Während der letzten Wochen hat erneut ein lateinamerikanisches Land den Weg der Revolution beschritten. Nach den erst vor kurzem stattgefundenen Protesten gegen Präsident Carlos Mesa in Bolivien, welche sich gegen seine arbeiterfeindliche Politik, gegen Privatisierungen und gegen die Ausplünderung des Landes durch die Ölkonzerne richtete, findet nun in Ecuador ein ähnlicher Prozess statt.
Lucio Gutierrez, im November 2002 mit 55,5% der Stimmen zum Präsidenten gewählt, sieht sich nun mit einer Massenbewegung der ArbeiterInnen und Bauern konfrontiert. Seit Monaten politisch isoliert, mit nur mehr fünf Abgeordneten im Parlament (von insgesamt 100), auf die er sich verlassen konnte, und mit lächerlichen 7% Zustimmung in der 13 Millionen zählenden Bevölkerung war seine Situation alles andere als rosig. Durch die Auseinandersetzungen mit Teilen der Oligarchie, der Mittelklasse und vor allem mit den unterdrückten Massen, welche zu Tausenden auf die Straße gingen und „Lucio raus!, riefen, war es nur mehr eine Frage der Zeit, bis die Stunde seines Untergangs kommen würde.
Lucio Gutierrez wurde bekannt durch seine Rolle in der Revolution des Jahres 2000, was ihn unter den ärmsten Schichten seines Landes sehr beliebt machte. Unter dem damaligen Präsidenten J. Mahuad fand Ende 1999 eine auf Drängen des IWF durchgeführte Umstrukturierung der Wirtschaft statt, welche die Bevölkerung in noch größere Armut stürzte (derzeit 60% unter der Armutsgrenze). Dies war der Auslöser des Volksaufstandes am 21.Januar 2000, welcher von der Ecuador Indigenous Nationalities Confederation (CONAIE), einer indigenen Bewegung, angeführt wurde und den Sturz der Mahuad-Regierung zur Folge hatte.
Aber wegen dem Fehlen einer konsequenten revolutionären Politik und trotz der Tatsache, dass die Macht bereits in ihren Händen lag, glaubten die Führer dieser Bewegung, dass es noch nicht an der Zeit war, dem Kapitalismus ein Ende zu setzen und die Gesellschaft von Grund auf zu verändern. Somit ermöglichten sie der herrschenden Klasse, die Macht zurückzuerobern. Der Armeeoffizier Lucio Gutierrez wurde zu dieser Zeit bekannt, weil er sich weigerte, gegen die ArbeiterInnen und Bauern vorzugehen und sich mit ihnen verbündete. Nachdem er inhaftiert worden war und somit auf seine Karriere in der Armee verzichten musste, wurde er durch den Druck der Massen wieder auf freien Fuß gesetzt. Zusammen mit anderen Offizieren gründete eine Partei namens „January 21st Patriotic Society, („Patriotische Gesellschaft des 21.Januar“), mit der er im Jahre 2002 bei den Präsidentschaftswahlen kandidierte.
Das ist der Hintergrund, welcher zum Verständnis des Verhaltens der Massen gegenüber Lucio Gutierrez bei diesen Wahlen notwendig ist. Gutierrez war in den Augen der Bourgeoisie ein zweifelhafter Kandidat, weil ihm das Wiederaufflammen des Klassenkampfes die Möglichkeit bot, sich auf die Massenbewegung zu stützen und somit den Herrschenden empfindliche Schläge zu verpassen. Die Gefahr eines zweiten „Chavez, war ihnen wohl bewusst. Diese Befürchtungen sollten sich jedoch nicht bestätigen. Gutierrez entschloss sich schnell, ein gehorsamer Diener des US-Imperialismus zu werden. Im Jahre 2003 schloss er ein Abkommen mit dem IWF, welches u.a. folgendes zum Inhalt hatte: keine Lohnerhöhungen bis 2007, 120 000 Entlassungen im öffentlichen Dienst, kein Streikrecht im öffentlichen Sektor, eine Preissteigerung bei Gas um 375%, Privatisierung der Strom- und Wasserversorgung, der Telekommunikation und des Ölsektors. Während seiner Amtszeit gab es immer wieder Streiks in verschiedenen Wirtschaftszweigen, und in den Lokalwahlen im Oktober 2004 erlitt er eine herbe Niederlage mit nur 5% der abgegebenen Stimmen. Anders als Hugo Chavez, wechselte Gutierrez sehr schnell ins kapitalistische Lager und schaufelte sich damit sein eigenes Grab.
