Die Führung der Kommunistischen Jugend in Spanien (UJCE) wurde kürzlich von der Partei ausgeschlossen, da sie den Reformismus kritisierten und eine echt kommunistische Politik entwickeln wollen. Ein Interview mit dem Generalsekretär der UJCE, Alfonso Armesto.
- Lies den Schwerpunktartikel aus der gleichen Funke-Ausgabe: Stalinismus – die Herrschaft der Bürokratie im Arbeiterstaat
Hintergrund & Einleitung
Die Kommunistische Partei Spaniens (PCE) hat kürzlich ihre Jugendorganisation UJCE ausgeschlossen. Der Grund: Die jungen KommunistInnen brechen mit der reformistischen Tradition, um eine echte kommunistische Politik zu entwickeln. Wir begrüßen diese Neuausrichtung der Kommunistischen Jugend, die wichtige Lehren für die internationale Arbeiterbewegung enthält.
Selbst in einem rückständigen, vom Feudalismus geprägten Land wie Russland standen Lenin und Trotzki gegen die Unterordnung der Arbeiterbewegung unter die Liberalen. Die daraus fließende Strategie machte den Sieg der Oktoberrevolution 1917 erst möglich. Der Stalinismus erklärte später aber wieder, dass als erster Schritt zum Sozialismus eine (antimonopolistische Volks-)Demokratie im Bündnis mit den Liberalen erkämpft werden müsse. Die ArbeiterInnen dürfen in ihrem Kampf nicht über demokratische Maßnahmen hinaus gehen, die Revolution müsse in „Etappen“, im nationalen Rahmen und unter Wahrung der privaten Eigentumsverhältnisse der „nationalen Bourgeoisie“ erfolgen. Die stalinistischen KPen brachen mit dieser Politik wiederholt die reale Dynamik des Klassenkampfs und demoralisierten die Arbeiterklasse, was stets fatale Folgen hatte. Diese „Theorie“ verschuldete eine blutige Niederlage nach der anderen. Etwa in Chile 1973 und nicht zuletzt in Spanien selbst (1931–37 und in den 1970ern).
Die PCE verfolgt diese Ausrichtung noch heute. Unter dem Schlagwort der „Dritten Republik“ strebt sie ein klassenübergreifendes Bündnis an, um einen „fortschrittlicheren“ Kapitalismus zu verwirklichen. Damit rechtfertigt sie ihre Beteiligung an der Regierung von Ministerpräsident Pedro Sanchez. In Spanien ist die Polarisierung zwischen links und rechts riesengroß, was sich in diesen Wochen im Konflikt um die Bildung einer neuen Regierung zeigt. Die GenossInnen der UJCE stehen dabei für eine Politik, die nicht ständig an den Staat appelliert und Verhandlungen mit dem Gegner sucht, sondern den Kampf um den internationalen Sozialismus zur Grundlage der Praxis der kommunistischen Bewegung machen will.
Solche Ideen wurden in den letzten fast 100 Jahren nur durch den Trotzkismus vertreten und verteidigt. Sie sind aber nichts anderes als das genuine Erbe des Bolschewismus. Ehrliche KommunistInnen, egal welcher historischen Tradition, verschließen sich diesem Verständnis zunehmend nicht mehr.
Die tiefe Krise des Kapitalismus bedingt unweigerlich auch eine Krise aller reformistischen Parteien. Sie können keinerlei Verbesserungen mehr durchsetzen und verlieren dadurch an Unterstützung in der Arbeiterklasse. Besonders die Jüngsten erkennen, dass der Reformismus keine Antworten auf ihre Probleme bietet, und wenden sich von einer pro-kapitalistischen Politik ab. Der Bruch mit diesen überkommenen Konzepten durch die jungen KommunistInnen in Spanien ist Teil dieses Prozesses.
Zu diesen Fragen nimmt Alfonso Armesto, der Generalsekretär der UJCE, im folgenden Interview Stellung. Es erschien in „Lucha de Clases“, der Zeitung der spanischen Sektion der International Marxist Tendency (IMT). Das Original in Volllänge auf Spanisch findest du hier.
