Am 15. und 16. Februar fand auch heuer wieder das alljährliche Karl-Marx-Seminar der Sozialistischen Jugend Vorarlberg statt. Ein Bericht von Moritz Hübler.
Seit mittlerweile 6 Jahren tobt die Krise des Kapitalismus in Europa und dem Rest der Welt. Während wir in den Medien im Monatstakt hören, dass das Schlimmste nun endlich überwunden sei, häufen sich soziales Elend und Wut in den Straßen. Revolutionäre Prozesse werden als Krawallmacherei und Unruhestiftung abgetan, die allgemeine Losung lautet: Durchhalten, Einsparen, Weitermachen.
Das Karl-Marx-Seminar zeigt in dieser Situation eine marxistische Alternative zur Krise auf und hilft, diese in ihrer Dynamik und ihrem Ausmaß besser zu begreifen. Was wir durchleben ist keine Konjunkturschwankung oder „Finanzkrise“, sondern eine Überproduktionskrise in einem Ausmaß, welches am ehesten mit der Krise von 1929 zu vergleichen ist. Auch wenn die bürgerlichen Ökonomen nicht bereit sind, das Versagen ihrer Theorien einzugestehen, schreibt die Realität mit großen Lettern Europas Zukunft in die Gesichter verarmter PensionistInnen, hungernder Kinder und arbeitsloser Jugendlicher.
In dieser Situation suchen immer mehr Menschen nach Alternativen zum Kapitalismus. So konnte das Karl-Marx-Seminar dieses Jahr mit so vielen TeilnehmerInnen stattfinden wie noch nie zuvor! Insgesamt rund 140 SchülerInnen, StudentInnen, Lehrlinge und junge ArbeiterInnen aus Vorarlberg, sowie dem Rest von Österreich, der Schweiz und Deutschland diskutierten in insgesamt 16 Workshops in 2 Tagen über verschiedenste Themen aus marxistischer Sicht.
Wer am Samstag früh aufstand, wurde gleich zu Beginn des Seminars belohnt: Alan Woods, britischer Buchautor und Chefredakteur von marxist.com, referierte über die Relevanz des Marxismus in der heutigen Zeit. In einem breit gefächerten Referat, das wegen der Übersetzung leider nur eine Stunde dauern konnte, zerlegte er die bürgerlichen Antworten auf die Wirtschaftskrise mit scharfem Skalpell und betrachtete die revolutionären Bewegungen, die weltweit entstehen. Aber er zeigte auch durch Ausflüge in Geschichte, Philosophie und Wissenschaft, dass der Marxismus nicht alles nur auf die Wirtschaft reduziert, wie schlechtwollende Kritiker oft behaupten. Auch die Fragen und Wortbeiträge in der anschließenden Diskussion deckten eine Vielzahl von Themen ab: vom Niedergang des römischen Reiches über die Gesellschaftsordnung nach einer Revolution bis hin zur Hypo-Alpe-Adria. Alan Woods betonte jedoch, dass ein Vormittag für die Vermittlung eines so breiten Themas viel zu kurz sei. Zum Schluss ermutigte er die GenossInnen, die marxistische Strömung mit aufzubauen, denn letztendlich kann nur die Arbeiterbewegung den Kapitalismus überwinden und auch nur dann, wenn sie mit einem revolutionären, marxistischen Programm ausgestattet ist.
Am Nachmittag teilten sich die TeilnehmerInnen dann in verschiedene Workshops auf. Es wurde über verschiedenste Themen wie die Bewegung in Bosnien-Herzegowina, Marxismus und Frauenunterdrückung sowie den Widerstand gegen Sparpakete diskutiert. Außerdem fand ein Einführungsworkshop zum Thema Sozialismus statt. Der Höhepunkt des Nachmittags war eine Diskussion zum Thema Europäische Union, wo die marxistische Position von Emanuel Tomaselli, Redakteur des „Funke“, auf die Reformistische von Wolfgang Moitzi, Verbandsvorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich, traf. Besonders interessant gestaltete sich die Diskussion durch viele Wortbeiträge aus dem Publikum. Dabei erkannten im Lichte der Ereignisse der letzten Jahre beide Diskutanten an, dass die EU ein imperialistisches Projekt ist. Die Geister schieden sich jedoch an der Frage, wie mit der jetzigen EU umzugehen sei. Während Moitzi die Idee eines Europäischen Verfassungskonvents und damit die Reform der EU verteidigte, betonte Tomaselli, dass eine Europäische Einigung notwendig sei, aber nur durch revolutionäre Bewegungen der Arbeiterklasse zustande kommen könne, ohne ein reaktionäres Projekt zu sein.
Am Samstag Abend fand schließlich eine Solidaritätsdemonstration mit den Arbeiterprotesten in Bosnien-Herzegowina statt. Der deutsche Liedermacher Konstantin Wecker, der zugesagt hatte am Seminar teilzunehmen, konnte kurzfristig wegen einer gebrochenen Schulter nicht die Abendgestaltung übernehmen, aber der Stimmung auf der Party im Jugendhaus „Between“ tat dies keinen Abbruch. Davon zeugt, dass dort Spenden in der Höhe von 469 € für die PTUDC, der Kampagne unserer GenossInnen in Pakistan zu Verteidigung von Gewerkschaftsrechten, gesammelt werden konnten. Mit diesem Betrag wollen wir zeigen, dass Internationalismus nicht nur ein Wort ist!
Am Sonntag Morgen ging es dann mit zum Teil etwas müderen TeilnehmerInnen weiter, die wieder aus fünf Workshops auswählen konnten. Wolfgang Linsmaier, entlassener Betriebsrat der Voest Alpine diskutierte mit Paul Maetschke von der Unia-Gewerkschaftsjugend in der Schweiz über die Möglichkeiten, wie Lehrlinge sich organisieren können. Außerdem wurde über die Lehren der Februarkämpfe 1934, Marxismus und Staatstheorie und Trotzkismus diskutiert. Schließlich referierte Alan Woods noch über die Philosophie des Marxismus, den dialektischen Materialismus.
Nach der Mittagspause fand dann die letzte Workshopeinheit statt. Auswählen konnten die TeilnehmerInnen zwischen einer Einführung in die marxistische Wirtschaftstheorie, eine Diskussion über die Perspektiven der revolutionären Bewegung in der Türkei, Migration und Vorurteile in Vorarlberg, einer Diskussion über das Manifest der Kommunistischen Partei sowie einer Diskussion über ein Aktionsprogramm für die Jusos Schweiz. Beendet wurde das Seminar mit dem Singen des Liedes der internationalen Arbeiterklasse, der Internationale, in einer Lautstärke und Entschlossenheit, wie sie wohl seit vielen Jahren in Vorarlberg nicht mehr zu hören gewesen ist.
Man kann davon ausgehen, dass alle SeminarteilnehmerInnen von den zwei intensiven Tagen profitiert haben und nun gestärkt in den Alltag des Klassenkampfs zurückkehren.
Auf ein noch größeres Marx-Seminar 2015 und den Fortschritt der revolutionären Prozesse in Europa und dem Rest der Welt!
Hoch die internationale Solidarität!