Der im September entlassene Arbeiterbetriebsrat der voestalpine Stahl Johann Linsmaier gibt nicht auf. In Oberösterreich kandidiert er nun für ein Mandat in der Arbeiterkammer. Ein Kommentar von Emanuel Tomaselli.
Im vergangenen September wurde er nach 39 Jahren ununterbrochener Tätigkeit für den voestalpine-Konzern fristlos entlassen. Binnen Stunden musste er seinen Arbeitsplatz räumen und unter Aufsicht des Werkschutzes seinen Arbeitsplatz verlassen. Der Grund dafür war, dass das Oberlandesgericht Linz es als erwiesen ansah, dass er eine „schwere Ehrverletzung“ tätigte, als er die Behinderung seiner betriebsrätlichen Tätigkeit durch den Werkschutz kritisierte (Der Funke berichtete http://www.derfunke.at/aktuelles/gewerkschaft/2307-betriebsrat-mit-leib-und-seele und http://www.derfunke.at/aktuelles/gewerkschaft/2176-ein-betriebsrat-auf-der-anklagebank ).
Nicht wenige Kolleginnen und Kollegnen, die durch die harte Schule von Verleumdungen und Ächtungen gegangen sind, haben aufgegeben. Nicht jedoch Johann Linsmaier. Ausgestattet mit einem tief empfundenen Gerechtigkeitssinn kämpft er für die laufende Revision des Urteils. Er wird dabei von seiner Gewerkschaft PRO-GE rechtlich unterstützt.
Jegliche politische Unterstützung hat ihm jedoch jene Körperschaft versagt, der er 27 Jahre lang angehörte: der Betriebsrat der voestalpine.
Der Umstand, dass ein ehemaliger Vorsitzender des mächtigsten Betriebsratsgremiums im Land zuerst in einer Hauruckaktion mit knapper Mehrheit abgewählt, von der Belegschaft als Mitglied des Betriebsrats wiederbestätigt, dann von der Mehrheitsfraktion ausgeschlossen und anschließend vom Unternehmen entlassen wird, hat unter den oberösterreichischen Metallern einiges an Diskussionen ausgelöst. Schlechten Gepflogenheiten entsprechend wurde dieser Konflikt jedoch weder offen ausgesprochen noch ausgefochten. So blieb es meist bei privat vorgetragenen Solidaritätsbekundungen und einem weit verbreiteten mulmigen Gefühl, dass im Betriebsratsgremium der voestalpine nicht alles bestens läuft.
Privatisierung, Auslagerungen (am Linzer Voest-Gelände residieren heute dutzende eigenständige Betriebe), Steigerung der Arbeitsintensität, Einführung von Mitarbeiteraktien, Arbeitsplatzabbau und neue Schichtmodelle: es scheint uns unvorstellbar, dass die rasanten Veränderungen in der voestalpine der vergangen Jahre spurlos und in Einstimmigkeit an der Belegschaft und ihrer Vertretung vorüber gegangen sind. Eine solche Situation erfordert Debatte innerhalb des Betriebsratsgremiums und in der Belegschaft. Erst auf der gemeinsamen Verständigung der Problemlage kann eine bestmögliche gemeinsame Antwort der ArbeitnehmerInnen erfolgen. Auf Grundlage dieser Überzeugung haben wir – seit wir mit Linsi in Kontakt sind und ihn als Fach-Korrespondenten für unsere Zeitung gewinnen konnten – darauf gedrängt, sich keinesfalls auf unsachliche Provokationen (a la „Rumpelstilzchen“ in „Die Wahrheit“) einzulassen, sondern den sachlichen Dialog im Sinne der sozialen, kulturellen und politischen Interessen der Gesamtbelegschaft zu suchen.
Unserem Wissen nach war eine solche Verständigung in Sachfragen möglich und auch von den Kollegen der FSG-Fraktion mehrheitlich erwünscht. Dies ist verständlich und gut, immerhin ist der FSG in der voestalpine mit Linsi ein sachkundiger und zäher Verhandler abhanden gekommen.
Dieser Prozess der fruchtbaren, themenbezogenen Debatte wurde durch die Entlassung im September jäh unterbrochen.
Fraktionswesen
Wir MarxistInnen vom Funke stehen dem Fraktionswesen in der österreichischen Arbeiterbewegung – besonders auf Betriebsebene – ablehnend gegenüber. Historisch wurden die Fraktionen insbesondere nach dem Oktoberstreik 1950 als Instrument politischer Kontrolle von oben über sachliche Zusammenarbeit von unten durchgesetzt. Fraktionelle Disziplin hat heute in weiten Teilen eine lebendige politische Debatte innerhalb der Arbeiterbewegung abgelöst. Dies trifft nicht nur auf die Mehrheitsfraktion zu, sondern auch viele Kleinfraktionen haben sich in diese Situation eingelebt und sehen öfters im fraktionellen Kleinkrieg als im methodischen Wettstreit ihre primäre Existenzberechtigung. In den Arbeitergewerkschaften, etwa in der PRO-GE, ist dies deutlich erlebbar: Kleinfraktionen kritisieren die Politik der überwältigenden Mehrheitsfraktion FSG ohne in zentralen Konflikten (wie etwa der Herbstlohnrunde) eine eigenständige Position zur Debatte stellen zu können, oder im eigenen Betrieb dem Selbstanspruch, „kämpferischer“ zu sein, einen konkreten Ausdruck geben zu können.
Fraktionelle Alternativen zur FSG, wie der GLB und die AUGE, haben anhand von konkreten Klassenkämpfen (etwa der Stahlkrise der 1980er, der Niederlage des Eisenbahnerstreiks 2003 etc.) einen Aufschwung erlebt, sind aber selten über einen vielversprechenden Anfangszustand hinausgekommen – weil sie in gewerkschaftlicher Theorie und betrieblicher Praxis keine Alternative entwickeln konnten. Es ist möglich, dass sich angesichts der rollenden Unternehmeroffensive in Zukunft mehr Betriebsräte für Fraktionen, die sich politisch links von der FSG sehen, deklarieren. In Teilbereichen (wie im Gesundheits- und Sozialbereich etwa) ist die fraktionelle Aufgliederung bereits jetzt Realität. Allerdings werden die für die Arbeiterbewegung entscheidenden Weichenstellungen in der FSG ausdiskutiert werden.
Was tun?
Was jedoch tun, wenn man mit organisatorischen Maßnahmen von der aktiven Gestaltung und Unterstützung in der Mehrheitsfraktion ausgeschlossen wird? Weitermachen! Unser Verständnis von Einheit in der Arbeiterbewegung ist nicht jene des Kadavergehorsams im Sinne der Aktionäre der voestalpine. In seiner Wahlwerbung betont Linsi: „Ich wurde von der FSG ausgeschlossen, bei der AUGE-UG ist es mir weiter möglich mich für die Arbeitnehmerinteressen einzusetzen.“ Tatsächlich ist es so, dass Linsi nach dem Ausschluss aus der FSG aufgrund der fraktionellen Logik in der heutigen Gewerkschaftsbewegung aus allen anderen Zusammenhängen (wie etwa der Landeskontrolle der PRO-GE) entfernt wurde. Soweit es uns bekannt ist, waren diese Schritte nicht inhaltlich begründet. Insofern sympathisieren wir damit, dass sich Linsi entschlossen hat, um sein Mandat in der AK zu kämpfen. Er tut dies mit „rotem Selbstverständnis“, daran wird sein Einsatz wie der aller anderen FunktionärInnen der Arbeiterbewegung zu messen sein.