Eine persönliche Bilanz über seine Erfahrungen als Betriebsrat(svorsitzender) in der Linzer Stahlindustrie aus wirtschaftlicher und gewerkschaftspolitischer Sicht zieht unser Korrespondent Johann Linsmaier.
Kurz nachdem ich 1986 Betriebsrat geworden bin, brach die große Verstaatlichtenkrise aus. Wir Betriebsräte konnten uns damals gar nicht vorstellen, dass in der voestalpine MitarbeiterInnen abgebaut werden könnten. Die Beraterfirma McKinsey zeigte uns Folien, in dem die voestalpine die rote Laterne umgehängt bekommen hat. Das war um die Weihnachtszeit 1987.
Kostendruck
Mittlerweile hat die voestalpine weltweit die Kostenführerschaft inne. Der Personalstand ist halbiert, die Produktionsmenge verdoppelt, die Qualität um ein Vielfaches erhöht. Nicht nur der Produktionsprozess wurde optimiert, sondern es wurde viel in die Qualifikation der MitarbeiterInnen investiert und diese werden mehr in die Verbesserungen des Produktionsprozesses eingebunden. Laut „Börsenachrichten“ sind wir der profitabelste Stahlkonzern Europas. Innerhalb der letzten 20 Jahre wurde eigentlich ein neues Hüttenwerk in Linz errichtet. Der Hochofen, das Stahlwerk, die Breitbandstraße wurden modernisiert und ein neues Kaltwalzwerk gebaut. Ohne die hohen Umweltschutzinvestitionen mit dieser hohen Qualität wäre es auch nicht mehr möglich, ein Stahlwerk in einer Großstadt zu betreiben. Wenn die großen Rationalisierungsschritte später oder gar nicht gemacht worden wären, gäbe es die voestalpine Stahl nicht mehr.
GD Wolfang Eder droht in den letzten Jahren aber immer wieder mit Abwanderung. Er will, dass die Produktionskosten sinken und der Konzerngewinn nachhaltig immer höher wird. Derzeit läuft auch wieder ein Kostensenkungsprogramm namens „1166“. Eder ist den privaten Investoren sehr stark verpflichtet und strebt danach, jährlich die Rendite auf das eingesetzte Kapital zu erhöhen: „Die Ebitda-Marge sollte nicht weit von 14 Prozent entfernt liegen und die Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROCE) wird hoffentlich zweistellig sein, das bedeutet mindestens 10 Prozent zu erreichen“, sagte der Manager. Da gebe es noch viel Spielraum für „Verbesserungen“.
Im Sinn unseres kapitalistischen Gesellschaftssystems, das auf der Notwendigkeit der Gewinnmaximierung basiert, arbeiten die Vorstände sicherlich im Sinne der Investoren. Die Leistungsverdichtung und Anforderungen sind für die MitarbeiterInnen sehr gestiegen. Während der Kostensenkungsprogramme war das Arbeitsklima immer belastet. Den größten Druck haben mittlerweile die Instandhalter bekommen. Auch immer neue Betriebsteile werden in eigenständige Firmen ausgelagert.
In der letzten Ausgabe der Wahrheit (monatliche Zeitung der FSG-Fraktion) stand auf der Titelseite: „Das Kinderkino war wieder ein voller Erfolg“. Diese Veranstaltung ist wahrscheinlich vom Betriebsratsfonds finanziert worden. Ich schätze die Kosten auf ca. 40 000.–. Somit bezahlen sich die MitarbeiterInnen diese Veranstaltung vom eigenen Geld. Kein Wort stand in dieser 28seitigen Ausgabe über die Probleme und Schwierigkeiten, die die MitarbeiterInnen haben. Ich frage mich, wieso nützt der Betriebsrat diesen Informationskanal nicht aus? Die nächste BR-Wahl beim Arbeiterbetriebsrat in der Stahl GmbH ist im März.
Einige voestlerInnen sagten zu mir: „Linsi, sei froh, dass du nicht mehr da bist. Es wird nur mehr drübergefahren.“ Diese betrübte Stimmung hängt sicherlich mit dem derzeit laufenden Sparprogramm zusammen.
Rolle des Betriebsrats
Aus heutiger Sicht denke ich, dass die Ursachen der Konflikte im Betriebsrat, die in den Entlassungsklagen gegen mich endeten, die Macht- und Karriereinteressen auf der Betriebsratsführungsebene und das unterschiedliche Rollenverständnis der Betriebsratsarbeit waren. Ein Betriebsräteberater sagte einmal zu mir: „Hans, du hast ein Problem. 60 % von deinen Leuten sind die eigenen Interessen wichtiger als die der MitarbeiterInnen. Ich glaube sie werden dich abwählen.“ So ist es auch in weiterer Folge gekommen. Das Unternehmen besorgte den Rest und hat mich gekündigt. Und trotzdem, ich habe nichts zu bereuen.
Was kränkt, macht krank, Stress ist gesundheitsschädigend! In den letzten Jahren hatten zwei Konzern-BRVs und ein Arb.-BRV einen Herzinfarkt, ein Ang-BRV eine Gehirnblutung und ich selbst hatte als BRV ein Burnout. Im Vergleich zu den Vorständen, bei denen sind mir keine schwereren Erkrankungen bekannt. Die internen Machtkämpfe und die nicht mehr zeitgemäßen Arbeitsweisen innerhalb des Betriebsrats sind die größten Belastungen.
Rückblickend konnten wir als Betriebsrat nur sehr minimal die Entwicklung des Personalstandes positiv verändern. Wir hätten mehr bei Bewältigung der einzelnen Veränderungsprozesse mit den MitarbeiterInnen erarbeiten sollen. Das Betriebsratsgremium der Stahl GmbH muss sich überlegen, welche Handlungen und Strategien müssen beim derzeitigen globalen kapitalistischen Wirtschaftssystem gesetzt werden, dass die Mitarbeiterinteressen nicht zu kurz kommen. Die Unternehmensführungen haben sich diesen Rahmenbedingungen angepasst. Den Betriebsräten und ihren Gewerkschaften steht dieser Anpassungsprozess noch bevor. Dies wird nur mit umfassender Information, gemeinsamem Handeln und Entscheiden von Betriebsräten, GewerkschaftsfunktionärInnen und MitarbeiterInnen möglich sein.
Siehe auch www.linsi.at