Lucio`s Manöver
Nach den Lokalwahlen im Oktober 2004 wurde die Schwäche von Gutierrez immer offensichtlicher. Um zu vermeiden, vom Parlament abgesetzt zu werden, begab er sich in eine Allianz mit zwei traditionsreichen kapitalistischen Parteien, der Renewal Institutional Action Party (PRIAN) und der Ecuadorian Rodolsian Party (PRE) des ehemaligen Präsidenten Abdala Bucaram, welcher im Jahre 1997 aus Ecuador fliehen musste, weil er wegen Korruption beschuldigt wurde und einem Volksaufstand gegenüberstand. Der Preis für die Kooperation, den Gutierrez an die PRE bezahlen musste, war eine Personalrochade im Supreme Court of Justice (CSJ), dem obersten Gerichtshof. Am 8.Dezember wurden 27 der 31 Richter ausgetauscht und der Präsident des CSJ wurde durch einen Freund von Bucaram ersetzt. Dieses Manöver wurde am 31.März mit der Einstellung des Strafverfahrens gegen Abdala Bucaram und Gustavo Noboa (PRIAN) vollendet, was ihnen die Rückkehr nach Ecuador und sogar die Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2006 ermöglichte.
Am 26.Jänner und am 16.Februar kam es zu Massendemonstrationen mit 100 000 Menschen in Quito und Guayaquil, den beiden wichtigsten Städten des Landes, als Ausdruck der enormen Missstände in der Gesellschaft. Die Demonstrationen wurden von den Bürgermeistern der jeweiligen Städte angeführt: in Quito von Paco Moncay, einem Vertreter der sozialdemokratischen Partei „Democratic Left, (ID), in Guayaquil von Jaime Nebot, einem Vertreter der Social Christian Party (PSC), einer Partei des rechten Flügels. Während die DemonstrantInnen den Rücktritt von Gutierrez forderten, bestanden die Bürgermeister darauf, mit diesen Demonstrationen nur Druck auf Gutierrez ausüben, nicht aber seinen Rücktritt erzwingen zu wollen. Ihr Ziel war von dem der DemonstrantInnen vollkommen verschieden. Die Bürgermeister versuchten, die Bewegung für ihre eigenen Interessen, d.h. die Sicherung ihrer Macht und ihrer Privilegien, zu missbrauchen. Sie wollten aus ihrer neuen Machtposition heraus den Präsidenten zu Zugeständnissen bei der Verteilung der Richterposten im CSJ zwingen, um dort ihren Einfluss wieder aufzubauen. Jener hatte im Zuge der personellen Umgestaltungen des CSJ stark an Gewicht verloren zugunsten anderer Teile der ecuadorianischen Bourgeoisie. Die ArbeiterInnen und Bauern Ecuadors dürfen nicht das geringste Vertrauen in diese Führer setzen, denn ihre Motive, diesen Kampf zu führen, haben nichts mit den Interessen der unterdrückten Massen gemein.
Bucaram kehrt zurück – die Wut explodiert
Die Ankunft von Bucaram Anfang April änderte die Lage dramatisch. Die Antwort der Massen auf diese politische Beleidigung ließ nicht lange auf sich warten. Die Empörung über diesen offenen Schwindel und über die Dreistigkeit, mit der die Herrschenden das Gesetz umgingen, löste eine Welle des Zorns unter den Massen aus.
Am 5.April kam es zu den ersten Kundgebungen, vor allem in der Hauptstadt Quito. 3000 Menschen marschierten „Lucio raus!, schreiend zum Kongressgebäude. Der Staat setzte auf harte Repression, dabei wurden mehr als 100 Personen durch Tränengas verletzt. In Quito wurde eine Bürgerversammlung unter dem Vorsitz von Bürgermeister Paco Moncay einberufen, an der auch Vertreter aus sechs anderen Provinzen teilnahmen, welche alle entweder der ID oder der Pachakutik (dem politischen Flügel der indigenen Bewegung CONAIE) angehörten.
