Die Krise ist noch lange nicht zu Ende. Welche politische Antwort die ArbeiterInnenbewegung auf diese Krise zu geben vermag, ist gegenwärtig die entscheidende Frage. Ein Diskussionsbeitrag von Josef Falkinger
MarxistInnen sehen die aktuelle Weltwirtschaftskrise als Folge der inneren Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise. Ein Wirtschaftssystem, welches nicht in erster Linie für Bedürfnisse produziert, sondern für Profit, das nicht auf möglichst effizienter Zusammenarbeit, sondern auf gnadenlosem Konkurrenzkampf basiert, trägt den Keim der ökonomischen Katastrophe ständig in sich.
Wir sehen die Lösung für die Krise in der Errichtung einer neuen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die ihre Grundlage in einer Vergesellschaftung der Banken und großen Konzerne findet. Nicht eine neue alleinige Anbetung des Staates soll die Lehre aus der Krise sein- Vergesellschaftung lautet die Devise. Die Menschen, die schon seit langem die Kontrolle über die gesellschaftlichen Prozesse verloren haben, was immer wieder zu unvorhergesehenen ökonomischen und politischen Katastrophen führt, müssen über Wirtschaft und Staat die Kontrolle zurückbekommen.
Wir wissen nicht, wie viele ÖsterreicherInnen diese Meinung teilen. Vielleicht eine Minderheit. Die erste Reaktion der Lohnabhängigen auf eine ökonomische Katastrophe ist Angst und Verwirrung, die Schlüsse werden daraus oft erst später gezogen. Zudem versuchen Menschen immer zuerst den scheinbar einfachsten Weg zu gehen. Wenn sie beginnen sich zu engagieren, dann für konkrete Verbesserungen und für die Verteidigung bestehender sozialer Errungenschaften, nicht für eine Veränderung der Wirtschaftsordnung im Allgemeinen, selbst wenn sie diese bereits in Frage stellen. Zudem besitzen Lohnabhängige keinen Kanal, um ihre Wünsche und Vorstellungen zu äußern, keine Organe der Selbstorganisation.
Aus diesen verschiedenen Gründen kann sich sozialistische Wirtschaftspolitik nicht darin erschöpfen, ein Ziel festzulegen. Sie muss ausgehend vom konkreten Bewusstsein der Lohnabhängigen und den bestehenden Organisationsmethoden wie den Traditionen der heimischen ArbeiterInnenbewegung auch den Weg dorthin weisen. Wir werden uns deshalb vor allem mit Forderungen beschäftigen, die bereits jetzt die Mehrheit der Lohnabhängigen überzeugen können, gleichzeitig aber die Allmacht des Kapitals bereits in Frage stellen.
Diese so genannten Übergangsforderungen sollen eine Situation schaffen, in der neben der betriebswirtschaftlichen Logik des Profits und der Konkurrenz eine Logik der gesellschaftlichen Bedürfnisse tritt und als Alternative sichtbar wird. Gleichzeitig müssen Methoden gefunden werden wie sich die Lohnabhängigen selbst zu Wort melden und miteinander in Diskussion treten können. Deshalb sind Übergangsforderungen immer mit der Methode der demokratischen Selbstorganisation verbunden, durch die die Lohnabhängigen ihre Kraft und ihre Fähigkeit zur Organisation und zur Entscheidung spüren können.
Wir werden zeigen wie selbst der/ die einzelne in seinem/ ihrem Betrieb Teil der sozialistischen Wirtschaftspolitik werden kann, wie wir in unserem Bestreben die Verhältnisse zum Tanzen bringen, die herrschenden Institutionen und Traditionen der österreichischen Arbeiterbewegung nutzen können. Zum Schluss werden wir der Frage nachgehen, ob soziale Umwälzungen heute überhaupt noch möglich oder wahrscheinlich sind und welche Rolle ein kleines Land wie Österreich in solchen Prozessen spielen kann.
Bevor wir uns jedoch mit der Frage der Übergangsforderungen und der konkreten Anknüpfungspunkte sozialistischer Wirtschaftspolitik beschäftigen, muss zuerst das Ziel genauer begründet werden: Die Vergesellschaftung der Banken und der großen Konzerne.
Das Bankensystem – rien ne va plus
Das Bankensystem hat in seiner privatkapitalistischen Form vollständig versagt und wäre ohne die ungeheure Unterstützung von Seiten der SteuerzahlerInnen heute ohne jeden Zweifel bankrott. So schreibt etwa der Spiegel (27.7.09):„Nur mit gewaltigen öffentlichen Mitteln konnte der Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert werden.“
Gemäß bürgerlicher Volkswirtschaftslehre müssten die Finanzmärkte für eine effiziente Verteilung des Kapitals auf die produktivsten Gewerbe und Industrien sorgen. Doch bereits in den 25 Jahren vor ihrem Zusammenbruch, sind eben diese Finanzmärkte zum Schöpfer einer gigantischen, falschen Zuteilung von Ressourcen geworden. Dies drückt sich vor allem in der enormen Zunahme der Spekulation aus.
Gier ist eine allzu menschliche Eigenschaft. Gewöhnlich würde sie der Gemeinschaftssinn in gewissen Grenzen halten. Aber bereits die marktwirtschaftliche Konkurrenz an sich erhebt die Gier in den Status einer wirtschaftlichen Notwendigkeit. Richtig gefährlich wird es, wenn im zentralen Instrument für die gesamtwirtschaftliche Verteilung der Ressourcen, nämlich in den Finanzmärkte, die kurzfristige Gier zur conditio sine qua non für die Akteure wird.
Gigantische Summen von Kapital wurden aus der produktiven Sphäre der Ökonomie in spekulative Blasen etwa der Aktienblase an der Börse, der Immobilienblase, der Rohstoffblase oder der Derivate- Blase geschleust. Am Höhepunkt dieser Entwicklung erwirtschafteten die Finanzmärkte 40% der Profite in den USA.
Am Ende wurde mit dem Platzen der spekulativen Blasen eine ungeheure Masse von Mehrwert vernichtet, der ursprünglich von abhängig Beschäftigten in der Realwirtschaft produziert wurde. Durch die abenteuerliche Vergabe von Krediten an KonsumentInnen und InvestorInnen gleichermaßen wurde eine ökonomische Wirklichkeit vorgespielt, die sich unter den Bedingungen der Kreditklemme als Fata Morgana herausstellte. Eine enorme Ressourcenverschwendung war die Folge.
Die Verwandlung des Bankensystems vom Ressourcenordner zum Ressourcenverschwender hat aber nicht nur mit fehlenden Regulationsmechanismen zu tun. Als in den 1970er Jahren die Profitraten weltweit auf ein ungeheuer niedriges Niveau sanken, und die Möglichkeit aus produktiven Investitionen Kapital zu schöpfen mehr und mehr abnahm, stieg das Bedürfnis nach einer spekulativen Umgehung des Produktionsprozesses. Das immer weiter zunehmende Zuströmen von Kapital auf die Finanzmärkte wurde ebendort zur Grundlage himmelstürmender Profitraten. Die umfassenden Deregulierungsprozesse waren nicht Ursache, sondern Folge dieser Entwicklung, die tatsächlich in der allgemeinen Profitkrise der 70er Jahre wurzelte.
Wenn jetzt die SteuerzahlerInnen durch staatliche Haftungen, Rettungspakete und Geldspritzen zum letztendlichen Risikoträger der Finanzmärkte mutieren, so ist nicht einzusehen, warum sie nicht auch die vollständige direkte Kontrolle über sie erhalten soll. Selbst nach neoliberaler Theorie muss der Risikoträger auch der ökonomische Eigentümer sein. Der Sachverhalt lässt sich am klarsten an Hand der sogenannten Systembanken illustrieren, die zuletzt lapidar mit dem Titel „to big to fail“ versehen wurden. In diesem Fall trägt die gesamte Öffentlichkeit das Risiko. Der rechtliche Eigentümer, der sich bereits im Boom durch Gewinnentnahmen und Dividenden irreversibel bereichert hat, trägt in der Krise auch auf Grund der staatlichen Haftungen kaum Risiko und verliert damit auch nach der neoklassischen Theorie den Status des ökonomischen Eigentümers. Staatliche Haftungen ohne direkte Kontrolle der Banken durch die Gesellschaft führen dazu, dass die Banken nichts aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, sondern im Gegenteil dieses Mal mit Unterstützung von Steuergeld in den alten Spekulationswahnsinn zurückfallen: „Doch kaum scheint das Gröbste überstanden, machen die Banken weiter wie vor der Krise. Schlimmer noch. Dank der Staatsgarantien für den Finanzsektor und des billigen Geldes der Notenbanken war es für sie nie einfacher viel Geld zu verdienen. „Der Steuerzahler finanziert das Coupongeschäft für das Casino“, sagt der Deutschlandchef einer internationalen Investmentbank ganz offen…“(ebenda) „Und vor allem mühen sich die klassischen Investmentbanken gar nicht … mit jener Übung ab, die das Bankgeschäft … eigentlich ausmacht: der Vergabe von Krediten.“ Die Staatshaftungen und das billige Geld der Notenbank wird auf diese Weise nicht für Kreditvergabe, sondern für hochriskante Spekulationsgeschäfte und die Erhöhung der Managergehälter verwendet: „Die Investmentbanken machen inzwischen sogar wieder jene Geschäfte, die ganz wesentlich zum Absturz des Systems beigetragen haben.“ „Branchenweit sollen die Einkommen der Banker dieses Jahr (2009) immerhin um 20 bis 30% steigen, so eine Schätzung der Beratungsfirma Johnson Associates.“ (ebenda)
Die aktuelle Finanzkrise hat zu einer Diskussion über neue Spielregeln für die Finanzmärkte geführt. 2009 geht es aber nicht mehr um die Regulierung, sondern um die Rettung des Finanzsektors. Wenn sich das Bankensystem auf privatkapitalistischer Grundlage nicht mehr halten kann, reicht es nicht, die Spielregeln zu ändern. Rien ne va plus – das Spiel ist aus, und es wird Zeit, dass es dem Ernst elementarer volkswirtschaftlicher und öffentlicher Bedürfnisse weicht. Die ungeheure, unfreiwillige Beteiligung der SteuerzahlerInnen im Bankensystem selbst, setzt die Frage der direkten Entscheidung und Einflussnahme auf das Management der Banken auf die Tagesordnung.
Die von zahlreichen Ökonomen vorgeschlagene Verstaatlichung auf Zeit, um eine neuerliche Privatisierung vorzubereiten beruht auf dem Dogma, dass der Markt der bessere Wirtschafter ist. Dieses Dogma wurde aber gerade im Bankensektor von den Erfahrungen der realen Wirtschaftsgeschichte nicht nur 2008, sondern bereits 1929 katastrophal widerlegt.
Auf welcher Grundlage sollen wir einer privatkapitalistischen Ordnung der Finanzmärkte noch einmal vertrauen, nachdem diese bereits zwei Mal in einem Menschenleben die Welt an den Rand der volkswirtschaftlichen Apokalypse geführt hat und auch jetzt keine Bereitschaft zeigt, aus ihren Fehlern zu lernen? Auch der sogenannte Frühkapitalismus vor 1900 ist ein einziges Zeugnis gegen Privatbanken.
Demgegenüber kann das hauptsächlich staatliche oder quasistaatliche Bankensystem der 1970er Jahre sicher nicht für die Stagflationskrise verantwortlich gemacht werden, die fast ausschließlich in niedrigen realwirtschaftlichen Profitraten wurzelte. Im Gegenteil kann es sich auf die Fahnen heften, den langen Nachkriegsaufschwung miterzeugt zu haben.
SozialistInnen müssen in dieser Diskussion klar Position beziehen dem Privatkapital endgültig die Fähigkeit absprechen, Finanzmärkte zu organisieren. Sie können sich dabei, sogar mit einer noch größeren Berechtigung als 1947 auf die Erfahrungen der gesamten bisherigen Wirtschaftgeschichte stützen. Statt einem bloßen Rückfall in eine neue reine Anbetung des Staates müssen Modelle der Vergesellschaftung diskutiert werden, um das Bankensystem auf ein völlig neues Niveau der Transparenz und demokratischen Durchdringung zu heben. Die Idee der Vergesellschaftung ist so alt wie die Sozialdemokratie selbst und nahm selbst im Parteiprogramm von 1978 eine beherrschende Stellung ein. Leider gab es auf Grund der Orientierung der SPÖ nach 1945 keine ernsthaften Versuche einer praktischen Umsetzung dieser Vergesellschaftung.
Die Systemkonzerne
Im modernen Kapitalismus sind nicht nur Banken, sondern auch so manche Industriekonzerne als „too big to fail“ zu bezeichnen. Ein Zusammenbruch von GM in den USA, Fiat in Italien oder Opel in Deutschland würde diesen Ländern das industrielle Herz herausreißen.
Kein Wunder, dass der Steuerzahler auch in der Autoindustrie zur Kasse gebeten wird. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass heute gerade FIAT – ein Konzern, der selbst vor einigen Jahren nur durch ein massives Engagement des italienischen Steuerzahlers vor der Pleite gerettet werden konnte- als großer Player auftritt. Die Autoindustrie hat sich durch eine Kombination aus Profitlogik und einem sinnlosen internationalen Vernichtungskrieg ins ökonomische Aus manövriert.
Das ist jedoch nur die Spitze des Eisberges. Zahlreiche andere große Konzerne haben sich in eine ähnliche Krise gebracht. Sie besitzen die besten Maschinen der Welt, sind oft Weltmarktführer, aber riesenhafte Produktionskapazitäten stehen leer und viele leiden unter Absatzschwierigkeiten. Wir sehen in Österreich ähnliche Prozesse in der Elektroindustrie, der Softwareindustrie, der Papierindustrie, der chemischen Industrie und in der Autozulieferindustrie. In Österreich gibt es zudem zahlreiche Konzerne, die in Nischen des Weltmarktes zu den internationalen Markführern gehören, wie Palfinger, KTM, Plasser, Rosenbauer,…. Jahrelange monopolistische Extraprofite wurden um den Preis einer extremen Abhängigkeit von der Weltkonjunktur erkauft. Der Zustand dieser Player beeinflusst das volkswirtschaftlichen Wohl und Weh ganzer Regionen und Bundesländer.
