Ein Diskussionsbeitrag zum künftigen Kampf zur Rettung der Glanzstoff in St.Pölten und zum Aufbau eines Solidaritätskomitees.
Die Glanzstoff soll Ende des Jahres geschlossen werden. Mittlerweile gehört sie zu einer Reihe von Betrieben in Österreich, die von massivem Personalabbau wenn nicht von Werksschließung betroffen sind. In Summe stehen Tausende ArbeiterInnen vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes, für viele drohen die nächsten Monate wirklich existenzbedrohend zu werden.
Umso wichtiger ist es, dass sich bei der Glanzstoff einige Kollegen zusammengetan haben und die „Plattform Pro Glanzstoff“ gründeten. Die Kundgebung beim Werkstor am 24. Juni war ein erstes wichtiges Zeichen, weil erstmals in so einem Konflikt auch die Arbeiter/innen ihre Stimme erhoben und ihre Anliegen (Arbeitsplatz, Kaufkraft, Lebensstandard) zum Thema gemacht haben. Während überall sonst die Entscheidungen der Unternehmensleitungen und Spitzenmanager mit gesenktem Haupt hingenommen wurden, und die Betriebsräte sich auf das Ausverhandeln von Sozialplänen beschränken, haben bei der Glanzstoff die Arbeiter begonnen Widerstand zu leisten.
Jetzt stellt sich die Frage, wie dieser Kampf um die Rettung der Glanzstoff weitergeführt werden soll?
Die zentrale Rolle wird dabei natürlich die Belegschaft selber spielen müssen. Sie steht vor einer schwierigen Entscheidung: Gegen den Strom schwimmen und Widerstand leisten oder die Entscheidungen des Herrn Cornelius Grupp, die uns wie ein Naturgesetz präsentiert werden, hinnehmen?
Der Betriebsrat und die Politik haben bis zuletzt die Hoffnung genährt, dass auf dem Verhandlungsweg eine Schließung der Glanzstoff verhindert werden könne. Am 4. August ist diese Linie gescheitert – trotz angeblich großzügiger Angebote an den Eigentümer. Der Kapitaleigner hat offensichtlich kein Interesse an einer Weiterführung des Werks in St.Pölten.
Wir wollen die Wahrheit erfahren?
Warum eigentlich nicht? Die Glanzstoff ist ein gewinnbringendes Unternehmen, die Produkte, die in St.Pölten hergestellt werden, werden am Markt nachgefragt, es mangelt nicht an Aufträgen. Seitens der Politik könnte der Kapitaleigner wie schon bisher mit weiteren großzügigen Geschenken rechnen, wenn er die Produktion an diesem Standort fortsetzt.
Die Arbeiter/innen der Glanzstoff sollten das Recht haben, die Wahrheit zu erfahren. Immerhin geht es um ihre Existenzen. Die Öffnung der Geschäftsbücher, eine umfassende Analyse der Bilanzen muss umgehend auf den Tisch. Volles Informationsrecht für die Belegschaft und ihrer Vertretung. Auf dieser Grundlage sollte dann die Diskussion über die Zukunft der Glanzstoff weitergeführt werden.
Druck von unten machen
Eins muss jedoch klar sein: Ab sofort helfen keine Appelle und Bittgänge mehr. Die einzige Chance, die noch besteht, ist, dass die Belegschaft jetzt Stärke und Entschlossenheit beweist. Wer glaubt, man könne durch Unterwürfigkeit und Ruhighalten die Gegenseite noch milde stimmen, der führt die Belegschaft in eine Sackgasse. Die gestartete Unterschriftenaktion könnte ein erster Ansatzpunkt sein, Druck zu machen. Durch das Sammeln möglichst vieler Unterschriften für den Erhalt der Glanzstoff können wir für unser wichtiges Anliegen eine breite Öffentlichkeit schaffen. Ganz St.Pölten und die umliegenden Gemeinden müssen über den Fall informiert werden, müssen wissen, welche sozialen und wirtschaftlichen Folgen die Werkschließung hätte – für die Belegschaft, für die Kaufkraft der Region, für die öffentliche Hand.
Jetzt die „Plattform“ stärken
Eine solche Kampagne erfordert die Aktivität möglichst vieler Kolleg/inn/en. Mit der „Plattform“ gibt es auch bereits eine geeignete Struktur zur Organisierung dieser Kampagne. In der Plattform sollen alle Kolleg/inn/en aktiv mitarbeiten und gleichberechtigt und demokratisch mitbestimmen können – egal ob Arbeiter oder Angestellte oder Lehrlinge. Die Plattform soll einen oder mehrere Sprecher/innen wählen, welche die Belegschaft nach außen vertreten und für sie sprechen können. Jeder Schritt sollte aber in einer Belegschaftsversammlung diskutiert und beschlossen werden. Wir brauchen keine Stellvertreter, alle gemeinsam sollen mitentscheiden können. Das schafft die Basis, dass alle hinter dem Kampf stehen und ihn aktiv mittragen. Unser wichtigstes Motto muss lauten: Fünf Finger kann man brechen, eine Faust aber nicht! Diese Faust gilt es ab sofort zu ballen!
