In Bolivien spitzt sich die Lage immer zu. Die Konfrontation zwischen der von den USA unterstützten Oligarchie und den Massen, die hinter der Regierung von Evo Morales stehen, steuert auf einen Höhepunkt zu. Alles deutet daraufhin, dass Bolivien vor einem rechten Putsch steht.
Am 11. September wurden bei Zusammenstößen in Pando 9 Menschen getötet und 50 verletzt. Eine Gruppe von Bauern, die auf dem Weg zu einer Massenversammlung waren, wo Widerstandsaktionen gegen die rechte Offensive geplant werden sollten, waren von schwerbewaffneten Angestellten des regionalen Präfekten aufgehalten worden. Als sich die Bauern zu wehren begannen, eröffneten die Faschisten das Feuer.
In der Zwischenzeit haben in Santa Cruz bewaffnete Banden der faschistischen Union Juvenil Cruceñista (UJC) zum zweiten Mal schon versucht die Kontrolle über Plan 3000 zu bekommen. Plan 3000 ist das Arbeiterviertel der Stadt, in dem rund 300.000 Menschen wohnen. Die ganze Nacht lang tobten die Kämpfe. Schlussendlich konnte die UJC zurückgeschlagen werden, obwohl diese über Tränengasgranaten, kugelsichere Westen, Sturmgewehre, Maschinengewehre usw. verfügen.
Wir haben auch Berichte aus Santa Cruz erhalten, dass lokale Vertreter der MAS die ArbeiterInnen und BäuerInnen von San Julian (der zweitgrößten Stadt des Departments und eine Hochburg der MAS) daran hinderten nach Santa Cruz zu marschieren, um dort gegen die faschistischen Banden zu kämpfen. Das Argument der MAS lautete: “Wir dürfen auf diese Provokationen nicht reinfallen.”
Econoticiasbolivia.com veröffentlichte einen vollen Bericht über all die öffentlichen Gebäude, die in den letzten Tagen von der Reaktion unter Kontrolle gebracht wurden:
0. In Santa Cruz: Büros des Instituts für Agrarreform, des Telekomunternehmens ENTEL, der Steuerbehörde, der staatlichen Ölfirma Yacimientos usw.
0. In Cobija: Straßen, der Flughafen, das Institut für Agrarreform usw.
0. In Beni: Flughafen, die Post, ENTEL usw.
0. In Tarija: Steuerbehörde, Institut für Agrarreform usw.
0. In Sucre: Entel und Steuerbehörde
In den meisten dieser Fälle wurden die Polizei- und Armeeeinheiten, welche diese Gebäude bewachten, von den faschistischen Banden einfach überlaufen, weil diese den Befehl hatten nicht zu schießen.
In den Fabriken und Landgemeinden im ganzen Land herrscht eine fürchterlich wütende Stimmung vor. Gleichzeitig fühlen sich die Menschen ohnmächtig, weil die Reaktion offensichtlich ohne Widerstand seitens der Regierung öffentliche Gebäude, Büros von sozialen Organisationen, Gasfelder, Flughäfen usw. angreifen kann. Der Unmut findet derzeit noch keinen Kanal, weil die MAS keine Führung anbietet. In El Alto und anderen Städten kam es aber bereits zu größeren Demos, mit denen die Regierung aufgerufen wurde, den Notstand auszurufen und gegen diesen Putschversuch vorzugehen. Für 16. September wurde eine Großdemonstration geplant, die in La Paz stattfinden soll. Dieser Termin könnte aber schon zu spat sein.
Die Inaktivität der Regierung und in einigen Fällen sogar die Versuche die Initiative der Massen zu stoppen, könnte einen dmoralisierenden Effekt auf die Arbeiterschaft und die Bauernschaft haben.
Gefahr eines Militärputschs
Vizepräsident Alvaro García Linera bezeichnete die Vorgänge im Land korrekterweise als “Putsch der Bosse” und rief die Menschen dazu auf “die Demokratie und die nationale Einheit zu verteidigen”. Das Problem ist, dass er nicht dazu gesagt hat, wie die Massen diesen Kampf führen sollten. Immerhin stehen sie schwer bewaffneten faschistischen Banden gegenüber.
Einmal mehr mahnen Minister zu Respekt gegenüber dem Rechtsstaat. Doch das Papier der Rechtsbücher ist geduldig. Die Oligarchie hingegen setzt Taten und verstößt dabei auch offen gegen das Gesetz, das ihren Interessen entgegensteht.
Um die Verwirrung perfekt zu machen, rufen einige Minister weiter zu Verhandlungen auf, obwohl die Regierung zurecht die Präfekten von Santa Cruz, Pando, Beni und Tarija und die Bürgerkomitees beschuldigt, für die jüngste Gewaltwelle verantwortlich zu sein.
In Beni hat ein regionaler Armeekommandeur einen Waffenstillstand mit dem regionalen Präfekten geschlossen. Das Abkommen beinhaltet einen Punkt, wonach sich die Armee von den öffentlichen Institutionen zurückzieht, die sie zu bewachen hätte (!!). Im Gegenzug sagte der Präfekt zu, dass er diese Institutionen nicht unter seine Kontrolle bringen würde.