Wie im Fall der Banken zeigt sich hier, dass der Markt auf globaler Ebene Ressourcen fehlerhaft verteilt hat. Das Risiko trägt die Gesellschaft, vor allem die ArbeitnehmerInnen und SteuerzahlerInnen. Wie im Fall der Banken müsste die Gesellschaft als Risikoträgerin sogar nach neoliberaler Theorie zur Eigentümerin werden. Staatshaftungen oder sonstige staatliche Unterstützungen an Konzerne haben ohne gleichzeitige direkte Kontrolle dieser Konzerne oft ebenso wenig Wirkung wie im Bankenbereich. So ist zum Beispiel Siemens mit einem Volumen von15 Mrd. € (börse.ARD.de, 26.06.09) der größte Nutznießer von staatlichen, aus Steuergeldern finanzierten Konjunkturprogrammen und schließt dennoch einen Standort nach dem anderen.
Sollen die Produktionskapazitäten effizient und volkswirtschaftlich optimal eingesetzt werden, ist eine direkte Einflussnahme der Gesellschaft auf das Management der Systemkonzerne unumgänglich. In vielen Fällen ist es notwendig die Produktion neuer Güter anzudenken. Sollen aber die Produktionskapazitäten nicht zerstört werden, sondern in einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der Umwelttechnologie, des Wohnungswesen und der Infrastruktur fließen, muss die Gesellschaft als kollektiver Konsument aktiv werden und direkte Produktionsanweisungen an die Systemkonzerne geben.
Die großen Konzerne setzen sich durch ihre enorme Konzentration von Marktmacht längst über die Gesetze des freien Marktes hinweg. Sie verwenden die Marktmacht um sich selbst auf Kosten der Gesellschaft zu bereichern, teilen sich die Märkte auf und bestimmen die Preise in geheimen Absprachen. Statt in neue technologische Felder vorzudringen, graben sie sich lieber in den bestehenden ein, wie Armeen in Schützengräben.
Die wichtigste Argumentation der AnhängerInnen des freien Marktes gegen die Vergesellschaftung besteht in der Ablehnung von Machtkonzentration und Monopolbildung. Die technologische Entwicklung hat aber dazu geführt, dass sich in den meisten Sparten des Weltmarktes international einige wenige Monopole herausbildeten, die enorme Macht in ihren Händen konzentrieren. Sie befinden sich miteinander abwechselnd im Krieg gegeneinander oder in einem Kartell gegen die ganze übrige Volkswirtschaft und die Öffentlichkeit, zumeist aber in einer Kombination aus beidem. Diese Mixtur nennt sich monopolistische Konkurrenz und hat mit der freien Konkurrenz nichts mehr zu tun. Marketingausgaben, Finanzspekulationen und der Aufbau riesiger Überkapazitäten im Preiskampf spielen eine größere Rolle als die Qualität des Produktes. Die freie Konkurrenz an sich bringt bereits regelmäßige Überproduktionskrisen hervor, wofür die gesamte Wirtschaftsgeschichte seit 1800 Zeugnis ablegt. Die Monopolbildung erlaubt jedoch eine Ausschaltung der Vorteile der freien Konkurrenz zugunsten der Kapitalbesitzer, gleichsam eine „Verschwörung“ gegen die Öffentlichkeit ohne gleichzeitig den Konkurrenzkampf zwischen den Monopolen zu beenden. Die großen Konzerne konkurrieren nicht mehr innerhalb von Staaten, sondern vorwiegend auf Weltebene. Sie haben eine derartige Größe erreicht, dass im Fall ihres ökonomischen Scheiterns, die Marktkräfte nicht mehr fähig sind für die Zukunft der Produktionskapazitäten und Arbeitskräfte in anderen technologischen Sparten zu garantieren. Es droht die Stilllegung oder Zerschlagung von Produktionskapazitäten sowie die Entlassung von hochqualifizierten Arbeitskräften. Wenn sich einmal marktbeherrschende Monopole auf Grund technischer Gegebenheiten und steigenden Skalenerträgen gebildet haben, dann müssen diese in den Besitz der Gesellschaft übergeleitet werden. Passiert das nicht, so beginnen sie durch ihre bloße ökonomische Macht Besitz von der Gesellschaft zu ergreifen, wie wir das in steigendem Ausmaß in den letzten 30 Jahren beobachten konnten.
Was wir heute zudem sehen ist eine extreme Verschmelzung von großen Konzernen und den Finanzmärkten. Kurzfristige Spekulation durch den Kauf eigener Aktien, oder die kurzfristige Steigerung des Profites als Geste in Richtung Börse verdrängen langfristige Investitionen und die Orientierung auf eine nachhaltige Entwicklung der Branche. Der Irrsinn der Finanzmärkte hat die Sphäre der Großproduktion durchdrungen. Die Produktion selbst ist zu einem Objekt der Spekulation geworden.
SozialistInnen treten, wie auch im Parteiprogramm der SPÖ von 1978 festgelegt, für eine Vergesellschaftung der großen Konzerne ein. Auch die Grundversorgung, wie Gesundheit, Bildung, öffentlicher Verkehr und Infrastruktur müssen dem Profit- und Konkurrenzmotiv entzogen und vergesellschaftet werden.
Beim bestehenden Bewusstsein ansetzen!
MarxistInnen begnügen sich nicht, ein allgemeines wirtschaftspolitisches Lösungskonzept für die Krise zu formulieren. Sie stellen zudem Forderungen auf, die beim konkreten Bewusstsein der Masse der Lohnabhängigen und ihren augenblicklichen, konkreten Problemen mit dem Kapitalismus anknüpfen, aber gleichzeitig den Weg aus der Krise weisen. Das antikapitalistische Bewusstsein der Masse der Bevölkerung ist heute viel höher als wir denken, aber es findet keine Möglichkeit sich kollektiv zu artikulieren.
Der Marxismus setzt in seinen wirtschaftspolitischen Forderungen vor allem dort an, wo die Interessen der Lohnabhängigen konkret mit den Interessen des Kapitals zusammenstoßen.
Zwei Anknüpfungspunkte sozialistischer Wirtschaftspolitik müssen hier hervorgehoben werden. Zum einen das steigende Unrechtsbewusstsein der Lohnabhängigen darüber, dass sie zwar die Krise nicht verschuldet haben, aber am stärksten darunter leiden. Sie werden gezwungen durch Lohnkürzungen, soziale Verschlechterungen und Arbeitslosigkeit für eine Krise zu bezahlen, die technisch gesehen nicht notwendig ist, während gleichzeitig die mitverantwortlichen ManagerInnen und KapitalbesitzerInnen ungeschoren davon kommen und Profit- und Konkurrenzlogik weiter in Kraft bleiben. Kurz, die Lohnabhängigen erkennen in steigendem Ausmaß, dass sie gemeinsame Interessen gegenüber dem Kapital haben.
Zum anderen das Scheitern der Maßnahmen der herrschenden Wirtschaftspolitik, insbesondere des Neoliberalismus und des Keynesianismus, im Kampf gegen die Krise und ihre Erscheinungsformen, die Arbeitslosigkeit, der Lohnraube und die sozialen Verschlechterungen.
Bevor wir zu den konkreten wirtschaftspolitischen Forderungen der MarxistInnen kommen, werden wir diese beiden Ansatzpunkte etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Haben lohnabhängig Beschäftigte gemeinsame Interessen?
Lohnabhängig beschäftigt waren in Österreich von 4.213.500 Erwerbstätigen im Jahr 2007 3.600.900 Menschen, daher ungeheure 85,5%. Die Gehalts- und Lohnunterschiede unter diesen sind bei Weitem geringer als uns die vielen Mythen vom neuen Mittelstand weiß machen wollen. 80 % der unselbständig Erwerbstätigen verdienten im Jahr 2006 weniger als 14 Mal 1869 € Netto. 50% verdienten gar weniger als 14 Mal 1208 €.(Statistik Austria) Für sie ist das Leben ein ständiger Kampf um die ökonomische Existenz. Es mag sein, dass in Zeiten der wirtschaftlichen Stabilität die graduellen Gehaltsunterschiede zu Unterschieden in der Selbstwahrnehmung führen. Die objektive ökonomische Realität sieht jedoch anders aus. Seit dem Jahr 2000 nahm die Produktivität aller Lohnabhängigen um 36% zu, während im gleichen Zeitraum die realen Löhne und Gehälter aller Gehaltsgruppen stagnierten und die Gewinne der Kapitaleigentümer explodierten. Der Profitboom um die Jahrtausendwende basierte auf einer verstärkten Ausbeutung aller Schichten der lohnabhängig Beschäftigten. Die ungeheuren Arbeitszeiten von früher privilegierten Schichten wie SpitalsärztInnen, PilotInnen, LokführerInnen, SchichtmeisterInnen oder Bankangestellten legen Zeugnis dieser Entwicklung ab. Die objektive Gleichheit der Interessen kommt trotz aller eitlen Versuche des Selbstbetrugs unausweichlich dann zu vollem Bewusstsein, wenn die Wirtschaftskrise die Existenzsicherheit aller gleichermaßen bedroht. Von Kurzarbeit, Aufnahmestopps und Massenentlassungen sind alle gleichermaßen betroffen, vom Hilfsarbeiter mit migrantischem Hintergrund bis zur Mechatronikexpertin in der Autoindustrie, von der Putzfrau bis zum Softwareingenieur bei Siemens PSE. Die Beschäftigten im Bank- und Versicherungswesen werden für die Bankenkrise am härtesten bezahlen, die Angestellten und BeamtInnen des öffentlichen Dienstes und der Gemeinden werden die größten Opfer der Sparpolitik der öffentlichen Hand sein, wenn es darum geht, die Budgetlöcher zu stopfen, die im Zuge von Rettungspaketen für Banken und Konzerne aufgerissen worden sind. Die entstehende Gleichheit der Interessen wird vor allem sichtbar, wo ArbeitnehmerInnen gemeinsam anfangen gegen die Auswirkungen der Krise zu kämpfen. In den jüngsten Streiks in der englischen Bauindustrie kam es zu einer Verbrüderung der Facharbeiterstammbelegschaft mit ausländischen Leiharbeitskräften. Dies obwohl der Streik mit einem nationalistischen Slogan begann. Die europäischen Streiks der letzten Jahre von SpitalsärztInnen, PilotInnen, LokführerInnen, Software- IngenieureInnen, LehrerInnen, Beschäftigten bei Atomkraftwerken in Großbritannien, MitarbeiterInnen der Europäischen Zentralbank, qualifizierten Beschäftigten bei Sony in Frankreich machen deutlich, dass es sogar die privilegierten Schichten sind, die die alten Kampfmethoden der ArbeiterInnenbewegung zuerst wieder entdecken. Stärker als andere spüren sie ihre Macht im Produktionsprozess, größer ist ihr Stolz als ProduzentInnen zentraler Produkte und Dienstleistungen. Mit Verachtung sehen sie als tatsächliche OrganisatorInnen der Produktion auf die Vorstandsvorsitzenden, Konzernbosse, ManagerInnen und auf die Börsen- und Immobilienhaie herab. Sie brauchen jedoch die Masse der ArbeiterInnen als Verbündete. Die IndustriearbeiterInnen werden durch ihre große Zahl (mehr als 500.000 in Österreich), ihre Konzentration in großen Betrieben und ihre besondere Betroffenheit von der Krise in den kommenden sozialen Bewegungen eine Schlüsselrolle spielen. Eitelkeit, gegenseitige Vorurteile, Missgunst und Misstrauen werden überall dort einem neuen Bewusstsein der Klassensolidarität weichen, wo gemeinsame Aktionen Erfolge zeitigen.
Objektiv gesehen stehen in der Krise die Interessen der lohnabhängig Beschäftigten den Interessen der KapitalbesitzerInnen diametral gegenüber, wenn es um Fragen wie Jobsicherheit‚ staatliche Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben oder Blanko- Haftungen für Banken und Konzerne geht. Die Lohnabhängigen waren noch nie in der Geschichte so zahlreich und so mächtig wie heute. Sie sind jedoch vergleichbar mit einem schlafenden Riesen, da sie ohne Artikulationsmöglichkeit zersplittert und atomisiert wurden. Im Kampf finden die einzelnen Splitter zusammen wie einzelne Wassertropfen, die sich gegenseitig anziehen. Immer deutlicher werden sie spüren, dass ohne sie keine Glühbirne leuchtet, kein Zug fährt, kein Computersystem läuft und kein Rat sich dreht. Eine Bewegung, oder Partei, die es unternähme, diesen Interessenskonflikt sichtbar zu machen und auszudrücken, würde zusätzlich zu den Lohnabhängigen auch die Masse der Jugendlichen, der PensionistInnen und der Arbeitslosen hinter sich sammeln. Sie wäre mehr den je „die Stärkste der Parteien“.
Die Sozialdemokratie muss aufhören sich als Mittelstandspartei zu definieren und zu ihrem Ausgangspunkt als ArbeiterInnenpartei zurückkehren. Als solche gilt es, die Interessen aller lohnabhängig Beschäftigten, aber auch der Jugend, der Arbeitslosen und der PensionistInnen gegen die Macht des Kapitals durchzusetzen.