Am 11.April wurde in der Provinz Pichincha, zu der auch Quito gehört, ein Streik ausgerufen. Am 12.April folgte dann der Aufruf zum unbefristeten Generalstreik. Der Bürgermeister von Quito war jedoch bereit, diesen Streik abzubrechen, falls es im Kongress zu einer Einigung kommen würde. Die Absicht dieser Führer war es, den Streik als Mittel für ihren Kampf um den Obersten Gerichtshof zu nutzen, um dann sobald als möglich die Bewegung wieder abzuwürgen. Aber die folgenden Tage machten diese Pläne zunichte. Die CONAIE trat am 13.April in den Kampf ein. Beängstigt, die Lage könnte ausser Kontrolle geraten, versuchte der Präsident, die Massen zu besänftigen, indem er dem Kongress einen Vorschlag zur Änderung des CSJ vorlegte. Aber es war bereits zu spät. Die Rückkehr von Bucaram war nur der Funke, der dem aufgestauten Zorn und der Frustration über die katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnisse, die Korruption und die immer reicher werdenden Oligarchen zum Ausbruch verhalf.
„Que se vayan todos“
Die Opposition gegen die Gutierrez-Regierung ist nicht allein auf die Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Umgestaltung im CSJ zurückzuführen, sondern auch auf seine Politik des Sozialabbaus und seine Allianz mit dem Imperialismus. Einer der Schlachtrufe der DemonstrantInnen wurde „Que se vayan todos!“, was soviel bedeutet wie: „Sie sollen alle verschwinden!“. Dies zeigt, dass sich die Opposition gegen alle bürgerlichen PolitikerInnen richtet und dass das Vertrauen in das herrschende System, den Kapitalismus, als die Quelle von Korruption, Elend und Sozialabbau, tief untergraben ist.
Der Besuch des IWF-Direktors Rodrigo Rato im März darf nicht als nebensächliches Detail angesehen werden. Am darauffolgenden Tag gab es eine Demonstration mit Zehntausenden Menschen in Quito, um gegen die Pläne des IWF zu protestieren (Entlassung von 5000 Beamten, Streichung von Förderungen, Kürzungen bei den Sozialausgaben, „Öffnung, des Öl- und Gasmarktes für privates Kapital, etc.). All das in einem Land, wo die reichsten 20% der Bevölkerung 60% des BIP kassieren, während die ärmsten 25% gerade mal 4% davon bekommen; wo Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung 46% der Bevölkerung ausmachen und wo 45% der Bevölkerung ohne fließendes Wasser auskommen müssen.
Nach dem Besuch von Rato ging Gutierrez daran, die Diktate des IWF umzusetzen. Er präsentierte das sogenannte „State Economic Rationalisation Law, (zu deutsch etwa „Gesetz zur Rationalisierung der Staatswirtschaft“), auch als „Mole-Gesetz, bekannt, welches eine erneute Belastung der Bevölkerung bedeutete. Das Gesetz sah u.a. die Privatisierung der sozialen Dienstleistungen und Elektrizitätswerke, eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und den Verkauf der profitablen Ölfelder vor.
Ausrufung des Notstandes
Der 13.April war ein entscheidender Tag. In Quito standen das Bildungswesen, der öffentliche Verkehr und die Verwaltung still. Während des Tages breiteten sich die Protestmärsche über das ganze Land aus. Am Nachmittag waren es bereits 46 an der Zahl: Pinchicha, Carchi, Imbabura, Chimborazo, Azuay. Am Abend und in der Nacht nahm die Intensität der Proteste dann noch weiter zu. Die Radiostation „Radio Luna, in Quito rief die Bevölkerung auf, sich an den Kundgebungen zu beteiligen. Tausende Menschen versammelten sich in den Straßen und marschierten zum Sitz der CSJ. Trotz der starken Repression mit Dutzenden Festnahmen und Verletzungen gelang es einigen hundert DemonstrantInnen, zum Wohnsitz von Präsident Gutierrez vorzudringen. Dort wurden Parolen wie „Weg mit Lucio!, oder „Das geeinte Volk wird niemals besiegt werden!, skandiert. Die Arroganz des Präsidenten und sein Mangel an Verständnis für den Ernst der Lage wurde besonders deutlich, als er die DemonstrantInnen als „Geächtete, bezeichnete. Damit versuchte er, Stärke zu zeigen und die Menschenmassen auf den Straßen einzuschüchtern. Natürlich konnte er sich sicher fühlen, hatte er doch in der selben Woche vom Oberkommandeur der US-Streitkräfte eine Unterstützungszusage bekommen.
