Die älteste und «schweizerischste» Bank ist tot. Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS entblösst die massive Instabilität des globalen Finanzmarkts. Es ist Ausdruck der Fäulnis des gesamten kapitalistischen Systems. Wie immer, wenn sich die Banker verzocken, muss die Arbeiterklasse bezahlen. Von Der Funke Schweiz.
Der Konkurs der CS hätte wohl direkt in die globale Finanz- und schliesslich Wirtschaftskrise geführt. Bundesrätin Keller-Sutter spricht bei der UBS-Übernahme von einer «kommerziellen Lösung». Das kommt beim Gebrauch von Notrecht und Staatsgarantien von 209 Milliarden Franken einer dreisten Lüge gleich. Der Staat, der gemäss liberalem Mythos «nicht in die Wirtschaft intervenieren soll», musste per Dekret die Bankenkapitalisten vor sich selbst retten – zum zweiten Mal innerhalb von 15 Jahren!
Um der UBS die Übernahme schmackhaft zu machen, das heisst um das Finanzsystem zu retten, wurden besonders risikoreiche Wertpapiere («AT1») enteignet und das Stimmrecht der Aktionäre gesetzlich ausgehebelt. Um das Überleben des Finanzsystems zu garantieren, darf jegliche Gesetzgebung gebrochen werden. Im Imperialismus muss der Nationalstaat vehement die unterschiedlichen Kapitalinteressen ausbalancieren. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Kapitalismus sind die Diktatur des Finanzkapitals.
Die Interessen der Arbeiterklasse, ob als Lohnabhängige in den kommenden Massenentlassungen oder über ihre Investitionen der Pensionskassen, sind keinen Rappen wert. Sie werden die Kosten der Bankenrettung schlussendlich berappen.
Die dramatischen Ereignisse rund um die CS sind von grösster Bedeutung für den Klassenkampf. Nach der 2008-Bankenkrise, der Pandemie, dem parasitären Neutralitäts-Debakel um die Ukraine und der Inflation verfolgt die Arbeiterklasse, wie die scheinbar ewige Schweizer Stabilität schwindet.
Nicht «Missmanagement», sondern Kapitalismus im Niedergang
Der Kollaps der CS ist ein Ausdruck der akuten kapitalistischen Krise. Um die galoppierende Inflation zu bekämpfen, hat die herrschende Klasse ein Werkzeug: die Erhöhung der Leitzinsen, um dem Markt die Liquidität zu entziehen. Wir haben wiederholt aufgezeigt, dass die Kapitalisten keine gute Lösung haben. Der Zusammenbruch der kalifornischen Silicon Valley Bank war eine direkte Konsequenz aus den Zinserhöhungen. Der SVB-Kollaps löste Schockwellen durch das ganze Finanzwesen aus, die schlussendlich zur Implosion der CS geführt haben. Die dramatischen Ereignisse der letzten Tage zeigen die krasse Instabilität der kapitalistischen Weltwirtschaft.
Die Kette riss am schwächsten Glied: Niemand hatte noch Vertrauen, dass die massiv angeschlagene CS im neuen Umfeld von Krise, Krieg, Inflation, Zinserhöhungen und Rezession die geringste Überlebenschance hat. Es kam zu historisch hohen Guthabensabflüssen von täglich über 10 Milliarden. Am vergangenen Mittwoch sprach die Schweizer Nationalbank eine Garantie von 50 Milliarden aus – aber das Schicksal der CS war bereits besiegelt.
Es ist jedoch ein bürgerliches und moralisierendes Märchen, die Ursache des Ruins der CS nur im «Missmanagement» zu suchen. Die CS war der faulste Apfel – unter vielen faulen Äpfeln. Der gesamte Finanzsektor ist vollumfänglich in risikoreiche Geschäfte und Spekulationsgeschäfte verwickelt. Das enorme Ausmass an fiktivem Kapital und Finanzspekulation ist Ausdruck der Tiefe der Krise des Kapitalismus. Die Krise der Banken widerspiegelt nur die Krise des Systems.
Seit den 80ern versinken der weltweite Bankensektor und die ganze kapitalistische Wirtschaft immer mehr im Morast der Finanzspekulation. Das ist eine Konsequenz der organischen Krise. Es gibt immer weniger Investitionsmöglichkeiten in der Realwirtschaft, weil diese in der Überproduktionskrise keine oder sehr tiefe Profite abwerfen. Die Investitionen in die Industrie sinken, während sich die Spekulationsblasen bis zum Bersten aufblasen. Die explosive Zunahme an fiktivem Kapital und spekulativer Geschäfte ist keine moralische Entgleisung der Banker. Es ist eine zwingende Folge der eisernen Gesetze des Kapitalismus, von Konkurrenz und Profitzwang, in der Periode des Niedergangs des Systems.
