Das Verhandlungsergebnis für die nichtärztlichen Berufe des Gesundheitsbereichs (Spitäler, Pflegeheime etc.) in Oberösterreich ist da. Und leider sind die Belegschaften in die Rolle der passiven Empfänger eines Verhandlungsergebnisses degradiert, das mit Pühringer schon paktiert wurde. Die kommenden Betriebsversammlungen sollen lediglich nur mehr Informationscharakter haben. Von Martin Wieland, Vertrauensperson im AKH Linz.
Doch wie ist das Verhandlungsergebnis zu interpretieren? Am ehesten kann es als ein allererster Schritt hin in die richtige Richtung bezeichnet werden, keinesfalls aber als ein überwältigender Erfolg. Für diplomierte Pflegekräfte gibt es 250 Euro mehr, ebenso für die Medizinisch-Technischen-Dienste (MTD). PflegehelferInnen erhalten 150 Euro, FachsozialbetreuerInnen 50 Euro, letztere kombiniert mit einer 39h Stunden-Woche ab 2019. Und da sind wir schon beim ersten Haken. Die Erhöhungen erfolgen gestaffelt über den Zeitraum von 3,5 Jahren. Erst ab 1.1. 2019 kommt der volle Betrag erstmals zur Auszahlung. Mit einer Verzögerung von fast vier Jahren verdient damit z.B. eine diplomierte Pflegekraft des AKh Linz (im Normalstation-Turnusdienst zu Beginn ihrer Berufslaufbahn) ab 2019 ca. 11,37% (brutto) mehr als heute und schließt somit nur ins österreichische Mittelfeld auf.
Vorausgesetzt übrigens, dass die jährliche Inflation zusätzlich abgegolten wird. Diese Zusicherung scheint zwar im Verhandlungsergebnis enthalten zu sein, doch ist keineswegs ausgeschlossen, dass Bund und Länder mittels Hinweis auf die schwierige Lage hier wieder Auswege suchen werden, zu gut sind uns die letzten Jahre der Nulllohnrunden, Mindervalorisierungen und Erhöhungen unter der Inflationsrate noch im Gedächtnis. (Als Hinweis: Üblicherweise werden jährlich die Bundesabschlüsse für den öffentlichen Dienst auch für das gesamte Personal in Oberösterreich übernommen. – D.h. es wird beim Verhandlungsergebnis zweierlei vorausgesetzt: 1. Dass die Bundesabschlüsse mindestens die Inflation abfangen und 2. Dass diese und auch die zukünftige Landesregierung hier keinen Sonderweg geht. – Da müssen wir wachsam bleiben! Schon 2012 wurde in OÖ mindervalorisiert, d.h. wir erhielten 1% unter dem Bundeabschluss.)
Das Ergebnis wird somit in etwa nur die Verluste (durch Nulllohnrunden etc.) der letzten Jahre seit Ausbruch der Krise wieder ausgleichen. Und selbst dies trifft nicht für alle zu. Denn beim vorliegenden Verhandlungsergebnis fallen einige Berufsgruppen, die zumeist am unteren Ende der Verdienstskala stehen, überhaupt durch den Rost, wie z.B. WäschereimitarbeiterInnen oder der Krankentransport. Bestenfalls wird also (für die Mehrheit) die Marschrichtung umgedreht und der Kuchen wieder etwas größer.
Damit bekommen wir vielleicht das zurück, was uns in den letzten Jahren genommen wurde. An diesem einzigen positiven Aspekt müssen wir auch anknüpfen und am Ball bleiben. Wir dürfen uns nun nicht bis 2019 zurücklehnen und in die Falle eines Stillhalteabkommens tappen. Doch bevor wir weitergehen, müssen genau prüfen, ob nicht viel mehr für uns drin gewesen wäre und was alles nicht funktioniert hat.
Kommen wir gleich zum Hauptproblem: Unsere VerhandlerInnen und LeiterInnen an der Spitze der Gewerkschaften haben in der überwiegenden Mehrheit ein falsches Verständnis von Gewerkschaft. Sie agieren wie eine Handvoll Schiffskapitäne auf hoher See, die das Schiff über den Ozean bringen wollen, sich aber gegenseitig zuflüstern: „Nur ja nicht die Mannschaft aufwecken, soll sie ruhig weiterschlafen…“
Nicht anders ist die unselige Praxis zu beurteilen, Verhandlungen ohne die aktive Mobilisierung der Belegschaften zu führen. Landesregierungen und Arbeitgeber kommen de facto nur unter Druck, wenn sie mit einem Arbeitskampf rechnen müssen! Sie agieren nicht nach dem Prinzip der Menschenfreundlichkeit, sondern unter Druck des Kapitals, das den Lebensstandard der ÖsterreicherInnen zugunsten des Wirtschaftsstandorts senken will und eine Politik des Ausblutens der öffentlichen Kassen für Gesundheit, Soziales, Pensionen usw. betreibt. Der Hund lag also schon zu Beginn in der Art der Gehaltsverhandlungen begraben. Keine vorherigen Betriebsversammlungen. Keine fortlaufende Information der Belegschaften. Keine schon lange im Voraus bekannten Termine für Demonstrationen, falls sich die Seite der Geldgeber nicht bewegt. Keine aktive Diskussion und Vorbereitung eines Streiks als reale Drohung an die Adresse der Landesregierung. Dies kann nur den Schluss zulassen: die Mehrheit der agierenden Personen an der Spitze der Gewerkschaften wollte von Anfang an nicht kämpfen. Wenn dann ohne jegliche Vorankündigung das ursprünglich angekündigte Ziel von 20% so deutlich und kampflos verfehlt wird, ist es nur natürlich, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen komplett vor den Kopf gestoßen fühlen!