Das Versagen der herrschenden Wirtschaftspolitik
Die Wirtschaftspolitik, die momentan weltweit dominiert und deren Hauptexponent die Regierung Obama ist, kann verkürzt als verzweifelter Aktivismus aus Ratlosigkeit beschrieben werden. Unvorstellbare Summen von Steuergeldern werden ohne Transparenz und Kontrolle ausgegeben, um Banken und Konzernen unter die Arme zu greifen. Dies passiert in Form von staatlicher Kredithaftung oder Staatsaufträgen. Das Problem bei diesen staatliche Hilfen ist, dass sie nicht mit einer öffentlichen Kontrolle der Unternehmenspolitik einhergehen und auf diese Weise völlig unklar ist, wie hoch die Risiken sind und was die Unternehmen mit den Geldern tun. Es ist unklar, ob nicht Haftungen für Banken übernommen werden, die in Wirklichkeit bereits pleite sind. In diesem Fall droht sogar ein Staatsbankrott wie im Falle Islands. Es ist nicht sicher, dass die staatlich unterstützten Banken tatsächlich Geld in Form billiger Kredite an den Kunden weitergeben. Schlussendlich bedeutet ein Anstieg der öffentlichen Aufträge auch noch nicht, dass Unternehmen tatsächlich investieren und Leute einstellen. Wir haben bereits Beispiele von Siemens und den wichtigsten Investmentbanken gebracht die in die gegenteilige Richtung deuten. In monopolisierten Märkten wie beispielsweise der Bauindustrie ist es immer wieder passiert, dass die Monopole auf einen Anstieg der Nachfrage in Krisenzeiten lediglich mit Preissteigerungen reagierten, um ihre Profite wieder zu sanieren.
Genau dieses Phänomen konnten wir während der 1970er Jahre beobachten, als Konzerne auf die keynesianistische Nachfragepolitik mehr und mehr mit Preissteigerungen statt mit Investitionen reagierten. Die folgende Kombination aus Inflation und wirtschaftlicher Stagnation ging als Stagflation in die Geschichte ein. Ist die Profitrate niedrig, und dies ist in Weltwirtschaftskrisen immer der Fall, werden Banken und Unternehmen immer zuerst die Sanierung ihrer Profite im Auge haben, bevor sie investieren.
Die Politik der staatlichen Eingriffe ohne Transparenz und Kontrolle bringt unbekannte Risiken mit sich, ohne unbedingt die gewünschten Effekte zu zeitigen. Lediglich die Schulden und Budgetdefizite steigen mit 100%iger Sicherheit immer höher und müssen irgendwann einmal zurückbezahlt werden. Schlimm ist besonders, dass die meisten Konzerne und Banken trotz Staatshilfen, weiter Profite ausschütten und Manager-Boni bezahlen. Eine Politik der Staatsintervention ohne Kontrollen führt unweigerlich auf die eine oder andere Art dazu, dass Steuergelder in die Taschen von KapitalbesitzerInnen wandern. Die herrschende wirtschaftspolitische Antwort auf die Krise besteht paradoxerweise darin, dass die Opfer der Krise, den Mitverursachern der Krise Unsummen von Geld zahlen, ohne mitbestimmen zu können, was diese damit machen. Die momentane Antwort auf die Krise ist eine riesenhafte Umverteilung von den steuerzahlenden Lohnabhängigen zu den Superreichen. „Sozialismus für die Reichen“ nannte der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stieglitz diese Politik im Guardian (12.6.2009). Die Politik des Staatsinterventionismus ohne Kontrolle und Transparenz hat im Übrigen nicht nur in den 1970er Jahren weltweit völlig versagt, sondern auch in den 1930er Jahren unter Roosevelt und in Japan während der 1990er Jahre. Roosevelt selbst sagte, dass nicht der „New Deal“, sondern der Zweite Weltkrieg und die damit verbundenen Rüstungsprogrammen die Krise beendeten. 1937, nach dem „New Deal“, stand die US-Wirtschaft genau so schlecht da wie 1932 bei seinem Beginn. Japan wurde zwischen 1990 und heute durch exzessiven Staatsinterventionismus zum höchstverschuldeten Land der Erde ohne aus seiner Krise herauszukommen. Der Lebensstandard sank massiv und gerade in dieser Krise gehört die japanische Industrie zu den am schwersten getroffenen.
Die Ursache liegt darin, dass die kapitalistische Produktion eine Produktion für Profit ist. Sie verlangt in Krisenzeiten unerbittlich nach einer Wiederherstellung der Profitrate, vorher werden keine Neuinvestitionen in Auftrag gegeben. Nach der kapitalistischen Logik kann der Wiederaufschwung erst einsetzen, wenn es den KapitalbesitzerInnen gelungen ist, durch „Gesundschrumpfen“, Lohnkürzungen, Sparpolitik und Entlassungen die Kosten der Krise auf die Schultern der arbeitenden Menschen überzuwälzen. Wie es der Chef der US- Notenbank 1929 ausdrückte: „Die Löhne stutzen, die Landwirtschaft stutzen, das Kapital stutzen- und die Fäulnis wird das System verlassen.“
Selbst wenn es durch die Niedrigzinspolitik und die exzessiven staatlichen Geldspritzen zu einem kleinen Aufschwung kommen sollte, würde ein anschließend notwendiger Anstieg der Zinsen, oder eine Budgetsanierung einen neuerlichen Abschwung auslösen.
Gleichzeitig ist es sicherlich auch keine Lösung in alter neoliberaler Manier den Marktkräften eine Bereinigung der Wirtschaft zu überlassen. Es ist nämlich nicht wahr, dass heute ausschließlich Industriezweige in der Krise sind, die veraltet und zum Aussterben verurteilt sind, wie man es zu weilen von der Autoindustrie behauptet. Eine staatliche Enthaltsamkeit neoliberaler Natur würde als erstes Resultat schlicht den Bankrott des Bankensystems bedeuten. Ohne Banken sind auch keine privaten Konzerne mehr möglich.
Gleichzeitig arbeiten gerade die Industrien, die heute vom Bankrott bedroht sind, oft mit den besten Maschinen der Welt. Die Länder, in denen gerade jetzt die Industrieproduktion abstürzt, wie Japan, aber auch Österreich sind technologische Weltmarktführer in ihren Branchen. Selbst der Maschinenpark von GM gehört heute zu den modernsten Anlagen der Welt. Das Problem ist nicht die Qualität der Anlagen, sondern dass nicht die richtigen Produkte im richtigen Verhältnis produziert werden. Gerade eine Herstellung der richtigen Proportionen unter den Produkten, vor allem aber auch die Umstellung von Industrien auf neue Produkte erfordert den staatlichen Eingriff, die volkswirtschaftliche Koordination. Die Alternative zum herkömmlichen Auto ist ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder neue umweltschonende Antriebstechnologien. Die gesamten überschüssigen Kapazitäten der Autoindustrie könnten dazu genutzt werden. Der einzige Kunde, der so ein Produkt in Auftrag geben kann, ist der Staat. Ähnlich sieht es mit einem Ausbau des Wohnungswesens oder einer umwelttechnologischen Revolution aus. Kein privater Investor kann das notwendige Kapital aufbringen, um die Autoindustrie so umzustrukturieren, dass die überschüssigen Kapazitäten auf eine technologische Revolution orientiert werden. Die freien Marktkräfte können aus einer Situation der Überkapazität und der Überinvestition keinen positiven Ausweg weisen, sondern nur einen destruktiven Prozess des „Gesundschrumpfens“ einleiten, dem unweigerlich ein großer Teil der Produktionsanlagen und der Arbeitsplätze zum Opfer fallen müsste. Ein weiterer Einbruch der Nachfrage wäre die Folge, der wiederum neue Zerstörung von Produktionskapazitäten und Arbeitsplätzen notwendig macht.
Das sozialistische Wirtschaftsprogramm
Der erste Grundsatz einer sozialistischen Wirtschaftspolitik besteht darin, dass die lohnabhängig Beschäftigten keine Verantwortung für die Krise übernehmen. Sie haben bereits in den Jahren des Aufschwungs durch Reallohnverzicht und Produktivitätssteigerungen ihren Teil zum volkswirtschaftlichen Wohlergehen beigetragen. Die Krise darf nicht in Form von Entlassungen, Lohnraub und Sozialabbau auf die Lohnabhängigen abgewälzt werden. Das ist technisch gesehen nicht notwendig, sondern eine bloße Folge der kapitalistischen Profit- und Konkurrenzlogik.
Der zweite Grundsatz lautet, dass jeder Eingriff des Staates völlig transparent und unter der Kontrolle der Beschäftigten und der KonsumentInnen durchgeführt werden muss.
Wie sieht das konkret aus? Jedes Unternehmen und jede Finanzinstitution, die Lohn- oder Gehaltsabschlüsse unter der Inflation, Entlassungen oder sonstige Verschlechterungen durchführt, muss die Geschäftsbücher öffnen und ihre Firmenpolitik einer öffentlichen Diskussion unterziehen. Die Beschäftigten der Firma, die BewohnerInnen der Region, aber auch die gesamte Öffentlichkeit wird die Frage untersuchen, ob die Schritte der Firma auch dann gerechtfertigt, sind, wenn der gesellschaftliche Nutzen den gesellschaftlichen Kosten gegenübergestellt wird. Wenn die Beschäftigten einer Firma regelmäßig in Betriebsversammlungen auf Basis geöffneter Geschäftsbücher die Firmenpolitik diskutieren und in demokratischen Abstimmungen der Firmenleitung eigene Vorschläge unterbreiten, dann ist dies ein wichtiger Schritt Richtung ArbeiterInnenkontrolle.
Die öffentliche Diskussion wird die Frage aufwerfen, welche Entwicklungsmöglichkeiten und Zukunftschancen es für die Firma vom Standpunkt einer volkswirtschaftlichen Kosten- Nutzen Rechnung geben kann. Die Lohnabhängigen, müssen zu diesem Zweck die ArbeiterInnenkontrolle von der Betriebsebene durch eine Vernetzung mit KollegInnen anderer Firmen auf die ganze Branche und darüber hinaus ausdehnen. Der enge Horizont des Profit- und Konkurrenzdenkens einer einzigen Einheit muss durchbrochen und durch eine volkswirtschaftliche Kosten- Nutzen- Überlegung ersetzt werden. Auf diese Weise entsteht inmitten der kapitalistischen Anarchie bereits ansatzweise ein demokratischer Volkswirtschaftsplan.
MarxistInnen werden in diesem Prozess im Punkt für Punkt nachweisen, dass der Markt versagt und die Gesellschaft mit den Lohnabhängigen der betroffenen Firma an der Spitze eine bessere Lösung für das Problem parat hat. Auf diese Weise haben bereits marxistische Betriebsräte von FIAT gemeinsam mit UmwelttechnologInnen Pläne für die Produktion eines Elektroautos entwickelt, welche die gesamten Produktionskapazitäten von FIAT nutzen könnte. (Falce Martello 7/2009)
Jedes Unternehmen und jede Finanzinstitution, die staatliche Haftungen, Staatsaufträge oder sonstige staatliche Unterstützung in Anspruch nimmt, muss ebenfalls die Bücher öffnen und sich einer gesellschaftlichen Diskussion stellen.
Die Lohnabhängigen werden nicht nur Lösungsvorschläge diskutieren und demokratisch entscheiden, sondern auch Kampfmaßnahmen, die die Firmenleitung zur Öffnung der Bücher zwingen und von einer eigenmächtigen Umsetzung von Schritten zurück halten.
Die von den Lohnabhängigen empfohlenen Maßnahmen können von einfachen Weisungen an die bestehende Firmenleitung bis hin zur Vergesellschaftung reichen.
MarxistInnen treten zudem für die Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Menschen bei vollem Lohnausgleich ein. Die Organe der ArbeiterInnenkontrolle werden die Verteilung der Arbeit auf Basis einer volkswirtschaftlichen Kosten- Nutzen- Rechnung organisieren.
MarxistInnen fordern eine stark progressive Vermögenssteuer mit ausreichenden Freibeträgen für Klein- und MittelverdienerInnen und eine Aufhebung des Höchststeuersatzes bei der Einkommenssteuer und der Höchstbeitragsgrundlage bei der Sozialversicherung. Die Steuerprogression der Einkommenssteuer muss bei GroßverdienerInnen weiter ansteigen. Diese steuerlichen Maßnahmen sind Voraussetzung für eine wirkliche Sicherung unseres Lebensstandards sowie unseres Sozial-, Gesundheits- und Bildungssystems. In Österreich gibt es 1.323 Milliarden Euro Geldvermögen. Das ist 100 Mal so viel als der Staat für sämtliche Pensionen aufwendet! Und 70 Mal so viel als das gesamte Gesundheitssystem kostet! (Quelle: Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung). Es ist einfach nicht wahr, dass in Österreich zu wenig gesellschaftlicher Reichtum vorhanden ist, um sich ein hochwertiges Sozialsystem leisten zu können. Der Reichtum ist lediglich völlig falsch verteilt.
SozialistInnen sind sich bewusst, dass ihre sozialen Maßnahmen leider aggressive Gegenreaktionen der UnternehmerInnen wie Investitionsstreiks, Auslagerungen, Abwanderungen und Aussperrungen zur Folge haben können.
Schließende, auslagernde oder abwandernde Firmen sollen von den Beschäftigten besetzt und unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlichet, beziehungsweise vergesellschaftet werden.
Belegschaften, die jahrzehntelang durch ihre Arbeit eine Firma am Laufen gehalten haben, erwerben damit ein moralisches Recht, den Standort der Firma zu bestimmen, das mehr gilt als ein bloßer Eigentumstitel eines oft anonymen Besitzers.
Wer durch Profitgier und Konkurrenzlogik die Gemeinschaft und die MitarbeiterInnen schädigt, der verliert zumindest das Recht Alleinherrscher seiner Firma zu sein.
ArbeiterInnenkontrolle und Vergesellschaftung sind die zwei zentralen Konzepte des demokratischen Sozialismus durch die er sich fundamental von den stalinistischen Systemen des 20ten Jahrhunderts unterscheidet. Beide Maßnahmen beruhen auf dem direkten aktiven Eingreifen demokratischer Organe der Selbstorganisation in den Produktionsprozess und sollen im Folgenden genauer beleuchtet werden.
