Österreich verzeichnet eine Rekordarbeitslosigkeit, die mit 8% so hoch wie seit dem Jahr 1953 nicht mehr ist. Die Regierung hat darauf keine wirklichen Antworten, denn die hohe Arbeitslosigkeit ist direkte Folge der kapitalistischen Krise.
Angeblich stehen wir am Beginn des groß angekündigten Wirtschaftsaufschwungs! Die „Experten“ üben sich wieder einmal in Zweckoptimismus: Die Stimmung sei so gut wie seit Jahren nicht mehr. Nur die Realität schaut anders aus. Selbst einige Bürgerliche argumentieren, dass der Aufschwung mehr Schein als Sein sei. So bezeichnet etwa der Chefverhandler der Metallunternehmer, Herr Knill, das Wirtschaftswachstum in Europa als „reines Wunschdenken“. Trotzdem werden an den Börsen Milliarden verdient. Doch diese Spekulationsgewinne bedeuten noch lange nicht, dass die Krise auch für die arbeitenden Menschen vorbei ist, ganz im Gegenteil. Die Märkte sind mit Kapital (Maschinen, Waren, Geld,…) übersättigt, die Rohstoffpreise unterliegen heftigen spekulationsgetriebenen Preisschwankungen, der Finanzmarkt ist instabil und überall treten soziale Bewegungen auf. Das sind Zeiten, in denen nationale Volkswirtschaften und Einzelunternehmen in heftigem Wettbewerb zueinander stehen. Die Formel „Weniger Arbeiter produzieren in kürzerer Zeit mehr Produkte und das billiger“ wird zum alles bestimmenden Management-Mantra. Für die Arbeiterschaft bedeutet dies Massenentlassungen und Massenarbeitslosigkeit. Was sich letztes Jahr schon abgezeichnet hat (Faurecia, Dayli, Lenzing AG, Alpine…) wird jetzt durch Zahlen bestätigt. Im Jänner waren 449.668 Menschen auf Arbeitssuche. Die offiziellen Statistiken zeichnen noch nicht das ganze Ausmaß des Problems. Die unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten, Hausfrauen ohne Perspektive auf einen Job oder schlicht ungemeldete Arbeitslose werden hier verschwiegen.
Doch die Regierung wiegelt ab. So sei die Arbeitslosigkeit im Vergleich zu anderen EU-Ländern immer noch sehr niedrig, besonders in Hinblick auf die Jugendarbeitslosigkeit, die 8,9% beträgt. Außerdem wird etwa darauf hingewiesen, dass gleichzeitig auch bis in den Juli 2013 hinein die Anzahl der Erwerbstätigen insgesamt gestiegen ist. Doch diese Statistiken helfen den 200.000 KollegInnen, die seit Ausbruch der Krise zusätzlich arbeitslos geworden sind, nicht weiter. Die Regierung setzt auf eine bessere Ausbildung und Qualifizierung der Arbeitskräfte. Sozialminister Hundstorfer weist darauf hin, dass die Arbeitslosenquote unter PflichtschulabsolventInnen mehr als dreimal so hoch wie bei jeder anderen Ausbildungskategorie sei. Das Kabinett Faymann II sieht daher in der Ausbildungsgarantie, die ab 2016 gelten soll, eine Antwort auf die hohe Arbeitslosigkeit. Dabei werden alle Jugendlichen bis 18 verpflichtet, entweder in einer Schule, einer Lehre oder einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte unterzukommen. Wir würden es begrüßen, wenn alle Menschen eine gute, ihren Lebenswünschen und Talenten entsprechende Ausbildung bekämen. Aber wird es weniger Arbeitslose geben, wenn es mehr Hochqualifizierte gäbe? Wir sind davon überzeugt, dass dieser individualisierende, auf den Arbeitslosen gerichtete Ansatz ins Leere greift.
Arbeitskräfte werden nur eingestellt, wenn eine profitable Verwendung für das Unternehmen garantiert ist. Und diese Sicherheit kann die „Marktlage“ eben auch in absehbarer Zeit nicht bieten. Ein Großteil des Jammerns über „mangelnde Qualifikationen“ und „Facharbeitermangel“ ist schlichtweg Propaganda, die ideologische und praktische Zwecke erfüllt. Einerseits soll jede Verantwortung des kapitalistischen Systems für die Massenarbeitslosigkeit verschleiert werden, das Schicksal Arbeitslosigkeit von einem gesellschaftlichen zu einem individuellen Problem gemacht werden – mit allen menschlichen Kosten, die damit verbunden sind. Die andere Seite ist: Haben die Unternehmen früher noch An- und Umlernzeiten in Kauf genommen, werden diese Kosten heute auf die öffentliche Hand und die „Eigeninitiative“ der Betroffenen abgewälzt. Zusammengefasst: Den Unternehmen kommt es darauf an, ein Überangebot auch an gut qualifizierten Arbeitssuchenden zu schaffen, um damit die Löhne zu drücken. Denn wenn sich ein Arbeitssuchender den Arbeitsplatz nicht mehr aussuchen, sondern der Arbeitgeber unter den Arbeitssuchenden auswählen kann, dann sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse und sinkende Löhne die Folge. Dieser Prozess ist schon in vollem Gange.
Die Gewerkschaften zeigen mit ihren Beschlüssen nach Arbeitszeitverkürzung auf 30 bis 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich den richtigen Weg. Dies sind derzeit aber nur Papiertiger. Für diese Forderung gilt es einen offensiven Kampf zu führen, ohne den sie in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht durchsetzbar ist. Der politische Weg ist für die Arbeiterbewegung durch die in der großen Koalition gefangene SPÖ-Führung derzeit blockiert. Deswegen ist der betriebliche Kampf gegen Stellenabbau umso wichtiger. Der unbefristete Streik bei KBA in Mödling hat daher eine besondere Bedeutung für die gesamte Arbeiterbewegung in Österreich. Unternehmen, die Massenentlassungen durchführen wollen, müssen ihren Beschäftigten die Geschäftsbücher öffnen, um scharfer Kontrolle unterworfen zu werden. Wenn sie auf solchen Maßnahmen bestehen, müssen sie enteignet werden.
Wien, 12. Februar 2014
Weitere Themen der neuen Ausgabe
- Autopsie der SPÖ
- Staatsaffäre Hypo
- Antifaschismus und Gewaltdebatte
- Antifaschismus ist kein Verbrechen
- Bilanz der Schülerproteste gegen die Zentralmatura
- KBA-Streik: Schulter an Schulter gegen Stellenabbau
- Die Werkstürmer in Lenzing
- Das neue Personalvertretungsgesetz in der Gemeinde Wien : Wem nützt weniger Demokratie?
- Kollektivverträge: Gewerkschaftsbewegung macht Pause
- Kurz&Bündig: Neue Dienstklasse in Gemeinde Wien/Kündigungen bei AGO
- Schwerpunkt: Soziale Proteste in Bosnien
- Prostitutionsdebatte
- Wie kam es zum Ersten Weltkrieg?
- Ein Krieg der Geschäftemacher (Artikel von John Reed)
- Proteste in Spanien
- Italien: Die Bewegung der Forconi
- Griechenland: Die rote Gefahr
- Ukraine: Wahl zwischen Pest und Cholera
- Frauenunterdrückung und Klassenkampf in Südasien
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