Die CS war diesen Zwängen ausgesetzt – im Kontext der zunehmenden Konkurrenz und des langfristigen Niedergangs des Schweizer Imperialismus. Seit spätestens den 90er Jahren versuchten die Schweizer Grossbanken gegen die ganz Grossen in den USA und weltweit im riskanten Investmentbanking zu konkurrieren. Dies rächte sich insbesondere bei der UBS in der Bankenkrise 2008. Die USA und die EU nutzten aus, dass die Schweizer Banken nach 2008 am Boden lagen, um das Bankgeheimnis zu stürzen. Das war ein sehr harter Schlag – auf die Profitmöglichkeiten der Banken. Seither orientierte sich insbesondere die CS noch mehr auf hochriskantes und spekulatives Investment-Banking. Wie wir letztes Jahr rund um die «Suisse Secrets» aufgezeigt haben, entblössen die ganzen Skandale der CS der letzten Jahre die tiefe Krise des Schweizer Finanzplatzes.
Der Untergang der CS ist, genauso wie die allgemeine Bankenkrise, das Resultat eines Systems im Niedergang. Solange die Kapitalisten die Kontrolle über die Wirtschaft behalten, sind wir den Katastrophen dieses irrationalen Systems ausgeliefert.
Die neue Mega-UBS: Die Schweiz im Epizentrum des kapitalistischen Erdbebens
Nun wird die CS von der UBS zu einem staatlich geschützten Schnäppchenpreis übernommen.Die Option einer staatlichen Übernahme der CS wurde schnell verworfen, weil sie mit extremen Risiken für die Staatsfinanzen verbunden gewesen wäre und deshalb eine ungleich grössere öffentliche Gegenreaktion ausgelöst hätte. Davor hatte der Bundesrat Angst, weshalb die Lösung durch die UBS durchgeboxt wurde. Diese Schweizer Zwangsfusion wurde von den Bankenkapitalisten aus den USA, Grossbritannien, EU und der Schweiz klar der Rettung der CS durch die «Saudi National Commercial Bank» vorgezogen. So konnte die Position des Schweizer Bankenplatzes zumindest vorerst aufrechterhalten werden, d.h. die «neutrale» Hortung der Vermögen aus aller Welt in der Schweiz.
Es muss völlig klar sein: Mit dieser Bankenfusion wird kein Problem gelöst, es wird im Gegenteil ein grösseres Problem für die Zukunft geschaffen. Anstatt zwei Grossbanken hat die Schweiz nun eine Megabank, die dem hoch-spekulativen internationalen Finanzmarkt ausgesetzt ist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Bankenkrise und -rettung ansteht.
Die kurzfristig-naive Hoffnung ist, dass sich die vergleichsweise stabilere Situation der UBS auf die CS als Tochtergesellschaft überträgt. Dies ist keinesfalls sicher: Die UBS integriert mit der Übernahme eine völlig marode Bank. Die Aktienkurse der UBS sind seit der Übernahme extrem volatil. Verschiedene Ratingagenturen senkten ihren Ausblick für die neue UBS auf «negativ» herab. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die sogenannte Vertrauenskrise der CS auf die UBS überträgt. Die historische internationale Reputation des Schweizer Bankenplatzes wurde am Wochenende zerstört oder zumindest nachhaltig geschädigt.
Die UBS ist genauso Teil der Krise des internationalen Finanzsystems. Das Fundament dieses Systems ist vollgepackt mit Dynamit: Die Inflation, die drohende Rezession, die historisch hohen Schuldenberge, drohende Staatsbankrotts, das Platzen von Spekulationsblasen – dies alles kann mehr oder weniger jederzeit eine globale Finanzkrise auslösen. Die riesige Instabilität des Schweizer Bankenplatzes wird andauern. Mit der neuen Mega-UBS ist die Schweiz jedem der kommenden kapitalistischen Erdbeben extrem ausgesetzt.
