin ab 1900 darauf, eine Zeitung herauszugeben – die Iskra, auf deutsch: Der Funke. Die Herausgabe einer Zeitung war für Lenin von zentraler Bedeutung. Sie sollte der Sammelpunkt aller Marxisten in Russland werden und nicht nur das kollektive Gesicht der Partei sein, sondern auch das Gerüst, das dem Aufbau der Partei einen Rahmen gibt. Die Iskra wurde schnell zur erfolgreichsten Untergrundzeitung in Russland.
In dieser Zeit schrieb Lenin sein berühmtes Buch „Was Tun?“, wo er gegen die reformistischen Tendenzen in der Partei auftrat, die s.g. „Ökonomisten“, und für den Aufbau einer straff organisierten Partei argumentierte, die es braucht, um die sozialistische Revolution durchzuführen. 1903 fand der 2. Kongress der Sozialdemokratischen Partei statt, der ihr eigentlicher Gründungskongress war (am ersten Kongress nahmen nur 9 Delegierte teil, die alle verhaftet wurden). Hier konnte sich die Iskra mit ihrem revolutionären Programm durchsetzen und wurde zur vorherrschenden Strömung, allerdings taten sich innerhalb der Redaktion die ersten Differenzen auf.
Anhand von kleineren organisatorischen Fragen entbrannte ein Konflikt zwischen Lenin und Martow, deren jeweilige Anhänger von nun an „Bolschewiki“ und „Menschewiki“ genannt wurden – Mehrheitler und Minderheitler. Diese erste Spaltung kam für alle überraschend. Aber es würde sich in den folgenden Jahren herausstellen, dass beide Richtungen völlig verschiedene Perspektiven für die Revolution in Russland und die Rolle, die die Arbeiterklasse in ihr spielen sollte, hatten.
Das zeigte sich schon 1905, als die erste russische Revolution ausbrach. Während die liberalen Bürgerlichen auf Verhandlungen mit dem Zaren setzten, trat die Arbeiterklasse in Aktion. Eine riesige Streikwelle überrollte das Land und um das weitere Vorgehen zu koordinieren, bildete sie spontane „Arbeiterräte“ – die sogenannten Sowjets – für Lenin die Keimform der Arbeitermacht.
Die Sozialdemokratische Partei, die bisher als illegale Untergrundorganisation arbeiten musste, wuchs schlagartig. Den revolutionären Arbeitern gelang es aber nicht, den Zaren zu stürzen – die Revolution, die Lenin später als Generalprobe für die Oktoberrevolution von 1917 bezeichnet, wurde besiegt. Der zaristische Staat saß wieder fest im Sattel und läutete eine Periode der Reaktion ein. Die Partei musste wieder in den Untergrund, ihre führenden Kader wanderten ins Gefängnis oder flohen ins Exil.
In der Revolution waren die Bolschewiki und Menschewiki wieder näher zusammengewachsen, wobei die Bolschewiki die Tendenz der Menschewiki, sich den Bürgerlichen unterzuordnen, immer wieder kritisierten. Die jeweiligen Lehren, die die beiden Fraktionen aus der Revolution zogen, führten über die Jahre aber zur endgültigen Spaltung, bis sie sich 1912 schließlich als eigenständige Parteien konstituierten.
Reformismus oder Revolution
Die Menschewiki waren zu dem Schluss gekommen, dass die Arbeiterklasse sich mit einem Platz in der zweiten Reihe begnügen und sich der Bourgeoisie unterordnen müsse. Die Bolschewiki wollten davon nichts hören. Ihrer Ansicht nach hatte die Revolution gezeigt, dass die Bürgerlichen gar nicht in der Lage waren, eine Revolution zu machen, weil sie zu eng mit den Großgrundbesitzern und dem Staat verbandelt sind. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sollen daher, unterstützt von den Bauern, die Revolution anführen. Das Ziel war eine „demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauern“. Trotzki ging noch einen Schritt weiter. Er stimmte Lenin zu, dass die Arbeiter die Revolution anführen würden, aber sie dürften dabei nicht halt machen, sondern müssten damit beginnen, sozialistische Maßnahmen durchzusetzen: Das Konzept der permanenten Revolution.
Nach der Niederlage der 1905er-Revolution lag die Arbeiterbewegung am Boden. Erst 1912 richtete sie sich langsam wieder auf, als nach einem Massaker an Minenarbeitern eine Streikwelle ausbrach. Die Bolschewiki konnten aus der Isolation ausbrechen und gewannen kontinuierlich an Unterstützung – bis 1914 schlagartig der Erste Weltkrieg ausbrach.