Einleitung & Übersetzung von Laura Höllhumer
Interview mit Alfonso Armesto
Anfang Juni beschloss die Mehrheit des Zentralkomitees der PCE den Ausschluss der Führung der UJCE. Das war für viele linke Aktivisten, die nicht mit den Debatten vertraut waren, die ihr innerhalb der Partei geführt habt, ein Schock. Wie ist es zu dieser Situation gekommen? Könntest du die wichtigsten Differenzen zwischen euch und der Führung der PCE, die zu diesem Ergebnis geführt haben, zusammenfassen?
Die Hauptachse des Konfliktes besteht darin, dass die Kommunistische Jugend vor einigen Jahren einen Prozess der Selbstkritik begann. Er war bisher weniger explizit, macht aber beachtliche politische Fortschritte, die mit einigen, bisher grundlegenden Elementen brechen ¬– das umfasst nicht mehr und nicht weniger als Strategie, Taktik, Organisationsformen uvm. Im letzten Jahr ist die Notwendigkeit einer Selbstkritik in Bezug auf die historische Rolle der UJCE und der PCE als umfassende und integrale Aufgabe deutlicher geworden – ganz besonders die Notwendigkeit eines Neuaufbaus der Kommunistischen Partei als essentielles Werkzeug für die Revolution. Das geht über einen rein organisatorischen Neuaufbau dessen, was heute die Kommunistische Partei Spaniens ist, hinaus.
Das Prinzip der Kritik und Selbstkritik muss ein Leitgedanke unserer politischen Praxis sein, wenn wir alles hinterfragen, was wir bisher getan haben und derzeit tun. Wir müssen bedenken, dass diese Aktivitäten letztlich dem Wiederaufbau der kommunistischen Partei dienen und nicht eine Organisation weiterentwickeln, die bereits fertig ist. Das steht in völligem Widerspruch zur PCE. Sie wollte als Ergebnis des 21. Kongresses diese Kritik und Selbstkritik, die die Notwendigkeit des Neuaufbaus der Kommunistischen Partei in den Mittelpunkt stellt, zum Schweigen bringen. Alle Implikationen eines „Wiederaufbaus der Kommunistischen Partei“ stellen eine Bedrohung für die aktuelle Führung der PCE dar. Aus diesem Grund nahm mit dem Näherrücken dieses 21. Kongress, wo das bürokratische Element in der PCE seine Positionen im Apparat neu bestätigen lassen musste, und unserer immer deutlicheren Selbstkritik, der Grad der Repression gegen die Thesen der Kommunistischen Jugend zu. Wir müssen also verstehen, dass wir in den vergangenen Monaten die Grenzen sahen, an die eine kämpferische Gruppe innerhalb der PCE stößt, wenn sie die Notwendigkeit des Neuaufbaus der Kommunistischen Partei und die Wiederherstellung den Kommunismus als historisches Projekt im Allgemeinen befürwortet. Die Strukturen der PCE, ihre bürokratische Organisation und Führung, werden sie immer als Bedrohung für ihre Weiterexistenz als Partei, die in das staatliche Parteiensystem integriert ist, wahrnehmen.
Wir haben gesehen, dass verschiedene ehemalige Genossen der UJCE, sogar führende Genossen, die heute in die PCE integriert sind, unterschiedliche Argumentationslinien verteidigt haben. Du hast gesagt, dass diese Debatte nicht erst mit deinem Amtsantritt vergangenes Jahr begann, sondern schon einige Jahre andauert. Hat diese Diskrepanz innerhalb der UJCE schon länger bestanden?
In diesem Konflikt in der PCE könnte man sagen, dass es einerseits die offizielle Linie gibt, jene der aktuellen Führung. Sie ist durch extremen Opportunismus gekennzeichnet, denn sie schlägt letztlich als Priorität vor, die PCE solle ohne jede Einschränkung und um jeden Preis an der kapitalistischen Verwaltung teilnehmen. Und es gibt eine andere Strömung in der PCE, die sagt, dass die Teilnahme an der kapitalistischen Verwaltung ein Mittel zur Stärkung unserer Kräfte sein muss. Wir halten das für ein typisch sozialdemokratisches strategisches Prinzip, vermittelst einer klassenkollaborativen Strategie und einer Ausrichtung auf den Staat, was unserer Ansicht nach einer revolutionären Organisation auch nicht entspricht.