ArbeiterInnenkontrolle
ArbeiterInnenkontrolle bedeutet nichts anderes als die demokratische Selbstorganisation der Belegschaft einer Firma. Die demokratische Selbstorganisation der Belegschaft unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom bekannten Betriebsrätewesen. Zum einen darf der Betriebsrat schon von Seiten des Gesetzes her nicht alle Informationen über die Firmenpolitik in die Belegschaft tragen. Ohne Informationen kann es jedoch gar nicht zu einer wirklich demokratischen Diskussion kommen. Zudem ist der Betriebsrat vom Gesetz her gezwungen für einen Interessensausgleich zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen Sorge zu tragen. Die Idee der Sozialpartnerschaft und des Interessensausgleichs widerspricht der Idee der ArbeiterInnendemokratie fundamental. Ein wirklicher demokratischer Willensbildungsprozess in Belegschaften wird immer die Interessen der Belegschaft zum Ausdruck bringen. Das Wesen der Sozialpartnerschaft besteht jedoch gerade darin bei den Interessen der Belegschaft Abstriche zu machen und mit einem Kompromiss den Interessen des Kapitals entgegenzukommen. Wird der Kompromiss selbst einer demokratischen Abstimmung unter den Beschäftigten unterzogen ist die Wahrscheinlichkeit dadurch immer groß, dass er gegenüber einer alternativen Lösung, die 100% die Interessen der Beschäftigten vertritt, keine Mehrheit bekommt. Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten in denen Kompromisse immer offensichtlicher zu Lasten der ArbeitnehmerInnen geschlossen werden, ist das umso mehr der Fall.
Dies ist genau der Grund, warum in Österreich, die meisten Betriebsräte in Verhandlungen treten, bevor sie den Verhandlungsgegenstand, die Verhandlungsziele und die möglichen Kampfmaßnahmen unter der Belegschaft einer Diskussion unterziehen. In den wenigsten Fällen werden ausgehandelte Kompromisse nach der Verhandlung in der Belegschaft abgestimmt. Viel zu groß schätzen die meisten Betriebsräte das Risiko ein, ihre Handschlagqualität gegenüber dem Chef einzubüßen.
UnternehmerInnen werden es viel schwieriger haben, mit Belegschaften in Verhandlungen zu treten, die sich über ihre Interessen und ihre Kampfmittel im Klaren sind. Ein Unternehmer, der eine demokratisch abgestimmte Entscheidung der Belegschaft in Frage stellt, fordert die ganze Belegschaft heraus, er stellt mit seinem bloßen Eigentumstitel als einzelner den Willen von vielen in Frage und beweist allein damit den absolutistischen und patriarchalischen Charakter des kapitalistischen Betriebs. Alleine die Tatsache, dass es eine demokratische Entscheidung der Belegschaft über einen Verhandlungsgegenstand gegeben hat, zeigt dem/ der einzelnen Beschäftigten bereits, dass er/ sie nicht allein mit seiner/ ihrer Meinung ist, und vergrößert seinen/ ihren Mut und seine/ ihre Kampfbereitschaft um ein Vielfaches. Vor allem wird aber durch die demokratische Selbstorganisation dem Betriebsrat der Rücken gestärkt. Er tritt dem Unternehmer nicht mehr als Einzelner mit einer Riesenverantwortung und wenig Handlungsspielraum gegenüber. Der Betriebsrat wird vielmehr zum Sprachrohr der Belegschaft, das keine Entscheidung alleinverantwortlich treffen darf und bei jedem Kampfmittel, bei jeder Entscheidung auf den demokratischen Willen der Belegschaft verweisen kann. Die Rolle des Betriebsrats wird es sein, der Belegschaft Alternativen aufzuzeigen. Entscheiden muss die Belegschaft selbst. Die demokratische Selbstorganisation verlangt, dass jede Frage von Bedeutung in der Belegschaft diskutiert und abgestimmt wird und erfordert zumindest monatliche, wahrscheinlich sogar wöchentliche Betriebsversammlungen. Die Betriebsräte sind auf jeder Betriebsversammlung abwählbar und der Betriebsversammlung persönlich verantwortlich. Das bedeutet, dass die demokratische Selbstorganisation mit dem in Österreich vorherrschenden Listenwahlrecht in den Betrieben unvereinbar ist. Das Listenwahlrecht führt in der Praxis dazu, dass die Beschäftigten nicht den Vertreter oder die Vertreterin ihres Vertrauens wählen können, sondern nur eine Fraktion, deren Zusammensetzung von der Fraktionsführung bestimmt wird. Bei einer Personenwahl können die Beschäftigten die antretenden Personen reihen und bestimmen so die Führung und die Zusammensetzung der Liste. Hat sich die ArbeiterInnenkontrolle einmal auf der Ebene der Betriebe und Abteilungen formiert, ist es auch notwendig sie in Form regelmäßiger Konferenzen der demokratisierten Betriebsräte auf der Ebene der Branchen und der Volkswirtschaft zu etablieren. Die nationale Konferenz der ArbeiterInnenkontrolle könnte einen ständigen Wirtschaftsrat wählen, der auf Basis der geöffneten Geschäftsbücher Vorschläge für die Entwicklung von Betrieben, Branchen und der ganzen Volkswirtschaft macht. Auch die optimale Verteilung von Arbeitsplätzen auf die Arbeitslosen könnte auf diese Weise organisiert werden.
Die ArbeiterInnenkontrolle nimmt im sozialistischen Wirtschaftsprogramm den zentralsten Platz ein. Wenn sich Belegschaften demokratisch organisieren, miteinander vernetzen und beginnen, über wirtschaftspolitische und unternehmenspolitische Fragestellungen zu diskutieren und abzustimmen, wird auf diese Weise bereits die kapitalistische Logik von Profit und Konkurrenz in Frage gestellt. Es wird der kapitalistischen Logik eine Logik der volkswirtschaftlichen Bedürfnisse, der gesellschaftlichen Kosten- Nutzen- Rechnung gegenübertreten. Gleichzeitig würde neben der Staatsmacht und die Macht der KapitalbesitzerInnen eine demokratisch organisierte Macht der Lohnabhängigen treten, die ständig alternative Vorschläge anbieten kann und gleichzeitig über Kampfmittel zu deren Durchsetzung verfügt. Der Marxismus bezeichnet so eine Situation als Doppelmacht, die bereits die Macht des Staates und der Konzerne in Frage stellt. Die notwendigen Organe werden dort geschaffen, wo sich die Konkurrenz- und Profitlogik gegen die Interessen der gesamten Volkswirtschaft wenden, um die Vergesellschaftung der Produktion in die Wege zu leiten. Bekanntlich setzt eine wirkliche Demokratie Alternativen voraus. Erst das System der ArbeiterInnenkontrolle mit seiner Logik der gesellschaftlichen Kosten und des gesellschaftlichen Nutzens schafft eine Alternative zu den kapitalistischen Sachzwängen und damit den Beginn wirklicher Demokratie.
Exkurs zu einer allgemeinen Reform der Demokratie
Es wäre auch möglich und notwendig, zusätzlich zur ArbeiterInnenkontrolle, die demokratische Selbstorganisation auf die kommunale Ebene auszudehnen. Wie in der amerikanischen (1776- 19 Jh.) und französischen (1789 -1798) Urdemokratie gäbe es dann regelmäßige BürgerInnenversammlungen auf der Ebene der Gemeinden und in den Städten auf der Ebene der heutigen Wahlsprengel. Die VertreterInnen müssten alle ihre Entscheidungen Diskussionen und Abstimmungen unterziehen und wären jederzeit abwählbar. Die GemeindevertreterInnen, wie BetriebsrätInnen würden wiederum gemeinsam auf der Ebene der Städte und Bezirke die nationalen Abgeordneten wählen, die wiederum auf der Ebene der Städte und Bezirke jederzeit abgewählt werden könnten und für ihre Politik gerade stehen müssten. Man würde nicht Parteien wählen, sondern KollegInnen und NachbarInnen seines Vertrauens. Auf diese Weise würde die Demokratie von einer Einrichtung, in der man alle vier Jahre ein Kreuz bei einer Partei machen kann zu einem Instrument wirklicher Volksherrschaft. Die Antwort der Sozialdemokratie auf die Krise der heutigen Form der Demokratie, kann nur darin bestehen, endlich das alte Versprechen einzulösen, alle Lebensbereiche mit Demokratie zu durchfluten.
Vergesellschaftung
Die Idee der Vergesellschaftung besteht darin, dass Betriebe im öffentlichen Eigentum die direkte demokratische Mitbestimmung der Belegschaft und der Gesellschaft brauchen, um effizient, qualitativ hochwertig, unbürokratisch und an den gesellschaftlichen Bedürfnissen orientiert produzieren zu können. Der Staat ist auch in seiner parlamentarischen Form letztlich ein bürokratischer, ja absolutistischer Moloch. Die StaatsbeamtInnen bis hinauf zur Ministerialbürokratie sind nicht abwählbar und den Vorgesetzten zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Das Recht alle vier Jahre eine Partei zu wählen ermöglicht es der Gesellschaft nicht, Korruption und Misswirtschaft einzudämmen oder die wirtschaftspolitische Linie zu verändern. Der Staat war bereits im Österreich der 1970iger Jahre oder in der Sowjetunion ebenso wie der Markt kein guter Wirtschafter. Sowohl Staat als auch Markt sind Fetische, die auf der Atomisierung des Einzelnen beruhen und damit die Gemeinschaft, die Gesellschaft entmachten. Als Konsument oder in der Dunkelheit der Wahlzelle ist der Mensch gleichermaßen einsam und unglücklich. Staat und Markt entspringen gleichermaßen dem Kontrollverlust der menschlichen Gesellschaft über sich selbst. Im Zeitalter des Neoliberalismus ist der Staat aber selbst zum größten Verräter öffentlicher Interessen geworden. Ob Post, Bahn, Energie, Wasser, Gesundheit, Bildung, AUA, usw., der Staat betreibt den Ausverkauf öffentlicher Dienstleistungen auf eine Weise, die an Misswirtschaft und Korruption alles bisher Gesehene in den Schatten stellt und nach dem Motto ablauft: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.
Für die Vergesellschaftung der Wirtschaft hat es schon viele Vorschläge gegeben. Die alte Sozialdemokratie sprach von der Zusammenfassung der großen Konzerne und Banken in eine große Wirtschaftsgenossenschaft, die nach dem Muster der vorher dargestellten ArbeiterInnenkontrolle ablaufen und die gesamte Gesellschaft umfassen sollte. Es entstünde auf diese Weise ein großer selbstverwalteter Betrieb, dessen Wirtschaftspolitik in einem demokratischen Entscheidungsfindungsprozess von Abteilungsebene über Branchen- und Volkswirtschaftsebene von unten nach oben zu Stande kommt.
Das Vergesellschaftungsmodell der Zwischenkriegszeit von Otto Bauer, welches sich als Idee bis in die späten 1970er Jahre hielt, verlangte die Dreiteilung der Aufsichtsräte in ein Drittel Staat, ein Drittel Betriebsräte und ein Drittel Gewerkschaft als Vertretung aller Lohnabhängigen. Alternativ zur Gewerkschaft wäre auch eine Vertretung einer österreichischen Betriebsrätekonferenz möglich.
Wichtig ist aber festzustellen, dass die Otto Bauersche Vergesellschaftung nur dann einen qualitativen Unterschied zur Verstaatlichung ausmachen wird, wenn das Betriebsratswesen sowie die Gewerkschaft entlang der Prinzipien demokratischer Selbstorganisation reformiert werden würden.
Gibt es Organe der demokratischen Selbstorganisation auch auf kommunaler Ebene, können diese als Vertretung der KonsumentInnen zusätzlich in das System der Vergesellschaftung einbezogen werden.
Welches System der Vergesellschaftung genau eingeführt werden soll, müssen die Beschäftigten selbst entscheiden. Wichtig ist, dass das Management jederzeit abwählbar ist, dass niemand mehr als einen FacharbeiterInnenlohn verdient und dass das Gebäude der Demokratie auf regelmäßig tagenden, diskutierenden und abstimmenden Organen der Selbstorganisation fußt und nicht auf unkontrollierbaren Parteilisten.
Welche Druckmittel haben die ArbeiterInnen?
Die österreichischen Lohnabhängigen besitzen ein Instrument, das ihnen im Hinblick auf die Möglichkeiten der Vergesellschaftung und der ArbeiterInnenkontrolle, gegenüber anderen Nationen einen ungeheuren Vorteil bietet: Das Betriebsratswesen. Das Betriebsrätesystem ist nichts anderes als ein durch das Betriebsverfassungsgesetz und das Listenwahlrecht geknebeltes System der ArbeiterInnenkontrolle. Ohne die Verpflichtung der Verschwiegenheit bezüglich der Geschäftsgeheimnisse, der Verpflichtung zum Interessensausgleich mit der kapitalistischen Firmenleitung, die den Betriebsräten auferlegt ist, ohne die Beschränkungen des Listenwahlrechts, verbunden mit regelmäßigen Betriebsversammlungen und jederzeitiger Abwählbarkeit wäre das Betriebsrätesystem ein fertiges System der ArbeiterInnenkontrolle. Der Betriebsrat kann sich, wenn er seine Belegschaft hinter sich weiß, über diese Beschränkungen ohne viel Risiko hinwegsetzen. Die meisten Belegschaften würden eine Demokratisierung ihres Betriebsrates enthusiastisch begrüßen.
Demokratisierte Betriebsräte sind zudem eine mächtige Waffe im Arbeitskampf, da Belegschaften, die sich selbst demokratisch zum Kampf entschließen und regelmäßig über Ziele, Strategien und Mittel des Kampfes diskutieren und entscheiden, ungeheuer schwer zu besiegen sind.
Oben war die Rede von branchenübergreifender und nationaler Vernetzung der ArbeiterInnenkontrolle. Nichts wäre leichter zu organisieren als österreichweite und nationale Betriebsrätekonferenzen. Im Jahr 2008 kam es bereits zu einer österreichweiten Betriebsrätekonferenz in der Elektroindustrie. Solche Betriebsrätekonferenzen, wenn sie die Kompetenz erhalten würden, über Ziele, Strategien und Mittel des Arbeitskampfes frei zu diskutieren und abzustimmen, und sich für diese Entscheidungen zuvor ein Mandat aus den Betriebsversammlungen holen, wären nicht nur ein fertiges System der ArbeiterInnenkontrolle auf gesamtwirtschaftlicher Ebene, sondern auch ein mächtiges Kampfinstrument.