Der ständige Zick-Zack-Kurs der Regierung schafft eine Stimmung, dass ihr Schritt für Schritt die Macht entgleitet. Darin liegt eine große Gefahr. In den Reihen der Offizierskorps, die der Linksregierung ohnedies nicht sehr wohlgesonnen sind, wird bereits über die Notwendigkeit eines Putsches diskutiert, um Recht und Ordnung wieder herzustellen. Aus ihrer Sicht wurde die Armee erniedrigt und von Zivilisten zur Seite geschoben, obwohl sie loyal ihren Pflichten nachkommen wollte. Wie kann die Armee einer Regierung gehorchen, die gar nicht mehr bereit ist das Land zu regieren? Diese Gedanken bestimmen derzeit wohl die köpfe vieler Armeeangehöriger.
Dass ein Militärputsch bereits diskutiert wird, wurde durch die Stellungnahme von Hugo Chávez vom letzten Donnerstag klar. Nachdem er bekannt gegeben hat, dass in Venezuela Putschpläne durchgesickert waren, und zu Massenmobilisierung gegen die Putschisten aufgerufen hattte, erklärte er sich solidarisch mit dem bolivianischen Volk und der Regierung Evo Morales. In der Folge schickte er den US-Botschafter in Caracas wieder heim und berief den Botschafter der Bolivarischen Republik Venezuela in Washington zurück. Außerdem warnte er die bolivianischen Militärs: “Jeder Versuch der Oligarchie, der Yankees oder der Armee die bolivianische Regierung zu stürzen oder Evo Morales zu ermorden, würde uns einen Blankoscheck geben in Bolivien zu intervenieren und den bewaffneten Kampf zur Wiederinstandsetzung der Macht des Volkes zu unterstützen.”
Ein Aktionsplan ist jetzt nötig
Heute findet in La Paz die nationale erweiterte Vorstandssitzung des Gewerkschaftsdachverbands COB. Dieses Treffen ist von zentraler Bedeutung für die weitere Entwicklung.
In der jetzigen Situation braucht es einen klaren Plan, wie der Kampf weiterzuführen ist. Der COB sollte einen unbefristeten Generalstreik, die Abhaltung von cabildos abiertos (Massenversammlungen) in allen Städten und Kommunen, den Aufbau von Asembleas Populares (Aktionskomitees) und von Selbstverteidigungskomitees organisieren. Weiters muss der COB die sofortige Verhaftung aller Personen, die an den gewaltsamen und illegalen Aktivitäten der letzten Tage beteiligt waren, fordern. Zentral ist jedoch der Kampf fü die Enteignung des Privateigentums der Oligarchie.
Nur mit Massenaktionen auf den Straßen kann die Konterrevolution gestoppt werden. Dazu müssen die Massen bewaffnet werden. Vor 35 Jahren, wenige Tage vor dem Militärputsch in Chile marschierte eine Million ArbeiterInnen in Santiago und forderte von der Linksregierung Waffen, um gegen den drohenden Putsch kämpfen zu können. Salvador Allende glaubte jedoch bis zuletzt, dass die Armee und die Oligarchie die demokratischen Institutionen respektieren würden. In der Folge wurde er gemeinsam mit Tausenden ArbeiterInnen, StudentInnen und BäuerInnen ermordet. Das Land wurde jahrzehntelang von einer eisernen Diktatur regiert. Diese Lehre der Geschichte dürfen wir niemals vergessen.
Evo Morales und Garcia Linera haben die Bedrohung eines Putschs richtig benannt, aber jetzt sollten sie dementsprechend handeln. Sie haben beim Abwahlreferendum am 10. August die Unterstützung von 67% der WählerInnen erhalten. Die Massen unterstützen die Regierung und die Idee einer grundlegenden Transformation des Landes. Die Oligarchie ist nur eine kleine Minderheit in der Gesellschaft, doch sie verfügen über die wirtschaftliche Macht, Waffen und die Unterstützung durch den Imperialismus. Trotz alledem können sie nur deshalb stark erscheinen, weil die Regierung und die FührerInnen der Massenbewegungen bisher inaktiv blieben.
Wenn Evo Morales die ArbeiterInnen und BäuerInnen dazu aufrufen würde, auf die Straße zu gehen, um die konterrevolutionäre Konspiration zu zerschlagen, würden die Putschisten in die Flucht geschlagen werden, nichts könnte die mobilisierten Massen stoppen. Die Putschführer sollten sofort verhaftet werden. Falls sich die Polizei und die Armee weigern würden diese Haftbefehle zu vollstrecken, dann sollte Morales an die Soldaten appellieren, damit sie ihre Offiziere außer Gefecht setzen und verhaften, Waffen an die Massen verteilen und die Putschisten selbst verhaften. Per Dekret sollte er das Eigentum und Vermögen der Putschisten sofort enteignen, er sollte an die Massenorganisationen der ArbeiterInnen und BäuerInnen appellieren, damit diese die Enteignungen durchführen. Und wenn die Regierung zu all dem nicht bereit ist, dann sollten der COB und die CONALCAM die Initiative ergreifen.
Die Lage ist äußerst gefährlich. Das ist keine Zeit für Worte und Verhandlungen. Das ist eine Zeit, in der Taten gefragt sind. Der Macht der Oligarchie muss ein für allemal ein Ende gesetzt werden. Die noch verbleibende Zeit muss genutzt werden.
Nein zu den Putschversuchen in Bolivien und Venezuela!
Nein zur Einmischung durch die USA!
Verteidigen wir die Bolivianische und die Bolivarische Revolution!
Nieder mit der konterrevolutionären Oligarchie!
Vorwärts zum Sozialismus
Aus der Geschichte lernen:
Vor 35 Jahren: 11. September 1973 – Militärputsch in Chile