Die Metallindustriellen wollen es wissen. Sie bieten nur 2,5% Lohnerhöhung und zwingen damit die Gewerkschaft in den Arbeitskampf, den diese eigentlich vermeiden wollte. Jetzt gilt es, mutig zu kämpfen, meint Emanuel Tomaselli.
Nach der zweiten Verhandlungsrunde am 20.10. wurde aus der Ahnung Gewissheit. Die Industriellen wollen nur 2,5% mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 1050€, aufgeteilt auf zwölf Monatsraten, geben. Nach ihrer Rechnung würde dies eine Lohnsteigerung von „bis zu 9%“ ergeben. Das ist eine reine Provokation, ja eine Verhöhnung.
Die Gewerkschaften hatten zuvor zu regionalen Betriebsrätekonferenzen aufgerufen. Hier wird informiert, man zählt die Spannkraft der Gewerkschaft (welche Betriebsräte folgen dem Aufruf?), und es wird abgestimmt. Formal besteht auch Raum zur Debatte, aber dieser wurde von den anwesenden Betriebsräten nur spärlich genutzt. Das ist bedauerlich, denn es gäbe einiges auszudiskutieren. Routine hilft in dieser Situation nicht mehr weiter.
Einige Betriebsräte betonten ihre Kampfbereitschaft, leise Kritik war an der Verhandlungstatik hörbar („zu niedere Einstiegsforderungen, da kann man sich nicht in der Mitte treffen“). Die Gewerkschaftsführung schlug auf den Betriebsrätekonferenzen einen moderaten Ton an. Ihre Reden wirkten sehr beruhigend, auf rhetorisch aufputschende Stimmungsmache wurde verzichtet. Die Kalkulation dürfte sein, dass die Unternehmer so heftige Profite eingefahren haben, dass der Ausgleich der „rollierenden Inflation“ von 9,6% jedenfalls „sozialpartnerschaftlich“ erreicht werden kann.
Dies umso mehr, als die Gewerkschaftsführung, wie sie glaubt, verlockende politische Angebote in ihrer Verhandlungsmappe hat: einen „Plan für Zukunft und das gute Leben“, wie ihn GPA-Verhandlungsführer Dürtscher nennt. Kerngedanke ist eine gemeinsame politische Initiative von Arbeitgebern und Gewerkschaft für Bürokratieabbau, Planungssicherheit für die Industrie (gemeint ist eine industriefreundliche Klima-Gesetzgebung) und eine Offensive zur Weiterqualifizierung von 30.000 Beschäftigten (damit man sich „die Leute nicht aus Indonesien etc. importieren muss“).
Dass die Gewerkschaft glaubt, diesen Plan am besten mit ihren Experten im Rahmen einer schwarz-roten Regierung umsetzen zu können, kann als gegeben angenommen werden. Nach dieser Vorlage dürfen auch Betriebsräte mitreden, wer hier gefördert wird. Die Rolle des Betriebsrats als Verwalter des sozialen Ausgleichs im Betrieb soll so abgesichert werden.
Keine gemeinsame politische Lösung
Die Antwort auf diese Mischung aus Utopie und Zahmheit kam dann eben prompt bei der zweiten Verhandlungsrunde. Die Unternehmer weigerten sich, die Verhandlungen mit den Gewerkschaften überhaupt erst zu beginnen, weil sie angeblich einen Drohbrief bekommen haben. „Grund dafür sind anonyme Drohungen gegen Repräsentanten der Metalltechnischen Industrie. Für diese aggressive Stimmung in der Öffentlichkeit und die Verrohung der Sprache sieht der Fachverband auch die Gewerkschaften als mitverantwortlich, die in den letzten Tagen mit massiven Angriffen und aggressiver Sprache gegen die Arbeitgeber persönlich mobilisiert haben“, so die Metaller-Bosse in einer Aussendung.
Aus Verhandlerkreisen hören wir, dass ein Gewerkschaftsplakat mit dem Porträt eines Metall-Industriellen als Bedrohung seines persönlichen Lebens aufgefasst wurde. Die Gewerkschaften distanzierten sich umgehend:
„Drohungen sind absolut inakzeptabel, ein solches Vorgehen lehnen wir ab. Sozialpartnerschaftliche Gespräche sind das Gegenteil von Aggressivität. Gleichzeitig weisen wir den Vorwurf zurück, an solchem Verhalten schuld zu sein.“
Sie haben sich tief gebückt, doch das stärkt die Unternehmer nur. Medial lassen die Bosse ausrichten:
„Streiks werden in Österreich Gott sei Dank in Sekunden gemessen. Angst haben wir, wenn überhaupt, aber nur vor einer massiven Kostenbelastung auf der Unternehmensseite.“
Schwäche lädt Aggression ein
Am 24.10. begannen Betriebsversammlungen in hunderten Metallerbetrieben in ganz Österreich. Diese sind nur unterbrochen und werden wieder aufgenommen, wenn die nächsten (geplanten) Verhandlungen am 2.11. kein tragbares Ergebnis bringen. Es kommt also nur dann zu keinen Streiks, wenn die Gewerkschaft in den Verhandlungen ganz kapitulieren würde: ein Lohnabschluss deutlich unter der Inflation und andere Abstriche wie sogenannte „Öffnungsklauseln“ (also keine Lohnerhöhung in Betrieben mit „wirtschaftlichen Problemen“) oder dergleichen.
Die Unternehmer haben in den vergangenen zwei Jahren die historisch höchsten Gewinne eingefahren. Die Exporte steigen auch dieses Jahr stetig an. Doch die Unternehmer sehen keine Veranlassung, sich weiter mit „alten Ritualen wie einer Benya-Formel“ (die besagt, dass die Löhne im Ausmaß der Inflation und des halben Produktivitätsfortschritts angehoben werden sollen) abzufinden. Sie spüren, dass mehr geht
Seit Jahren drängen sie die Gewerkschaften im Metallbereich zurück, und sie nehmen wahr, dass die Arbeiterbewegung keine kämpferische Gegenstrategie entwickelt hat. Warum sich also mit kleinen Brötchen begnügen? Wie verbreitet diese Haltung ist, zeigt sich auch daran, dass in immer mehr Betrieben die Betriebsräte offen angegriffen und sogar gekündigt werden. Dabei ist es ganz egal ob es sich um kämpferische KollegInnen handelt (wie bei Georg Fischer in Niederösterreich) oder bekanntermaßen unkämpferische (wie bei Grass in Vorarlberg).
Die Unternehmer wollen die Beschäftigten immer mehr drücken, individuelle Vereinbarungen treffen, eine Ausbeutungsflexibilität über jeden Arbeiter errichten.
Der einzige Weg nach vorne ist die Solidarität, die Überwindung jeder Spaltung. Arbeiterinnen und Arbeiter müssen sich aktiv in die kommende Streikbewegung einbringen, und nicht darauf warten, ob oder bis sie von oben darum aufgerufen werden, die Arbeit niederzulegen!
Sie müssen mutig sein, und zwar auch in den Betrieben, wo es die Betriebsräte nicht sind. Sie müssen vertrauensvolle Beziehungen unter den Kollegen in ihrer Schicht und Abteilung herstellen, um eine starke Streikfront aufzubauen.
Die mutigsten Kolleginnen und Kollegen sind eingeladen sich uns vom „Funke“ anzuschließen, denn nur mit einer kämpferischen Strategie, wie wir sie aufgrund unserer politischen Erfahrung vertreten, kann man diesen Kampf erfolgreich führen. Damit die Arbeiterinnen und Arbeiter wieder in die Offensive kommen!
(Funke Nr. 218/25.10.2023)