Der 15.April, ein Freitag, war ein Wendepunkt. Konfrontiert mit einer immer stärker werdenden Massenmobilisierung, rief der Präsident im Fernsehen, umgeben von Armeeoffizieren (von denen einige fehlten, was Gerüchte über eine Spaltung in der Armee nährte), den Ausnahmezustand aus, „mit dem Ziel, die soziale Bewegung, welche ausser Kontrolle zu geraten und Gutierrez zu stürzen droht, zu lähmen oder zu neutralisieren“. Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht wurde eingeschränkt, Hausdurchsuchungen konnten von der Polizei ohne richterlichen Befehl durchgeführt werden, etc. Zur selben Zeit kündigte Gutierrez die Auflösung des Obersten Gerichtshofes an, mit der Absicht, seine Gegner im Parlament, also jene Teile der Bourgeoisie, welche mit seinem Vorgehen unzufrieden waren, zu besänftigen.
Auf der anderen Seite wurden die Leute auf der Straße terrorisiert, und man wäre auch bereit gewesen, die Proteste in ein Blutbad zu verwandeln. In der Tat wurden schon Schlägertrupps, wie z.B. die „Zero Corruption, – Gruppe, eine Art faschistischer Gang, organisiert, deren Aufgabe es sein sollte, Zusammenstöße mit den DemonstrantInnen zu provozieren, um einen Einsatz des Militärs oder sogar einen Militärputsch zu rechtfertigen.
Eine Gruppe von 40 Provokateuren versuchte, die Sendestation von „Radio Luna, lahmzulegen, wurde jedoch durch das Einschreiten von DemonstrantInnen daran gehindert.
Tausende Menschen strömten auf die Straßen und widersetzten sich dem Ausnahmezustand. Die Armee griff nicht ein, und in weniger als 20 Stunden musste er wieder aufgehoben werden. Eine ausserordentliche Sitzung des Kongresses wurde für Sonntag, den 17.April, einberufen, um die Auflösung des CSJ zu bestätigen (was aber nicht unbedingt die Wiederaufnahme des Prozesses gegen die korrupten ehemaligen Präsidenten bedeutete).
Das kam einer Niederlage in der ersten Runde gleich. Durch diesen Rückzug verlieh Gutierrez der Massenbewegung neuen Schwung, da die Schwäche der Regierung nun offen zu Tage trat. Teile der Armee und der Polizei waren mit dem Vorgehen des Präsidenten unzufrieden. Der US-Botschafter in Ecuador sowie auch die katholische Kirche riefen Gutierrez auf, mit Bedacht zu handeln und den Dialog zu suchen, während der Vizepräsident Alfredo Palacio öffentlich die Ausrufung des Ausnahmestandes kritisierte. Die herrschende Klasse suchte bereits nach einem Nachfolger für Gutierrez, an dem schon der Geruch von politischer Verwesung haftete. Der Vizepräsident hatte sich im Lauf des letzten Jahres von Gutierrez distanziert und rief ihn nun dazu auf, „entweder die gemachten Fehler anzuerkennen oder die Auflösung der Nation zu riskieren“. All das gab dem Vizepräsidenten den Anschein, als ob er eine gute Alternative zum bisherigen Präsidenten wäre.
Lucio flieht – Alfredo Palacio tritt in seine Fußstapfen
Lucio Gutierrez verschanzte sich im Carondelet-Präsidentenpalast und versuchte, die Mobilisierungen herunterzuspielen, indem er die Augen vor der Realität verschloss: „Wir haben mehr als zwei Millionen Einwohner in Quito, und an den Protestmärschen haben nicht mehr als 12-20 tausend Menschen teilgenommen, was bedeutet, dass nur ein Prozent der Bevölkerung aktiv beteiligt war…..im Rest des Landes war die Situation überhaupt vollkommen ruhig….während sie hier „Lucio raus!, schreien, sagen sie dort, Lucio soll wiedergewählt werden.“
Währenddessen wuchsen die Proteste weiter an, anstatt sich zu beruhigen. Am 19.April um 17Uhr marschierten in Quito mehr als 50 000 Menschen in Richtung des alten Stadtzentrums. Auf ihrem Weg kam es zu einer Konfrontation mit 4000 Polizisten, und die Situation eskalierte. Das erste Opfer der Straßenschlachten war ein chilenischer Kameramann, der am Tränengas erstickte. Am nächsten Tag wurde eine Frau von der Polizei getötet. In zwei Tagen wurden mehr als 180 Menschen verwundet und Dutzende DemonstrantInnen verhaftet.
