Seit Beginn der Krise fordert die reformistische Linke eine „Reichensteuer“ als Antwort auf die Krise. Aufgrund der neuerlichen Zuspitzung der Krise und mit der Idee eines Volksbegehrens für die Vermögenssteuer seitens der SPÖ NÖ gewinnt diese Frage wieder an Relevanz.
Staatsschuldenkrisen und die Frage, welche Klasse für die Krise zu zahlen hat, standen in der Geschichte immer wieder am Beginn großer Revolutionen. Ein gutes Beispiel liefert die Französische Revolution, die mit Debatten in den Generalständen zu diesem Thema ihren Ausgang nahm. Doch ab dem Zeitpunkt, wo die Massen als selbständiges Subjekt die Bühne der Geschichte betreten haben, rückte diese Frage völlig in den Hintergrund. Ein ähnliches Szenario scheint auch für heute vorhersehbar. Die Länder, in denen sich die Klassenkämpfe rund um die Frage der Sanierung der Staatshaushalte bereits zugespitzt haben, wie Frankreich oder Spanien, spielt diese Forderung keine zentrale Rolle. Im Fall von Griechenland hat die PASOK-Regierung sogar versucht mit einer derartigen „Solidarabgabe“ auf Vermögen das Bild einer Budgetsanierung zu zeichnen, die von allen Klassen getragen wird. Die Bewegung selbst hat aber ganz klar den Kampf zur Verhinderung des Sparpakets und der Privatisierungen als ihre Hauptaufgabe gesehen. Auch in Italien ging anfangs Berlusconi mit dem Konzept einer Vermögenssteuer ins Rennen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass das neue Budget sozial ausgeglichen saniert wird. Dieser Schachzug hat aber keineswegs sein Ziel erreicht. Unter dem Druck aus den eigenen Reihen musste die CGIL bereits für Anfang September einen ersten Generalstreik ausrufen.
Sobald der Klassenkampf also eine gewisse Intensität erreicht, spielt die Forderung nach einer Vermögenssteuer eine völlig untergeordnete Rolle. Der Konflikt um eine Solidarabgabe oder Reichensteuer ist nicht mehr als ein Vorbote für den Klassenkampf, drückt die aufgrund der Krise zunehmenden Spannungen in der Gesellschaft aus, die sowohl von der reformistischen Bürokratie (meist unter dem Einfluss reformistischer Intellektueller, wie in Österreich diverse „fortschrittliche“ ÖkonomInnen, ATTAC oder Robert Misik) wie auch von „aufgeklärten“ Bürgerlichen, die verstanden haben, dass sich in den Tiefen der Gesellschaft ein Vulkanausbruch vorbereitet, aufgenommen werden und in ein Programm gegossen werden.
Sobald den Massen der gegenwärtige Zustand nicht mehr zumutbar scheint und sie in ihrer großen Masse zu kämpfen beginnen, greifen sie jedoch im Klassenkampf zu anderen Methoden und Programmen. Dies wirft ganz andere Fragen auf als jene der Vermögensbesteuerung. Nämlich: Wer hat die Macht im Betrieb? Wer hat die Macht in der Gesellschaft?
In so einer Situation werden relevante Sektoren der Bourgeoisie, wenn auch zähneknirrschend, solche Zugeständnisse machen, allein schon um ihre bröckelnde ideologische Hegemonie zu sichern. Vorbereitet wird dies durch einige intelligentere Vertreter des Kapitals, die schon jetzt Reichensteuern einmahnen.
