Gesundheitsbereich. In den letzten Wochen und Monaten überschlagen sich die Ereignisse. Pflegepersonal und ÄrztInnen wehren sich gegen die schlechten Lohn- und Arbeitsbedingungen. Von Sarah Sattelberger.
Ausgangspunkte für die momentan sehr aufgeladene Stimmung in Österreichs Spitälern ergeben sich aus vor allem drei Problemfeldern: Einerseits verhindern neue EU-Arbeitszeitrichtlinien für ÄrztInnen das bisherige Modell von Mehrschichten und massiven Überstunden, was Lohn- und Gehaltsverluste von bis zu 40% bedeuten.
Weiters findet eine Veränderung des Arbeitsprofils statt. Bisher von ÄrtzInnen ausgeübte Tätigkeiten aus dem „mitverantwortlichen Bereich“ werden, zur Kompensation des Ärztemangels, zunehmend an das Pflegepersonal weitergereicht. Das führt zu einer enormen Erhöhung des Arbeitsdrucks und des Verantwortungsbereiches des Pflegepersonals. Diese KollegInnen geraten aber auch von anderer Seite immer mehr unter Druck, da es an den Spitälern ebenso vermehrt Einsparungen bei PflegeassistentInnen, AbteilungshelferInnen (in Wien) und auch anderen nicht-medizinischem Personal gibt.
Und über all dem steht ein permanenter Spardruck leerer öffentlicher Kassen. Jede Forderung nach substantiell höheren Löhnen, die eine Anerkennung des Arbeitsintensität- und Verantwortung bedeuten würde, und nach mehr Personal zur Verminderung des Arbeitsdrucks, wird von den Landesregierungen als vollkommen illusorisch abgetan. Zwar übt man sich angesichts des spürbaren Zorns in Verständnisbeteuerungen, gleichzeitig gibt man aber – wie z.B. in Oberösterreich – zu verstehen, dass nicht wirklich mehr Geld in Hand genommen werden kann.
Krankenhausärzte …
Junge ÄrztInnen waren die Ersten, die die großen Einkommensverluste nicht einfach so hinnehmen wollten. Anfang des Jahres entstanden in ganz Österreich Kämpfe für eine Lohnerhöhung um 30%, was mehr oder weniger dem Erhalt des Status-Quo vor der Arbeitszeitrichtlinie entspräche. Es formierte sich auch Widerstand gegen die teilweise bereits fertigen und gewerkschaftlich abgesegneten Pläne der Spitalsträger , wie mit der Verschärfung des Ärztemangels umgegangen werden soll. Betriebsversammlungen, Demonstrationen, Proteste in Landesparlamenten waren die Mittel der Wahl und es entstand unter den ÄrztInnen eine österreichweite Vernetzung, die über die bestehenden Gewerkschaften hinausging. Aus Unzufriedenheit mit den bestehenden Interessenvertretungen wurde schließlich, nach dem Vorbild des Marburger Bundes in Deutschland, eine neue Ärztegewerkschaft gegründet. Diese neue Gewerkschaft „Asklepios“ fordert Lohnerhöhungen bis zu 30% und erfreut sich vor allem bei jungen, kämpferischen ÄrztInnen großer Beliebtheit.
Dieser Schritt ist durchaus verständlich und auch unterstützenswert, vor allem angesichts der Tatsache, wie die Gewerkschaft auf die aktuellen Probleme im Gesundheitsbereich reagiert. Bezeichnend ist hier beispielsweise die Aussage von Christian Meidlinger, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG), der einen Streik im Gesundheitsbereich dezidiert ausschließt und als „Chaos“ abqualifiziert. So verständlich also die Gründung einer eigenen Gewerkschaft auf den ersten Blick scheint, bleibt doch kritisch anzumerken, dass es sich bei Asklepios um eine Organisation handelt, die (wie die Ärztekammer) rein den ÄrtzInnen vorbehalten ist und somit wieder die bestehenden Standesdünkel dieser Berufsgruppe reproduziert. Es wäre aber gerade in der momentanen Situation essentiell, alle im Krankenhaus tätigen Berufsgruppen auf Basis eines gemeinsamen Abwehrkampfes gegen das Kaputtsparen des öffentlichen Gesundheitswesens zu organisieren.
