Zu Jahresbeginn startete ein Kampf der PflegerInnen im Krankenanstaltenverbund (KAV), der neue Maßstäbe setzt. Ergebnisse und Perspektiven der kämpferischen Bewegung der Wiener KrankenpflegerInnen beleuchtet Martin Gutlederer.
Der Kampf um die Optierungsmöglichkeit von PflegerInnen vom alten Dienstrecht in das neue Dienst- und Besoldungsschema der Stadt Wien, das sich monetär für sehr viele KollegInnen rentieren würde, begann mit einer Online-Initiative von zwei Kollegen der Rudolfstiftung. Der (damalige) Dienststellenausschussvorsitzende des Wilhelminenspitals, Heinrich Schneider, brachte diese Petition dann mit über 10.000 Überschriften in den entsprechenden Ausschuss der Gemeinde Wien, wo er nun behandelt wird. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen wurde eine Reihe von Protesten abgehalten: am 21.3. gab es eine Kundgebung vor der Zentrale der zuständigen Gewerkschaft Younion, am 1. Mai stellten sich die PflegerInnen an die Spitze des Demonstrationszuges der FSG (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen), was für viel Aufsehen sorgte, und schließlich organisierten wir am 7.5. eine Großdemonstration am Ring mit deutlich über 1000 KollegInnen, also rund 10% aller PflegerInnen im KAV.
Gewerkschaft ist gegen Arbeitskampf…
Die Führung der Hauptgruppe 2 der Younion, namentlich Susanne Jonak, Edgar Martin & Roul Maszar, reagierte darauf mit untergriffigen Verbalattacken gegen die AktivistInnen der Bewegung. In den letzten beiden Ausgaben der von Gewerkschaftsgeldern finanzierten Zeitung „Für Dich“ lässt Edgar Martin seinen kämpferischen KollegInnen ausrichten, sie seien „Populisten“, „Kinder im Geiste Trumps“, „Extremisten von rechts & von links“, und vergleicht ihre Aktionen zu allem Überdruss mit einem eigenen jugendlichen Stinkbombenstreich, für den er in jungen Jahren anfangs keine Verantwortung übernehmen wollte. Edgar Martin sei jedenfalls gesagt, dass er zwar schon in seiner Jugend nicht die Verantwortung für seine Taten übernehmen wollte, die AktivistInnen der Proteste für eine Optierungsmöglichkeit tun dies aber sehr wohl. Sie opfern ihre Freizeit – neben einer 40-Stunden-Woche im Schichtdienst – trotz der Drohungen mancher Vorgesetzter und PersonalvertreterInnen der FSG wie ihm selbst, dass das Engagement für die Optierungsmöglichkeit und für mehr Personal im KAV dienstrechtliche Konsequenzen haben werde.
… und bekommt die Rechnung
Obwohl die KollegInnen bei den Protesten die Gewerkschaftsspitzen mehrfach dazu aufriefen, gemeinsam für Verbesserungen zu kämpfen, bekämpft die Führung der Younion aktuell jene Teile ihrer eigenen Basis, die sich aktiv für bessere Arbeitsbedingungen engagieren. Und diese Basis hat bei den diesjährigen Gewerkschafts- und Personalvertretungswahlen dafür die Rechnung serviert und die FSG in der Hauptgruppe 2 (dem KAV) in fast allen Krankenhäusern und wienweit abgestraft. Die Stimmen wanderten in den meisten Häusern zur KIV/UG („Konsequente Interessenvertretung“). Die KIV zeigte sich in diesen Protesten jedoch auch gespalten: Die Fraktionsführung stellte sich auf die Seite der FSG-Führung und offen gegen die Teilnahme an den Protesten. Die Mehrheit der KIV-PersonalvertreterInnen ließ sich jedoch von der Stimmung in den Spitälern mitreißen und unterstütze die bisherigen Protestmaßnahmen.