Um auf die Frage zu antworten: Wir haben einige ehemalige führende Genossen, die nicht die offizielle Linie verteidigen, sondern sich jener zweiten Strömung anschließen, die wir weiterhin als ebenso sozialdemokratisch charakterisieren. Um nun zum Kern der Frage vorzudringen, ist es wichtig zu verstehen, dass es bis vor einem Jahr tatsächlich schon gewisse Fortschritte in der UJCE gab, die aber partielle Lehren blieben. Sie reflektieren nicht die Gesamtheit dessen, was das Programm vom Wiederaufbau der bisherigen UJCE wurde. Um ein Beispiel zu geben: In Bezug auf die Rolle der Kommunisten in den Institutionen wurden Fortschritte gemacht im Verständnis, dass die kapitalistischen Institutionen nicht neutral sind, sondern im Allgemeinen den politischen Ausdruck des Kapitals darstellen. Die Beteiligung der Kommunisten muss deshalb einer Strategie untergeordnet sein, die diese Institutionen als die politischen Organe der kapitalistischen Herrschaft versteht und nicht als ein weiteres Kampffeld. Dieser Lernprozess, auch wenn er vielleicht auf gewisse Weise theoretisch noch nicht so weit fortgeschritten ist, vollzieht sich schrittweise. Wir waren dabei noch nicht zu einem Wendepunkt gekommen, um eine Art totale Rückschau darauf zu halten, was wir bisher gemacht haben – auf unser politisches und organisatorisches Projekt – und infolgedessen eine Reihe von Debatten als umfassende Selbstkritik zu eröffnen, so wie vorher erwähnt.
Man muss also verstehen, dass in den vorigen Jahren Fortschritte gemacht wurden, die es ermöglichten im letzten Jahr eine Reihe von Diskussionen zu eröffnen, die bereits als Teil eines Prozesses der umfassenden Selbstkritik und nicht aus partieller Sicht geführt wurden. Weil, wie gesagt, die umfassende Selbstkritik die Frage vom Wiederaufbau der Kommunistischen Partei nicht als vornehmlich organisatorisch innerhalb der PCE stellt. Sie ist vielmehr das organisatorische Resultat oder, wenn man so will, die Verkörperung eines Prozesses der Neuordnung des kommunistischen Programms. Daher wird die Reartikulation der politischen Unabhängigkeit des Proletariats nicht nur auf nationaler, sondern auf internationaler Ebene notwendig.
Das ist die Perspektive, aus der sich eine totale Selbstkritik ergibt. Zuerst kam unser bisheriges strategisches Ziel ins Visier, das der Dritten Republik als Weg zum Sozialismus. Wir haben uns auch angesehen, wie wir an die Taktik herangetreten sind, die im Rahmen dieser Strategie umgesetzt wird. Sie beruht auf der Idee der Volksmacht, die eine Reihe von Hinweisen auf Klassenallianzen beinhaltet – offensichtliche Klassenkollaboration – und die Vorstellung eines Subjekt „Volk“, das das Proletariat ersetze. Und schließlich bewerteten wir, wie wir uns den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei vorgestellt haben. Er war nur eine verbesserte bürokratische Weiterführung der bereits existierenden PCE und nicht das Ergebnis dieser organisatorischen Neuformulierung der politischen Unabhängigkeit des Proletariats.
Zu diesen Differenzen habt ihr vor einigen Monaten eine Stellungnahme veröffentlicht, in der ihr die Art kritisiert, in der die Führung der PCE die Forderung nach der Republik verteidigt und sie sie vom Kampf für den Sozialismus trennt. In diesem Sinne: Wie bewertet ihr die Position der PCE-Führung während dem Bürgerkrieg und der Transicion , als sie den Kampf für die Republik und demokratische Freiheiten vom Kampf für den Sozialismus abkoppelte und erstere zu ein Ziel an sich erklärte?
Das wird ein Diskussionsschwerpunkt sein, den wir beim außerordentlichen Kongress adressieren. Wie in der Publikation bereits angekündigt, ist der außerordentliche Kongress ein Raum für Debatten zur Entwicklung dieser umfassenden Selbstkritik und beinhaltet natürlich auch die Strategie. Das umfasst auch eine Selbstkritik der Gesamtgeschichte der Strategieentwicklung in der PCE.
