1954 wurde von US-Präsident Eisenhower die Dominotheorie geprägt, welche besagt, dass sobald ein Land in „kommunistische Hände“ fällt, die Nachbarländer wegen der „populistischen Kraft“ der Ideologie innerhalb kürzester Zeit auch „dem Kommunismus ausgeliefert“ sein würden. Ähnlich wie eine Reihe fallender Dominosteine würde sich der Kommunismus dann also unaufhaltsam ausbreiten. In Hinblick auf die politischen Prozesse in Lateinamerika gewinnt diese Theorie in den USA heute wieder an Bedeutung.
Der generelle Linksruck, den wir in Lateinamerika gerade erleben, erinnert an diese Dominotheorie. Und die gerade gefallenen Dominosteine Ecuador und Nicaragua lassen die USA wohl wiederum erschaudern, doch dazu später mehr.
Zuerst eine Rückschau auf die jüngere Vergangenheit der fallenden Dominos als Dorne im Auge des US-Imperialismus: Über Venezuela und seinen „Gott sei bei uns“ Hugo Chavez muss man wohl kaum ein Wort mehr verlieren. Man denke nur an seine jüngste Ankündigung einige Konzerne in Venezuela zu verstaatlichen. In Argentinien der Jahre 2001/02 wurden Präsidenten teilweise im Wochentakt gestürzt; Es bildeten sich kurz landesweite Rätestrukturen; Hunderte Betriebe sind seitdem immer noch besetzt. In Bolivien wurde nach mehreren massiven Aufständen Evo Morales, ein enger Verbündeter Chavez’, zum Präsidenten gewählt. In Brasilien weckte zuerst die Wahl der Kandidaten der Arbeiterpartei, Lula da Silva, Hoffnungen; Nun muss der Kampf für den sozialen Fortschritt von den besetzten Betrieben und der Landlosenbewegung getragen werden. In Ecuador konnte sich nach dem revolutionären Aufstand 2000, keiner der bürgerlichen Präsidenten lange gegen den Druck der Massen im Amt halten. Chile sah unter anderem massive SchülerInnenstreiks. In den USA gipfelte die Bewegung gegen Verschlechterungen für MigrantInnen am 1.Mai 2006, der kein Feiertag war, in dem was einige als „Latinogeneralstreik“ bezeichneten. In Mexico bleibt neben der riesigen Bewegung gegen den Wahlbetrug, vor allem die „Commune von Oaxaca“ zu bilanzieren. Nicht zu vergessen den „schon am längsten liegende Domino“ Kuba, das sich trotz aller Widrigkeiten bald schon 50 Jahre halten kann.
Diese Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen „mit eigentlich wichtigen Ereignissen in verschieden Ländern denen wir in so turbulenten Zeiten aber kaum mehr Aufmerksamkeit schenken können: Peru, Urugay, Haiti. Es gibt also auf dem ganzen Kontinent fast kein Land mehr in dem die Massen nicht auf die eine oder andere Weise versuchen ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.
In Ecuador nun konnte in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen 2006 der Kandidat der Oligarchie und gleichzeitig als Bananenmagnat selbst reichste Mann des Landes, Noboa, den ersten Platz erringen. In der Stichwahl konnte sich aber in 19 der 22 Provinzen mit landesweit 58% der abgegeben Stimmen Rafael Correa, Kandidat der Linken, welcher sich selbst als „Freund von Hugo Chavez“ bezeichnet, durchsetzen.
Dies vor allem, da er unter anderem mit den Versprechen Verträge mit den USA, über Freihandel und eine US-Militärbasis in Ecuador, aufzukündigen, die Hoffnungen der verarmten Bevölkerung weckte. Er erklärte das Ende der „neoliberalen Nacht“ und kommentierte seinen Sieg so: „Weder die Millionen von Dollar noch die Korruption konnten sich die Würde des Volkes erkaufen.“
Die nahe Zukunft wird zeigen welchem Herrn Correa dienen wird. Denn er kann letztlich nur entweder den Interessen der Oligarchie/des Imperialismus oder den Interessen der Bauern, Arbeiter und sonstigen Armen die ihn wählten, dienen. Wenn er sich auf die Massen stützen will, werden die lokale Oligarchie und der US-Imperialismus inn- und außerhalb des Parlaments mit allen Mitteln ihre Interessen verteidigen. Folglich müssen die Massen sich gegen jedwede Art von Konterrevolution wappnen, unter anderem dadurch, dass in innerhalb der Bewegung, die BürokratInnen und ReformistInnen bekämpfen, da diese letztlich den Interessen der Oligarchie verpflichtet sind. Und eben die wirtschaftliche Herrschaft dieser Oligarchie, der Kapitalismus, wird keine dauerhaften wirklichen Fortschritte gegen Hunger und Elend zulassen. Also müssen Revolutionäre mit einem klaren Programm die Notwendigkeit des Kampfes für den Sozialismus darlegen.
Ähnlich wie Correa weckte auch Daniel Ortega, mittlerweile gewählter Präsident von Nicaragua, im Wahlkampf die Hoffnungen der Bevölkerung auf ein besseres Leben. Als ehemaliger Anführer der sandinistischen Revolution hat er seine revolutionäre Attitüde aber mittlerweile abgelegt. Passend dazu hat er im Wahlkampf auch immer versucht sich gegenüber dem Imperialismus als „vertrauenswürdig“ zu präsentieren, trotzdem wurde und wird seine Präsidentschaft von den USA bekämpft, eben weil sie ein Ausdruck des Willens der Massen zur Veränderung ist. Seiner christlichen Rhetorik folgend würde nun durch ihn ein totales Abtreibungsverbot verhängt. Da Ortega selbst also kein Garant für den Fortschritt ist, steht nun die Schaffung einer revolutionären Opposition in seiner Partei auf der Tagesordnung, damit der „Dominostein des nicaraguanischen Kapitalismus“ der gerade erst zu wackeln begonnen hat, wirklich umfallen kann und wird!
Peter Mitterhuber, SJ Wels