Am Wilhelminenspital, dem Otto-Wagner-Spital und der Semmelweis-Klinik hat sich im Zuge der Proteste ein Aktionskomitee gebildet, das sich kurzfristig auch dafür entschieden hat, im Wilhelminenspital eigenständig als Liste „Solidarität – Für faire Löhne & Arbeitsbedingungen“ zu kandidieren. Die „Solidarität“ erreichte 27,14 % der abgegebenen Stimmen (bei insgesamt 5 verschiedenen Wahllisten), was ein deutliches Signal für den Wunsch nach einer demokratischen und kämpferischen Interessensvertretung an den Krankenhäusern ist. Daran sollen und wollen die 5 MandatarInnen unserer Liste auch in Zukunft gemessen werden.
Nächster Schritt: Dienststellenversammlungen
Beginnend bei Petitionen über Flashmobs, Kundgebungen und einer Demonstration wurden bereits einige Möglichkeiten ausgeschöpft, um den Druck auf die Gewerkschaft und die Stadtregierung zu erhöhen, damit wir die Optierungsmöglichkeit jetzt bekommen. Der nächste logische Schritt ist die Einberufung von Dienststellenversammlungen gemäß des Wiener Personalvertretungsgesetzes. Dieses sieht vor, dass innerhalb von 4 Wochen eine Dienststellenversammlung („Betriebsversammlung“) einberufen werden muss, wenn dies ein Drittel der PersonalvertreterInnen oder der Beschäftigten fordert.
Dieses demokratische Recht wollen wir nutzen. Wenn es gelingt, die Beschäftigten breit auf diese Dienststellenversammlungen zu mobilisieren, würde dies bedeuten, einen Notbetrieb mit Streikcharakter im Krankenhaus durchzusetzen. Insofern halten wir es für besser, die Durchsetzung der Dienstellenversammlungen jedenfalls mittels Unterschriften aller KollegInnen anzustreben, selbst dort, wo es eine Mehrheit in der Personalvertretung für diesen nächsten Schritt geben würde. Eine solche wienweite Kampagne würde die Auseinandersetzung im KAV auf eine höhere Stufe heben, was ganz offensichtlich notwendig ist. Die Aktionsgruppe am Wilhelminenspital erwies sich bisher als bestes Instrument, die Auseinandersetzung um unsere Arbeitsbedingungen voranzutreiben. Wir sind überzeugt, dass der Arbeitskampf im KAV gesamthaft gestärkt würde, wenn die Kampagne für die Dienststellenversammlungen in allen Häusern von Aktionsgruppen getragen würde. Von Kollegin zu Kollege, das macht uns stark.
Mehr Personal, bessere Löhne und gutes Arbeitsmaterial
Unser bisheriger Kampf für die Optierungsmöglichkeit hat gezeigt, dass unsere Probleme viel tiefer gehen und definitiv nicht nur die Beschäftigten des KAV betreffen. Der Gesundheits- und Sozialbereich wird schon viel zu lange kaputtgespart. Wir leben in einer Zeit, die von den Folgen der Weltwirtschaftskrise 2008 geprägt ist. Eine dieser Auswirkungen ist der andauernde Spardruck. Dieser äußert sich durch permanenten Personalmangel und zunehmend auch durch schlechte Arbeitsmaterialien. Täglich spüren immer mehr KollegInnen diesen Druck, der auf allen von uns lastet – egal ob wir auf der Bettenstation oder im Spezialbereich arbeiten, egal welcher Berufsgruppe wir angehören. Dieser Druck führt auch in Österreich zu einem Zustand, zu dem folgendes Zitat eines Pflegers des Berliner Charité gut passt: „Streiks gefährden nicht das Wohl unserer Patientinnen und Patienten – sondern der Normalzustand.“
Dieser Normalzustand wird uns durch ein System aufgezwungen, das den Profit über die Bedürfnisse der Beschäftigten und der PatientInnen stellt. Nur, wenn wir dem ein Ende setzen, werden wir zu Bedingungen arbeiten können, die sowohl für die PatientInnen als auch für uns Beschäftigte menschenwürdig sind.
Dafür lohnt es sich jedenfalls aktiv zu werden.
Engagier dich mit uns!
Martin Gutlederer ist Funke-Unterstützer und Personalvertreter am Wilhelminenspital für die Liste Solidarität
(Funke Nr. 174/Juni 2019)