Marsch durch St.Pölten – Solidarität aufbauen
Ein erster Höhepunkt der Kampagne sollte sein, dass die Unterschriften im Rahmen einer öffentlichen Kundgebung/Demonstration/eines „Marschs durch St.Pölten“ übergeben werden (z.B. an den Bürgermeister). Diese Kundgebung muss eine echte Demonstration der Stärke werden und soll zeigen, dass es mehr als um 320 Arbeitsplätze geht sondern der Erhalt der Glanzstoff von allgemeinem, öffentlichem Interesse ist. An der Spitze dieser Demonstration sollte die Belegschaft gemeinsam mit ihren Familien stehen. Doch dahinter muss die gesamte ArbeiterInnenbewegung von St.Pölten und darüber hinaus mobilisiert werden. Alle Kräfte, die mit der Glanzstoff-Belegschaft solidarisch sein wollen, sollten diese Mobilisierung unterstützen. Wenn die Belegschaft entschlossen auftritt, dann wird sie eine Welle der Solidarität auslösen.
Eine ganz besonders wichtige Rolle sollten einerseits die Gewerkschaft der Chemiearbeiter (GdC) und andererseits der ÖGB St.Pölten spielen. Aber auch die SJ, die Gewerkschaftsjugend und lokale Migrantenorganisationen u.a. können im Rahmen eines Solidaritätskomitees einen wichtigen Beitrag zum Gelingen einer solchen Kundgebung und allgemein der Öffentlichkeitsarbeit leisten.
Eine derartige Demonstration würde mit Sicherheit die Öffentlichkeit für die Anliegen der Glanzstoff-Belegschaft gewinnen. Enormer öffentlicher Druck könnte auf diesem Weg entstehen. Wir sollten nicht vergessen: Es ist Wahlkampf, und keine Partei könnte angesichts der Vernichtung von Tausenden Arbeitsplätzen einfach wegschauen. Nicht alle werden es vielleicht ernst meinen, aber die Politik wäre gezwungen zu reagieren. Dieses Zeitfenster gilt es zu sehen und zu nutzen.
Sachen zu Ende denken
Was passiert aber, wenn der Eigentümer dann immer noch bei seiner Entscheidung bleiben will? Herr Grupp kann gerne St.Pölten verlassen, aber die Maschinen und das technische Know-how müssen hier bleiben. Wenn er kein Interesse an der Weiterführung des Betriebes hat, wir haben eins. Es geht um Arbeitsplätze, um Kaufkraft (und somit um die Existenz vieler Betriebe aus dem Kleingewerbe), um den Erhalt des Lebensstandards, um Steuerleistungen für die öffentliche Hand und um die Herstellung eines wichtigen Produkts. Warum sollte dann dieses Werk geschlossen werden?
Herr Grupp hat sein Wirtschaftsimperium im Zuge der Privatisierungswelle der Verstaatlichten Industrie ab 1987 relativ günstig aufbauen können. Dazu kommen wohl Unsummen an öffentlichen Subventionen dank seiner Beziehungen zum politischen Establishment. Wenn über Jahre also öffentliches Vermögen einem privaten Unternehmer in den Rachen geworfen werden kann, dieser dann aber nicht mehr weiterproduzieren will, warum soll es dann nicht möglich sein, dass die vorhandenen Vermögenswerte wieder der öffentlichen Hand übertragen werden. Die Weiterführung der Produktion bei der Glanzstoff bei Aufrechterhaltung der Beschäftigtenzahl, der Löhne und Sozialstandards ist letztlich nur mehr möglich, wenn die öffentliche Hand den Betrieb übernimmt.
Dies kann angesichts der vorherrschenden politischen Kräfteverhältnisse nur dann eine Option werden, wenn die Belegschaft mit voller Kraft für den Erhalt der Glanzstoff und ihrer Arbeitsplätze kämpft. Es gab in der jüngeren Vergangenheit mehrere internationale Beispiele (von Venezuela bis in die Schweiz), wo in ähnlichen Fällen Belegschaften den Betrieb einfach besetzt haben, um so für die Rettung ihrer Betriebe zu kämpfen – oft auch mit Erfolg! Solche Kämpfe können auch für die Auseinandersetzung um die Glanzstoff als Vorbild dienen.
Umwelt und Arbeitsplätze
Die Gegner der Glanzstoff argumentieren gerne mit dem Umweltschutz. Auch Herr Grupp begründet seine Entscheidung damit, dass die nötigen Umweltauflagen nicht zu finanzieren sind. Auch wir haben ein Interesse an einer intakten Umwelt, guter Luft usw., aber wir sind nicht bereit, dass die Interessen der Lohnabhängigen gegen Umweltinteressen ausgespielt werden.
Wenn ein Privatunternehmer nicht bereit ist, in die nötigen Umwelttechnologien zu investieren, dann ist das ein weiteres Argument für die Überführung des Betriebs in die öffentliche Hand, die ein Programm zum Erhalt der Arbeitsplätze wie auch zum Schutz der Umwelt entwickeln muss.
Nur wenn wir diese Frage als Solidaritäts-Komitee schlüssig zu beantworten wissen, werden wir die öffentliche Meinung für uns gewinnen und gegen die „grünen“ Arbeitsplatzvernichter in Position bringen können.
Menschen nicht Profite!
Die Arbeiter/innen wissen genau, wie der Betrieb funktioniert, ohne ihrer Arbeit und ihrem Wissen geht gar nichts. Die Arbeiter/innen sind mehr als eine Zahl, mehr als ein Kostenfaktor in den Berechnungen von Unternehmern wie dem Herrn Grupp, sie sind die Basis für das Funktionieren der Betriebe und somit dieser Gesellschaft – mit dementsprechendem Selbstbewusstsein sollten sie auch um die Verteidigung ihrer Interessen kämpfen!
Gernot Trausmuth
(f.d.Funke-Redaktion)