Die als Gewerkschaftsbank einst groß gewordene BAWAG steht derzeit im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie in Österreich US-amerikanisches Gesetz exekutiert und die Konten von kubanischen Staatsangehörigen aufgekündigt hat. ÖGB-Präsident Hundstorfer legitimiert diesen Kniefall vor dem neuen Eigentümer Cerberus und der antikubanischen Politik des US-Imperialismus als „notwendig“. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir einen Kommentar zum BAWAG-Verkauf an Cerberus, der in unserer Printausgabe (Nr. 74) erschienen war.
Auf den Hund gekommen – Höllenhunde, Helden und der ÖGB
Ende Dezember 2006 verkaufte der ÖGB die ehemalige Arbeiterbank BAWAG an den US-Fonds Cerberus. Der Name dieses Unternehmens, das mit Finanzspekulationen groß geworden ist, sagt alles. Cerberus (Kerberos) ist nämlich der Name des Höllenhundes in der Sagenwelt des antiken Griechenland.
Cerberus wird als Untier mit drei Hundsköpfen mit grässlichen Rachen, aus denen unaufhörlich giftiger Geifer träufte, beschrieben. Er hatte einen Drachenschwanz, und seine Haare auf Kopf und Rücken bildeten zischende geringelte Schlangen. Sein Bellen soll wie vielfacher, dumpfer Donner geklungen haben. Er wachte beim Eingang zum Hades, der Unterwelt. Neuankömmlinge begrüßte er wie ein Schoßhündchen mit wedelndem Schwanz, doch wehe jemand wagte es, die Unterwelt wieder verlassen zu wollen, dann zeigte er sein wahres Ich.
Es brauchte aus der Sicht der alten Griechen schon einen echten Helden um diese Ausgeburt des Schreckens zu besiegen. Erst Herakles gelang es im Zuge seiner zwölf Arbeiten für Eurystheus den Höllenhund zu überwältigen. Herakles ist hinlänglich als Kämpfer mit übermenschlichen Kräften bekannt. Der Sohn des Zeus und der Alkmene stand in der Kulturgeschichte aber für mehr. Er war nicht nur sehr vielseitig und umfassend gebildet, sondern er war von Kind auf mit dem Leben der Armen vertraut. Selbst als Säugling hatte er sich gegen die Intrigen der Mächtigen aufgelehnt. Entscheidend für sein weiteres Leben war dann der Sage nach sein Aufeinandertreffen mit zwei Frauen, wobei die eine die Lust und die andere die Tugend verkörperte. Herakles entschied sich trotz des verführerischen Angebots auf immer und ewig in Genuss und Reichtum leben zu können für den Weg der Tugend. Auf diesem Weg würde ihm viel Leid widerfahren, doch sein Lohn würden Achtung, Verehrung und Liebe der Menschen sein. Mit seiner Entscheidung für die Tugend wurde Herakles zum Anwalt der Unterdrückten.
Herakles wurde mit seinen 12 Arbeiten zu einer Galionsfigur der Geschundenen und Geknechteten. Er, der Untertan, erwies sich gegenüber dem schwächelnden König bei weitem überlegen. Seine Stärke hätte ihn ausgezeichnet Anstelle von Eurystheus das Land zu regieren. Als Herakles am Ende seiner Aufgaben auch noch den Höllenhund und einen Adler zur Strecke brachte, beide Symbolfiguren im System des Zwangs und der Drohung, das die Herrschenden errichtet haben, entlarvte er die Schwäche des Regimes.
Die Sage von Herakles wurde in der Literaturgeschichte immer wieder aufgegriffen. So auch in Peter Weiss’ „Ästethik des Widerstands“, wo es um die Geschichte junger Arbeiter geht, die sich in jeder freien Minute weiterbilden und mit Fragen der Kunst auseinandersetzen, um das nötige theoretische Rüstzeug für den Klassenkampf und den Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu erlangen, sehen in Herakles in erster Linie die für ihren Kampf nötigen Eigenschaften verkörpert. Doch Herakles agiert in ihren Augen zu sehr als der Einzelkämpfer, der doch auch den Verführungen des Systems zu erliegen droht und in einer Phase der Umnachtung die Interessen der Armen betrügt, weil er glaubt selbst Teil der herrschenden Elite zu sein.
Die Höllenhunde des 21. Jahrhunderts haben äußerlich mit jenen der griechischen Sagenwelt wenig gemein. Ihre Macht ist jedoch um ein Vielfaches größer. Sie kontrollieren die ökonomischen Ressourcen der kapitalistischen Weltgesellschaft. Sie verfügen über ein ausgefeiltes Herrschaftssystem, das bei weitem nicht nur auf purer Gewalt beruht. Umgekehrt haben die Unterdrückten keine Helden und Halbgötter an ihrer Seite, die sich für sie in die Schlacht werfen. Ihre Vertreter gehen mit den Höllenhunden lieber Geschäfte ein als ihnen furchtlos entgegenzutreten. Den Weg der Tugend, für den sich Herakles entschied und auf dem er zum Kämpfer für eine bessere Welt wurde, haben sie längst verlassen. Sie gehen lieber den einfachen Weg und arrangieren sich mit denen Mächtigen in der Hoffnung selbst mitnaschen zu können, um auf diesem Weg ein paar Brosamen für die da unten ausverhandeln zu können. Vom Widerstandsgeist des Herakles ist bei ihnen nichts übergeblieben.
Wer sich mit den Höllenhunden einlässt, darf sich nicht wundern, wenn er mit Flöhen aufwacht. Diese schmerzhafte Lehre wird auch der ÖGB noch lernen.
Hintergrundinfo: Cerberus
Der neue BAWAG-Eigentümer Cerberus Capital Management L.P. ist eine der weltweit führenden privaten Investmentfondsfirmen. Groß geworden ist das mit einer Reihe von ehemaligen konservativen Spitzenpolitikern bestückten US-Unternehmen als Hedge Fonds. Derzeit verwaltet Cerberus rund 16,5 Mrd. Dollar an Fondskapital und hält 35 Mrd. Dollar an Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen. Beteiligungsfonds wie Cerberus investieren mit Vorliebe in Unternehmen, die kurz vor dem Bankrott stehen. Die Investmenthäuser kaufen den Kreditgebern von Pleitekandidaten die Schulden ab und übernehmen als größter Gläubiger die Kontrolle im Unternehmen. Dann verkaufen sie die Firmen weiter – oder schlachten sie aus. „Vultures“, Geier, wird diese Spezies von Investoren im Finanzjargon genannt. Jüngster Coup neben dem BAWAG-Kauf war der Kauf von 37 Immobilien des Deutschen Gewerkschaftsbundes.