Das Bündnis “Wege aus der Krise” hielt gestern in Wien einen „Alternativen Budgetgipfel“ ab. Eine konkrete Perspektive für den Aufbau einer Bewegung gegen das drohende Sparpaket blieb das Bündnis aber schuldig.
Die Idee eines “Alternativen Budgetgipfels” war durchaus nett, hatte doch die Bundesregierung willkürlich die Budgetrede im Nationalrat von 22. Oktober auf Anfang Dezember verschoben, weil sie sich bei diesem Termin bessere Chancen ausrechnet das Belastungspaket ohne großen Widerstand durchboxen zu können. Mit dieser medienwirksamen Aktion ließ sich gut auf diesen leichtfertigen Umgang der Regierung mit parlamentarischen Regeln und Verfassungsbestimmungen hinweisen. Doch die konkrete Umsetzung war alles andere als ein Schritt vorwärts für die Kräfte, die verhindern wollen, dass die Masse der Bevölkerung für die Krise zahlen muss.
Allein schon die Uhrzeit (10-12 Uhr) war eher darauf ausgerichtet am nächsten Tag einige Medienberichte zu bekommen, als Betroffenen ein Forum zu bieten, um Widerstandsstrategien zu diskutieren und zu organisieren.
Das zivilgesellschaftliche Bündnis “Wege aus der Krise”, zu dem neben Organisationen wie ATTAC, die Armutskonferenz und Greenpeace auch die ÖH und Einzelgewerkschaften wie die VIDA gehören, gab sich bei diesem “Gipfel” äußerst staatstragend und versuchte der hohen Politik gute Ratschläge zu machen, wobei SPÖ und Grüne sogar mit SpitzenvertreterInnen anwesend waren.
Der “alternative Budgetentwurf” beinhaltete durchaus eine Reihe netter Forderungen, was zeigt, dass kritische WirtschaftswissenschaftlerInnen ernsthafte Überlegungen und Rechnungen angestellt haben. So wird eine Vermögenssteuer, die Abschaffung von Steuerprivilegien bei Kapitaleinkommen und –gesellschaften, eine Börenumsatzsteuer usw. gefordert. Dass der Ruf nach einer “einnahmenseitigen” Budgetsanierung aber nicht immer progressiv ist, zeigt sich im Vorschlag einer “ökologisch nachhaltigen Steuerreform”. Die geforderte Erhöhung der Mineralölsteuer für Diesel, die schon vor Monaten auch die ÖVP ins Spiel gebracht hat, hat eindeutig eine regressive Wirkung. Daran würde auch die “sozialen Ausgleichsmaßnahmen für Menschen, die in Regionen ohne zumutbare öffentliche Verkehrsanbindung leben,” nicht viel ändern.
Die Mehreinnahmen, die sich aus diesem Budgetentwurf ergeben würden, würde das Bündnis zur Gänze für eine Reihe von Zukunftsinvestitionen verwenden. Die Grundthese lautet, dass diese Mehrausgaben dem Ziel einer Budgetkonsolidierung nicht widersprechen würden, weil dadurch ja die Beschäftigung, das Wachstum und somit auch die Steuereinnahmen angekurbelt würden. Außerdem könnten durch das Umlenken von Ressourcen die vorhandenen Budgetmittel sinnvoller und kostensparender eingesetzt werden (Stichwort Verwaltungsreform). Dazu bräuchte es aber einen “transparenten, partizipativen Prozess unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen” ab 2011.
Prinzipiell akzeptiert das Bündnis in seinem Papier den EU-Stabilitätspakt, der den Mitgliedsstaaten eine Budgetkonsolidierung von 0,5% des BIP pro Jahr vorgibt, und somit die ganze Sparlogik, die dahinter steht. Kritisiert wird nur, dass die österreichische Regierung den Musterschüler gibt und sogar 1% des BIP einsparen will.
Im Kampf gegen die hohe Arbeitlslosigkeit fasst das Bündnis eine Arbeitszeitverkürzung ins Auge. Die Forderung enthält aber nicht den wichtigen Zusatz “bei vollem Lohnausgleich” sondern beschränkt sich auf die Sprachregelung “bei den unteren und mittleren Einkommen, ein möglichst vollständiger Lohnausgleich”. Der Lohnverlust bei freiwilliger Arbeitszeitverkürzung soll nach einem “Solidaritätsprämien-Modell” zu 55% vom AMS und somit aus Steuergeldern finanziert werden, was also einer Umverteilung innerhalb der ArbeiterInnenklasse gleichkommt. Ansonsten soll der Staat aus den Einnahmen einer Vermögenssteuer die Unternehmen, die die Arbeitszeit verkürzen und mehr Arbeitskräfte einstellen, subventionieren. Bezeichnend auch die von der Vertreterin der “Armutskonferenz” vorgebrachte Argumentation für eine Arbeitszeitverkürzung: “Da wir ja mit einer Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters rechnen müssen, ist es sinnvoll, die Arbeitszeit zu verkürzen, damit die Menschen in höherem Alter körperlich und psychisch auch noch imstande sind zu arbeiten!”
