In schöner sozialpartnerschaftlicher Einigkeit haben Gewerkschaftspräsident Hundstorfer und Wirtschaftskammerchef Leitl am 2. Juli in einer gemeinsamen Pressekonferenz ihre Einigung auf einen Mindestlohn von 1.000 Euro präsentiert. Wie verlogen diese Ankündigung ist, zeigt schon der Untertitel der ÖGB-Presseaussendung: „Kein Mensch, der in Österreich Vollzeit arbeitet, wird in Zukunft unter 1.000 Euro verdienen“.
Tatsächlich werden weiterhin zehntausende KollegInnen unter € 1.000,– verdienen, da die sog. freien Berufe (ÄrztInnen, RechtsanwältInnen, NotarInnen, …) sowie die Landwirtschaft von dieser Vereinbarung ausgenommen sind. ArzthelferInnen, SekretärInnen bei RechtsanwältInnen, LandarbeiterInnen und andere Berufsgruppen in den genannten Bereichen haben unbestreitbar einen verdammt harten Job und werden dafür weiterhin mit einem Schandlohn abgespeist werden!
In der bereits genannten Presseaussendung wird auch kommentarlos auf das einzigartige österreichische Mindestlohnsystem verwiesen, dabei aber verschwiegen, dass dieses weiterhin keinen gesetzlichen Mindestlohn bieten wird, welchen es in vielen anderen Ländern gibt; gleichzeitig wird auch verschwiegen, dass jene Länder, die von der Wirtschaftsleistung her mit Österreich vergleichbar sind, deutlich höhere Mindestlöhne haben – in Luxemburg liegt dieser z.B. über € 1.500,–.
Wie verlogen das ganze System der Packelei ist, zeigt sich auch daran, dass sich die SPÖ einmal mehr darum drückt, Politik im Sinne der Lohnabhängigen machen zu müssen und die Festlegung des Mindestlohns den SozialpartnerInnen überlassen hat.
Gleichzeitig ist der mittlerweile auch wieder von der großen Koalition kontrollierte ORF ebenso in die ideologische Offensive verwickelt, welche uns vorbetet, wie toll der neue Mindestlohn nicht sei. Österreich liegt nach einer im Teletext veröffentlichten Statistik nun im obersten Drittel jener Länder in der EU, welche einen Mindestlohn haben, zwar an letzter Stelle, aber immerhin … Ein weitverbreitetes Sprichwort sagt, dass wir nur jenen Statistiken glauben sollten, welche wir selbst gefälscht haben. Und diese Statistik des ORF strotzt nur so vor Willkür. Die € 1.000,– in Österreich liegen z.B. viel knapper beim obersten Land in der zweiten Gruppe (die wirtschaftlich in der Regel viel schwächer ist als Österreich) als beim vorletzten Land in der obersten Gruppe. Warum also ist Österreich hier im obersten und nicht im Mitteldrittel angesiedelt? Realistische Begründungen dafür gibt es nicht! Was bleibt, ist also das gute Verkaufen einer Mogelpackung!
Auch der Umsetzungszeitraum – frühestens ab 2009 eine reale Umsetzung des Mindestlohnes, der dann auf Grund der Inflation schon wieder deutlich weniger wert sein wird, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich trotz harter Arbeit, das Leben nicht mehr leisten können.
Ganz bewusst, so Hundstorfer, wurde nicht zum Instrument des Generalkollektivvertrags gegriffen, sondern man „überlasse die Umsetzung den KV-Partnern auf Branchenebene, um die Systematik und Logik der einzelnen Branchenregelungen zu erhalten und nicht durch einen Eingriff von außen durcheinander zu bringen.“ Also bitteschön: Wir haben hier also einen Mindestlohn, der kein genereller Mindestlohn ist, sondern erst wieder branchenspezifisch sein soll. Was daran ist dann aber noch ein Mindestlohn? Es bleiben wiederum nur Regelungen, die weiterhin dazu führen werden, dass die Lohnentwicklung in hochbezahlten (Männer-)Branchen und niedrigbezahlten (Frauen-)Branchen weiter auseinander gehen wird.
Leitl hat in der Pressekonferenz darauf verwiesen, dass sich der Mindestlohn deutlich von der Grundsicherung und dem Arbeitslosengeld abheben muss. Damit hat er recht! Sein mathematischer Beweis dafür ist aber entweder so hohe Mathematik, dass wir Lohnabhängigen sie nicht verstehen können, oder aber es ist nichts als ein Taschenspielertrick.
Vereinfacht dargestellt zahlen wir für Löhne in dieser Höhe praktisch keine Lohnsteuer. Bei den Abgaben für die Sozialversicherung von ca. 22% bleiben von € 1.000,– brutto also ca. € 780,– netto über. Und die Grundsicherung beträgt € 726,–. Und das Arbeitslosengeld ist zumeist sogar höher, außer eben für jene, die vorher so schlecht verdienten, wie sie es jetzt mit diesem supertollen Mindestlohn weiterhin tun werden. Deutlich abheben, Herr Oberkapitalist?
Aber wenigstens ehrlich ist er, der Herr Interessenvertreter der GewinneinstreicherInnen; er meint nämlich, dass mit diesem Mindestlohn der Niedriglohnsektor attraktiv geworden ist. Da hat er recht. Viele Jobs werden in Hinkunft so beschrieben werden, dass sie eben nur den Mindestlohn ‚wert’ sind. Deutlich wird hier das Ziel, immer mehr und mehr Menschen mit dem Mindestlohn abzuspeisen. In Frankreich z.B. verdienen 17% der Lohnarbeitenden nur den Mindestlohn. In Österreich wird es – geht es nach der Wirtschaftskammer – auch bald so weit kommen!
Leitl ist weiter überzeugt, dass sich mit dem Mindestlohn die Schwarzarbeit reduzieren wird. Auch hier hat er recht. In vielen Bereichen kann nämlich Schwarzarbeit gar nicht so billig sein, wie dieser Mindestlohn.
Und auch wenn die AsozialpartnerInnen ihren tollen Erfolg herausstreichen, so vergessen sie dabei auch einen anderen ihrer letzten schmutzigen Deals. Die Pflege zu Hause wird zwar den dort Beschäftigen in Zukunft – zumindest dann wenn sie nach Übergangsfristen endlich legal erbracht werden muss – zwar mehr als diesen Mindestlohn bringen, aber dafür für weit über hundert Stunden in der Woche. Wenn wir die Gehälter der hier Beschäftigen auf 40 Stunden herunterrechnen, so liegen sie damit wieder deutlich unter dem Mindestlohn.
Einmal mehr hat uns die Gewerkschaftsspitze verkauft und die Beschlüsse zahlreicher ÖGB-Kongresse ignoriert. Einmal mehr hat es eine Schandvereinbarung im Hinterzimmer gegeben, ohne uns Lohnabhängige einzubinden. Einmal mehr wurde es verabsäumt, uns zu mobilisieren, wodurch sicherlich viel mehr drinnen gewesen wäre. Einmal mehr hat die Gewerkschaftsspitze bewiesen, was sie wirklich ist – die beste Verwalterin des österreichischen Kapitalismus.
Weg mit dieser Mogelpackung – für einen gesetzlich verankerten inflationsgesicherten Mindestlohn von 1.500 Euro!
Axel Magnus, Betriebsratsvorsitzender SDW und Mitinitiator der Kampagne „Wir sind ÖGB“