Die Partei keinesfalls kritisieren – weder intern noch öffentlich – um ihre Autorität nach außen bloß nicht zu gefährden. Wer sich widersetzt, wird zu einer „angemessenen Entschuldigung“ gezwungen oder ausgeschlossen. Klingt nach Alltag unter einem diktatorischen Regime, ist aber die Beschlusslage der Grünen Jugend seit ihrem Bundeskongress am 28. März. Das Ganze wird den Mitgliedern als „respektvoller öffentlicher Umgang miteinander” verkauft. Ein Kommentar von Katharina Peter.
Im Antrag „Für eine Unterstützung der Grünen in der Bundesregierung“ der Wiener Landesorganisation wird argumentiert, dass die Grünen nicht schuld sind, dass sie sich jetzt in einer Koalition mit der kapitalistischen ÖVP befinden und darum auch keine Kritik verdienen. Der Übergang der Oppositionspartei zum Koalitionspartner sei kein „Werteverrat”, sondern nur „Ausdruck für den Charakter bürgerlicher Parteien”. Das stimmt, denn um „Werteverrat” begehen zu können, hätte man erstmal Werte gebraucht und die Grünen sind, wie im Antrag auch gerne zugegeben wird, eine bürgerliche Partei. Als solche ist die Regierungsbeteiligung alles und die Inhalte sind im Zweifelsfall nichts als Verzierung.
Hier der Antrag, durch den die Jugendorganisation auf Partei-Linie gebracht wurde. ⬇️
6/ #GJBuKo pic.twitter.com/abyVwWtbTJ
— Stephan Bartosch (@stephanbartosch) March 28, 2021
Dass die Grünen als bürgerliche Partei nicht den Anspruch haben, den Kapitalismus abzuschaffen, liegt für die Jugendorganisation auch auf der Hand. Das schneidet sich vielleicht ein klein wenig mit dem Grundsatzprogramm der Grünen Jugend, in dem zu lesen ist: „Der Kapitalismus ist ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das unsere Lebensgrundlagen zerstört. Deshalb versuchen wir, ihn zu überwinden.“
Aber für dieses Problemchen haben die Antragsteller eine Lösung parat. Sie schreiben nämlich, der Kapitalismus sei ein ökonomisches Problem und daher nicht politisch lösbar. Die Überwindung des Kapitalismus würde bedeuten, dass die Entwicklung der Produktionsmittel so weit voranschreitet, dass Lohnarbeit „zurückgedrängt“ wird und die „Wertform an sich“ „aufgehoben“ wird.
Diese „Argumentation“ kracht leider unter dem Gewicht der Realität sofort zusammen. Heute sind wir an einem Punkt, an dem der Kapitalismus für die Entwicklung der Produktionsmittel und den wissenschaftlichen Fortschritt ein Hemmschuh ist. Das zeigt sich auch in der Debatte um einen Impfstoff gegen Covid-19. Bereits 2002 wurde an einem Impfstoff zur Bekämpfung der Sars-Pandemie geforscht. Hätte man diese Forschung fertiggestellt, hätten wir auch jetzt schon viel eher einen passenden Impfstoff griffbereit gehabt, da man die Forschung dann nicht nochmal komplett neu hätte aufrollen müssen. Damals wurden die Gelder aber leider gestrichen, da die Krankheit auch ohne Impfstoff überwunden schien und die Pharmakonzerne natürlich nicht einfach so zum Spaß ihr Geld locker machen, sondern nur wenn Profite in Aussicht sind.
Daraus ergibt sich: Wir werden die Produktivkräfte erst wieder vernünftig weiterentwickeln können, wenn wir die Gesellschaft von der parasitär gewordenen Herrschaft des Kapitals über die Arbeiterklasse befreit haben. Zu argumentieren, man müsse zuerst die Entwicklung der Produktivkräfte abwarten, führt in der Tat im besten Fall zu Inaktivität und im schlimmsten Fall zu offenem Verrat.
Wie steht die Grüne Jugend nun zum Klimawandel? Im Grundsatzprogramm steht schließlich, der Kapitalismus sei der Grund dafür, dass nichts gegen ihn unternommen wird und es sei daher notwendig, den Kapitalismus zu „überwinden“. Streicht man jetzt den Antikapitalismus aus der Gleichung, bleibt nur mehr der Klimawandel übrig. Nun, es sei folgendermaßen, versuchen uns die Antragsteller zu erklären: Da der Klimawandel ein so überaus drängendes Problem sei und man schnell handeln müsse, sei es jetzt notwendig, an einem Strang zu ziehen. Also Schwarz-Grün unterstützen, bloß nicht aufmucken, sich mit der ÖVP auseinandersetzen und hoffen, dass dadurch auf wundersame Weise der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt und der Planet nicht gegen die Wand gefahren wird.
Ob das funktioniert, wissen sie übrigens selbst noch nicht so genau. Sie schreiben, man werde in den nächsten Jahren sehen, ob die Beteiligung an der Regierung ihren Zielen gedient haben wird. Wichtig sei jetzt in erster Linie, alles Menschenmögliche zu unternehmen, um den Klimakollaps zu verhindern. Nur schade, dass die Grüne Jugend sich wegen ihres eigenen Beschlusses nicht wehren können wird, falls sich in den nächsten Jahren zeigen wird, dass es doch die falsche Strategie war, die Grüne Partei das aber eventuell anders sehen könnte. Aber immerhin war man damals in der Regierung.
Der schreiende Widerspruch zwischen den beiden Positionen – Antikapitalismus einerseits und Resignation andererseits – ergibt sich aus der heiklen Situation, in die sich die Grüne Jugend mit ihrem idealisierten Bild von der Grünen Partei selbst manövriert hat. Sie hat sich selbst den Mund verboten und augenscheinlich vollständig vor dem Diktat der Grünen kapituliert.
Diese Anträge sind ein Armutszeugnis für die Grüne Jugend als Organisation, ihre theoretischen Grundlagen und ihre Mitglieder. Wer aufrichtig antikapitalistisch ist, den Klimawandel bekämpfen will und nicht nur für Karrierezwecke, sondern aus Überzeugung politisch aktiv ist, sollte sich beim Funke organisieren.
(Gekürzt erschienen im Funke Nr. 193/22.4.2021)