Das heißt die Organisation wird sich zum ersten Mal dem Hintergrund der politischen und organisatorischen Entwicklung der PCE und allgemein der kommunistischen Bewegung auf internationaler Ebene widmen, was wir bis jetzt nicht gemacht haben. Ich kann inhaltlich nicht im Detail auf die Frage eingehen, denn es stimmt, dass wir die Schlussfolgerungen über den konkreten Inhalt dieser Selbstkritik der Gesamtheit der Aktivisten am Kongress überlassen wollen. Was ich sagen kann, ist, dass es uns sehr wichtig erscheint, von einer kritischen Bestandsaufnahme auszugehen. Das gilt nicht nur für die Geschichte unserer Partei. Insofern reduzieren wir die Aufgaben vom Wiederaufbau des Kommunismus nicht nur auf bestimmte Parteinamen, sondern ziehen politische Lehren aus dem vergangenen revolutionären Zyklus. Diese Bestandsaufnahme haben wir bisher verweigert, eben weil wir dachten, dass der Wiederaufbau des Kommunismus, wenn überhaupt, dann nur aus den partiellen Lehren im Inneren kommen würde, nur aus der UJCE, als Schule der PCE. Sie wurde als die einzig gültige kommunistische Gruppe, als großes historisches Erbe der kommunistischen Bewegung wahrgenommen. Das ist eine Annahme mit der wir heute brechen, indem wir, wie bereits gesagt, den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei in einem viel größeren Zusammenhang denken, der sich nicht nur auf die organisatorischen Grenzen der heutigen PCE und der UJCE bezieht bzw. sich nicht auf diese beschränken muss.
Wir verstehen, dass die Existenz politischer Differenzen innerhalb einer kommunistischen Organisation nicht notwendigerweise zu Ausschlüssen oder Spaltungen führen muss. Hattet ihr jemals Pläne, diese Debatte ins Innere der Organisationen der PCE zu tragen? Glaubt ihr, dass die PCE-Führung Angst hatte, diese Diskussion innerhalb der Organisation zu führen?
Ja, natürlich. So wie das Projekt vom Wiederaufbau der Kommunistischen Partei bis heute konzipiert ist, das die PCE als Ausgangspunkt nimmt, wollen wir alle Thesen, die wir entwickeln in die Partei tragen. Wir wollen sie verbreiten, damit sich ihnen nach und nach mehr Aktivisten anschließen. Was ist das Problem, das wir bisher mit der Konzeption des Prozesses vom Kommunistischen Wiederaufbau durch die PCE hatten? Wir dachten, dass keine Vermittlung zwischen unseren politischen Thesen und ihrer Aneignung durch die PCE-Basis nötig sei. Das heißt wir nahmen an, dass die einfache Übermittlung fortschrittlicherer Thesen durch die UJCE an die Basis der PCE und schließlich in die Struktur der PCE, einen linearen Prozess des politischen Fortschritts anstößt. Die UJCE müsse demnach eines Tages nur noch Teilerfahrungen machen, um sie nach und nach in der PCE zu verankern und eines Tages erhebt sich die PCE als neu aufgebaute Kommunistische Partei.
Was ist daran problematisch? Wir hatten uns noch keine konsistente Analyse dessen erarbeitet, was die PCE als bürokratische Struktur war und ist. Und welche Rolle darin die Führungsebene spielt, indem sie sich zu verschiedenen Thesen positioniert, die sie als Struktur vertreten kann. Um an das vorher Gesagte anzuschließen: Was ist ihre Rolle im staatlichen Parteiensystem? Und schließlich, wie ist der aktuelle ideologische und organisatorische Zustand der PCE selbst?
Und das ist es, was uns zum Teil auch veranlasst, zu argumentieren, dass wir uns einen Wiederaufbauprozess vorstellen müssen, der damit aufhört, die PCE als eine Art losgelöste Einheit zu betrachten, die historisch immer da sein wird. Dass sie immer das gleiche Potenzial hat und wir sie nur schrittweise vom Opportunismus zurückgewinnen müssen. Als ob der Opportunismus vorübergehend eine eigentlich revolutionäre Partei gekapert hätte. Man muss vielmehr damit beginnen zu untersuchen, was das reale Gewicht der Basisaktivisten oder der Elemente ist, die wirklich aufgeschlossen sein würden, wenn Thesen auf den Tisch kommen, die im Kern die Notwendigkeit der Neuformierung des Kommunismus und des Wiederaufbaus der kommunistischen Partei in den Mittelpunkt stellen. Und welche anderen Elemente das letztlich ablehnen würden, egal wie viel Arbeit geleistet wurde und mit allen Vermittlungen, die ich oben erwähnt habe.