Über die Periode zwischen 1905 und dem Ausbruch des Kriegs, wird normalerweise nicht viel geschrieben. Zum Verständnis für Lenins Methode ist diese Zeit aber zentral. „Ohne revolutionäre Theorie, kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben“, schrieb er in „Was Tun?“. Und er meinte es auch so. Die Niederlage von 1905 und der darauffolgende allgemeine Pessimismus eröffneten auch innerhalb der Reihen der Bolschewiki viele Diskussionen. Soll man am Parlament teilnehmen oder nicht? Soll man nur im Rahmen der legalen Möglichkeiten arbeiten oder auch illegale Arbeit machen? In all diesen Fragen weigerte sich Lenin, theoretische Zugeständnisse zu machen. Immer wieder pochte er auf die Grundlagen des Marxismus. Und als dieser selbst in Frage gestellt wurde, verfasste er „Materialismus und Empiriokritizismus“, um sicherzustellen, dass die Partei auf einem festen philosophischen Fundament ruhte.
Mit ihrer Opposition gegen den Ersten Weltkrieg stand die Mehrheit der Russischen Sozialdemokraten in Europa fast alleine da. In den meisten anderen Ländern verrieten die Führer der sozialistischen Parteien die Arbeiter und unterstützten ihre jeweils eigenen herrschenden Klassen.
Im Allgemeinen waren die Marxisten völlig isoliert. Die Aussicht auf eine Revolution wirkte nicht sehr vielversprechend. Auch damals legte Lenin größten Wert auf Theorie, um die Situation zu erklären, wie er 1916 mit seinem Buch „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ zeigte. Doch diese völlige Isolation war nur der Auftakt für den gewaltigsten Aufschwung des Klassenkampfes in der russischen Geschichte, der schließlich die Arbeiter zur Macht tragen sollte: Die Russische Revolution 1917.
Lenin in der Russischen Revolution
Nach einer Welle von Streiks, die sich zur Revolution auswuchsen, musste der Zar im Februar 1917 abdanken. Die Macht lag auf der Straße. Es bilden sich zwei Ausschüsse. Auf der einen Seite: die provisorische Regierung: Sie bestand aus liberalen Bürgerlichen und gemäßigten Monarchisten. Später traten auch Menschewiki und Sozialrevolutionäre (eine Nachfolgepartei der Narodniki) in sie ein. Auf der anderen Seite wählte sich die Arbeiterklasse ihre eigene Vertretung – die Sowjets – wie sie es schon 1905 getan hatten.
Als Lenin hörte, dass die Mehrheit des Petrograder Sowjets, die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre, die provisorische Regierung unterstützten, schrieb er sofort an die örtlichen Bolschewiki: „Keine Unterstützung für die Provisorische Regierung! Kein Vertrauen in Kerenski!“
Lenin fasste die Aufgabe so zusammen: „unsere Revolution in den Prolog zur sozialistischen Weltrevolution verwandeln“. Die örtliche Führung der Bolschewiki (in Petrograd, wie St. Petersburg nun hieß, waren das Stalin und Kamenew) – sahen das anders. Auch sie akzeptierten die provisorische Regierung.
Ihnen donnerte Lenin nach seiner Ankunft in Russland die „Aprilthesen“ entgegen. Die Kernaussage war: „Es braucht eine zweite Revolution, alle Macht den Sowjets!“ Im Sowjet, der von den Menschewiki und Sozialrevolutionären dominiert war, hielt man Lenin wegen seinen Thesen für einen Verrückten. Selbst die Führung seiner eigenen Partei hatte Zweifel. Bei den Arbeitern in den Bezirksgruppen schlugen diese Thesen aber ein, wie eine Bombe. Sie hielten es wie Trotzki, der erzählte: „Zwei oder drei Tage, nachdem ich in Petrograd ankam, las ich Lenins Aprilthesen. Sie waren genau das, was die Revolution brauchte!“ Innerhalb weniger Wochen orientierte sich die Partei um und Lenins Aprilthesen wurden zu ihrem Programm.
Von nun an galt die gesamte Agitation der Partei der Machtübernahme durch die Arbeiterklasse. Noch waren die Bolschewiki mit dieser Position in der Minderheit: sie forderten die Menschewiki und Sozialrevolutionäre im Sowjet auf, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Schluss mit der provisorischen Regierung, die nur die Interessen der Kapitalisten vertritt! Anders können die unmittelbaren Forderungen der Massen – Frieden, Brot und Land für die Bauern – nicht gelöst werden. Die Devise lautete: „Geduldig erklären“.
Durch die Klarheit der bolschewistischen Position und das Zögern der Menschewiki und Sozialrevolutionäre, die sich hinter der provisorischen Regierung versteckten, gewannen die Bolschewiki immer mehr Unterstützung. Im Juli demonstrierten bewaffnete Arbeiter und Soldaten für die Machtübernahme – noch zu früh. Die Demonstration wurde niedergeschlagen und die provisorische Regierung drängte die Bolschewiki in den Untergrund.
