Josef S. Falkinger untersucht in seinem neuen Buch „Die Kapitalismusfalle“ die Krisentheorie von Karl Marx anhand der konkreten wirtschaftlichen Entwicklung seit 1945 und stellt sie neoklassischen bzw. keynesianischen Theoriekonzepten gegenüber.
Exposé
Das Buch „Die Kapitalismusfalle- Fundamente der marxistischen Krisentheorie“ ist der Versuch, alle krisentheoretischen Ansätze des Kapitals und der anderen Marxschen ökonomischen Schriften in ein einheitliches System zu gießen und anhand der konkreten weltwirtschaftlichen Entwicklung zu untersuchen.
Es stellt den Anspruch, eine vollständige Darstellung der Marxistischen Krisentheorie zu liefern und gleichzeitig sowohl einen Bezug zur modernen Weltwirtschaft als auch zur zeitgenössischen Volkswirtschaftstheorie herzustellen.
Zudem werden die zum Teil schwer zugänglichen Theorien aus dem Marxschen Werk in einer modernen und dem interessierten Laien zugänglichen Sprache formuliert.
Das Buch richtet sich in seinem Aufbau genau nach der Logik der Marxschen Analyse selbst, die sich in die Analyse der Möglichkeit, der Notwendigkeit und der Wirklichkeit der Krise spaltet und diese drei Analyseebenen der Reihe nach durchschreitet.
Im ersten Kapitel über die Möglichkeit der Krise geht es um die Marxsche Kritik an dem Dogma der Neoklassischen Ökonomie schlechthin, um die Kritik am Say´schen Gesetz. Dieses Gesetz, das heute mehr als je zuvor das Denken der „Mainstream“ – Ökonomen beherrscht, besagt, dass Angebot und Nachfrage immer im Einklang stehen und bestreitet somit die Möglichkeit der Krise an sich. Im ersten Kapitel wird die Marxsche Sicht vom Marktgleichgewicht bzw -ungleichgewicht, der neoklassischen und der keynesianischen Interpretation gegenübergestellt. Auch die Rolle des Finanzmarktes und seine Interaktion mit dem Gütermarkt werden in diesem Zusammenhang diskutiert.
Im zweiten Kapitel über die Notwendigkeit der Krise werden die Gesetze untersucht, die einerseits periodische Krisen, andererseits länger anhaltende Strukturkrisen verursachen. Die Theorie der Überproduktion wird behandelt und es wird versucht das Rätsel um die Marxschen Reproduktionsschemata zu lösen. Dabei werden die Analyseansätze von Roman Rosdolsky, der marxistischen Ökonomiekoryphäe der 70er Jahre, weiterentwickelt und übersichtlich dargestellt.
Es geht in diesem Kapitel aber auch um den tendenziellen Fall der Profitrate und um die Frage wie dieser sich sowohl periodisch als auch im langfristigen Trend auswirkt. Hier wird der wichtigste Gegenbeweis der modernen VWL von Nabuo Okishio widerlegt und ein neuer mächtiger Beweis dieses Gesetzes geliefert. Zuletzt wird in diesem Kapitel auf die besonders aktuelle und brisante Theorie des unproduktiven Kapitals, namentlich auf die Rolle der Spekulation und des Finanzsektors für die Entwicklung einer Volkswirtschaft, eingegangen. Diese verschiedenen Theorieansätze aus dem Marxschen Werk werden zu einer in sich stimmigen Krisentheorie zusammengezogen.
Im dritten Kapitel über die Wirklichkeit der Krise wird gezeigt, wie sich die Gesetze der Marxschen Krisentheorie in der konkreten weltwirtschaftlichen Entwicklung seit 1945 entfaltet haben. Wiederum wird die Marxistische Interpretation der neoklassischen und der keynesianischen Interpretation gegenübergestellt. Anhand der Entwicklung von Zinsen, BIP Wachstum, Inflationsrate und Profitrate wird die wirtschaftliche Entwicklung untersucht und dabei besonders auf die Stagflationskrise der 70er Jahre und die Ursachen der aktuellen Wirtschaftskrise eingegangen.
