Der ehem. Arbeiterbetriebsrat der Voest Alpine Stahl Gmbh Johann Linsmaier muss sich zum zweiten Mal vor dem Arbeits- und Sozialgericht einer Entlassungsklage stellen. Wir berichten über die Hintergründe in diesem Fall.
Das Unternehmen führt als Entlassungsgründe Mobbing, Datenschutzverletzung und Weitergabe von Betriebsinterna an die Presse auf. Alle diese Punkte wurden vom OGH abgewiesen. Doch bevor dieser im April 2012 das endgültige Urteil schriftlich ausfertigte, wurde Kollege Linsmaier das zweite Mal geklagt. Dieses neue Verfahren wurde im Dezember 2012 am Arbeits- und Sozialgericht Linz eröffnet. Am zweiten Prozesstag am 9. Jänner 2013 plädierte der Anwalt der voest alpine auf Befangenheit des Richterkollegiums, was einer Verschleppung des Prozesses gleichkommt.
Die neue Entlassungsklage, die wiederum scheitern wird, beruht darauf, dass Koll. Linsmaier aufgrund seiner Kenntnisse des Lohnsystems, das er einst mitverhandelt hat, den Beschäftigten der ehemaligen Betriebsküche, die in eine neue Firma (Caseli) ausgelagert wurden (und damit aus dem Metaller-KV in den Gastronomie-KV wechselten) eine zusätzliche Abfertigung von 100.000 € durchsetzte. Um die Untätigkeit der BR-Mehrheit zu überwinden, schickte er Lohnkonten von Betriebsräten an zwei andere Betriebsräte sowie an den Generaldirektor. Hier soll ein Datenrechtsverstoß vorliegen.
Die Voest ist der größte Betrieb im Land, eine gewerkschaftliche und politische Macht, die seit dem Oktoberstreik 1950 fest in der Hand der sozialdemokratischen Gewerkschaftsfraktion (FSG) ist. Zahlreiche Mandate bis hinein in den Nationalrat und weitere Posten in AK und GKK werden traditionell mit „Voestlern“ besetzt und zeugen vom Gewicht der Stahlkocher in der Arbeiterbewegung. Eine bedeutende Rolle haben sie in der PRO-GE, und sie gelten als das beste „Argument“ bei stockenden Kollektivvertragsverhandlungen.
Doch in den letzen Jahren, die von Privatisierung, Auslagerung (am Linzer Voest-Gelände residieren heute dutzende eigenständige Betriebe), Steigerung der Arbeitsintensität, der Einführung von Mitarbeiteraktien und Arbeitsplatzabbau geprägt waren, erzeugten im gewerkschaftlich-politischen Gefüge der Stahlkocher starke Spannungen. Innerfraktionelle Meinungsverschiedenheiten in der FSG waren bereits in den letzten Jahren ein offenes Geheimnis, durch die Entlassungsprozesse kommt nun einiges von diesen Konflikten an die Oberfläche.
Koll. Linsmaier wurde im Jahr 2000 zum stellvertretenden Vorsitzenden des Arbeiterbetriebsrates der Voest gewählt und 2008 mit zwei Stimmen Mehrheit (also offensichtlich stand die FSG hier nicht geschlossen aber mehrheitlich hinter ihrem Kandidaten) zum Vorsitzenden. Bereits im Dezember 2009 wurde er mit einer Mehrheit von wiederum zwei Stimmen frühzeitig abgewählt. In den Monaten dazwischen wurde im BR eine eifrige Aufarbeitung bisheriger Methoden und Probleme begonnen. Linsmaier gibt an, dass es zwei Knackpunkte gab: Einerseits der Stil betriebsrätlicher Interessensvertretung, wo er für einen „inhaltlich härteren Verhandlungsstil“ gegenüber dem Unternehmen stand. Andererseits verkündete er der Führung seines Gremiums im August 2009, dass die Selbstprivilegierung von Betriebsräten aus unterschiedlichsten Töpfen (teils aus Betriebsrats- teils aus Unternehmensgeldern gespeist) nun vorbei sei. Dies führte aber zu seinem schnellen Fall. Dass Linsmaier hier so falsch nicht liegen kann, offenbarte sich beim ersten Prozesstag. Der als Zeuge geladene ehemalige Arbeiterbetriebsratsvorsitzende Kronister konnte auf die Frage, ob seine Sonderabfertigung in der Höhe von 15.000 € aufgrund seiner Arbeit fürs Unternehmen oder seiner Tätigkeit als Betriebsrat erfolgte, keine klare Angabe machen. Es deutet viel darauf hin, dass es in der Voest noch immer eine starke Verflechttung von Unternehmen und Betriebsrat gibt. Allerdings sind die Zeiten der Verstaatlichten mittlerweile der Renditeschinderei im Auftrag des Mehrheitsaktionärs Raiffeisen gewichen. Die Rahmenbedingungen haben sich völlig geändert. Dies legt nahe, dass einiges an den gewerkschaftlichen Methoden zu überdenken gibt, ganz egal wie man zu den von Linsmaier vertretenen Ideen nun steht.
„Reinigendes Gewitter“ bezeichnete die FSG-Betriebszeitung „Wahrheit“ die Trennung vom „Rumpelstilzchen“ Linsmaier. Damit wurde dieser von der FSG zum Abschuss durch das Unternehmen freigegeben. Interessant dabei, dass die Gewerkschaft PRO-GE den Konflikt innerhalb der FSG durch Mediation lösen wollte, dies scheiterte jedoch an einer Mauer der Ablehnung, die nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer befragter Kollegen vom NR-Abg Dietmar Keck errichtet wurde.
Um Linsmaier auch im Betriebsratgremium los zu werden, wurde im Mai 2011 eine Neuwahl organisiert. Linsmaier sammelte einige wenige Getreue um sich und versuchte seine Ideen mittels einer überfraktionellen Namens-Liste (LGS, Liste Gerechtigkeit und Solidarität) neu aufzustellen. Die FSG verlor damals fünf Mandate: drei an die Freiheitlichen und zwei an die LGS. Der Wahlkampf gestaltete sich schwierig, der Werkschutz behinderte ihn am Wahlkampf, Kandidaten wurden mit materiellen Angeboten abgeworben und bei der Einreichung der Wahlliste beging Linsmaier aus Zorn jenen politischen Fehler, der den formalen Anlass seines Ausschlusses aus der FSG brachte: Er unterschrieb für die Zulassung der freiheitlichen Wahlliste.
Die Zustände im Voest-BR sind beklagenswert. Anstatt sich offen mit den neuen gewerkschaftlichen Herausforderungen auseinanderzusetzen, wird mit administrativen Mitteln ein Ende der Debatte in den eigenen Reihen herbeigeführt. Wer sich daran nicht hält, bekommt die geballte Macht des Apparats (und des Unternehmens) zu spüren. Dies trifft nicht nur Linsmaier, sondern alle Betriebsräte und Vertrauenpersonen im Voest Alpine-Konzern. Damit ist eine unglaubliche Schwächung der Beschäftigten gegenüber den Eigentümervertretern verbunden.