Gewerkschaftsdemokratie ist zu einem heißen Thema in Österreich geworden. Angefangen hat alles mit dem Beschluss des ÖGB-Vorstandes eine Urabstimmung abzuhalten. Wir wissen zwar noch nicht, worüber unsere Gewerkschaftsführung uns Mitglieder urabstimmen lassen will – angeblich wird gegen Ende dieses Monats darüber beraten werden – aber alleine die Entscheidung von Verzetnitsch und Co eine Urabstimmung zu machen, kommt einem kleineren politischen Erdbeben gleich. Die Aufregung darüber ist in diesem Lande daher auch erstaunlich groß.
Es wird eine Urabstimmung geben als Ergebnis eines wirkungslosen Aufmarsches von 50.000 GewerkschafterInnen gegen die Angriffe der Bürgerblockregierung auf die Sozialversicherung. Die Gewerkschaftsführung weiß nicht mehr weiter; sie ist mit ihrem sozialpartnerschaftlichen Latein am Ende. Ihr ist offensichtlich nur klar, dass sie, um von der Bürgerblockregierung als Sozialpartner wieder voll anerkannt und gewürdigt zu werden, ein „Schäuferl nachlegen, muss.
Streik oder Nichtstreik
Sallmutter meinte, dass der Protest in den Betrieben spürbar sein müsse. Schnell wurde weiter gedacht: das heißt sicherlich Streik, vielleicht gar Generalstreik. Und manche sogenannten linken GewerkschafterInnen beeilten sich gleich zu deponieren, dass sie über Generalstreik urabstimmen wollen.
GÖD-Vorsitzender Neugebauer erklärte hingegen selbstsicher, dass es keine Abstimmung gegen die Regierung, für Kampfmaßnahmen oder gar Generalstreik geben würde. Die Vermutung ist daher gar nicht so absurd, dass wir gefragt werden, ob wir für soziale Gerechtigkeit sind. Es lebe die Urabstimmung!
So stellen wir uns Gewerkschaftsdemokratie wahrlich nicht vor. Diese Urabstimmung ist kein wirklicher Schritt hin zu mehr Gewerkschaftsdemokratie. Verzetnitsch und Co wollen – egal was sie uns nun fragen werden – nur eine Blankovollmacht für ihre weitere Bettelei um sozialpartnerschaftliche Anerkennung haben. Davon haben wir, wie die beiden letzten Jahre aber zeigen, keinerlei wirklichen Vorteile mehr.
Wir wollen wirkliche Demokratie!
Natürlich wollen wir Urabstimmungen, das geben wir unumwunden zu. Aber wir wollen welche, die bindenden Charakter haben, an deren Beschlüsse sich unsere Gewerkschaftsführung auch halten muss. Und wir wollen vor allem Urabstimmung nicht alle heiligen Zeiten, sondern zu jeder maßgeblichen Entscheidung, die im Konfliktfall mit der Arbeitgeberseite oder der Regierung ansteht. Urabstimmungen heißen für uns auch nicht, dass jedes Gewerkschaftsmitglied einfach nur individuell seine Meinung in einer Wahlurne kundtut, sondern sollten in Form von Betriebsversammlungen und Versammlungen der Gewerkschaftsgruppen stattfinden, da sie nur so von einem intensiven und demokratischen Diskussionsprozess, an dem sich möglichst viele beteiligen können, begleitet werden.
Wir sollten daher diese kommende Urabstimmung zu einem Votum gegen die sozialpartnerschaftliche Politik unserer Gewerkschaftsführung und für wirkliche Gewerkschaftsdemokratie machen!
Käuflichkeit statt Interessensvertretung?
Wie bitter notwendig dies ist, zeigen die jüngsten Ereignisse bei der Postgewerkschaft. Deren Führung um Hans-Georg Dörfler (FSG) und Manfred Wiedner (FCG) hat auffällig geschwiegen, als es um die jüngsten Schließungspläne von Postämtern ging. Kurz darauf ist bekannt geworden, dass nach einer Vereinbarung zwischen Post AG und den dienstfrei gestellten Personalvertretern diesen – durch höhere Einstufung – ein sattes Einkommensplus beschert worden ist. So bekam z.B. Dörfler eine Gagen-Steigerung von 80.000 Schilling brutto auf 100.000 Schilling brutto monatlich zugestanden; Wiedner erhielt in eineinhalb Jahren einen Lohnanstieg von rund 35.000 Schilling auf rund 60.000 Schilling brutto.
Der Skandal war nicht mehr aufzuhalten. Von der „Bestechlichkeit der Gewerkschaftsführung, bis zum „diese Gewerkschafter gehören mit nassen Fetzen davon gejagt, waren da allerlei Empörungsschreie – ehrliche und geheuchelte – zu hören. Erste Konsequenz aus dieser Affäre: Postgewerkchaftschef Dörfler tritt am 20. August zurück. Am 21.August jedoch erklärt der Zentralsekretär der Postgewerkschaft, Walter Sumetsberger: „Für uns ist Kollege Dörfler Vorsitzender., Der Chef der Bundesfachgruppe Posthoheitsverwaltung Josef Hübner (SPÖ) hingegen forderte wiederum den Rücktritt aller Personalvertreter bei Post und Telekom.
Facharbeiterlohn für alle GewerkschaftsfunktionärInnen
Die Emotionen gehen also hoch und setzen viel Wut und Enttäuschung frei. Doch wir müssen mit der schweren Krise in der Postgewerkschaft zwar radikal aber doch sorgsam umgehen. Das heißt, dass die Postgewerkschaft gestärkt aus der Aufarbeitung dieser Affäre hervorgehen soll!
Rücktritte und Absetzungen werden zwar notwendig sein, aber nicht aufgrund von demagogischen und unqualifizierten Zurufen von außen. Diese Affäre muss restlos aufgeklärt werden. Dazu muss vor allem ein gewerkschaftlicher Untersuchungsausschuss umgehend eingesetzt werden, dessen Ergebnisse auf einem außerordentlichen Postgewerkschaftstag diskutiert werden müssen.
Ein umfassendes Reformpaket zur Demokratisierung der Gewerkschaft und zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit vom bürgerlichen Staat und Kapital muss erarbeitet und zur Grundlage für die Gesundung unserer Gewerkschaftsbewegung werden.
Eine wichtige Forderung eines solchen Reformpaketes sollte darin bestehen, zu erklären, dass die Gehälter der Gewerkschaftsfunktionäre die Höhe eines durchschnittlichen Facharbeiterlohnes nicht überschreiten dürfen!