Im Anhang bietet das Buch schlussendlich eine Modellierung der Marxschen Theorie über Zyklus und Trend in den Instrumenten der „Mainstream“- VWL sowie eine statistische Brücke, die zeigt, wie die Marxsche Profitrate aus den National Accounts der USA berechnet werden kann.
Vorwort
Seit Anfang der 80er Jahre behaupten Wirtschaftsjournalisten, Zentralbanker und Wissenschafter in einem Chor, dass der Kapitalismus keine schweren Wirtschaftskrisen mehr erleben werde. Überproduktionskrisen wären nicht mehr als ein Schauermärchen aus der wirtschaftsgeschichtlichen Vorzeit. Die marxistische Wirtschaftstheorie sei ein verstaubtes Inventar in der Rumpelkammer ideologischer Kuriositäten, anzutreffen direkt neben den Schriften von Nostradamus. Der grenzenlose Optimismus, den die überwiegende Mehrheit dieser Damen und Herren nach dem Fall der Berliner Mauer an den Tag legte, hielt auch dann noch vor, als eine Negativschlagzeile nach der anderen die Wirtschaftsnachrichten zu füllen begann. Als im Jahr 2007 in den USA der Häusermarkt einbrach, schrieben die meisten Wirtschaftszeitungen ebenso wie im Fall der folgenden Turbulenzen an den Börsen von einer heilsamen Korrektur. Als 2008 mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers eine Krise des Bankensystems ausbrach, diagnostizierten sie eine Beschränkung der Krise auf den Finanzsektor. Sogar die Theorie, dass sich die krisengeschüttelten USA von der Weltwirtschaft abkoppeln könnten, wurde eine Zeit lang ernsthaft in Betracht gezogen. Zuletzt behaupteten Analysten eine Sonderkonjunktur für China und Asien. Am Beginn des Jahres 2009 liegen all diese Träume in Scherben: Die Weltwirtschaftskrise ist mit einer Wucht in die Realökonomie durchgebrochen, die seit der Zwischenkriegszeit keines Gleichen kennt. In Nordamerika fiel in den drei Monaten vor November 2008 die Industrieproduktion Nordamerikas um eine Jahresrate von 16%, in Japan um 21% in Deutschaland um 15%, in Südkorea um 25% und in Taiwan um ungeheure über 45% (The Economist,15.1.2009). JP Morgan schätzt, dass die verarbeitende Industrie der gesamten Welt im letzten Quartal von 2008 um eine Jahresrate von 20% eingebrochen ist. Am schlimmsten trifft es die Autoindustrie, die in den USA im Dezember 2008 über 35% weniger Autos verkaufte als im Jahr zuvor. Gleichzeitig sind sich Wirtschaftsanalysten einig, dass das schlimmste erst kommt: Niemand weiß, wie viele faule Kredite sich noch in den Bilanzen der Banken verstecken, niemand weiß, wie stark der Massenkonsum sinkt, wenn Millionen von Menschen in die Arbeitslosigkeit driften. Niemand weiß, wie tief der Fall der sehr verletzlichen Volkswirtschaften Osteuropas, Chinas und des restlichen Asiens sein wird.
Was wir vor uns haben ist die größte Überproduktionskrise seit den 30er Jahren. Es ist bereits jetzt die tiefste globale Überproduktionskrise der Wirtschaftsgeschichte, weil sie im Gegensatz zu den 30er Jahren und den Krisen des 19ten Jahrhunderts simultan in allen Weltteilen gleichzeitig stattfindet. Wie in den Krisen der Zeit von Marx gibt es zu viele Waren auf dem Markt, obwohl gleichzeitig Millionen Menschen über nicht genügend Nahrungsmittel, Bekleidung oder Wohnraum verfügen, ganz zu schweigen von Infrastruktur und Mobilität. Ganze Volkswirtschaften erleiden einen Rückgang der Produktion wie sonst nur in Kriegszeiten, weil es zu viel an Produktion gibt. Riesige Aufhäufungen von Produktionskapazitäten werden nicht genutzt, während zur gleichen Zeit Millionen von Menschen keine Arbeit haben und weitere Millionen Menschen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können, weil sie nicht zahlungskräftig sind.