Die neue Bilanzsumme der UBS beläuft sich auf mehr als das Doppelte des Schweizer BIPs. Müsste nun auch die UBS vom Schweizer Staat gerettet werden – was mit Blick auf die Perspektiven des Weltkapitalismus irgendwann wahrscheinlich ist – würde die Schweiz auf einen Schlag den Schuldenstand von Italien erreichen. Mit der Bankenfusion hat die herrschende Klasse der Schweiz ein weiteres Anti-Krisenmittel aufgebraucht. Doch die jetzige Bankenkrise ist nur ein Vorbeben. Wir sind in die turbulenteste Periode des Kapitalismus eingetreten. Die Krise des Kapitalismus ist definitiv auch in der Schweiz angekommen.
«Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.» Diese Zeilen aus dem Manifest der kommunistischen Partei von Marx und Engels passen auf die aktuelle Situation wie die Faust aufs Auge.
Periode der Vorbereitung der sozialen Explosion
Dies gilt auch für die gesamte Wirtschaftslage. Die Inflation ist für die herrschende Klasse sehr gefährlich, weil sie wirtschaftlich unkontrollierbare Konsequenzen hat und schlussendlich den Klassenkampf anfeuert. Deshalb erhöhen die Nationalbanken die Zinsen. Doch genau diese Zinserhöhungen waren ein entscheidender Faktor, der den Kollaps der SVB und somit die aktuelle Bankenkrise ausgelöst hat. Wodurch überwindet die Bourgeoisie Krisen?
Die Nationalbanken reagieren auf den Kollaps von SVB, CS und anderer Banken, indem sie erneut riesige Staatsgelder zur Verfügung stellen. Doch dies befeuert erneut die Inflation. Der Kapitalismus und seine Regierungen sind in der Sackgasse: Sie müssen zwischen der Inflation und Wirtschaftskrise (und Finanzkrise) entscheiden – und schlussendlich erhalten sie beides. Die reale Perspektive ist «Stagflation» oder «Slumpflation», das heisst lange Perioden von hoher Inflation, gepaart mit wirtschaftlicher Stagnation und heftigen Kriseneinbrüchen. Zudem schwebt das Damoklesschwert der «Mutter aller Schuldenkrisen» (Nouriel Roubini) über der Weltwirtschaft. Der Kapitalismus befindet sich in seinem perfekten Sturm.
Der kleine Schweizer Imperialismus, extrem in den Weltmarkt integriert, wird in der Krise des Weltkapitalismus überproportional hart getroffen. Der Kollaps der CS ist ein weiterer entscheidender Wendepunkt: Vor zehn Jahren verlor die Schweizer Bourgeoisie ihr Privileg des Bankgeheimnisses. Seit Jahren wenden sich immer mehr Grosskonzerne von der Schweiz ab. Mit dem Krieg in der Ukraine steht die Schweizer «Neutralität» unter Dauerbeschuss. In Zeiten des Protektionismus wird die Schweiz zwischen den grossen geopolitischen Blöcken zerrieben. Nun verliert die Bourgeoisie mit der Credit Suisse einen weiteren seiner Grundpfeiler. Am vergangenen Wochenende haben der Bankenplatz, die hochgelobte Rechtssicherheit und der Wirtschaftsstandort Schweiz massiv an Ansehen und Stabilität eingebüsst.
Die Schweizer Bourgeoisie ist diesen Prozessen grösstenteils ausgeliefert, sie kann sie nicht abwenden. Zunehmend besteht ihre einzige Möglichkeit, ihre Profitbedingungen zu stärken, darin, die Arbeiterklasse anzugreifen. Der brutale Angriff auf die Renten, die landesweiten Sparmassnahmen sowie die komplette Abwälzung der Inflation auf die Lohnabhängigen stellen erst den Startschuss dar. Die Schweiz befindet sich am Anfang einer langen Periode, in der sich die Klassenwidersprüche massiv zuspitzen. Der Schweizer Klassenkampf ist in die Periode der Vorbereitung der sozialen Explosion eingetreten.
Einziger Weg vorwärts: Enteignung und Arbeiterkontrolle!
Während die Brot-Inflation bei 11% liegt, während die Krankenkassenprämien steigen, während das Pflegepersonal unter dem Druck der Sparmassnahmen kollabiert – schauten dieses Wochenende Millionen von Menschen live zu, wie der Bundesrat seinen wahren Charakter als politischen Arm des Finanzkapitals offenbarte.
