Die Wahlen in Österreich sind vorbei, und damit auch eine 10-jährige Epoche der großen Koalitionen aus SPÖ und ÖVP. Die ÖVP ist die politische stärkste Kraft geworden und baut nun das Land im Sinne der Bankiers und Industriellen um.
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Sebastian Kurz hat das Kunststück vollbracht, sich als Kandidat des „Neustarts“ darzustellen. Dies obwohl er das dienstälteste Regierungsmitglied ist, und zwar derjenigen Partei, die seit 31 Jahren ununterbrochen an der Regierung beteiligt ist. Österreich geht jetzt auf eine schwarz-blaue Bürgerblockregierung zu (ausführliche Analyse der Wahl auf Seite 2 und 3).
Damit ist eingetreten, worauf sich Raiffeisenbank und Co. schon seit Jahren gefreut und aktiv darauf hingearbeitet haben. In den letzten Wochen spürte man förmlich, wie das Kapital in Österreich in den vergangenen Monaten und Jahren die Zähne zusammengebissen hatte und den – von ihm wahrgenommen „Stillstand“ – nicht mehr aushielt. Der Tiroler Wirtschaftsbundchef Hörl konnte sich nicht einmal mehr bis zu den Wahlen zusammenreißen und forderte nach dem Beschluss im Nationalrat zur Gleichstellung von ArbeiterInnen und Angestellten den „Stopp aller aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen“. Der Wirtschaft sei es nicht zuzumuten, „die vergangenen Ohrfeigen einfach auszublenden“.
Jetzt in ihrem Siegestaumel können diese feinen Leute – „endlich“ – alles einmal offen herauslassen. So bekommen wir auch einen seltenen Eindruck in die Psychologie und die seelischen Abgründe dieser Lenker der Gesellschaft: Vor allem nach der Wahl übertreffen sie sich jetzt förmlich damit, möglichst radikal gegen jede soziale Errungenschaft der österreichischen Arbeiterklasse aufzutreten. Die Industriellenvereinigung startete so die Nachwahlperiode mit einer Kampagne, die sich an die neue Regierung richtet. Der Wunschzettel des Kapitals lautet: ein Ende der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern (in erster Linie um damit die Kollektivvertragspartnerschaft elegant auszuhebeln), eine deutliche Senkung der Steuern und Abgaben (natürlich angefangen bei einer Halbierung der unternehmensbezogenen Körperschaftssteuer), weniger „Transferleistungen“ (sprich: Sozialleistungen), Erhöhungen des Pensionsantrittsalters und Privatisierungen im Pensionssystem, eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten (und damit eine Lohnsenkung für ArbeiterInnen, die keine Überstundenzuschläge mehr ausgezahlt bekommen) und eine allgemeine „Stärkung der Exportwirtschaft“ – was nichts anderes ist, als die verklausulierte Forderung nach massiven Lohnsenkungen, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie zu steigern.
Man kann getrost davon ausgehen, dass die kommende Regierung Kurz so viele dieser Forderungen wie möglich umsetzen wird. Das dezidierte Ziel ist es, Österreich vor der nächsten Krise im Sinne des Kapitals „herzurichten“. Die Produktion muss billiger werden, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können – und das heißt: geringere Steuern für Unternehmen, geringerer Lohn für die ArbeiterInnen. Einen Vorgeschmack auf das, was kommen soll, liefert die schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich. Ein Nulldefizit soll hier mit 10% Einsparungen in den meisten Bereichen erreicht werden, vor allem im Sozialbereich. Außerdem werden etwa Studiengebühren für die FHs eingeführt und Nachmittagsbetreuung in den Kindergärten wird in Zukunft etwas kosten.
Es ist klar, dass das Kapital insgesamt nicht bei unbestimmten Forderungen bleibt – die Herren und Damen in Nadelstreif wollen – jetzt – angreifen und nicht mehr warten. Kurz vor Redaktionsschluss scheiterte die 3. Verhandlungsrunde zu den Metaller-Kollektivverträgen, nachdem die Unternehmerseite 0% Lohnerhöhung bei einer Senkung der Diäten „angeboten“ hatte – also eine Lohnkürzung ohne Wenn und Aber anstrebt.
Die Führung der Arbeiterbewegung hat ihre politische Munition in den letzten 10 Jahren Großer Koalition und „Sozialpartnerschaft“ ohne große Streikbewegungen völlig damit verschossen, unter allen Umständen „mitreden“ zu dürfen – letztendlich unter dem Preis, selbst schleichende Verschlechterungen für die ArbeiterInnen und die Jugend mitzutragen und 20 Milliarden € Steuergelder in die maroden Banken zu pumpen. Die Folge war eine Abkehr massiver Teile der Arbeiterklasse von der Sozialdemokratie und schwindendes Vertrauen in den Betrieben in die Fähigkeit der Gewerkschaften, den Lebensstandard zu verteidigen. Jetzt steht die Arbeiterbewegung mit leerem Munitionsmagazin einem Gegner gegenüber, der im Siegestaumel fest dazu entschlossen ist, keinen Stein auf dem anderen zu lassen.
In dieser Situation gibt es nur eine einzige Möglichkeit, dieser geplanten Zerstörung von Jahrzehnten an sozialen Errungenschaften etwas entgegenzusetzen. Der einzige Weg nach vorne ist die entschlossene Organisierung eines Abwehrkampfes auf allen Ebenen. Es muss klar sein, dass es keinen Raum für Halbheiten oder faule Kompromisse gibt – das Kapital hat Blut geleckt und will auf jeden Fall noch mehr davon fließen sehen. Wenn sich die FührerInnen von SPÖ und Gewerkschaften weiterhin an die Illusion der „Sozialpartnerschaft“ klammern, wird das unsere Bewegung nur weiter entwaffnen.
Das Kapital geht auf allen Ebenen in die Offensive. In den kommenden Auseinandersetzungen ist es daher wichtig, den politischen und betrieblichen Kampf dagegen zu verknüpfen. Dabei müssen alle Spaltungen, die im Wahlkampf von Kurz und Co. bewusst eingesetzt wurden, um Stimmen zu gewinnen, überwunden werden. Rassismus und Anti-Migrations-Rhetorik müssen mit gemeinsamen Klassenkampf beantwortet werden. Gegen die Offensive braucht es eine Mobilisierung. Nicht nur durch Streiks in den Betrieben, sondern auch Proteste auf den Straßen, in den Schulen und in den Unis. Die revolutionäre Strömung „Der Funke“ wird in diesen Kämpfen immer in vorderster Reihe stehen und betonen, was die Bürgerlichen selbst wissen, aber niemals offen zugeben würden: So lange der Kapitalismus herrscht, wird es kein gutes Leben für die ArbeiterInnen und die Jugend geben, sondern nur Arbeitslosigkeit, Verschlechterungen und ständig wachsenden Druck. Die kommenden Angriffe werden zur neuen Normalität. Kämpfe deswegen mit uns für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, für den Sozialismus!
Wien, am 24.10.2017