…und Pflegepersonal
Der GdG Chef-beschreibt den Status quo eines überholten Gewerkschaftsverständnisses, das auf der Idee beruht, dass man mit dem Gegenüber nur „vernünftig reden“ müsse, um Verbesserungen zu erreichen. Diese Idee wird seit Jahren in der Realität widerlegt. Diese grundlegende ablehnende Haltung gegenüber Streiks im Gesundheitswesen entwertet die GdG Kampagne #HandaufsHerz. Sie wird zwar als Mitmachaktion propagiert, bleibt allerdings bei einem Aufruf an die Beschäftigten im Krankenanstalten-Verbund (KAV), bestehende Probleme in ihrem Job über social media zu verbreiten, stehen.
Andere Initiativen wie zum Beispiel die „Operation Menschlichkeit“ in Oberösterreich, haben deutlich mehr Substanz. Durch den beharrlichen Einsatz einiger BetriebsrätInnen des AKh und der (schon streikerfahrenen) Ordensspitäler, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, kam es zu einem Zusammenschluss aller vier betroffenen Gewerkschaften, um eine Front gegen die Landesregierung zu bilden. Dies konnte nur geschehen, weil die BetriebsrätInnen selbst handelten und den Zusammenschluss auch gegen den passiven Widerstand einiger hauptamtlicher GewerkschaftsfunktionärInnen durchsetzten. Soweit, so gut, doch wenn es der „Operation Menschlichkeit“ vor dem Sommer nicht gelingen sollte, dem zu geringen Angebot des Landeshauptmanns mit einem Arbeitskampf zu begegnen, wird sie den enttäuschungserprobten Belegschaften nur eine weitere Niederlage zufügen und ihre – teils schon bröckelnde – Glaubwürdigkeit gänzlich verspielen.
Wie man auf eine Enttäuschung durch die eigene Gewerkschaft reagieren kann, haben die KollegInnen der CaREvolution in Salzburg gezeigt. Sie verweigerten sich der Demütigung, das Verhandlungsergebnis als akzeptabel zu feiern, und brachen so konsequent mit der Sozialpartnerschaftslogik. Diese Haltung erntet in den Belegschaften landauf und landab große Sympathie. Inzwischen hat sich die CaREvolution auf fast alle Bundesländer ausgeweitet. Eventuell sind damit die ersten Bausteine einer bundesweiten Basisbewegung gelegt. Mit verschiedenen Aktionen, wie Kundgebungen und Flashmobs wurde bisher versucht, auf die schwierige Situation des Pflegepersonals aufmerksam zu machen. Diese Schritte sind gut und wichtig, allerdings stellt sich nach den anfänglichen Initialzündungen die Frage, wie die Bewegung nun einen Schritt weiter kommen kann.
Unserer Meinung nach wird es entscheidend sein, konkrete Arbeit an den Stationen und Abteilungen zu leisten. Als hervorragendes Beispiel dafür soll die Initiative der zwei chirurgischen Stationen aus Oberösterreich gesehen werden (siehe Seite 5). Das deklarierte Ziel dieser anfänglichen Kleinarbeit von Kollegin zu Kollege muss es sein Kampf- und Streikfähigkeit zu erlangen und aus den Beschränkungen sozialpartnerschaftlichen Stellvertreterpolitik auszubrechen. Die Vernetzung in der bundesweiten Basisbewegung hilft dabei Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Öffentlichkeitswirksame Aktionen stärken das Selbstvertrauen und dienen als außerdem Anreiz selbst aktiv zu werden.
Schlussendlich werden wir eine Gesundheitsgewerkschaft mit Streikfähigkeit brauchen, die sich auf kämpferische AktivistInnen stützen kann. Diese wird jedoch nur aus den konkreten Kämpfen der kommenden Jahre entstehen können.