In den letzten Monaten haben wir also diese Beiträge in die PCE eingebracht, aber durch diesen Lernprozess verstanden, dass wir ein umfangreicheres Wiederaufbauprojekt begründen müssen. In diesem Sinne sehen wir unsere Arbeit heute darin, einige präzise Thesen zu den Aufgaben aufzustellen, die die proletarische Jugend beim Versuch einen fortschrittlichen Kommunismus neu aufzubauen vor sich hat. Und diese Arbeit kann mittels einer Debatte mit anderen Strömungen den Embryo oder eine erste Phase vom tatsächlichen Wiederaufbau der kommunistischen Partei darstellen. Wir waren überzeugt, dass dies, wenn es in die PCE gebracht wird, zwangsläufig zu Repression führen muss. Das war zum Beispiel etwas, was wir vor zwei oder vier Jahren vielleicht nicht geglaubt hätten. Warum wird dies zwangsläufig zu Repression führen? Selbst wenn es die Partei erlauben würde, solche Thesen vorzubringen – unabhängig davon, ob die Parteibasis sie mehr oder weniger schnell übernehmen würde oder ob das überhaupt sinnvoll wäre – es wäre eine Bedrohung für die Weiterführung der PCE als Partei. Sie muss sich im Spiel der bürgerlichen repräsentativen Politik beweisen und vertritt eine Reihe von Klasseninteressen, die im Wesentlichen die der Arbeiteraristokratie und der restlichen Mittelschichten sind.
Wir sind daher der Meinung, dass die Intervention in die UJCE durch die Führung der PCE politisch illegitim ist. Es handelt sich offensichtlich um eine reaktionäre Maßnahme angesichts der Verbreitung von Thesen kommunistischen Potentials. Das entspricht gewissermaßen dem sozialen Inhalt, den die PCE heute vertritt. Sie funktioniert letztlich als opportunistische Partei, die sich den Massen als Vertreterin der Interessen des Proletariats präsentiert, die aber letztlich ein zutiefst sozialdemokratisches politisches Organisationsmodell übernimmt. Es zielt darauf ab, die Organisation des Proletariats und damit seine politische Entwicklung von den Interessern der Arbeiteraristokratie und der Mittelschichten im Bündnis mit der Großbourgeoisie abhängig zu machen.
Die Führung der PCE hat ein Managementteam ernannt, das die UJCE leiten soll, ihr aber habt die Legitimation durch die Basis. Wie geht ihr mit dieser Situation um?
Gerade weil der Prozess der Selbstkritik in der UJCE weder neu, noch künstlich oder die Sache einer Minderheit in der Führung ist, sondern ein langjähriger Prozess, der die Gesamtorganisation betrifft, hat die Intervention der Partei keinerlei Rückhalt in der Basis der UJCE. Das heißt es gibt keine Aktivisten in der UJCE, die in der Kommunistischen Jugend für eine Weiterführung dessen eintreten, was heute die PCE ist. Wir haben zwar noch Debatten im Außerordentlichen Kongress darüber zu führen, wie, in welcher Form, zu welchem Zeitpunkt und sogar mit welchem Inhalt, die Kommunistischen Partei wieder aufgebaut werden oder dieser Prozess entwickelt werden muss. Aber alle waren sich im Klaren, dass die Aufgabe des Wiederaufbaus der Kommunistische Partei sich dem Proletariat gegenwärtig stellt und sie nicht schon in der PCE verwirklicht wurde.
Deshalb hatte die Intervention der PCE keinerlei Unterstützung und das Einzige, was sie tun konnten, war eine Reihe von finanziellen, logistischen ect. Ressourcen zu beschlagnahmen. Wir hatten sie bisher genutzt, aber da die UJCE rechtlich gesehen die Jugendorganisation der PCE ist, können sie durch diese Intervention mittels der Statuten rechtfertigen, dass sie jetzt ihnen gehören. Damit haben sie aber nicht mehr erreicht, als sich unserer Ressourcen zu bemächtigen und keine politische Legitimität gewonnen.
