Am gestrigen Donnerstagabend wurden die Kollektivvertragsverhandlungen bei den Metallern mit folgendem Abschluss beendet: 3% mehr Brutto-Lohn, einige Veränderungen im Rahmenrecht. Eine Stellungnahme der Funke-Redaktion.
Die Verhandlungen waren geprägt von den üblichen Feilschereien um die Interpretation der Wirtschaftsdaten (wie hoch ist das Wachstum, die Produktivität, die Inflation). Doch es wäre falsch, diese Verhandlungsrunde als „business as usual“ abzutun – ein genauerer Blick ist notwendig. Von Beginn an traten die Unternehmer extrem aggressiv und provokant auf. Letztendlich verhinderten nur die guten Wirtschaftsdaten und die zum Bersten vollen Auftragsbücher, die massive Gewinne versprechen (natürlich in den Verhandlungen gekonnt kleingeredet), dass die Unternehmer aufs Ganze gingen und eine Konfrontation bewusst suchten – ein Streik hätte ihnen tatsächlich sehr weh getan.
Am Ende steht trotzdem ein Abschluss, der weder Fisch noch Fleisch ist. Ein massiver Einschnitt in die Löhne und Arbeitsbedingungen, wie es der feuchte Traum vieler Unternehmer ist, ist noch einmal abgewendet worden. Doch wie schon in den letzten Jahren wird sich erst noch zeigen, was und ob am Ende tatsächlich ein kleines Plus herausschaut – viel wird es garantiert nicht sein: Die Preise für Wohnen, Essen und Heizen steigen viel stärker als die allgemeine Inflationsrate und höher als 3%, nach Abzug der Steuern wird es also auch in Zukunft ganz sicher nicht einfacher, bis zum nächsten Lohnzettel durchzukommen. Und die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Unternehmen auf Betriebsebene immer frecher werden, und sich jeder von ihnen, der das Gefühl hat, dass 3% doch zu viel sind, das Geld auf anderen Wegen als über den KV zurückholen wird.
Ein Kollege aus einem oberösterreichischen Metallbetrieb fasste es treffend so zusammen:
„Es ist kein voller Misserfolg, aber eben auch kein Erfolg, sondern der Schwächungsprozess geht schleichend weiter. Und was immer weniger aushalten, dass man als Arbeiter auf- und abgedreht wird, je nachdem wie gut gelaunt halt die Unternehmer sind. Das führt zu Zynismus und ist extrem schädlich.“
Wir können uns dieser Einschätzung voll anschließen. In diesem Lichte ist auch deutlich, warum wir die Aussage von Kollegen Wimmer nach dem Abschluss für falsch halten: „Wir haben unser Ziel erreicht, wir haben vier Prozent gefordert, damit wir drei Prozent bekommen.“ Aus dieser Aussage spricht die jahrelange Erfahrung am Verhandlungstisch, wo mit Zahlen und Forderungen gegenüber den Unternehmern Poker gespielt wird, und die Erfahrungen aus der Geschichte der letzten Jahrzehnte österreichischer Gewerkschaftspolitik.
Doch die Erfahrungen in den Betrieben sind immer mehr andere: Warum sollen wir die Forderungen der Gewerkschaft überhaupt noch ernst nehmen? Vor der Verhandlungsrunde gibt es kämpferische Reden, in denen richtigerweise beschworen wird, dass alle kampfbereit sein müssen, um das gemeinsam gesteckte Ziel zu erreichen. Es gibt Betriebsversammlungen, Streikbeschlüsse – und dann ein Ergebnis, das deutlich unter dem Ziel liegt – ohne dass wir dabei irgendwie mitreden können. Es wird höchste Zeit, dass Verhandlungsergebnisse nur in Urabstimmungen der Belegschaften angenommen werden – niemand kann besser entscheiden als die Arbeiterinnen und Arbeiter selbst, ob ein Verhandlungsergebnis ein Erfolg oder ein Misserfolg ist!
Diesen KV-Abschluss können wir getrost als den Nachhall einer vergangenen Periode betrachten. In den Jahren der „großen Koalition“ war das gängige Mittel der Konfliktlösung der „faule Kompromiss“. Unter Schwarz-Blau wird sich das radikal ändern: Das Kapital will und muss auf ganzer Linie in die Offensive gehen – schon jetzt wird wieder über das „Budgetloch“ diskutiert, was nichts anderes ist als die Vorbereitung großer Sparpakete.
In diesem Lichte betrachtet ist diese KV-Runde eine verpasste Chance für die Gewerkschaftsbewegung und die Arbeiterschaft als Ganzes: Mit einer verallgemeinerten Mobilisierung, wenn nötig auch mit Streiks, wäre auf jeden Fall mehr drin gewesen. Vor allem wäre die Kampfbereitschaft und Spannkraft der Gewerkschaften in Vorbereitung auf kommende Angriffe deutlich verbessert worden, die in den letzten Jahren spürbar schlaffer gewordenen Muskeln der Bewegung hätten gestärkt werden können, dem dauernden Druck der Entsolidarisierung ein aktiver, solidarischer Kampf entgegengesetzt werden können (Siehe).
Zynismus ändert aber nichts an Situation, sondern macht sie sogar noch schlimmer. Die Stimmung ist immer häufiger: Wir haben eh keine Macht, die Unternehmer machen eh was sie wollen, die Gewerkschaftsführung hört uns nicht. Das stimmt, aber nur so lange, wie in den Betrieben Passivität herrscht – Aktivität und Offensive ist der Weg nach vorne! Wenn die Unternehmen versuchen, auch auf Betriebsebene anzugreifen, gilt es auch dort breiten Widerstand zu organisieren. Wenn ihr mit dem Verhalten eures Betriebsrates nicht zufrieden seid, muss ein neuer gewählt werden. Wenn kämpferische Betriebsräte und GewerkschafterInnen nicht zufrieden sind, müssen sie sich konkret vernetzen, um organisierten Druck von unten zu machen, und eine andere Führung wählen, falls sich dadurch nichts ändert.
Die kommende Zeit wird von großen Auseinandersetzungen geprägt sein – mit den alten Methoden der Sozialpartnerschaft werden wir nicht weit kommen. Um dem Klassenkampf von oben etwas entgegen setzen zu können, gilt es, den Klassenkampf von unten vorzubereiten!
- Flächendeckende Urabstimmungen über alle Verhandlungsergebnisse!
- Es lebe die Solidarität, nieder mit der Spaltung!
- Kampf von unten gegen die Angriffe von oben!
Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass die Gewerkschaftsbewegung auf die kommenden Auseinandersetzungen vorbereitet ist. In den letzten Tagen diskutierten Funke-AktivistInnen bei Flugblattaktionen vor Betrieben in ganz Österreich mit KollegInnen. Uns ist es wichtig, dass die Erfahrungen über die Bedingungen in den Betrieben nicht am Fabrikstor enden, sondern breit und öffentlich abgebildet werden. Wir rufen deswegen dazu auf, uns Leserbriefe und Berichte zu schicken!