In einem letzten, verzweifelten Versuch, seine eigene Position zu retten, forderte Gutierrez Bucharam auf, das Land zu verlassen. Gestern, am 20.April in der Früh, strömten die MittelschülerInnen und StudentInnen auf die Straße. Die Lage wurde immer angespannter und geriet ausser Kontrolle.
Einigen DemonstrantInnen gelang es, in das Kongressgebäude einzudringen. Zuvor war der Kongress durch den enormen Druck gezwungen worden, Gutierrez abzusetzen. Der Platz vor dem Kongressgebäude war gefüllt mit Menschen, die seine Absetzung feierten. Aber die dominierende Stimmung unter den Massen war immer noch der Zorn gegen Gutierrez, und so versuchten Gruppen von DemonstrantInnen, den Flughafen zu erreichen, um seine Flucht zu verhindern. Nach aktuellen Berichten hat Gutierrez Brasilien um Asyl gebeten, und so haben sich die DemonstrantInnen vor der brasilianischen Botschaft versammelt.
Inzwischen versuchte der Kongress, durch die Ernennung des bisherigen Vizepräsidenten Alfredo Palacio zum Präsidenten, die Situation unter Kontrolle zu bringen. „Heute haben wir der Diktatur, der Unmoral, der Arroganz, dem Terror und der Angst ein Ende bereitet. Wir werden nicht vergeben, wir werden nicht vergessen.“. Das waren seine ersten Worte, die er als Präsident an die Bevölkerung richtete. Trotz dem Versuch, sich als unerbittlicher Gegner des Gutierrez-Regimes darzustellen, haben die Slogans gegen den neuen Präsidenten bereits an Boden gewonnen. Palacio ist kein anderer als ein neuer Vertreter der KapitalistInnen, deren Interessen nichts mit jenen der ArbeiterInnen und Bauern gemeinsam haben. Es handelt sich dabei nur um eine Hinhaltetaktik der Bourgeoisie, um ihre Macht erhalten zu können.
Eine revolutionäre Alternative ist nötig
Die Massen Ecuadors konnten die erste Runde des Kampfes für sich entscheiden. Ihr Ziel war jedoch nicht nur, Gutierrez aus der Regierung zu jagen, sondern das System, für das er stand, zu Fall zu bringen. Dafür ist es notwendig, die Mobilisierungen solange weiterzuführen, bis alle bürgerlichen Politiker weggefegt worden sind. Die Bewegung der ArbeiterInnen und Bauern muss der Bourgeoisie mit einem unabhängigen Programm gegenübertreten. Dieses muss neben der Bestrafung von korrupten Politikern sowie von jenen, die für die Toten der letzten Tage verantwortlich sind, auch eine Haltung gegen die Politik des IWF und Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensstandards der Massen zum Inhalt haben. Das bedeutet unbeugsame Opposition gegen Privatisierung der natürlichen Ressourcen, gegen Entlassungen und gegen das „Mole-Gesetz“. Die einzige Möglichkeit, dieses Programm erfolgreich umzusetzen, besteht im Bruch mit dem Kapitalismus und der Verteidigung einer echt revolutionären Politik. Dazu müssen die Großkapitalisten, die Großgrundbesitzer und die Banken enteignet und unter die demokratische Kontrolle der ArbeiterInnen und Bauern Ecuadors gestellt werden. Nur auf diesem Wege ist die Befriedigung der Bedürfnisse der Ausgebeuteten erreichbar.
In den Arbeitervierteln von Quito kam während der Zeit des Ausnahmezustandes die Idee auf, Versammlungen aller BewohnerInnen einzuberufen. Diese sollten den Zweck haben, Delegierte zu wählen, die als Vertretung ihres Wohnviertels in eine Art Stadtsowjet entsandt werden sollten. Das war der richtige Ansatz in Anbetracht dieser revolutionären Situation. Solche Versammlungen sollten im ganzen Land, auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene stattfinden, um die Mobilisierungen zu koordinieren und auf das ganze Land auszubreiten. So könnten auch andere Bevölkerungsschichten für den Kampf gewonnen werden. Das ist der erste Schritt in Richtung einer ArbeiterInnenregierung als Alternative zum Kapitalismus. Das letzte Wort in diesem Kampf wurde noch nicht gesprochen.