Die Inflation löst weltweit eine neue Welle von Klassenkämpfen aus. Das wirft die Frage auf, was die Aufgabe von RevolutionärInnen in dieser Krise des Kapitalismus ist? Von Lukas Frank.
Die Inflation ist weltweit Thema. Energie- und Nahrungsmittelpreise explodieren genauso wie die Profite von Konzernen wie beispielsweise BP oder Archer Daniels. Doch auf der ganzen Welt mehren sich die Beispiele, die zeigen, dass die Arbeiterklasse nicht bereit ist, kampflos den Gürtel enger zu schnallen.
Klassenkampf am Horizont
Die Inflation führte heuer schon in Ländern wie Kasachstan, Türkei, Sri Lanka oder Ecuador zu großen Protest- und Streikwellen. Doch auch in Großbritannien hat eine neue Phase des Klassenkampfes begonnen. Zehntausende EisenbahnerInnen, Postbedienstete und HafenarbeiterInnen sind schon im Streik, das Lehr- und Krankenhauspersonal droht mit Kampfmaßnahmen. In Deutschland gab es die größten Hafenarbeiterstreiks seit Jahrzehnten, obwohl diese vom Arbeitsgericht zuvor untersagt wurden. Die weltweiten Entwicklungen erfassen also zusehends auch Europa.
Zumindest die herrschende Klasse ist sich dessen bewusst und bereitet sich vor. Die deutsche grüne Außenministerin Baerbock meinte: „Wenn wir kein Gas mehr bekommen, sind wir [in Deutschland] mit Volksaufständen beschäftigt.“ Dazu passt auch, dass Fotos vom österreichischen Bundesheer kürzlich die Runde machten, wo in Eisenerz zum Training für Inlandseinsätze inszenierte Demos niedergeprügelt wurden.
Auf die Inflation, also die rasante Erosion des Lebensstandards der Arbeiterklasse, folgt die explosive Eskalation des Klassenkampfes wie die Nacht auf den Tag. Auch Österreich wird davon nicht ausgenommen sein.
Was sind in so einer Situation die Aufgaben von KommunistInnen?
Die Position der Jungen Linken
In ihrem Podcast „Kein Katzenjammer“ (Folge 115 „Teuerung: Was tun?“) diskutieren die GenossInnen der Jungen Linken, welche der KPÖ nahestehen, genau diese Frage mit ihrem Bundesgeschäftsführer Jakob Hundsbichler. Laut ihm ist das Hauptproblem, dass die guten Ideen der Linken bis jetzt die Arbeiterklasse nicht erreicht haben:
„Man hat als Linke einfach zu oft einfach etwas in die Welt hinaus gebrüllt und gehofft, dass irgendwer […] eine Revolution […] anzettelt. Und da merkt man da fehlt […] das politische Subjekt [die Arbeiterklasse], das das umsetzen kann […]. Entweder gabs da nämlich bisher Lösungen oder Ideen, die niemanden interessiert haben, weil sie zu technisch waren, zu weit weg von der Lebensrealität der meisten Menschen, oder es waren Lösungen oder Ideen, die wieder so groß waren, dass man sie durch nichts umsetzen konnte.“
Angesichts der Teuerungskrise, sollte man als KommunistIn daher langsam beginnen:
„Und jetzt kann man klar sagen, die Löhne müssen rauf und die Energiekonzerne müssen vergesellschaftet werden. Das stimmt alles und sollte auch getan werden. Aber es existiert gerade keine Bewegung, die das gegen diese Kapitalinteressen durchsetzen könnte.“
Er gibt stattdessen ein Beispiel, wie das Leben im Kleinen verbessert werden kann:
„In Salzburg hat die KPÖ ja einen einzigen Gemeinderat […]. Mit einem Gemeinderat in einer ganzen Stadt kann man jetzt nicht die ganze Stadt auf den Kopf stellen, das ist logisch. Aber man kann auch in so einer Größe einiges verändern. Nachdem es die KPÖ mehrmals gefordert hat, gibts in Salzburg in den städtischen Freibädern jetzt erstmals eine Saisonkarte, die ermäßigt 19€ statt 85€ kostet.“
Wie kommen wir zum Kommunismus?
Darauf antwortet der Genosse:
„Wir suchen uns Kämpfe für ein besseres Leben, die in unserer Gewichtsklasse liegen, wie z.B. Bäderpreise […] [Wir] kämpfen die Stück für Stück durch und haben dann wirklich das Vertrauen und die Erfolgserfahrung bei Menschen geschaffen, so dass wir genug Leute auf die Straße bekommen und irgendwann tatsächlich die Vergesellschaftung der Energiekonzerne wirklich durchsetzen zu können.“
Die Ansicht, dass die Arbeiterklasse für Klassenkampf und Revolution nicht bereit ist, ist weit verbreitet. Der einzige Weg vorwärts sei daher, dass die Linke z.B. in einem Gemeinderat Verbesserungen im Kleinen umsetzt und dadurch schrittweise gesellschaftlichen Rückhalt für größere Verbesserungen schafft.
Doch erstens wird es im heutigen Krisenkapitalismus über eine Saisonkarte hinaus ohne Klassenkämpfe keine Verbesserung geben, zweitens ist die Arbeiterklasse weltweit in Bewegung, und Österreich wird da keine Ausnahme sein. Bei den kommenden Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst werden starke Sektoren der Arbeiterklasse Kampfmaßnahmen ergreifen müssen, um ihren Lebensstandard verteidigen zu können. Es liegt auf der Hand, dass diese Kämpfe auf der Grundlage eines Programms für einen automatischen Inflationsausgleich aller Löhne und für die Arbeiterkontrolle über die Energieversorgung zusammengeführt werden müssen. Das größte Hindernis auf diesem Weg ist die Rolle der derzeitigen Führung der Arbeiterklasse – SPÖ und Gewerkschaft, die ausschließlich Appelle an die Regierung richten und den Blick der Arbeiterklasse von ihrer eigenen Stärke ablenken.
Hier sieht man was fehlt: Es ist in erster Linie eine politische Kraft, die groß und stark genug ist, die notwendigen nächsten Schritte breit in der Arbeiterklasse zu propagieren, die diese aus der Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution aufgrund der Krise des Kapitalismus ableitet, und die der Arbeiterklasse hilft, trotz ihrer bremsenden Führung, die Klassenkämpfe ohne Handbremse zu führen. Denn es sind solche Kämpfe, die der Arbeiterklasse ihre eigene Kraft bewusst machen und die Grundlage für ihre Machtergreifung im Zuge einer erfolgreichen sozialistischen Revolution schaffen. Der Aufbau einer solchen Kraft – einer weltweiten marxistischen Organisation – ist die aktuell wichtigste Aufgabe aller KommunistInnen.
(Funke Nr. 206/30.8.2022)