Wir fordern also, dass wir ein Minimum an Garantien erhalten, um unsere Aktivität auch in dieser Situation fortzusetzen. Gerade weil wir das seit geraumer Zeit erwarteten und sahen, dass dies in der Funktionsweise der PCE liegt, hatten wir uns selbst abgesichert, um weiterarbeiten zu können. In diesem Sinne schlagen wir kurz- und mittelfristig vor, die gleichen Aufgaben und die gleiche politische Praxis zu entwickeln, die wir bisher verfolgt haben. Damit machen wir deutlich, dass die PCE heute nicht die Fähigkeit hat, eine kommunistische Jugend zu organisieren, die vergleichbar ist mit dem, was bisher die echte UJCE war, die wahre Kommunistische Jugend, als Kaderschule für den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei.
Und was wir folglich tun werden, ist sowohl innerhalb der Partei als auch im externen politischen Umfeld zu zeigen, dass es die jungen Kommunisten sind, die wirklich in der Lage sind, in der proletarischen Jugend zu intervenieren. Eine PCE-Führung kann das nicht, sie hat keinerlei politische Legitimität gegenüber unserer Parteibasis und weiß darüber hinaus nichts über die politische Situation der proletarischen Jugend heute und im allgemeinen und ist davon völlig entfremdet.
Das kapitalistische System erfährt eine Krise auf allen Ebenen: wirtschaftlich, gesellschaftlich, der Umwelt, Kriege usw. und führt uns dabei in einigen Weltregionen in die Barbarei. Wir beobachten das Wiederentdecken kommunistischer Ideen durch die Jugend und in vielen Ländern das Entstehen kommunistischer Gruppen. Wie bewertet ihr die Situation?
Wir bewerten sie positiv, aber wir betrachten sie nicht als ein von der wirtschaftlichen Entwicklung der kapitalistischen Widersprüche losgelöstes Phänomen. Wir glauben, dass dieses neuerwachende Interesse am Marxismus, vor allem in bestimmten Ländern existieren kann und generell die Belebung der kommunistischen Organisationen auf internationaler Ebene neuen Umständen geschuldet ist. Diese neue Realität besteht vor allem in einer totalen Reproduktionskrise, die natürlich die bürgerliche Gesellschaft betrifft, die aber bereits heute mit zunehmender Härte auf das Proletariat durchschlägt.
Auch wenn diese jüngste Krise auf die Zeit vor 2008 zurückgeht, so sehen wir doch, dass sie sich gerade in den letzten Jahren besonders hart auf das Proletariat und die neuen proletarischen Generationen auswirkt. Beispielsweise in unserem Kontext, im imperialistischen Zentrum, d. h. in der Europäischen Union, nimmt das die Form einer Offensive auf die Löhne, eines Angriffs auf die politischen Rechte des Proletariats und so weiter an. Diese Situation ist auch durch eine Beschleunigung der Proletarisierung der Gesellschaft gekennzeichnet, wobei immer mehr Schichten Teil des Proletariats werden. Gleichzeitig lösen sich die, für die Aufrechterhaltung des bürgerlichen Regimes und der bürgerlichen Staaten in politischer Hinsicht maßgeblichen Mittelschichten zunehmend auf.
Wir stellen fest, dass neue proletarische Generationen entstehen, die materiell gesehen nur in einem Krisenhorizont aufgewachsen sind – einem unendlichen, unbestimmten Horizont der Krisen, deren einzige Unterschiede darin bestehen, dass sie jedes Mal noch schlimmer werden. Sie haben zudem politisch gesehen, dass sich der Ausweg aus dieser Art von materiellen Schwierigkeiten heute als immer ohnmächtiger erweist. Und in diesem Kontext findet diese Wiederbelebung des Marxismus und bis zu einem gewissen Grad auch eine politische und organisatorische Wiederbelebung des Kommunismus statt, wenn auch noch mit sehr vielen Einschränkungen.
Es steht aber auf jeden Fall fest, dass der Prozess von dem Moment an, in dem sich das Phänomen in materieller Hinsicht entwickelt, bis zu seiner gleichwertigen politischen Übersetzung, keine vollkommene zeitliche Übereinstimmung existiert, sondern dass vielmehr ein Prozess des Lernens und des politischen Aufbaus erforderlich ist, damit Ersteres in das Zweite übersetzt werden kann. Und es hängt gerade von der Tätigkeit der ehrlichen Kommunisten ab, dass dies realisiert werden kann, wobei wir diesen Prozess als etwas Positives bewerten. Doch gerade um dies in eine immer größere Organisation umzusetzen, müssen Kommunisten heute in der Lage sein, die Situation richtig zu beurteilen und sich bereit machen, die Herausforderungen zu meistern, die die Situation heute stellt, mit allen Kosten, die das mit sich bringen kann.