Die SP Schweiz stellt fest: «Systemisches und persönliches Versagen im Bankensektor: Seit der Finanzkrise vor 15 Jahren hat sich nichts geändert. Gar nichts. Manager, Aktionariat sowie die gesamte Branche sind zur Verantwortung zu ziehen». Dies ist völlig korrekt. Aber was heisst es konkret?
Was ist die Alternative zum «Finanzplatz-Casino»? Darauf antwortet die SP: «Wir brauchen endlich griffige Regulierungen.» Diese Forderung, welche die SP mit fast allen bürgerlichen Parteien teilt, steht meilenweit hinter den Anforderungen, die die aktuelle Situation an die Arbeiterbewegung stellt. Sie beruht auf einer komplett falschen Analyse des Finanzkapitals.
Der Kollaps der CS beweist ganz deutlich: Kein Gesetz, keine Eigenkapitalquote, keine Regulation kann den Kapitalismus zähmen. Solange die Banken an der Macht sind, wird es masslose Spekulation, Bankenkollapse und daher für die Arbeiterklasse katastrophale Krisen geben. Dies liegt nicht daran, dass diese Gesetze zu schwach sind. Der fundamentale Grund ist die kapitalistische Überproduktionskrise, welche die Banken dazu drängt, in parasitäre Aktivitäten zu investieren.
Im Kapitalismus entscheiden nicht irgendwelche «Regulationen». Es sind die Gesetzmässigkeiten des kapitalistischen Markts und der Krise, die entscheiden, welche Bankgeschäfte gemacht und welche Investitionen getätigt werden.
Damit nehmen Banken die Wirtschaft und die Gesellschaft in Geiselhaft. Sie kontrollieren die von der Arbeiterklasse geschaffenen sozialen Reichtümer. Sie spielen Casino mit den Lebensbedingungen und Zukunftsaussichten der Bevölkerung.
Der Hauptcharakter der Aktionen des Bundesrats am Wochenende war es, diese Stellung der Banken in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Der Bundesrat hatte vom internationalen und nationalen Finanzkapital explizit den Auftrag erhalten, die Herrschaft der Banken zu retten.
Dafür bezahlt nun die Arbeiterklasse mit der Verdüsterung ihrer Zukunftsaussichten. Bis zu 15’000 Stellen werden bei der CS massakriert. Die nun wieder angeheizte Inflation frisst die Löhne der Arbeiter. Der Gebrauch von Staatsgarantien wird über härtere Kürzungen im Staatsbudget abgebaut. Die Herrschaft der Banken zu «regulieren» und damit aufrechtzuerhalten bedeutet ein System zu retten, welches die Interessen einer Minderheit konsequent über die notwendigen Investitionen in Gesundheit, Bildung und ökologischen Umbau stellt.
Heute sprechen sogar die eingefleischten bürgerlichen Ideologen von Verstaatlichung der Banken. Die NZZ schreibt: «Faktisch wurden am 19. März also die Weichen in Richtung einer zukünftigen Verstaatlichung der UBS gestellt.» Doch was die Kapitalisten und ihr Staat unter Verstaatlichung verstehen ist das sogenannte «Temporary Public Ownership». Das heisst der Staat übernimmt eine marode Bank, saniert sie auf Staatskosten, um sie anschliessend wieder zu privatisieren und dem kapitalistischen Finanzmarkt zu übergeben. Dies zeigt zwei Sachen: Erstens, Verstaatlichungen sind absolut möglich. Zweitens, die entscheidende Frage ist, welche Klasse davon profitiert.
Der einzige Weg vorwärts kann nur die komplette Entmachtung der Kapitalisten sein. Man kontrolliert nicht, was man nicht besitzt. Die gesamten Banken müssen entschädigungslos enteignet und unter demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse gestellt werden. Die Boni und Dividenden der Manager und Aktionäre müssen sofort einkassiert werden. Die Arbeiterklasse schafft den ganzen gesellschaftlichen Reichtum – sie muss daher entscheiden, wie und worin investiert wird!
Die aktuellen Ereignisse zeigen jedoch deutlich: der Staat ist ein Werkzeug der Kapitalisten und wird solche Massnahmen niemals im Interesse der Lohnabhängigen durchsetzen. Wir brauchen eine Regierung der Arbeiterklasse.
Wer die Gesellschaft von der Geiselhaft der Banken befreien will, muss für den Sturz des Kapitalismus kämpfen – das heisst, die revolutionäre Organisation aufbauen, die diesen Kampf aktiv führt!
Die Redaktion der Funke Schweiz, 22. März 2023