Auf Einladung der Bagru i.e. (Internationale Entwicklung) der Uni Wien fand letzten Dienstag eine mit ca. 100 TeilnehmerInnen gut besuchten Podiumsdiskussion zum Thema „Wohin geht Venezuela?“ statt. Am Podium diskutierten Emanuel Tomaselli (Hände weg von Venezuela), Thomas Haunschmid (freier Mitarbeiter von Ö1) und Erich Stackl (Der Standard).
Einleitend stellten alle Podiumsdiskutanten ihre Einschätzung und Beziehung zu Venezuela dar. Thomas Haunschmid gestaltete ein Feature für Ö1 über die venezolanische Hauptstadt Caracas und berichtete von seinen Erfahrungen in der Stadt. Er suchte hier die Begegnung mit den BefürworterInnen und GegnerInnen der Revolution, schilderte die sozialen Zustände und Veränderungen. Seine sehr subjektiv gehaltenen Beschreibungen ergaben ein gutes Bild der Situation Venezuelas, wobei er im Verlaufe der Diskussion seine Sympathie für das Projekt des Sozialismus des 21. Jahrhunderts nicht verbarg.
In der Rolle des „bad guys“, und sehr bemüht dieses Bild zu verwischen, sah sich Erich Stackl vom Standard. In seinem Einleitungsstatement verwies er auf zwei Kritiker der Revolution von links. Theodor Petkoff, ein ehemaliger linker Guerilla und heute Herausgeber von Tal Qual, sei ein eingeschworener Gegner des Präsidenten Chavez. Was er nicht erwähnte ist, dass Petkoff bereits vor dem bolivarischen Prozess mit seiner linken Vergangenheit gebrochen hatte. Petkoff war als Minister der Regierung Caldera für Privatisierungen zuständig, also für ein Herzstück der neoliberalen Umgestaltung des Landes, mit der die bolivarische Revolution grundsätzlich brach. Tal Qual ist ein Revolverblatt der Konterrevolution und hat mit seriösem Journalismus nichts am Hut (siehe die Darstellung der Zeitung bei Hands off Venezuela bzw. bei Aporrea). Als zweiter Kritiker der Revolution wurde Stalin Perez Borges von der UNT zitiert.
Emanuel Tomaselli legte in seinem Einleitungsstatement den Schwerpunkt auf die sich entfaltende soziale Dynamik in Venezuela. Er betonte, dass jede Analyse der Revolution, die sich rein auf einen Blick durch das Prisma „Hugo Chavez“ reduziert, scheitern müsse, hier würden nicht die Ideen eines einzelnen verwirklicht, sondern hier agieren lebendige soziale Kräfte. Er strich heraus, dass die venezolanische Revolution eine Zeitenwende eingeleitet habe und die Postulate vom Ende der Geschichte“ und die Barbarei des „Clash of Civilisation“ verneine. Die bolivarische Revolution tendiere dazu die Widersprüche, die der Kapitalismus (soziale Frage, Umwelt, Fragen der Demokratie) aufwerfe, einer progressiven Auflösung zuzuführen, wobei der Ausgang dieses Ringen der Klassenkräfte noch nicht klar beantwortet sei.
Die sehr professionelle Diskussionsleitung der Bagru i.e. versuchte den Podiumsdiskutanten mit klaren Fragestellungen klare Antworten zu entlocken, was einerseits gelang, andererseits aber auch die konfrontative Dynamik am Rednerpult schmälerte. In der Frage nach den Medien griff Tomaselli die österreichische Berichterstattung, inklusive jene des Standard als „unausgewogen“ und „tendenziös“ an. Stackl wies diese Kritik von sich. Auch konfrontiert mit dem zitatweise vorgetragenen Artikel „Flucht aus Hugos Sozialstaat“ von Sandra Weiss im Standard vom 5. April dieses Jahres blieb er bei dieser Haltung, wenn er auch Verständnis für Kritik an diesem konkreten Beispiel aufbrachte. Er konzentrierte sich auf eine Zusammenstellung von Kommentaren internationaler Medien, die durchaus nicht unfreundlich gegenüber Venezuela seien. Er zitierte etwa Berichte über gute Geschäftsgänge in Venezuela, hohes Wirtschaftswachstum und Profitraten, was für ihn auch eine Infragestellung des Projektes des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ bedeutet. Die Feststellung, dass der Standard den Putsch als normalen Regierungswechsel beschrieb und die Erdölsabotage als „Generalstreik“ bestritt er vehement. Hier zwei Analysen zur Berichterstattung des Standard:
Analyse auf www.venezuela-info.net
Analyse auf www.Ceiberweiber.at
Die Nichtverlängerung der Lizenz für die Terrestrische Ausstrahlung des Privatsenders RCTV wurde von Haunschmid und Tomaselli begrüßt, Stackl findet diese Entscheidung fragwürdig. Was am Podium allerdings außer Frage gestellt wurde ist, dass diese Entscheidung zu respektieren sei und legal völlig in Ordnung ist. Dies trifft nicht nur auf diese Maßname zu, sondern auf den bolivarischen Prozess in seiner Gesamtheit. Stackl hob hervor, dass diese Regierung allen demokratischen Standrads mehr als genügt und außer Frage steht.
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurden teilweise sehr spezifische Fragen, wie etwa die Verstaatlichungspolitik, ArbeiterInnenselbstverwaltung und –kontrolle, die Auseinandersetzungen innerhalb der bolivarischen Bewegung und der Gewerkschaften sowie die neue Sozialistische Partei und das Sondervollmachtengesetz angesprochen, allerdings angesichts der fortgeschrittenen Zeit kaum ausdiskutiert. Was sich jedoch zeigte ist das enorme Interesse am Thema, was von uns als Motivation gesehen wird unsere Solidaritätsarbeit mit der bolivarische Revolution energisch weiterzuführen. Dazu sind alle InteressentInnen herzlich eingeladen. Ein Dank gilt der Bagru i.e. für die Organisierung dieser anregenden Veranstaltung.