Um dem Anspruch gerecht zu werden, dass ohnedies nur “realistische” Alternativen vorgelegt werden, wurden in diesem zivilgesellschaftlichen Wunschkonzert auch viel geringere Zahlen für den Ausbau z.B. der Kinderbetreuung angegeben, als eigentlich notwendig wäre. Auch bei der Einführung der Vermögenssteuer wurden nur 800 Mio. Euro vorgesehen, obwohl bestehende Modelle eigentlich viel höhere Mehreinnahmen (ca. 3,5 Mrd. Euro) prognostizieren würden.
Widerstand organisieren oder Politik beraten?
So brav sich das Bündnis auch zu geben versucht, so sind ihre Vorstellungen doch äußerst naiv. Der Anspruch, der Regierung vernünftige Argumente in die Hand zu geben, geht angesichts der konkreten Umstände völlig an der Realität vorbei. ATTAC-Vertreterin Alexandra Strickner meinte in ihrer Rede: “Wir adressieren mit diesem Alternativen Budgetgipfel die Politik. Aber wir wenden uns auch an die Öffentlichkeit, an Sie alle, damit Sie dann mit ihren Abgeordneten über dieses Budget diskutieren.”
In ganz Europa wälzen die Regierungen die Kosten der Krise in Form von Spar- und Belastungspaketen auf die Lohnabhängigen und die Jugend ab. Selbst angesichts von Generalstreiks und Massendemos waren die Herrschenden bisher nicht bereit von diesem Kurs einer Sparpolitik abzurücken. Österreich mag zwar eine lange Tradition des politischen Interessensausgleichs haben, doch man muss schon sehr gutgläubig sein, wenn man meint, dass über Gespräche mit den Abgeordneten ein politischer Kurswechsel in dieser Frage und angesichts der Tiefe der Krise herbeigeführt werden könne. Der ökonomische Druck ist zu hoch, als dass die Bürgerlichen rein durch Argumente von ihren Vorhaben abgebracht werden könnten. Wer diese Illusion schürt, der muss sich zumindest den Vorwurf gefallen lassen, dass damit einer künftigen Bewegung gegen Sozialabbau kein Dienst erwiesen wird – um es nett auszudrücken. Dass Organisationen wie Greenpeace oder ATTAC sich auf solch symbolischen Protest beschränken, weil sie auch gar keine anderen Mittel haben, ist nachvollziehbar und zeigt eben, welchen Charakter die Zivilgesellschaft hat. Dass sich Gewerkschaften wie die VIDA oder die PRO.GE hinter diesem Bündnis mit der “Zivilgesellschaft” verstecken, ist aber durch nichts gerechtfertigt.
Wir stehen auch in Österreich vor großen Klassenauseinandersetzungen. Wenn wir das drohende Sparpaket nicht nur etwas “sozial ausgeglichener” machen wollen, sondern jegliche Angriffe auf unseren Lebensstandard verhindern wollen (und genau das muss unser Ziel sein!), dann müssen wir eine alternative Strategie entwickeln. In erster Linie bedeutet dies, dass wir in der organisierten ArbeiterInnenbewegung für einen linken, sozialistischen Kurswechsel sorgen. Es gilt die Gewerkschaften wieder zu Kampfinstrumenten zu machen.
In der SJ und der SPÖ-Linke gibt es bereits Diskussionen darüber, wie der Widerstand gegen die Budgetpolitik der Regierung ausschauen sollte. Am 28. Oktober organisiert die SPÖ-Linke ein offenes Plenum in Wien unter dem Titel “Vermögenssteuer statt Sparpaket”. Dort soll genau diese Frage diskutiert werden. Die derzeitigen Proteste an den Unis, die Auseinandersetzungen rund um die Herbstlohnrunde und auch die Proteste gegen die menschenverachtende Asylpolitik müssen genutzt werden für den Aufbau einer starken Bewegung gegen Sozialabbau und für Umverteilung.
Das Bündnis “Wege aus der Krise” hat dazu leider noch nichts zu bieten. Einmal mehr muss das Motto all jener Kolleginnen und Kollegen, die effektiven, kämpferischen Widerstand in den Betrieben, Schulen und Unis als politische Notwendigkeit erkannt haben, lauten: Auf die eigene Stärke bauen!