Und das Ergebnis wird verkündet, nicht als vorläufiges Angebot des Landeshauptmanns, sondern als definitive Einigung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberseite. Das bringt eine hohe Demoralisierung der Kolleginnen und Kollegen. Einmal mehr werden sie vollkommen übergangen. Damit beraubt man sich des einzigen Mittels, das Angebot des Landeshauptmanns noch nach oben zu treiben. Aber das will man ja nicht, man möchte nur ja nicht das Verhandlungsergebnis gefährden.
Doch in Wahrheit gefährdet diese Praxis einzig die Gewerkschaftsbewegung. Einige der aktivsten Kolleginnen und Kollegen werden frustriert austreten, andere, die ernsthaft erwogen haben, beizutreten, werden dies doch nicht tun. Die Belegschaften als Ganzes werden weiter darin bestärkt, dass ihre Meinung ohnehin nicht gefragt sei. Somit werden sie weiterhin in der gewollten Passivität festgehalten.
Genau deswegen wäre es aber ein riesen Fehler, in dieser Passivität zu bleiben oder aus der Gewerkschaft auszutreten. Zwar werden wir es in der jetzigen Situation nicht mehr schaffen, das Gewerkschaftsschiff Kurs auf einen Arbeitskampf nehmen zu lassen. Doch wir müssen für die Zukunft dort Anknüpfungspunkte suchen, wo sie sich natürlicherweise anbieten: bei den Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz und bei denjenigen GewerkschafterInnen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, wenn sie auch noch meilenweit davon entfernt sind, sich innerhalb der oberen gewerkschaftlichen Leitungsgremien durchzusetzen.
Im Falle von Oberösterreich sind dies die HauptorganisatorInnen des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses im Verhandlungsteam, d.h. die BetriebsrätInnen und AktivistInnen hinter der Operation Menschlichkeit, die sich auch für die (schlussendlich von weiter oben sabotierten) Streikvorbereitungen im AKh Linz und dem Streik der Ordensspitäler in den Jahren 2012/13 verantwortlich zeichnen. Diese neuen Kräfte in der Gewerkschaft sollten begreifen, dass sie nur dann die Gewerkschaft grundlegend umgestalten können, wenn sie sich untrennbar mit den Belegschaften verbinden und keinen fatalen Einheitsblock mit den demokratie- und kampfesfeindlichen Kräften in der Gewerkschaft eingehen. Wir müssen nun unverzüglich daran gehen, die Kampagne „Operation Menschlichkeit“ als eine klar von allen erkennbare Oppositions-Strömung innerhalb der betroffenen Gewerkschaften aufzubauen.
All unsere Energie sollte zudem in den Aufbau von Basis-Strukturen auf jeder Station, Abteilung etc. fließen, wie dies beispielhaft die operativen Intensivstationen 1 + 2 im AKh Linz vorlebten, in dem sie für ihre eigenen Anliegen aktiv wurden und von sich aus eine Streikresolution an die Adresse der Gewerkschaft beschlossen. Jede Untereinheit sollte für sich sprechen können, erst dann kann die Gewerkschaft als Ganzes ihre machtvolle Stimme erheben! Alle Betriebsratsstrukturen in Oberösterreich sollten sich zum Ziel setzen, ihre Betriebe kämpferisch und demokratisch zu machen, so dass alle Kolleginnen und Kollegen in die Debatten und Beschlüsse einbezogen werden.
Diese positive Rolle werden aber die fortschrittlichen Kräfte innerhalb der Gewerkschaft nur dann spielen können, wenn sie das jetzige magere Ergebnis nicht schönzureden versuchen. Sonst nimmt sie niemand mehr ernst. Wir sollten nur sagen, was ist: nur ein ganz kleiner Teil der Mannschaft ist bisher erwacht und zwang die Minderheit der Gewerkschafts-Kapitäne wenigstens am Schluss der Verhandlungen dazu, mit dem Arbeitskampf zu drohen, unter Hinweis auf die Initiative CaREvolution und die schon streikbereiten Stationen im AKh Linz. Nun ist es an der Zeit, dass wir unermüdlich daran gehen, die gesamte Mannschaft aufzuwecken um möglichst bald mit erhöhter Energie an diesem mageren Ergebnis anzuknüpfen.