Während die Menschewiki und Sozialrevolutionäre ihr Bestes taten, den Bürgerlichen nicht auf die Füße zu treten, regte sich im August eine Verschwörung um den reaktionären General Kornilow, der alle Arbeitervertreter zum Teufel jagen und eine Militärdiktatur errichten wollte. Im Kampf gegen Kornilow stellte sich heraus, dass die Bolschewiki die entschlossensten Kämpfer gegen die Reaktion waren. Durch ihre Strategie wurde aus der ganzen Affäre nichts. Kornilows Soldaten gingen einfach nachhause. Es dauerte von nun an nicht mehr lange, bis die Bolschewiki auch die Mehrheit in den Sowjets gewonnen und die Staatsmacht erobert hatten. Durch die geduldige Vorarbeit war die tatsächliche Machtübernahme eine relativ einfache Angelegenheit. Bewaffnete Arbeiter und Soldatenabteilungen, die Roten Garden, besetzten kurz vor Beginn des 2. Sowjetkongresses im Oktober, der eine bolschewistische Mehrheit hatte, strategisch wichtige Orte und verhafteten die provisorische Regierung.
Innerhalb weniger Tage wurde ein Friedensdekret erlassen, die Bauern erhielten Land, die Geheimdiplomatie wurde abgeschafft und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen wurde zum gültigen Prinzip. Die neue Regierung mit Lenin an der Spitze, der Rat der Volkskommissare, setzte die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau durch und verordnete die völlige Trennung von Kirche und Staat. In den Betrieben wurde die Arbeiterkontrolle eingeführt. Von nun an soll nichts mehr ohne die Erlaubnis der Arbeiter passieren. Alles, was die Menschewiki und Sozialrevolutionäre für unmöglich gehalten hatten wurde in kürzester Zeit durchgesetzt.
Für die Kapitalisten war das eine völlige Katastrophe. Nur wenige Tage nachdem der Sowjet die Regierungsgewalt in die Hand nahm, organisierten die s.g. Weißen Generäle konterrevolutionäre Truppen gegen das nunmehr Rote Petrograd. Ihnen schlossen sich nicht wenige an, die von den Roten Garden zwar eingesperrt wurden, aber wieder freikamen, nachdem sie geschworen hatten nicht mehr gegen die Revolution zu kämpfen. Sie stürzten das ganze Land in einen Bürgerkrieg, der die junge Sowjetrepublik in den nächsten vier Jahren im Griff hielt.
Lenins Erbe
Für Lenin und die Bolschewiki war klar, dass die Russische Revolution auf sich alleine gestellt nicht überleben konnte. Sie sahen die dringlichste Aufgabe in der Ausbreitung der Revolution und begannen mit dem Aufbau einer neuen internationalen Kampforganisation – der Kommunistischen Internationale (Komintern).
Diese Organisation wurde nach ihrer Gründung 1919 mit enormen Enthusiasmus aufgenommen. In vielen Ländern bildeten sich Kommunistische Parteien mit massenhafter Unterstützung. Doch es waren nicht die besten Voraussetzungen. Lenin und die Bolschewiki hatten über viele Jahre eine straffe Organisation aufgebaut, die fest auf dem Boden des revolutionären Marxismus stand. 1917 gab es in Russland sozusagen schon einen Generalstab für die Revolution, während sich die Kommunistinnen und Kommunisten in den anderen Ländern diesen erst schaffen mussten. So gelang es den Bürgerlichen mithilfe der Reformisten gerade noch, die revolutionäre Welle, die den Ersten Weltkrieg beendete, in sichere Bahnen zu lenken.
In der Geschichtsschreibung ist es heute populär, Lenin als blutrünstigen Diktator darzustellen, der erst die Grundlage für die mörderischen Exzesse des Stalinismus legte und keine abweichenden Meinungen tolerierte. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die bolschewistische Partei war extrem demokratisch und ihr inneres Leben war von ständigen Debatten geprägt. Oft wurden Fraktionskämpfe ausgetragen, in denen nicht selten Lenin selbst in der Minderheit war, oder sich nur knapp durchsetzen konnte. Wie hätte es so etwas in einer diktatorisch beherrschten Partei geben können?
Tatsächlich ist es so, dass die Bolschewiki, die die Oktoberrevolution durchgeführt hatten, und Stalins bürokratisches Regime durch ein Meer von Blut voneinander getrennt sind. Die Autorität Lenins entstammte seinen Ideen, die von der Praxis bestätigt wurden. Stalin und seine Clique zerstörten diese Partei mit bürokratischen Manövern und Gangstermethoden bis hin zur Ermordung unzähliger Revolutionäre. Noch zu Lebzeiten führte Lenin gemeinsam mit Trotzki einen Kampf gegen diese damals schon sichtbaren Entwicklungen: Es reicht ein Blick in die letzten Bände der Lenin Werke und sein politisches Testament, in dem er die Entfernung Stalins als Generalsekretär gefordert hatte.
In den letzten Jahren seines Lebens war es ihm aber immer weniger möglich am politischen Leben teilzunehmen. Er erlitt zahlreiche Schlaganfälle und konnte zeitweise nicht einmal sprechen. Am 21. Jänner 1924 starb er schließlich.
Vieles hat sich seither verändert, doch die Gesellschaft, in der wir leben, funktioniert nach den gleichen Regeln. Mehr denn je sorgt der Kapitalismus für Krisen, Elend und Barbarei. Lenin und die Bolschewiki waren es, die dem zum ersten Mal ein Ende setzten. Es liegt an uns, in ihre Fußstapfen zu treten.
(Funke Nr. 220/26.1.2024)