Die österreichischen Lohnabhängigen verfügen prinzipiell über einen Gewerkschaftsbund, dessen Aufgabe es an sich wäre, die Betriebsräte untereinander zu vernetzen, die Interessen der gesamten Lohnabhängigen gegen das Kapital zu verteidigen und gegebenenfalls Kampfmittel bis zum Generalstreik einzusetzen. Leider hat der Gewerkschaftsbund ein ungeheures Demokratiedefizit, weil es weder lebendige Gewerkschaftsgruppen in den Betrieben gibt, noch regelmäßige regionale, landes- und bundesweite Betriebsrätekonferenzen, durch die es zu einer demokratischen Willensbildung der Lohnabhängigen kommen könnte. Auf diese Weise wird der ÖGB vor allem von den Fraktionen organisiert. So groß der Mangel an Demokratie im ÖGB ist, so eng ist die Verbindung seiner Führung mit den ökonomischen und politischen Eliten unserer Republik. Gerade in der Wirtschaftskrise mutiert die ÖGB- Spitze nahezu zu einem bloßen Verwalter der kapitalistischen Krise in den Betrieben. Sein einziges Konzept gegen die Krise ist das Zurückweichen vor den Forderungen der Unternehmen und der Logik des Kapitalismus: Kurzarbeit, staatliche Intervention ohne Kontrolle und defensive Kollektivvertragspolitik. Die durch mangelnde Demokratie und mangelnde Alternativvorschlage zu den angeblichen Sachzwängen der Wirtschaftskrise immer schlimmer werdende Legitimationskrise des ÖGB könnte in kürzester Zeit beendet werden. Die ÖGB- Führung müsste ihren Arbeits- und Kampfauftrag in bundesweiten Betriebsrätekonferenzen in Kombination mit Versammlungen in den Betrieben diskutieren und abstimmen lassen. Zudem müsste sie durch unsere oben beschriebenen wirtschaftspolitischen Übergangsforderungen deutlich machen, dass Arbeitsplatzverlust und Lohnverzicht nicht in Kauf genommen werden.
Haben die österreichischen Lohnabhängigen einmal in einem die gesamte Republik umfassenden demokratischen Meinungsbildungsprozess vom kleinsten Betrieb bis zur bundesweiten Betriebsrätekonferenz ihre Ziele festgesetzt, dann gibt es keine Macht der Welt, die sie aufhalten könnte. Denn ohne die Mitarbeit der Lohnabhängigen scheint keine Glühbirne, kein Rädchen dreht sich, und kein Zug fährt. Streiks und Generalstreiks, die von Anfang an unter der Kontrolle und Mobilisierung der Belegschaft stattfinden, und die sich in ihren Zielen an den Interessen der Streikenden und an den Bedürfnissen der Gesellschaft und nicht an der kapitalistischen Logik von Profit und Konkurrenz orientieren, sind auch in Zeiten der Wirtschaftskrise kaum zu besiegen. Von diesem Faktum legen die mächtigen Streiks der amerikanischen Auto- und Transportarbeiter während der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre ein klares Zeugnis ab.
Die Lohnabhängigen benötigen jedoch nicht nur mächtige demokratische Kampfinstrumente, in Betrieb, Branche und Volkswirtschaft, sondern auch eine Vertretung im Parlament. Hätten sie eine solche, könnten sie Gesetzesentwürfe im Nationalrat einbringen und in Kombination mit außerparlamentarischen Druckmitteln, wie Generalstreiks das Kapital ökonomisch und politisch zugleich herausfordern. Politische KommentatorInnen bezeichneten vor allem rund um den „Pensionsabwehrstreik“ 2003 einen Generalstreik, der Regierung und Parlament unter Druck setzt, als „antidemokratisch“. Diese Damen und Herren vergessen aber, dass das Kapital durch seine angeblichen Sachzwänge und durch seine ständige Drohung, den Wirtschaftsstandort zu wechseln einen ständigen Druck auf alle politischen Kräfte Österreichs ausübt. Der ständige außerparlamentarische Druck des Kapitals auf das Parlament ist tatsächlich antidemokratisch, weil er rein auf Basis von Besitztiteln erfolgt. Der außerparlamentarische Druck von Generalstreiks, die auf bundesweiten Betriebsrätekonferenzen beschlossen würden, wäre zutiefst demokratisch, weil er zu einem gegebenen Zeitpunkt und einer gegebenen politische Frage im Gegensatz zum Nationalrat den augenblicklichen Willen der Mehrheit der Bevölkerung ausdrücken würde, während der Nationalrat lediglich das, durch Listenwahlrecht verzerrte Resultat von gestern darstellt.
Die Lohnabhängigen müssen selbstverständlich auch danach streben, bei Nationalratswahlen die Mehrheit zu erobern. Man stelle sich nur vor dass die SPÖ, als traditionelle Partei der Lohnabhängigen, vor der Wahl eine bundesweite Betriebsrätekonferenz einberuft und sich bereit erklärt, deren Beschlüsse zu ihrem Wahlprogramm zu erheben. Sie würde sich weiters dazu verpflichten ihre zukünftige Regierungspolitik in regelmäßigen Abständen der Kontrolle einer Betriebsrätekonferenz und von vorher stattfindenden Betriebsversammlungen in allen Betrieben zu unterwerfen. Stellen wir uns also vor, die SPÖ würde sich zur tatsächlichen parlamentarischen Stimme der Lohnabhängigen machen und würde sich dem ständigen demokratischen Willen von 3,5 Mio. unterwerfen. Auf diese Weise wäre die absolute Mehrheit in eine greifbare Nähe gerückt. Angenommen eine SPÖ- Minderheitsregierung bringt eine Gesetzesinitiative in den Nationalrat ein, die auf einer bundesweiten Betriebsrätekonferenz und in bundesweit stattfindenden Betriebsversammlungen beschlossen worden ist. Würde diese Gesetzesinitiative von den anderen Parteien abgelehnt werden und daraufhin Neuwahlen ausgerufen, wäre das eine Wahl zwischen dem nachweislichen Willen von 3,5 Mio. Beschäftigten auf der einen Seite und dem Willen einiger weniger Kapitalbesitzer auf der anderen. Das Resultat kann sich jeder selbst ausmalen.
Diese Methodik der Regierung der Lohnabhängigen – wir nennen sie die Methodik des sicheren Sieges – liegt dabei für die Führung von SPÖ und ÖGB vollständig im Rahmen des politisch Möglichen.
Man könnte das System der demokratischen Selbstorganisation nach dem Muster der demokratisierten Betriebsräte, von den Betrieben auch auf alle übrigen Lebensbereiche, auf die Schulen, Universitäten und Stadtviertel ausdehnen, um die gesamte Bevölkerung einzubinden und alle Lebensbereiche mit Demokratie zu durchfluten.
Für die Unterwerfung der Politik von ÖGB und SPÖ unter den demokratischen Willen bundesweiter Betriebsversammlungen und anschließender bundesweiter Betriebsrätekonferenzen. Für eine Regierung der Lohnabhängigen. Für die Demokratisierung der Betriebsratsstruktur im Sinne echter ArbeiterInnenkontrolle. Lasst uns die Betriebe und alle übrigen Lebensbereiche mit Demokratie durchfluten.
Die Veränderung des Bewusstseins
Bezüglich des Bewusstseins der ÖsterreicherInnen über die Maßnahmen gegen die Krise liegt uns eine bemerkensweise Umfrage des Wiener Marktforschungsinstituts Info Research International vom Dezember 2008 vor, also von einem Zeitpunkt als die Krise in der Realwirtschaft noch kaum zu spüren war. (Die Presse, 03.12.2008)
63 Prozent wollten laut dieser Umfrage bereits letzten Dezember, dass der Staat große Unternehmen, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, unter die Arme greift. Immerhin 21 Prozent traten für eine totale Verstaatlichung dieser Unternehmen ein. Der Staat sollte die Kontrolle über Führung und Management des Unternehmens ausüben. Bei über 50 Jährigen war mit 39% eine Mehrheit der Unterstützer staatlicher Eingriffe für eine Totalverstaatlichung von Konzernen. An dieser Umfrage ist interessant, dass es eine relativ starke Minderheit von Verstaatlichungsbefürwortern gibt, obwohl diese Meinung von sämtlichen Medien und politischen Parteien verteufelt wird. Diese Minderheit wird von niemandem repräsentiert. Wir haben aber großen Grund zur Annahme, dass die Meinung der Bevölkerung sich massiv mit der Fragestellung ändert. Wird nämlich gefragt, was getan werden soll, wenn Arbeitsplätze gefährdet sind, ändert sich die Meinung der ÖsterreicherInnen sprungartig.
„Wenn es allerdings um die Rettung von Unternehmen geht, wenn die staatlichen Investitionen konkret definiert werden, dreht sich die Meinung ins Gegenteil.“ (ebenda)
Dies kann etwa drastisch beobachtet werden, bei der Frage nach einer staatlichen Neuverschuldung aufgrund der Krise. 35% sind ganz allgemein für extra Schulden aufgrund einer Rezession, 63% wenn Unternehmen in Gefahr sind und eindrucksvolle 73% unterstützen mehr Schulden, wenn dadurch Arbeitsplätze gerettet werden können.
Es deutet einiges daraufhin, dass der allgemeine Anteil von 21% allgemeinen Verstaatlichungsbefürwortern drastisch steigen würde, wenn es um die Rettung von Arbeitsplätzen oder des bestehenden Lohnniveaus gehen würde. Die Antwort auf diese Frage ist uns leider nicht bekannt. Zudem wurde in dieser Studie auch nicht extra gefragt oder zumindest nicht publiziert, wie die Menschen zur Verstaatlichung von heruntergewirtschafteten Banken stehen. Hinzu kommt dass diese Umfrage gemacht wurde, als die Beschäftigung in Österreich sogar noch stieg und die Krise als bloße Finanzkrise Angst einjagte. Die Meinung wird sich noch einmal rapide ändern, wenn die eigene Region oder der eigene Arbeitsplatz bedroht werden, und wenn die Erfolglosigkeit der Staatsintervention ohne Transparenz und Kontrolle immer kostspieliger und offensichtlicher ans Tageslicht tritt.
Die österreichische Tradition
Zahlreiche bisher präsentierte Ideen sind zutiefst in der österreichischen Geschichte verwurzelt. Bereits 1848 versuchten die WienerInnen an der Spitze der europäischen Revolution eine Demokratie nach dem Muster der Amerikanischen und Französischen Revolution zu erkämpfen und organisierten sich in demokratischen Organen der Selbstorganisation. 70 Jahre später im Jahre 1918 waren die ÖsterreicherInnen nach den RussInnen die ersten, die auf revolutionärem Wege ihren Kaiser stürzten. Über 1,5 Millionen österreichische ArbeitnehmerInnen waren in dieser Zeit in ArbeiterInnen- und Soldatenräten organisiert, die bis 1923 eine entscheidende Rolle in der österreichischen Politik spielten. Aus diesen ArbeiterInnenräten, die vorbildliche Organe demokratischer Selbstorganisation waren, ging das österreichische Betriebsrätewesen, die ArbeiterInnenkammer und die Grundpfeiler der österreichischen Sozialgesetzgebung hervor.
Leider wurden die ArbeiterInnenräte aufgrund einer anti- revolutionären Orientierung der SPÖ- Führung entmachtet. In Österreich schaffte es nur der Faschismus, in Russland nur der Stalinsche Terror, der ArbeiterInnenbewegung die wunderbaren Erfahrungen mit ArbeiterInnendemokratie und Vergesellschaftung auszutreiben und den wirklichen Sozialismus zu verhindern.
Nach 1945 kam es zu der höchst interessanten Entwicklung in Österreich, dass scheinbar alle Bestandteile des sozialistischen Wirtschaftsprogramms umgesetzt wurden. Die Betriebsräte erhielten ein Mitspracherecht in der Unternehmenspolitik und konnten ihre alternative Sicht darlegen. Scheinbar war die ArbeiterInnenkontrolle über die Wirtschaft realisiert. Ein Planungsministerium wurde eingeführt, die Banken und die großen Konzerne verstaatlicht, in den 1960er Jahren wurde ein Wirtschaftsrat zur volkswirtschaftlichen Koordination der wirtschaftlichen Entwicklung gegründet. Die SPÖ eroberte die absolute Mehrheit und eine große Zahl an Lohnabhängigen war im ÖGB organisiert. Die ArbeiterInnenbewegung hatte offensichtlich die Hälfte des Staates erobert.
In Wirklichkeit gab es bei der ganzen Sache einen winzigen Haken. Was fehlte war die demokratische Selbstorganisation der Beschäftigten. Die ArbeiterInnenbewegung integrierte sich in einen Staat, der trotz Parlament im Kern der alte kaiserliche Hofrätestaat war. Österreich lehnte sich mit seiner Verfassung 1945 nicht an der lebendigen Demokratie der Französischen Revolution von 1789- 1798 oder der amerikanischen von 1776 an, die auf der demokratischen Selbstorganisation der Massen fußte. Das Modell der österreichischen Demokratie war wie das der modernen bürgerlichen Demokratie überhaupt die französische Republik von 1871, die Marx als Kaisertum ohne Kaiser bezeichnete und jeder wirklichen Selbstorganisation entbehrte. Zu den schwarzen Hofräten gesellten sich 1945 lediglich rote, die mit der Zeit alle Untugenden der ersteren übernahmen. Nicht der Staat wurde nach dem Modell der ArbeiterInnendemokratie demokratisiert, nein, das Betriebsrätewesen wurde nach dem Modell des parlamentarisch umkränzten Hofrätestaates umgemodelt. Es kam in den Unternehmen zur Erscheinung des berühmten Betriebskaisers, der niemand anderem Rechenschaft schuldig war als seiner Parteiführung.
