In der März-Ausgabe der „Kompetenz“, zeichnet die GPA das Bild einer Welt, in der die Probleme der Menschen durch soziale Arbeit gelöst werden. Führt ein Kapitalismus mit sozial(arbeiterisch)em Antlitz die Menschen auf den Weg zu einer besseren Gesellschaft oder wieder nur in die kapitalistische Sackgasse?
Für viele Linke scheinen der Sozialstaat bzw. die soziale Arbeit die Zaubermittel gegen den neoliberalen Wendewind zu sein, der uns nicht erst seit der FPÖVP-Regierung immer stärker entgegen bläst. Die KollegInnen der GPA sprechen sogar in diesem Zusammenhang von einem „Social Profit“, der uns allen was bringt! Statt davon zu schwärmen wie toll es ist, dass Physiotherapeuten Rückenschmerzen und Stressverspannungen heilen, sollten sie sich lieber fragen, ob diese Schmerzen nicht von den schlechten Arbeitsbedingungen in vielen Betrieben und der Stress, unter dem viele Menschen leiden, vom enormen Arbeitstempo herrühren. Natürlich ist es löblich, dass sich SozialarbeiterInnen um drogensüchtige Menschen kümmern, aber sollte man nicht hinterfragen, warum in unserer Gesellschaft immer mehr Menschen süchtig werden? Ist es nicht so, dass viele Menschen es in dieser Gesellschaft einfach nicht mehr aushalten ohne sich zuzudröhnen.
Würden solche Fragen gestellt, müsste man natürlich zu der Einsicht gelangen, dass man eher die Ursachen dieser Erscheinungen bekämpfen sollte, als sie durch soziale Arbeit zu lindern. Dann aber würden die KollegInnen von der GPA-Führung ein Problem bekommen, denn eine Veränderung der Gesellschaft passt nicht gut in das sozialpartnerschaftliche Konzept, dem sie sich verschrieben hat.
Sozialstaat als hegemoniale Strategie…
Reduzieren wir das Wesen der heutigen kapitalistischen Gesellschaft auf das Wesentlichste, ist ihre grundlegende Funktion, Produktionsbedingungen zu schaffen, unter denen die KapitalbesitzerInnen eine höchstmögliche Kapitalakkumulation, einen maximalen Profit erzielen können. Die Produktionsbedingungen und ihre ständige Reproduktion sind die Grundlage der kapitalistischen Wirtschaft. Um diese Reproduktion zu gewährleisten, bedarf es einer strukturellen Einheit der Gesellschaft. Diese ist aber nicht durch konkurrierende kapitalistische Unternehmen zu erreichen, sondern nur durch den Staat und die staatliche Politik. Durch Herstellung eines gewissen Ausgleichs zwischen den miteinander konkurrierenden KapitalistInnen bzw. zwischen dem Kapital und der Arbeiterklasse und anderen Schichten soll ein andauernder gesellschaftlicher Konsens gewährleistet werden. Friedrich Engels beschrieb daher die Funktion des Staates als die eines „ideellen Gesamtkapitalisten“.
Eine zweite wichtige Voraussetzung zur Sicherung der Reproduktion ist die andauernde, freiwillige Zustimmung der Menschen zum herrschenden politisch-ökonomischen System. Dazu bedarf es der Hegemonie von bestimmten Überzeugungen, Einstellungen und Werten, die als Stütze des Systems dienen. Neben vielen ideologischen Mitteln, den Klassencharakter des Staates zu verschleiern, ist der bürgerliche Staat bedacht, sich ein soziales Mascherl umzuhängen – womit wir beim sogenannten „Sozialstaat, angelangt sind.
Wie der Staat an sich, so kann auch die Entwicklung des „Sozialstaats“, oder besser gesagt der Sozialpolitik des bürgerlichen Staates, nur in Zusammenhang mit der ökonomischen Basis, den systemimmanenten Widersprüchen und der damit einhergehendenden massiven Ungleichheit der kapitalistischen Gesellschaft verstanden werden. Die katastrophalen, menschenunwürdigen Lebensbedingungen zwangen die ArbeiterInnen sich zu organisieren und zu kämpfen. Nur durch die Methoden des Klassenkampfes rangen sie dem bürgerlichen Staat die sozialen Maßnahmen ab, die wir jetzt als Sozialstaat ansehen.
Wie aus allen historischen Prozessen bekannt, wirkten auch die errungenen sozialen Leistungen dialektisch auf die Arbeiterklasse zurück. Der bürgerliche Staat schaffte es durch ideologisch verzerrte Darstellung dieses Kampfes, sich als sorgender Sozialstaat darzustellen und damit seinen eigentlichen Klassencharakter zu verschleiern. Die Illusion des Sozialstaates ist eine der zentralen hegemonialen Strategien, um die ArbeiterInnen in das System zu integrieren und dadurch einen sozialen Frieden herzustellen. Durch die ideologische Darstellung nehmen die Menschen in diesen Errungenschaften nicht mehr das Produkt ihres Kampfes war, sondern sie sehen darin das Eingreifen der „neutralen Schlichtungsstelle, Staat.
