Alexandra M. Kollontai wurde am 31. März 1872 in St. Petersburg geboren, heiratete mit 21 Jahren und begann sich während ihrer Ehe mit Politik zu beschäftigen und kam in Kontakt mit der Arbeiterbewegung. Ihr Ehemann unterstütze sie dabei nicht. Nach fünf Jahren verließ sie ihn und ging nach Zürich, um Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zu studieren. Von Jutta Schmitzberger.
1899 kehrte sie zurück und schloss sich der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) an und engagierte sich vor allem für den Aufbau einer proletarischen Frauenbewegung. 1908 musste sie, wie viele andere AktivistInnen nach der Niederlage der Revolution von 1905 ins Exil gehen.
Nach der Februarrevolution 1917 kehrte sie nach Russland zurück und schloss sich den Bolschewiki an. Nach der Oktoberrevolution wurde sie erste Volkskommissarin für Soziale Fürsorge und schaffte es innerhalb kurzer Zeit, wichtige Reformen im Ehe- und Familienrecht durchzusetzen (z. B. Zivilehe, Recht auf Schwangerschaftsabbruch). Außerdem setzte sie sich für Volksküchen, Mutterschutz und staatliche Kindererziehung ein. Sie war der Meinung, dass die Umwälzung der ökonomischen Verhältnisse allein nicht zu Befreiung der Frau führen würde. Der treu sorgenden Ehefrau stellte Kollontai den „Typus der neuen Frau“ entgegen, die selbstbewusst für ihre Interessen und ihre Befreiung eintritt.
1920 wurde sie Mitglied der „Arbeiteropposition“, einer oppositionellen Fraktion innerhalb der Kommunistischen Partei. Infolge wurde Kollontai das einzige Mitglied des ZK der KPdSU von 1917, das nicht den stalinistischen Säuberungen zum Opfer fiel, nachdem sie sich ab 1922 von jeglicher innerparteilichen Opposition distanzierte. Von da an verzichtete sie auf jede öffentliche Äußerung zu den Problemen der Entwicklung der Sowjetunion und der Arbeiterbewegung überhaupt. Sie bat sogar in einem persönlichen Brief an Stalin, ihr eine „ihren Fähigkeiten entsprechende neue Aufgabe zur Stärkung der Sowjetmacht“ zuzuweisen und 1923 wurde sie Gesandte der Sowjetunion in Norwegen und damit die erste akkreditierte Diplomatin weltweit. Mexiko und Stockholm wurden weitere Stationen ihrer Karriere. Während sie redegewandt die Sowjetunion außenpolitisch vertrat, verlor sie kein Wort über den Terror des Stalinismus. Sie schwieg zu Ausgrenzung, Kriminalisierung und Ermordung der innerparteilichen Gegner Stalins ebenso wie zur Zerstörung der revolutionären Errungenschaften zur Befreiung der Frau unter seiner Herrschaft. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verabschiedete sie sich nach Moskau in den Ruhestand, wo sie am 9. März 1952 verstarb.
Was bleibt, ist die zwiespältige Erinnerung an eine Revolutionärin, die zuerst engagiert für die Überwindung der Klassengesellschaft, die Befreiung der Frau und gegen Bürokratisierungstendenzen in der jungen Sowjetunion kämpfte, dann jedoch nur mehr ihre persönliche Karriere vorantrieb, zum Preis des Verrats an ihren politischen Prinzipien.