Mangelnde Selbstorganisation und ArbeiterInnendemokratie gingen einher mit einem zweiten Haken: Die Führung der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften verfolgten nicht das Ziel gegen die kapitalistische Logik des Profits und der Konkurrenz eine Logik der Bedürfnisse ins Treffen zu führen. Auf der Suche nach einer Quadratur des Kreises wollten sie beide Logiken miteinander vereinen. Quasi als Kompensation für ihre Integration in den bürgerlichen Staat, die verstaatlichte Industrie und die Aufsichtsräte der Betriebe unterwarf sich die ArbeiterInnenbewegung dem Ziel des kapitalistischen Wiederaufbaus, der in seiner lateinischen Übersetzung Restauration nicht ganz zu unrecht das Gegenteil von Revolution bezeichnet. Der damalige ÖGB Vorsitzende Johann Böhm predigte die freiwillige Selbstbeschränkung der ArbeiterInnenklasse zur Widerherstellung kapitalistischer Verwertungsbedingungen. Der gleiche Johann Böhm hielt das Listenwahlrecht in den Betrieben auf Grund der „Unreife der österreichischen Arbeiter“ für unumgänglich. Die „Unreife der österreichischen Arbeiter“ sah er in ihrem Unverständnis für die freiwillige Selbstbeschränkungspolitik manifestiert. Wiederum können wir beobachten wie Sozialpartnerschaft, Paternalismus und Entdemokratisierung mit einander Hand in Hand gehen. Aufgrund des damaligen weltweiten Wirtschaftsaufschwungs und der Aufholprozesse der schwachen österreichischen Wirtschaft wurden Wachstumsraten erreicht, die dem österreichischen Kapitalismus ein menschliches Gesicht gaben. Die Achillesferse des österreichischen „Sozialismus“ war lange Zeit nicht offensichtlich. Das Erreichen der absoluten Mehrheit durch Kreisky verbunden mit gewaltigen sozialen und wirtschaftlichen Reformen verstärkte noch zusätzlich die Illusion, dass der „alte Kapitalismus“ Geschichte sei. Bis Ende der 1970er konnten die österreichischen ArbeiterInnen tatsächlich annehmen in einer sozialistischen Gesellschaft zu leben. Die österrreichischen ArbeiterInnen, die 1945 durch Besetzung die Verstaatlichung entscheidender Teile der der Wirtschaft erzwangen, die 1950 und 1962 in gewaltigen Streikaktionen die weitere Modernisierung des Sozialstaates durchsetzten, und 1970 einer „Sozialistischen“ Partei die absolute Stimmenmehrheit erkämpften, begannen sich gemütlich zurückzulehnen. Eine Art proletarisches Biedermeier war die Folge. Dieser Prozess hat jedoch nichts Endgültiges an sich. Das bürgerliche Biedermeier endete mit der Revolution von 1848. Die Sozialpartnerschaft ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine Kristallisation des Klassenkampfes, eine Verwandlung der Bewegungsenergie der österreichischen ArbeiterInnenbewegung von 1848 über 1918 bis 1945/ 1950/ 1962 in potentielle, konservierte Energie. Dieser Prozess ist wie in der Physik nicht unumkehrbar, verlangt jedoch nach einem Katalysator.
Seit den 1980er Jahren, mit dem Eintreten der Weltwirtschaft in eine Phase der Stagnation und der absoluten Dominanz der Finanzmärkte, wurde der Sozialpartnerschaft mehr und mehr die Grundlage entzogen. Die aktuelle Krise der SPÖ und des ÖGB ist eine Krise ihrer alten sozialpartnerschaftlich orientierten Politik in Zeiten der absoluten Dominanz des Weltmarktes. Der Traum den österreichischen Kapitalismus zu vermenschlichen zerplatzte nach und nach und mit ihm zersetzte sich das einstige sozialdemokratische Imperium.
Es fing an mit dem Aufkommen von Massenarbeitslosigkeit, der Zerschlagung der Verstaatlichten und der Pleite des Konsums und kulminierte im spektakulären Karibik-Debakel des ÖGB und der BAWAG und schlussendlich in dem Brechen der Wahlversprechen von Dr. Alfred Gusenbauer. Neuerdings können wir beobachten wie ÖGB und SPÖ- Führung tatkräftig dabei mitarbeiten, die Lasten der Krise auf die Schultern der Lohnabhängigen und der SteuerzahlerInnen abzuwälzen.
Was unter der schwarz- blauen Regierung vielen das erste Mal zu dämmern begann und sich dann unter Gusenbauer fortsetzte, wird nun durch die aktuelle Weltwirtschaftskrise offensichtlich: Die Lohnabhängigen können den Lebensstandard nur im unversöhnlichen Kampf gegen das Kapital und dessen Parteien und nicht im Bündnis mit ihnen verteidigen. Die potentielle Energie der Sozialpartnerschaft muss in die Bewegungsenergie des Kampfes und der demokratischen Selbstorganisation zurückverwandelt werden. Um das Erreichte zu verteidigen, auf das wir zu Recht stolz sein können, müssen wir uns daran erinnern, wie wir es erkämpft haben.
Die steigende Erkenntnis, dass es notwendig ist ÖGB und SPÖ in Kampforganisationen umzuwandeln und die Betriebsratsebene zu demokratisieren, wird ab einem gewissen Zeitpunkt zu Differenzierungsprozessen und zur Herausbildung kämpferischer Flügel in SPÖ und ÖGB führen. In diesem Prozess wird der Marxismusgefordert sein, die österreichischen Lohnabhängigen mit einer neuen Strategie und Taktik, mit einem neuen Programm zu bewaffnen. (Der Streit von Franz Voves mit der Parteiführung rund um die Vermögenssteuer ist ein erstes Symptom für diesen Differenzierungsprozess.)
Interessanterweise begründete Voves seinen Vorschlag damit, dass die österreichischen ArbeiterInnen ansonsten mit Managerentführungen wie in Frankreich oder Schlimmerem reagieren würden und liefert auf diese Weise einen neuen Beweis für das komplexe Verhältnis der potentiellen und Bewegungsenergie des österreichischen Klassenkampfs.
Die österreichische Sozialdemokratie ist eine Katze mit sieben Leben. Nicht das erste Mal geht sie der scheinbaren Selbstzerstörung entgegen. Bereits im Ersten Weltkrieg wie auch 1934 leitete die Parteiführung die Bewegung in schreckliche Niederlagen. Jedes Mal folgte mit einer Erhebung der ArbeiterInnenbewegung die sozialistische Wiedererrichtung der Bewegung.
Perspektiven einer sozialen Revolution
Wenn sich Menschen von ihren Institutionen und Parteien nicht mehr vertreten fühlen ,begeben sie sich zuerst in eine Art politische innere Emigration, die leicht mit Entpolitisierung verwechselt werden kann. Sie ziehen sich mit ihrem politischen Denken und Fühlen zurück in die Privatsphäre. Meist glauben sie sich mit ihren Gedanken alleine und haben das Gefühl, dass alle anderen verdummen. Es missversteht quasi jeder den politischen Rückzug aller anderen ins Private als Entpolitisierung und nimmt dies wiederum als Bestärkung der eigenen Passivität. Dieser Prozess kehrt sich jedoch schlagartig in sein Gegenteil um, wenn die Menschen die Erfahrung machen, dass Hunderttausende das Gleiche durchmachen, denken und fühlen. Aus der synchronen Vereinsamung Tausender erwächst das Gefühl gegenseitigen Verständnisses, wird Solidarität und Stärke. Auf diese Weise explodiert die jahrelang in sich hineingefressene Unzufriedenheit, die sozialen Atome sammeln sich zur Masse, bestärken sich gegenseitig, der Unmut schaukelt sich gegenseitig auf und wird schlussendlich kollektiv artikuliert. So ein Prozess kann sich zu Massenaktionen und der Formierung von Organe der demokratischen Selbstorganisation auswachsen und damit zu einer revolutionären Situation werden. Wenn wildfremde Leute in der Tram, im Geschäft oder auf der Straße mit einander Gespräche über ihre politische Unzufriedenheit beginnen, dann liegt der Wandel in der Luft, so berichten die Chronisten der großen Revolutionen.
Krisen wie die aktuelle Weltwirtschaftskrise zerstören das Vertrauen der Menschen in die politischen und ökonomischen Strukturen grundlegend und lösten bereits in der Vergangenheit revolutionäre Prozesse aus. Diese beginnen jedoch meist nicht in der Krise selbst, da die Leute zu diesem Zeitpunkt gleichsam unter Schock stehen. Der revolutionäre Aufschwung setzt oft erst ein, wenn es die ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung gibt.
Die Herrschenden haben stets versucht Revolutionen als blutig und undemokratisch darzustellen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Definition einer Revolution ist, dass die Menschen nicht mehr bereit sind, die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen einer kleinen Minderheit von BerufspolitikerInnen, ManagerInnen und KapitalbesitzerInnen zu überlassen, sondern selbst aktiv werden. Sie errichten zu diesem Zweck Organe der demokratischen Selbstorganisation, wie die Sektionen während der französischen Revolution, die ArbeiterInnenräte während der russischen, österreichischen und deutschen Revolution, asambleas in Argentinien und Bolivien und Shoras währende der Iranischen Revolution von 1979. Blutig sind nicht die Revolutionen selbst, sondern der Versuch der Eliten, sie niederzuschlagen oder zu verhindern, wofür beispielsweise die Revolution in den USA 1776 und der anschließende Krieg mit England ein anschauliches Beispiel liefert.
Die Degeneration einer sozialen Revolution zu einem totalitären Regime, wie sie in Russland passierte, ist ebenso keinesfalls ein Automatismus. Das tragische Resultat der russischen Revolution hatte die spezifische Ursache, dass Russland ein ungeheuer rückständiges Land war, wo die Lohnabhängigen nur eine winzige Minderheit der ansonsten agrarisch dominierten Gesellschaft ausmachten und es hinten und vorne an Technologie und Bildung fehlte. Der Sozialismus wurde nicht für den sibirischen Pflug erdacht, sondern für das Zeitalter einer den ganzen Globus umspannenden Hochtechnologie, für die moderne Informations- und Kommunikationsgesellschaft.
Das sozialistische Wirtschaftsprogramm erfordert für seine Durchführung, dass die Menschen ihre passive Herangehensweise ablegen und anfangen, in allen wirtschaftlichen und politischen Fragen Verantwortung zu übernehmen. Es braucht, die Mobilisierung der Bevölkerung in demokratischen Organen der Selbstorganisation.
Die soziale Revolution ist nicht mehr und nicht weniger als ein Durchfluten aller Lebensbereiche mit Demokratie. Kein Wunder, dass Kreisky dieses Bonmot 1969 prägte, als in ganz Europa Revolutionen auf der Tagesordnung standen. Allerdings regierte Kreisky selbst wie ein „Sonnenkönig“ und durchflutete die Gesellschaft lediglich mit aufgeklärtem Absolutismus.
Die wissenschaftlichen Kriterien für eine soziale Revolution können folgendermaßen skizziert werden: Die herrschende Klasse muss gespalten sein und sich in einer moralischen Krise befinden. Sie kann nicht mehr so regieren wie bisher. Die Mittelschichten müssen sich radikalisieren. Die Lohnabhängigen dürfen nicht mehr bereit sein, den bisherigen Zustand zu tolerieren, und schlussendlich bedarf es einer revolutionären Führung, die Alternativen aufzeigt und Forderungen formuliert. Was wir heute in Österreich, Europa und den industrialisierten Ländern erleben ist, im Gegensatz zum Iran oder zu Bolivien und Venezuela sicherlich keine revolutionäre Situation. Aber weltweit treten wir ein in eine revolutionäre Epoche, in der zwar die Kriterien einer revolutionären Situation nicht erfüllt sind, sich aber bereits vereinzelt am Horizont spiegeln und eine genauere Untersuchung rechtfertigen.
Die herrschende Klasse
Für das erste Kriterium der Situation der Herrschenden können wir heute auf globaler Ebene erstaunliche Symptome beobachten. Vielleicht skizziert eine Anekdote über den ehemaligen japanischen Finanzminister die Situation am besten. Als erstes kündigte er als Reaktion auf die Krise an, jedem Japaner und jeder Japanerin eine gewisse Summe Yen zu schenken, um das Konsumvertrauen zu stärken. Wenig später antwortete er in einer Pressekonferenz auf die Frage, wie er denn die Sache finanzieren wolle, dass er für das kommende Jahr eine Verdopplung der Mehrwertsteuer plane, was das Konsumentenvertrauen just zerstörte. Kurz später drang ein Gerücht aus dem japanischen Finanzministerium, dass der neue Plan in der Hyperinflation liegen würde, um die Schulden Japans zu tilgen. Wenig später musste der japanische Finanzminister seinen Sessel räumen, weil er betrunken zu einer Pressekonferenz erschien. Auf der ganzen Welt stehen die Herrschenden der Krise komplett ratlos gegenüber. Die einen betonen die Notwendigkeit der Erhöhung der Staatsausgaben um das Vertrauen zu stärken, die anderen predigen die Sparpolitik um den Bankrott zu verhindern. Barack Obama und George W. Bush sind zwei Gesichter des US- amerikanischen Establishments, die verschiedener nicht sein könnten und damit auf ihre Art die innere Zerrissenheit und Ratlosigkeit der amerikanischen Eliten ausdrücken. Die zunehmende Unsicherheit der Herrschenden, die wir in Japan und den USA beobachten können, spiegelt sich auf die eine oder andere Art in jedem anderen Land wider. Vor kurzem drohte der russische Premier Putin seinem Lieblingsoligarchen Deripaska mit der Verstaatlichung seiner Betriebe und brachte damit die Zerrissenheit der russischen Machtelite zum Ausdruck. In Österreich bezeichnete vor kurzem der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler das Konjunkturpaket der Regierung als geistiges Blech.