Natürlich hat der Sozialstaat nicht nur eine ideologische Funktion sondern auch eine materielle. Durch Unfall- oder Krankenversorgung, oder auch durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der Menschen, dient er dazu die Reproduktion der Arbeitskraft in einem für das Kapital adäquaten Sinne zu gewährleisten. Durch die Sozialleistungen werden in gewissem Maße auch die eklatantesten ökonomischen und sozialen Ungleichheiten in dieser Klassengesellschaft gemildert. Dies wiederum ist die Basis für sozialen Frieden und ermöglicht in weiterer Folge eine ungestörte Produktion und damit die Maximierung der Gewinne der KapitalistInnen und die Ausbeutung der Arbeitskraft der ArbeiterInnen.
… und Sozialarbeit als ausführendes Mittel
Ihm Rahmen ihrer Aufgaben im Sozialstaat unterstützt die Sozialarbeit die Vermittlung der herrschenden Ideologie, vor allem durch die Konzeption und den Auftrag ihrer Arbeit. Das Hauptaugenmerk der Sozialarbeit gilt den „KlientInnen“, wie die Betroffenen in der Sprache der Sozialarbeit genannt werden. Das Verhalten dieser soll verändert werden, damit sie sich in der gegebenen Gesellschaft zurechtfinden. Diese Sicht der Dinge verlagert die sozialen Missstände und Probleme auf die Person des/der Betroffenen und behandelt nicht den gesellschaftlichen Ursprung sozialer Probleme. Durch diese Sichtweise wird ein ideologisches Konzept transportiert, dass die KlientInnen selbst schuld an ihrer Lage sind, und dadurch wird der Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse verdeckt, die die Ursachen für die sozialen Probleme darstellen. Um aber die Eingliederung in das bestehende System zu erreichen, ist es wichtig, dass sich die Betroffenen an bestimmte Normen anpassen. Diese Normen sind aber jene herrschenden Normen, die in unserer Gesellschaft propagiert werden und die zu ihrer Stabilität beitragen. Die Akzeptanz dieser Normen und der Versuch der Anpassung der Betroffenen an diese, fördert wiederum ihre gesellschaftliche Akzeptanz und dadurch die Unterwerfung der Menschen unter diese Normen und Spielregeln des Kapitalismus. Natürlich hat die Sozialarbeit auch eine unmittelbare materielle Funktion. Unter anderem trägt sie dazu bei, kranke oder delinquente Menschen wieder den Anforderungen, die die Gesellschaft und dadurch der Produktionsprozess an sie stellen, anzupassen. Durch die Betreuung von Arbeitslosen, vor allem durch Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, ermöglicht sie es diese Menschen wieder in den Kreis der potentiellen Arbeitskräfte einzugliedern. Aus diesen können bei Bedarf wieder Arbeitskräfte rekrutiert werden. Die Sozialarbeit hilft mit bei der Grundversorgung der Menschen, die aus dem Produktionsprozess ausgestoßen wurden. Diese Grundversorgung (materiell oder ideell), ermöglicht es den Betroffenen, sich in einem gewissen Maße wieder in die Gesellschaft zu integrieren, wodurch sie wieder als potentielle Arbeitskräfte aber auch als Konsumenten dienen können.
…sind nicht der Weisheit letzter Schluss!
Wir sprechen uns damit natürlich nicht gegen Formen einer Sozialgesetzgebung im Rahmen des bürgerlichen Staates aus. Ganz im Gegenteil, wir wehren uns verbissen gegen jeden Sozialabbau. Diese sozialen Errungenschaften sind Ergebnis des Kampfes der Arbeiterklasse in der Vergangenheit. Aber sie stellen doch nur einen (schlechten) Kompromiss zwischen den Klassen dar.
Der Sozialstaat schützt nicht davor, dass auch in Österreich die Armut mehr und mehr zunimmt und dass die Menschen durch diese Gesellschaft immer stärker physisch und psychisch geschädigt werden. Die sozialen Missstände, die in einer Klassengesellschaft entstehen, können nicht beseitigt oder gelöst sondern maximal nur gemildert werden. Für eine wirkliche Lösung der Probleme bedarf es einer radikaleren Lösung, als der, die uns präsentiert wird. Dazu braucht man keine SozialarbeiterInnen sondern eine kampfbereite und organisierte Arbeiterklasse, die das Übel an der Wurzel packt und es ausreißt.