Noch in vielerlei anderer Hinsicht läuft die aktuelle Krise gerade zu wie in einem Bilderbuch der marxistischen Wirtschaftstheorie ab. Marx selbst hat eine solche Krise, die die ganze Weltwirtschaft gleichermaßen erfasst zu seinen Lebzeiten gar nicht untersuchen können. Gleichzeitig steht die Mainstream-Ökonomie ohne Erklärungsmuster mit offenem Mund da. Geht es nach ihr, dürfte es so etwas wie eine Überproduktion von Waren und Dienstleistungen, ein flächendeckendes Auseinanderfallen von Angebot und Nachfrage gar nicht geben.
Das Versagen der Erklärungsmodelle des ökonomischen Mainstreams führt dazu, dass der gleiche Chor an Analysten, Wirtschaftswissenschaftern, und Journalisten, der bis vor kurzen noch den Monetarismus predigte, das Bonmot von Nixon aus dem Jahre 1970 als Refrain ihrer neuen Hymne anstimmt: „We are all Keynesians now!“. Nach dem berühmten Motto von Keynes „In the longrun we are all dead“ werden Milliarden von Euro und US-Dollar von Steuergelder in die Wirtschaft gepumpt. Es scheint so, als könne sich in der allgemeinen Mischung aus wirtschaftspolitischem Zugzwang und Ratlosigkeit niemand mehr daran erinnern, dass diese Konzepte in den 80ern nicht ohne Grund in den Archivräumen der Ministerien zu den Akten gelegt wurden. Der Keynesianismus der 70er Jahre resultierte bekanntermaßen in Stagnation und Inflation und konnte trotzdem die steigende Arbeitslosigkeit nicht aufhalten. Auch jetzt ist das alte Rezept alles andere als von Erfolg gekrönt. Trotz der größten Konjunkturpakete der Geschichte und der lautstarken Ankündigungen weiterer noch größerer Konjunkturpakete quittierten die Weltbörsen den Amtsantritt von Barack Obama, der sich selbst als Roosevelt des 21. Jahrhunderts darstellt, mit einer neuen Talfahrt. Angesichts der Tatsache, dass Roosevelt selbst ein Scheitern des New Deals in der Beendigung der Wirtschaftskrise von 1929 eingestand2 und zugab, dass erst der Kriegseintritt der USA die Depression beendete, ist dieses Verhalten der Börsen nicht so irrational, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Die Tageszeitung Times bezeichneten 1965 Adam Smith, John Maynard Keynes und Karl Marx als die drei größten Ökonomen der Geschichte. Zwei der großen ökonomischen Theoriegebäude des 20. Jahrhunderts, der Keynesianismus und die marktradikale Neoklassik, stehen den Ereignissen ratlos
gegenüber. Kein Wunder dass mehr und mehr Menschen wissen möchten, was der angeblich widerlegte Marxismus zur aktuellen Krise zu sagen hat. Der interessierte Leser wird herausfinden, dass der Marxismus in seinen Erklärungsansätzen nicht nur von brennender Aktualität ist, sondern auch einen ganz neuen Blick auf die Wirtschaft eröffnet. Die vorliegen die Arbeit ist im Dezember 2007 fertig gestellt worden, daher zu einem Zeitpunkt, als die Weltwirtschaftskrise noch nicht entfaltet war. Um so erstaunlicher wird es für manchen Leser sein, festzustellen, in welchem Ausmaß die Marxistische Wirtschaftstheorie die aktuellen Ereignisse bereits zu diesem Zeitpunkt erklären und voraussehen konnte, während die meisten Wirtschaftsforscher noch jetzt im Dunkeln tappen.
Wien, Februar 2009
Details:
Josef S. Falkinger „Die Kapitalismusfalle“
Fundamente der marxistischen Krisentheorie.
ISBN: 3639133668
EAN: 9783639133660
VDM Verlag
April 2009 – kartoniert – 152 Seiten
Preis: 59 Euro
Paperback.
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