Was bei der Betrachtung der politischen und ökonomischen Eliten auffällt, ist nicht nur ihre innere Gespaltenheit in Hinblick auf die Krise, sondern auch ihr zunehmender moralischer Verfall in jeder erdenklichen Bedeutung dieses Wortes. So schreiben etwa die Salzburger Nachrichten unter dem Titel „Wir tanzen auf einem Vulkan“ über Österreich: „Ernsthafte Vorschläge zur Sanierung des Staatshaushalts? Ernsthafte Vorschläge zur moralischen Sanierung des Wirtschaftssystems? Ernsthafte Ideen wie eine Welt ohne ewiges Wachstum aussehen kann? Fehlanzeige. Immer mehr Menschen verlieren den Glauben daran, dass die heutige Politik die großen, die wirklichen Fragen lösen kann. Die Demokratie steuert auf eine ernste Krise zu. Doch was kommt danach?- Noch haben wir es in der Hand. Wir tanzen auf einem Vulkan.“ (SN, 1.8.2009). Bereits vor der Wirtschaftskrise war es um das Ansehen der Herrschenden nicht aufs Beste bestellt, wenn wir an Politiker wie Toni Blair, George Bush, Silvio Berlusconi, Romano Prodi, Sarkozy oder in Österreich Wolfgang Schüssel und Alfred Gusenbauer denken, die allesamt diskreditiert die Regierungsbank räumen mussten. Die politischen Eliten verlieren immer mehr ihr Gesicht, was sich in einem ungeheuren Ausmaß an Politikverdrossenheit und immer kürzeren Regierungsperioden von Bundeskanzlern äußert. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlichte in ihrer Wahlanalyse zur letzten deutschen Bundestagswahl eine Analyse, dass die Deutschen, das erste Mal seit 1945 überwiegend keiner Partei mehr die Lösung der elementaren sozialen Probleme wie der Pensionen, des Gesundheitssystems und der Arbeitslosigkeit zutrauen. In Österreich erreichen die großen Parteien ÖVP und SPÖ gemeinsam unter den unter 30- Jährigen nur noch einen Stimmenanteil von ca. 30%. Politiker ist heute eine der unbeliebtesten Berufsgruppen überhaupt. Selbst der ehemalige ÖVP- Spitzenpolitiker Heinrich Neisser sagt über die heutigen Politiker: “Das einzige was Politiker verlangen sind gute Dienste und Ergebenheit. Dadurch entstehen unselbständige Figuren, die das sind was den Parteien immer angenehm ist: angepasst, keine Schwierigkeiten machend, ohne Zivilcourage.“(ebenda) In Frankreich ist der beliebteste Politiker ein trotzkistischer Postbeamter. In England erreicht die Partei des regierenden Premiers bei den Kommunalwahlen gerade 16%. Das gesamte politische Establishment versinkt in einem Spesenskandal. Japan hatte in den letzten drei Jahren drei Rücktritte von Premierministern zu verbuchen. In Spanien erzeugt die Konservative Partei, die Generalität und die katholische Kirche eine Stimmung des virtuellen Bürgerkrieges gegen die linksliberale Regierung. Italien wird von einem perversen Clown beherrscht. Aber auch der tschechische Premier wurde auf einer Party von Berlusconi nackt und mit erregtem Glied abgelichtet.
Nur das Image der ManagerInnen und Bankerinnen ist noch schlimmer. Kein Wunder, wenn ManagerInnen Prämien kassieren, während ihre Betriebe nur noch durch Zuschüsse der SteuerzahlerInnen überleben, wenn der Magna-Konzern einen Lohnverzicht von seinen MitarbeiterInnen fordert, während er gleichzeitig Opel kauft, wenn Siemens international 15 Mrd. € an Staatsaufträgen lukriert und gleichzeitig in Österreich 600 hochqualifizierte InformatikerInnen entlässt. Hier stellt sich die verrottete Moral der herrschenden Klasse offen zur Schau.
Der Konservative Wolfgang Schäuble kritisierte vor Kurzem die deutschen Wirtschaftstreibenden, dass ihr Verhalten den Bestand des politischen Systems gefährden würde. In der Financial Times war in einer Kolumne zu lesen, die Wirtschaftselite der USA habe ebenso wenig Realitätssinn wie der russische Adel im Oktober 1917. Fiona Swarovski gab unlängst der Bevölkerung den Tipp Kartoffeln und Gemüse am Balkon und im Blumenkisterl anzubauen, um zu sparen.
Doch nicht nur, wenn man die Weltfremdheit und Abgehobenheit der Herrschenden betrachtet, fallen einem Parallelen zurzeit vor der französischen Revolution auf. Bereits unter Ludwig dem XVI konnte Frankreich nicht mehr weiter regiert werden wie zuvor. Der Reformer Necker sollte durch eine Landreform und eine politische Reform, die die komplette bisherige Ideologie des Adels verletzte Frankreich reformieren. Auf diese Weise wurden bereits unter Ludwig dem XVI Tabus gebrochen, die dem Volk zeigten, dass nichts unveränderlich ist, und ihm Lust auf mehr machten. Den gleichen Prozess sehen wir jetzt, wo die Eliten ihre ganzen neoliberalen Grundsätze der Sparsamkeit über Bord werfen und riesenhafte staatliche Gelder in die Hand nehmen um sich selbst zu retten. JedeR normale BürgerIn muss sich fragen, warum nicht auch Geld für Schulen, Krankenhäuser und Pensionen locker gemacht werden kann, wenn gleichzeitig Mrd. für Banken und Konzerne ausgegeben werden. Verstaatlichungen, Staatshaftungen und Staatsaufträge drängen den Gedanken nahezu auf, dass vielleicht die Gesellschaft generell die Kontrolle über die Konzerne und Banken übernehmen sollte, vor allem dann wenn die erhofften Resultate der Halbmaßnahmen ausbleiben.
Die Mittelschicht
Das zweite Kriterium, die Radikalisierung des Kleinbürgertums zeichnet sich ebenso ab. Die Wirtschaftskrise, die platzenden Spekulationsblasen, betreffen auch Leute, die in der Vergangenheit zu einem erklecklichen Vermögen gekommen sind. Eine Studie der britischen Polizei wies daraufhin, dass das erste Mal in der Geschichte Großbritanniens auch eine Mehrheit der HausbesitzerInnen Demonstrationen beiwohnen würde, selbst bei einer drohenden Konfrontation mit der Polizei. In Frankreich befürwortet eine Mehrheit der Bevölkerung Managerentführungen, auch große Anteile der WählerInnen konservativer Parteien.
In Österreich sprach sich der Parteitag der ÖVP Salzburg in einer Abstimmung für die Vermögenssteuer aus (Der Standard 6.5. 2009). Wir sahen in den letzten Jahren Demonstrationen oder Proteste von niedergelassenen ÄrztInnen, RichterInnen, Bauern/ Bäuerinnen, PilotInneen und anderen sozialen Schichten, die eher der Mittelschicht zugeordnet werden können.
Die Zahl der MillionärInnen ist im Jahr 2008 in Österreich um 10200 oder 14,1 % gesunken (die Presse 23.6.2009). Die gleiche Studie stellte fest, dass alle anderen AnlegerInnen, also vor allem die Mittelschicht, stärker vom sozialen Abstieg betroffen waren, da die Portfolios der MillionärInnen mit unterdurchschnittlichem Risiko behaftet waren.
Im August 2008 als die Wirtschaftskrise sich erst am Horizont abzeichnete und die Realwirtschaft noch gar nicht betroffen war, führte das IMAS Institut eine interessante Untersuchung durch, die zum Schluss kam, dass die Zukunftsängste der ÖsterreicherInnen so stark wie das letzte Mal 1973 sind. (Die Presse 08.08.2008)
67% der Bevölkerung würden einen sozialen Abstieg erwarten: „Die Bevölkerung leidet unter steigenden Abstiegsängsten“, sagt IMAS- Chef Andreas Kirschhofer zur „Presse“. Es sind vor allem Ältere und sozial Schwache, die Zukunftsängste plagen. Aber auch unter den Bauern herrscht Verunsicherung.“ (Ebenda)
„Die Menschen hätten immer öfter das Gefühl, dass ihnen weniger Geld übrig bleibt. „Und es geht dabei nicht um die Ärmsten der Armen“, warnt er. Die Verunsicherung reiche weit in die Mittelschicht hinein. Auch Menschen mit 4000 Euro Monatseinkommen seien davon betroffen. „Das birgt sozialen Sprengstoff“, warnt er. „Wir reden hier von einer siebenstelligen Bevölkerungszahl.“ Wenn die Zukunftsangst derart weite Kreise befällt, dann sei „der gesellschaftliche Zusammenhalt in Gefahr.“ (Ebenda)
Interessant ist, dass 1973 diese Stimmung am meisten der SPÖ zu gute kam, die 1975 einen historischen Wahlsieg erringen konnte und von den Massen als Instrument der Gesellschaftsveränderung wahrgenommen wurde. Dies hat sich heute radikal geändert, weil die SPÖ nicht mehr als entschiedene Kraft der sozialen Veränderung wahrgenommen wird.
Die tiefe Verunsicherung der Mittelschichten drückt sich heute auch in politischen Phänomenen wie Hans Peter Martin oder Fritz Dinkhauser aus, die als Individuen erstaunliche Stimmenanteile erreichen können. Beide symbolisieren auf ihre Weise den verzweifelten Kleinbürger, der sich nicht mehr mit den bisherigen politischen Strukturen identifizieren kann und gegen Globalisierung, Intransparenz und Korruption wettert ohne selbst einen Ausweg anbieten zu können.
Die Lohnabhängigen und die Krise des Reformismus
Das dritte Kriterium einer revolutionären Situation besteht darin, dass die Masse der Lohnabhängigen eine Veränderung erstrebt und im aktiven Kampf für diese ihre eigene Stärke erkennt. Diese Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit den Erschütterungen einer Ideologie, die bisher die Menschen vom Kämpfen abhielt: des Reformismus.
In Österreich machten die Lohnabhängigen seit 2003 kaum neue Erfahrungen in Arbeitskämpfen. Der Prozess des aktiven Eingreifens der arbeitenden Menschen in die Politik ist noch in einem embryonalen Stadium. Gleichzeitigt ist die Desillusionierung der reformistischen Ideologie in Österreich gerade in den letzten Jahren sehr weit fortgeschritten. Jahrzehntelang wurden Streiks in Österreich in Sekunden gezählt, weil die Stellvertreterpolitik von ÖGB und SPÖ Führung einen gewissen Wohlstand garantierte. Heute liegt die Vorstellung, dass durch kleine Reformen ein menschlicher Kapitalismus errungen werden kann, in Trümmern. Bereits vor der Wirtschaftskrise erlebten wir eine ungeheure Krise des ÖGB und durch die gebrochenen Wahlversprechen eine Krise der Glaubwürdigkeit der SPÖ Führung. Jetzt in der Wirtschaftskrise sehen wir, wie die Lohnabhängigen völlig das Vertrauen verloren haben, dass der sozialdemokratische Weg der sozialdemokratischen Führung, der Weg des angeblich menschlicheren Kapitalismus in irgendeiner Weise Antworten auf die Krise bieten kann. Trotz Krise verliert die SPÖ bei den EU Wahlen 9% der Stimmen, bei den AK Wahlen in Wien sogar 12%. In Betrieben mit Lohnverlust oder Personalabbau war der Verlust der SozialdemokratInnen noch bedeutend höher. In Großbritannien steht die Labour Party vor der elektoralen Vernichtung. Sie fiel bei den EU Wahlen auf Platz 3 zurück und erreichte bei den Gemeinderatswahlen 16%. Dies obwohl die Gewerkschaftsbewegung mit den Streiks im Baugewerbe das erste Mal seit dem Bergarbeiterstreik wieder Siege erringt und in die Offensive übergeht. In Deutschland ergeht es der SPD nicht viel besser.
Es ist überaus bemerkenswert, dass in einer Zeit, in der das Vertrauen in den Kapitalismus einen absoluten Tiefpunkt erreicht hat, offen marktliberale Parteien Wahlen gewinnen. Diese Siege können keinesfalls mit einer marktfreundlichen Stimmung der WählerInnen erklärt werden. Eine solche gibt es ganz einfach nicht. Der einzige wirkliche Grund für diese Situation liegt darin, dass die Strategien der sozialdemokratischen Führung durch die Krise am meisten an Glaubwürdigkeit verloren. Wenn sogar die Linkspartei in Deutschland Bankenverstaatlichungen ablehnt, die ehemalige Führung der KP in Italien neoliberale Reformen unterstützt, dann gibt es scheinbar keine Alternative zum Kapitalismus, so der häufige Schluss schwankender WählerInnen. Die Krise der Linken ist also nichts weiter als eine Krise der linken Führung, die vor dem Kapitalismus und damit auch vor der Krise kapituliert. Wenn sich momentan Teile der Lohnabhängigen verärgert von ihren Parteien abwenden ist das eine notwendige Stufe in dem Prozess sich selbst zu finden. Wenn Enttäuschung und Frustration über die herrschende Politik neue Rekorde erreichen, ist das die notwendige Vorbedingung für die Entwicklung einer ganz neuen Art von Politik. Es ist die Definition einer Revolution, dass der Stellvertretungspolitik der BerufspolitikerInnen das Vertrauen entzogen wird und die ganz gewöhnlichen Menschen anfangen selbst Politik zu machen.
Die politische Selbstbetätigung der Lohnabhängigen kann man im Kleinen in jedem Streik beobachten. Ein Beispiel wären die Streiks in Österreich 2003. In einem Streik gegen die Pensionsreform und dem darauffolgenden Eisenbahnerstreik zeigte sich, dass die österreichischen Lohnabhängigen eine Macht entfalten können, die eine Regierung zum Erzittern bringen kann. Der Sieg dieser Streiks wurde nicht im Kampf von den Streikenden, sondern von der sozialpartnerschaftlich orientierten Gewerkschaftsführung in den darauffolgenden Verhandlungen verspielt, weil diese um jeden Preis einen Sturz der Regierung verhindern wollte. Diese erste Machtenfaltung der Lohnabhängigen fand auf die eine oder andere Weise durch Generalstreiks und riesenhafte Demonstrationen gegen den Irakkrieg in ganz Europa, in nahezu jedem einzelnen Land, ihr Gegenstück. Die Bedeutung dieser ersten Protestwelle nach langen Jahren des sozialen Friedens, lag darin, die eigene potentielle Macht, aber auch die Unzulänglichkeit der eigenen Führung zu erkennen.