Du hast vorhin die Notwendigkeit einer Organisation auf internationaler Ebene erwähnt, denn, wie wir schon sagten, es handelt sich nicht um ein Phänomen, das sich nur in Spanien ausbreitet, sondern auch in anderen Ländern. Sogar in den Vereinigten Staaten beispielsweise, wo man jahrzehntelang nicht mehr über den Sozialismus gesprochen hat. Du hast die Notwendigkeit eines subjektiven Faktors auf internationaler Ebene herausgestrichen, nicht wahr?
Ja, natürlich, und zwar mit dem Grundverständnis, dass das Projekt des Kommunismus das Projekt des Proletariats als internationaler Klasse ist. Das heißt, dass die Aufgaben der Kommunisten heute nicht nur auf einer bestimmten nationalen oder staatlichen Ebene verstanden werden können. Der proletarische Internationalismus, von dem einige so viel reden, bedeutet ansonsten nur eine Art äußerliche Solidarität zwischen Völkern oder bestenfalls nationalen Arbeiterklassen, die von außen in Kontakt treten und ihre Aufgaben getrennt voneinander entwickeln.
Wir verstehen, dass das zum Teil die Folge des Erbes der Niederlage des Kommunismus und der opportunistischen Verkümmerung ist, die er im letzten Jahrhundert erlitten hat. Und wir wissen, dass daher alle Aufgaben, die wir heute zur Diskussion stellen, Aufgaben sind, die wir vom Standpunkt der Neuformulierung des kommunistischen Projekts auf internationaler Ebene vorbringen. Die emanzipatorischen Potenziale, die das Proletariat gesellschaftlich verkörpert, sind insofern international, als sie nichts weniger als die Welt zum Maßstab haben. Dies bedeutet natürlich nicht, dass deren Entwicklung nicht an die Gegebenheiten in bestimmten Regionen usw. angepasst werden können. Aber eben als Konkretisierungen eines Gesamtprogramms und einer Gesamtstrategie und nicht umgekehrt.
In Spanien wurden wir Zeuge vom enorm kraftvollen Auftreten der sozialistischen Bewegung in Euskal Herria, Katalonien und anderen Gebieten des Landes. Aus der linken Unabhängigkeitsbewegung kommend haben sie sich die Ideen des internationalistischen Kommunismus angeeignet. Wie beurteilt ihr als UJCE dieses Phänomen?
Ähnlich wie die vorangegangene Antwort. Wir bewerten sie positiv und sind der Ansicht, dass sie das Ergebnis dessen ist, was ich zuvor beschrieben habe, nämlich zweier Phänomene, die miteinander verknüpft sind: Erstens ein Phänomen der Krise und vor allem eines Prozesses der Proletarisierung, der die neuen Generationen trifft. Diese neuen Generationen sind das Produkt eines Horizontes der reinen Krise und für sie ist, wenn man so will, der dritte Weg historisch zunehmend überholt. Und eben ein zweites Phänomen, das mehr mit einer politischen Erfahrung zusammenhängt. Das ist absolut Teil von dem, was ich gerade gesagt habe. Die Art und Weise, wie nämlich die jüngsten Generationen an Aktivisten der letzten Jahre in Organisationen aktiv war, die dem Namen nach „marxistisch“, „kommunistisch“, „antikapitalistisch“ sind. Sie führten aber in der Praxis eine ganze Reihe von Symptomen der vorangegangenen Niederlage weiter, was zu einer eminent reformistischen Politik führte, wie sich in ihrer Praxis zeigte.