In Österreich befinden wir uns aus spezifischen Gründen, die wir in unseren letzten Österreich-Perspektiven dargelegt haben, nicht auf dem selben Klassenkampfniveau wie die Staaten in der Peripherie Europas. Die Krise war bislang in einem Stadium, wo offene Klassenauseinandersetzungen noch nicht unumgänglich waren. Hier stellt die Forderung nach einer Vermögenssteuer eine der zentralen politischen Konfliktfelder der letzten zwei Jahre dar. Einen Höhepunkt erreichte dies am Bundesparteitag der SPÖ, als die Führung um Faymann sich gezwungen sah, diese Forderung des Gewerkschaftsflügels, der SJ und der Linken offiziell aufzunehmen. Bei der darauffolgenden Budgetsanierung, die ebenfalls mehrheitlich über Kürzungen im Sozial- und Bildungssystem passierte, setzte die SPÖ in kosmetischen Dosen vermögensbezogene Steuern durch. Die Frage einer echten Vermögenssteuer ist jedoch, auch wenn sie für die Superreichen leicht zu bestreiten wäre, von großer Symbolkraft und bringt zum Ausdruck, wer in der Regierung das Sagen hat. Die ÖVP und die IV sehen derzeit keinerlei Veranlassung, warum sie in dieser symbolischen Konfliktaustragung ohne Druck von unten Zugeständnisse machen sollte. In den kommenden Nationalratswahlen und danach könnte sich dieser Konflikt zwischen Bourgeoisie und der Arbeiterbewegung somit zuspitzen. Sollte sich die Krise auch hierzulande wieder verschärfen (und alles deutet darauf hin!) und der Druck weitere Sparpakete vorzunehmen größer werden, wird in den Reihen der Gewerkschaft und der SPÖ der Ruf nach einer Vermögenssteuer wieder lauter werden. Bei einem harten Sparpaket werden wir aber auch in Österreich vielmehr eine Eskalation des Klassenkampfes in Form von Gewerkschaftsprotesten, Abwehrstreiks und Arbeitskämpfen sehen als eine große Mobilisierung für ein Volksbegehren für eine Vermögenssteuer.
Wir unterstützen die Forderung nach einer Reichensteuer, auch wenn sie als Antwort auf die Krise viel zu wenig weitreichend ist. Die Steuer würde nach dem Modell der SPÖ 0,5-2 Mrd. Euro aufbringen, das entspricht bestenfalls dem Abgang im Staatshaushalt aufgrund der Kosten bei der Hypo Alpe Adria. Wir unterstützen diese Forderung jedenfalls nicht wie die linken ReformistInnen. Die Gewerkschaften erhoffen sich überhaupt durch die Vermögenssteuer einfach das nötige Geld zur Finanzierung wichtiger sozialstaatlicher Elemente. Dabei lassen sie aber völlig unter den Tisch fallen, dass der Kampf um höhere Löhne und gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse ein viel effizienteres Mittel wäre, um Geld in die leeren Sozialkassen zu bringen. Die SJÖ erhebt mit ihrer Kampagne „Tax the rich“ dies als einzige konkrete Forderung und versieht dies lediglich mit dem Zusatz, dass es sich bei der Krise um einen Systemfehler handelt und Sozialismus das Ziel sei, ohne zu erklären, wie dieses Ziel konkret erreicht werden könnte. Für MarxistInnen ist die Vermögenssteuer ein (ziemlich untergeordneter) Punkt in einem sozialistischen Gesamtprogramm. Für sich allein genommen handelt es sich nur um einen Tropfen auf dem heißen Stein angesichts der Tiefe der Krise. Unsere Antwort auf die Krise heißt, dass wir die Schlüsselsektoren der Wirtschaft enteignen und unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlichen müssen, um die Grundlage für eine sozialistische Planwirtschaft zu legen (siehe Schwerpunkt Funke Nr. 105).
Teile der SPÖ-Spitze sehen offenbar darin eine Möglichkeit einer Mobilisierung im Vorfeld eines Wahlkampfes. Ein solches Volksbegehren kann mangels einer realen sozialen Bewegung durchaus den Unmut größerer Schichten der Klasse, gerade der organisierteren, zum Ausdruck bringen. Deshalb werden wir eine solche Kampagne auch unterstützen. Die entscheidende Frage ist und bleibt aber wie sich der Klassenkampf allgemein entwickelt. Hier kann es durchaus auch sprunghafte Entwicklungen geben, die die ReformistInnen mit ihrem statischen Blick auf die Dinge sich nicht vorstellen können. Soziale Explosionen werden sich anhand von anderen Fragen auftun. Ab einem gewissen Punkt könnte die Bürokratie sogar gezielt diese Kampagne nutzen, um eine soziale Bewegung zu bremsen und in geordnete Bahnen zu lenken. Solche Beispiele gibt es in der Geschichte zu Genüge, auch in der jüngeren österreichischen. Schon jetzt gilt es überall dort, wo Lohnabhängige für ihre Interessen zu kämpfen beginnen, dies zu unterstützen und diesen Kämpfen eine revolutionäre, eine sozialistische Perspektive zu geben. Es sind diese Kämpfe, aus denen eine kämpferische Arbeiterbewegung entstehen wird, die dem Kapitalismus ein Ende setzen kann.