Nach kürzeren oder längeren Pausen muss die Bewegung zu einem zweiten Akt übergehen, der durch neue Eigenschaften gekennzeichnet sein wird. Zum einen werden die Lohnabhängigen Maßnahmen treffen wie sie in ihren Kämpfen in der Strategie und Taktik unabhängiger von ihren FührerInnen vorgehen können, zum anderen werden sie dieses Mal ihr ganzes Gewicht an Aktivität und Kreativität in den siegreichen Ausgang des Arbeitskampfes legen. Sie werden nicht mehr still in den Betrieben sitzen bleiben und der Dramaturgie der Gewerkschaftsführung und ihrer Verhandlungen folgen, sondern selbst jedes Mittel in Gang setzen, um den Druck auf das Kapital zu erhöhen. Zu diesem Zweck werden die Lohnabhängigen Organe der Selbstorganisation wie demokratische Streikkomitees schaffen, oder die vorhandenen Strukturen in solche umwandeln.
Ein erstes Zeichen ist bereits von der britischen ArbeiterInnenklasse in den siegreichen BauarbeiterInnenstreiks von Lindsey gesetzt worden. Das erste Mal seit dem Bergarbeiterstreik wurden in einer ganzen Industrie auf nationaler Ebene in Arbeitskämpfen, die unabhängig von der Gewerkschaftsführung initiiert und durchgeführt wurden, Verbesserungen erkämpft. Neben diesem Beispiel eines Kollektivvertragskampfes könnte ein anderes Kampfmittel Schule machen, welches aus dem fernen, aber krisenerfahrenen Lateinamerika kommt: Die Betriebsbesetzung. Wiederum konnten wir das erste Beispiel einer solchen Entwicklung auf den britischen Inseln beobachten, wo in Belfast, Basildon und Enfield, ArbeiterInnen die Werke des Autozulieferers Ford Visteon ein Monat lang besetzten und zumindest einen Teilsieg erringen konnten.
Es ist wahr, dass der zweite Akt des Selbstfindungsprozesses der österreichischen ArbeiterInnen noch nicht begonnen hat. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass man vor kurzem noch den englischen ArbeiterInnen jegliches Kampfpotential abgesprochen hat.
Die Frage des Kampfes und der Selbstorganisation ist nicht nur eine Frage des Bewusstseins. Das höchste Bewusstsein nicht nur für die Probleme sondern auch für die Lösungen bringt nichts, wenn es keinen Kanal findet in dem es sich zeigen kann, wenn es kein Instrument zur Verfügung hat, mit dem es umgesetzt werden kann. Und genau hier liegt das Problem der ArbeiterInnenbewegung in Österreich. Die österreichischen Lohnabhängigen haben nicht einmal gewerkschaftliche Betriebsgruppen, in denen sie sich organisieren können. Die bewusstesten Schichten der Lohnabhängigen, BetriebsrätInnen und einfache Gewerkschaftsmitglieder gleichermaßen, müssen sich zusammentun und vernetzen, zuerst innerhalb des Betriebes in gewerkschaftlichen Betriebsgruppen und dann in der Branche. Nur diese Vernetzung kann Strukturen schaffen, mit denen sich Arbeitskämpfe siegreich ausfechten lassen, nur diese Strukturen können den notwendigen Druck auf die eigene Gewerkschaftsführung erzeugen. Das ist die unmittelbare Aufgabe, die vor uns liegt.
Schlussendlich reichen aber weder Besetzungen noch Erfolge in einzelnen Branchen. Die Probleme der arbeitenden Menschen sind allgemeiner Natur und können schlussendlich nur auf gesamtgesellschaftlicher und politischer Ebene gelöst werden. Der Generalstreik wird zu diesem Zweck eine Renaissance erleben, dieses Mal als aktiver Generalstreik ausgehend von Organen der Selbstorganisation und deutlich reduziertem Vertrauen in die GewerkschaftsführerInnen. Alle momentanen und zukünftigen Teilkämpfe der Lohnabhängigen sind lediglich Rinnsaale, Bäche und Flüsse, die schlussendlich in einem Kampf zusammenfließen müssen, um im Generalstreik einen Kurswechsel in der herrschende Politik und Wirtschaft überhaupt zu erzwingen.
Die österreichische ArbeiterInnenbewegung hat genügend geschichtliche Erfahrungen mit Generalstreiks. Mit dem Maistreik von 1890, dem Generalstreik zur Erkämpfung des allgemeinen Wahlrechts 1907, dem Jännerstreik von 1918 zur Beendigung des ersten Weltkrieges, dem Generalstreik rund um das Schattendorfer Schandurteil von 1927, dem Generalstreiks von 1950 gegen die Preisexplosion, dem Metallerstreik von 1962 zur Erkämpfung des 8 Stundentages hat sie Geschichte geschrieben. 2003 hat sich die Meisterin das erste Mal nach langem Schlaf die Muskeln aufgewärmt und die Regierung zu erzittern gebracht.
Aber selbst ein erfolgreicher Generalstreik kann nur den notwendigen Druck für die Lösung der Probleme erzeugen. Nachhaltig befriedigt können die Anliegen der Lohnabhängigen erst werden, wenn sie eine politische Kraft hervorbringen, die mit einem sozialistischen Programm antritt um die Gesellschaft von Grund auf zu verändern.
Die revolutionäre Führung
Die meisten Menschen denken bei dem Wort Revolution an Russland 1917 oder Frankreich 1789, aber vergessen dabei, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass zwischen 1968 und 1978 eine revolutionäre Welle durch Europa schwappte. Sie begann zuerst in Frankreich mit dem Generalstreik im Mai 1968, ging dann mit dem Heißen Herbst 1969 auf Italien über und kulminierte mit den Revolutionen in Portugal 1974, Griechenland 1974 und Spanien 1975. Vor allem die letzten drei Revolutionen standen in engem Zusammenhang mit der letzten Weltwirtschaftskrise von 1974.
Die Lohnabhängigen haben sehr oft bewiesen, dass sie fähig sind, die gesellschaftlichen Strukturen ins Wanken zu bringen und mit Organen der demokratischen Selbstorganisation Embryos einer neuen Gesellschaft zu schaffen. Das Kapital und die politischen Eliten sind jedoch sehr gut organisiert und unternehmen in so einer Phase der politischen Entwicklung alles um eine gesellschaftliche Umwälzung zu verhindern. Besonders die Führung der Sozialdemokratie entwickelte im Lauf der Zeit viel Eifer und Geschick in dieser Disziplin. Deshalb kann eine revolutionäre Bewegung nur dann endgültig siegen, wenn sich die wirklichen SozialistInnen jedes Betriebes und jedes Stadtviertels genauso gut organisieren, wie ihre Gegner und gemeinsam Strategien und Taktiken für sozialistische Politik entwickeln.
Die Lohnabhängigen sind in revolutionären Situationen in der Lage Organe der demokratischen Selbstorganisation hervorzubringen, sie sind aber nicht fähig gleichsam aus dem Nichts und spontan eine organisierte sozialistische Kraft zu schaffen. Diese muss bereits Jahre davor geduldig aufgebaut werden.
Ohne organisierte SozialistInnen ist jede Form der demokratischen Selbstorganisation notwendigerweise unvollständig. Denn jede Demokratie beginnt mit der Möglichkeit alternativer Entscheidungen. Ohne organisierte SozialistInnen werden die Lohnabhängigen immer nur die Vorschläge des Unternehmers oder der Gewerkschaftsbürokratie zu hören bekommen, oder vor angebliche Sachzwänge gestellt. SozialistInnen können und wollen ihre Vorschläge der großen Masse nicht diktieren, aber sie können ihre Vorschläge in den demokratischen Versammlungen der Lohnabhängigen zur Abstimmung vorlegen und versuchen in geduldiger Überzeigungsarbeit Mehrheiten für konkrete Maßnahmen zu gewinnen.
Aus diesem Grund haben die verschiedenen Elemente eines sozialistischen Programms nur dann eine Chance, wenn sich seine AnhängerInnen organisieren. In ihrem Kampf für die demokratische Selbstorganisation und ein darauf begründetes Wirtschaftssystem werden sie nicht nur auf den Widerstand der Kapitalbesitzer und ihrer Parteien stoßen, sondern auch auf jenen der Führung von SPÖ und ÖGB, die ebenfalls sehr gut organisiert ist. Die wirklichen SozialistInnen müssen sich aus diesem Grund auch innerhalb des ÖGB und der SPÖ organisieren, um beide Organisationen für die Lohnabhängigen und gemeinsam mit ihnen zurückzuerobern.
SozialistInnen lassen sich in ihren Vorschlägen und Strategien vor allem von den Erfahrungen vergangener Kämpfe der Lohnabhängigen und internationalen Beispielen leiten. Sie verstehen den Marxismus nicht als starres Dogma oder verstaubtes Relikt, sondern als lebendige Wissenschaft von der Befreiung der Lohnabhängigen, als wissenschaftliche Auswertung der Erfahrungen, die die Lohnabhängigen der Welt in ihrer Geschichte und ihren Kämpfen gemeinsam gemacht haben. Diese Erfahrungen werden meist bereits von der nächsten Generation wieder vergessen. Die organisierten SozialistInnen sind das kollektive Gedächtnis der Lohnabhängigen, der Marxismus ist die Gesamtheit der theoretischen Schlüsse, die sich wissenschaftlich daraus ziehen lassen. Die Internationale Marxistische Tendenz versucht alle wirklichen SozialistInnen weltweit zu organisieren. In Österreich wird sie durch die marxistische Strömung rund um die Zeitschrift „Der Funke“ vertreten.
Österreich und die Welt
Die Frage stellt sich, ob es besonders in einer globalisierten Welt wie heute, überhaupt möglich ist, eine Gesellschaftsveränderung in einem kleinen Land wie Österreich durchzuführen. Globalisierungskritische Strömungen wie ATTAC betonen immer wieder die Notwendigkeit Veränderungen wie beispielsweise Finanztransaktionssteuern europaweit durchzuführen, da sonst einzelnen Ländern leicht Standortnachteile erwachsen können.
Bereits zwei Mal in der österreichischen Geschichte schreckte die Führung der österreichischen ArbeiterInnenbewegung vor einer Transformation der Gesellschaft zurück, indem sie auf die Kleinheit des Landes verwies. 1918 redete Otto Bauer, 1945 der ÖGB- Vorsitzende Johann Böhm der Notwendigkeit einer freiwilligen politischen und ökonomischen Selbstbeschränkung der ArbeiterInnenklasse das Wort.
MarxistInnen hingegen sind der Meinung, dass es gerade die Globalisierung den österreichischen Lohnabhängigen ermöglicht von Anfang an international vorzugehen. Wenn der Haupthebel der Gesellschaftsveränderung in der Errichtung eines Systems der ArbeiterInnenkontrolle besteht, dann wäre es möglich über die internationale Verflechtung großer österreichischer Banken und Konzerne diesen Hebel unmittelbar international anzusetzen. Die Angestellten der Raiffeisen Bank würden versuchen, das System der ArbeiterInnenkontrolle nach Osteuropa bin in die Ukraine zu verbreiten, die Angestellten und ArbeiterInnen von Siemens, BMW, General Motors und Opel würden die ArbeiterInnenkontrolle nach Deutschland ausdehnen, die Angestellten der Bank Austria und der Generali-Versicherung nach Italien. Wenn österreichische KollegInnen in einem internationalen Konzern der Konzernspitze erfolgreich die Rute ins Fenster stellen, wird das zur Inspiration für die Beschäftigten des gleichen Konzerns in anderen Ländern. Auf diese Weise wäre die sozialistische Wirtschaftspolitik der Lohnabhängigen unmittelbar international ausgerichtet und mit Osteuropa, Deutschland, Italien und der Schweiz verflochten. Von der ersten Minute an, wo in einem österreichischen Multi die absolute Herrschaft des Kapitals in Frage gestellt wird, ist sie auch in Mittel- und Osteuropa in Frage gestellt. Die österreichischen Lohnabhängigen dürfen sich nicht vom typisch österreichischen Provinzialismus ihrer PolitikerInnen beeinflussen lassen, sondern müssen in großen Maßstäben denken. Immer wieder spielte die österreichische ArbeiterInnenbewegung eine führende Rolle in der internationalen ArbeiterInnenbewegung. Vor dem Ersten Weltkrieg mit der ersten Maibewegung, in der Zwischenkriegszeit mit dem Roten Wien, und nach dem Zweiten Weltkrieg durch einen von der ganzen Welt beneideten Sozialstaat unter der Regierung Kreisky. Sich selbst angesichts dieser Vergangenheit auf das Warten auf andere Länder zu verpflichten, ist nichts als falsche Bescheidenheit.
Historische Phasen der Gesellschaftsveränderung haben sich niemals auf einzelne Länder beschränkt. Heute uniformiert der Weltmarkt in jedem Land gleichermaßen mit unerbittlicher Härte Politik und Wirtschaft t und damit auch die Probleme und ihre potentiellen Lösungen. Die Härte des Kapitals wird nur deshalb geduldet, weil keine Alternativen aufgezeigt werden. Gelingt es in einem Land Alternativen praktisch in die Tat umzusetzen, muss dieses Land zum Fackelträger einer internationalen Entwicklung werden. Die Auswirkungen des Kapitalismus und auch der beginnende Widerstand der Lohnabhängigen sind in den meisten Ländern Europas heute bereits spürbarer als in Österreich. Gelingt es uns, in den Konzernen in Österreich erste erfolgreiche Maßnahmen für die Lohnabhängigen zu erkämpfen, wird das eine ungeheure Welle der Solidarisierung und Nachahmung auf unserem Kontinent hervorrufen.
Um den Widerstand der österreichischen Lohnabhängigen gegen das Kapital von der ersten Minute an zu internationalisieren, um die Solidarisierung und Nachahmung in anderen Ländern zu verstärken brauchen wir eine internationale sozialistische Kampforganisation eine neue sozialistischen Internationale, die diesen Namen verdient und sich vor allem auf die außerparlamentarische politische Arbeit in den Betrieben stützt. Die Internationale Marxistische Tendenz versteht sich als Embryo einer solchen Internationale.