Dieser Lernprozess ist ein integraler Bestandteil des erstgenannten Punktes. Es ist genau diese Verbindung von Krise und Proletarisierung, die das politische Projekt der Sozialdemokratie, in das viele dieser Gruppen eingebunden waren, wirkungsloser denn je macht und bessere Bedingungen schafft, um aus der eigenen Ohnmacht politisch zu lernen. Das ist der Ausgangspunkt für die aufgetretenen Risse in den reformistischen Organisationen. Es werden Schritte gemacht zur notwendigen Neuformierung des kommunistischen Projekts, und zwar auf der Grundlage der eigenen historischen Bedingungen heute. Das bedeutet, dass wir in der Lage sein müssen, zu lernen oder zu erkennen, wie wir die Grenzen überwinden können, an die wir all die Jahre gestoßen sind. Grenzen in unserer bisherigen Aktivität und in den Organisationen, die teilweise den Kampf für die Unabhängigkeit und Nationalismus vertraten, die aber auch Strategien der Klassenkollaboration und letztlich eine ebenso reformistische Praxis verfolgten. Die Methoden konnten dabei mehr oder weniger radikal sein – aber letztlich arbeiteten sie mit ähnlichen Strategien. Wir sind überzeugt, dass es bei all dem einen roten Faden gibt. Defacto handelt es sich um einen Prozess der Infragestellung einer überkommenen politischen Logik, der politischen Logik des Reformismus. In unserem Fall wäre das eine absolute Trennung zwischen einem Ziel – das zwar ein emanzipatorisches Ziel sein könnte, wenn auch auf unterschiedliche Weise entwickelt – und Mitteln, die letztlich auf die Reproduktion und Stärkung der Werkzeuge des Kapitals hinausliefen. Diese Werkzeuge blockierten eben jene Emanzipation, und führten zur Weiterentwicklung der politischen Organisation der kapitalistischen Herrschaft.
Das heißt, während wir in Worten den „Sozialismus“, den „Marxismus“, den „Antikapitalismus“ vertraten, haben wir unsere Praxis trotzdem innerhalb der Grenzen der politischen Organisation der kapitalistischen Herrschaft, d.h. des Staates verortet. Und deshalb propagierten wir unter den Massen weiterhin die Fortführung einer Politik, die im Vorhinein vom Ausgangspunkt der Niederlage des Kommunismus bestimmt war, während wir gleichzeitig vor den Massen verkündeten, für den Sozialismus zu kämpfen. Diese Politik war nichts anderes, als ein wiederholter Appell an den Staat und Verhandlungen mit dem Feind. Die Klasse hatte nur die Sichtweise, sich selbst als unterdrückte Klasse zu akzeptieren und den Klassenkampf nur in den Grenzen des Staates und damit als ständiges Aushandeln besserer Bedingungen beim Verkauf der Arbeitskraft zu verstehen, nicht aber als Kampf zur Durchsetzung der Negation ihrer selbst, als unterdrückte Klasse.
Haltet ihr es für notwendig, Verbindungen zu diesen oder anderen Gruppen aufzubauen, um gemeinsame Kampagnen und Aktivitäten zu bestimmten Themen zu entwickeln?
Ja. Wir sind der Meinung, dass es in dieser ersten Phase des Prozesses des Wiederaufbaus der kommunistischen Partei sogar von grundlegender Bedeutung ist. Das ist eine der Lektionen, die wir als Organisation gewonnen haben – diesen Prozess nicht mehr als begrenzt auf die PCE und die UJCE zu sehen, sondern ihn als Aufgabe der verschiedenen heutigen Organisationen der kommunistischen Bewegung zu begreifen. Und deshalb verstehen wir, dass wir angesichts der aktuellen Ereignisse, d.h. in dieser Krisensituation, prüfen müssen, welche Organisationen wirklich lernfähig sind. Das umfasst nichts anderes, als eine Kritik und Selbstkritik der Grenzen unserer bisherigen Politik zu entwickeln Das impliziert eine Kritik und Selbstkritik an der Hinterlassenschaft der Niederlage des Kommunismus, die zum Teil durch die aktuellen Ereignisse selbst ermöglicht wurde. Und wir müssen prüfen, welche Organisationen oder Gruppen im Gegenteil darauf reagieren, indem sie sich verschließen, diese Niederlage leugnen oder letztlich meinen, dass die begangenen Fehler nur auf partielle Umstände zurückzuführen sind und dass sie auch unter Beibehaltung der Grundlagen der bestehenden politischen Projekte gelöst werden können, usw. Wir glauben, dass es dazu notwendig ist, in einen Dialog zu treten ¬– einen Dialog, der bisher von diesen Gruppen kaum geführt wurde. Wir denken weiters, dass dies vielleicht die erste der notwendigen Phasen ist, um einen tatsächlichen Prozess der organisatorischen Wiederherstellung der Unabhängigkeit des Proletariats einzuleiten oder zu entwickeln.
(Gekürzt erschienen in: Funke Nr. 217/26.9.2023)