Frauen und atypische Beschäftigungsverhältnisse: Diese Gefühlsäußerung ist für den Chef einer bekannten Buchhandelskette Grund genug, um zu Silvester (heuer ein Sonntag) eine Filiale bis 22 Uhr offen zu lassen. Weihnachten findet dieser Herr eher sympathisch. Deshalb dürfen die Angestellten an diesem Sonntag den Laden schon um 17 Uhr schließen.
Die geplante Verlängerung der Ladenöffnungszeiten von 66 auf 72 Stunden die Woche und eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit, werden den Befindlichkeiten der UnternehmerInnen entgegen kommen. Für die ArbeitnehmerInnen im Handel heißt das: Arbeiten bis 22 Uhr, Sonntagsarbeit, Zunahme der atypischen Beschäftigungsverhältnisse und massive Probleme im privaten Bereich (Familie, Kinder, Freundeskreis).
Die Hauptbetroffene sind Frauen, da im Handel vor allem sie, meist als Teilzeitbeschäftigte, arbeiten (ca. 70%).
Frauen mog i net!
Teilzeit ist Frauensache. Während rund 3,5 Prozent der Männer Teilzeit arbeiten, liegt die Quote bei den Frauen bei 30 Prozent. Und das, obwohl zwei Drittel der Teilzeitbeschäftigten lieber Vollzeit arbeiten würden. Im Lebensmittel- und Textilhandel beträgt der Anteil der Teilzeitkräfte über 60%. Hinzu kommt die neue Art der Sklavenarbeit in Form von „Arbeit auf Abruf“ bzw. täglich oder wöchentlich neu fixierte Dienstpläne.
Seit 1945 ist die Frauenerwerbsquote stetig gestiegen. Doch trotz der Einbindung der Frau in das Berufsleben bleibt die Hausarbeit, Erziehung der Kinder, das Pflegen älterer Menschen an ihr hängen. Hinzu kommt, dass viele Frauen aufgrund der finanziellen Situation meist nicht in den Genuss einer weiteren Ausbildung nach der Pflichtschule kommen (nur 1/3 der Lehrlinge sind weiblich; ca. 45% haben nur einen Pflichtschulabschluss).
Diese Situation zwingt Arbeitnehmerinnen in schlecht bezahlte Arbeitsplätze (Fließband) und/oder in die Falle atypische Beschäftigung. Gerade im Handel fragt niemand mehr nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Und die Sparpakete der letzten Jahre (Karenzgeld, Kinderbeihilfe, Kürzungen der Gelder für Kindergartenplätze) drängen die Frauen noch stärker in die ökonomische Abhängigkeit vom Mann bzw. vom Unternehmen.
Familie und Privatleben mog i net!
Von der Unternehmerseite werden ungeregelte Beschäftigungen als Traumlösung präsentiert, um Familie, Beruf und Ausbildung unter einen Hut zu bringen. Aus der Perspektive der ArbeitnehmerInnen betrachtet sieht dieser Traum aber ein wenig anders aus. Durch die ungeregelten und verlängerten Arbeitszeiten gerät das Privatleben natürlich auch unter Beschuß. Interessantes Detail: Die Scheidungsrate der Handelsangestellten ist am höchsten. Und auch die Kinder werden eher wenig von ihren Eltern mitbekommen, wenn diese jeden Tag bis 22:00 und am Sonntag arbeiten müssen.
So schaut der „Schutz für die Familie und für die Frau“ der schwarz/blauen Regierung konkret aus: Frauen zurück an den Herd bzw. Frauen als billige Reservearbeitskräfte.
Und Organisierte mog i scho gor net!
Im Oktober beginnen die KV-Verhandlungen für den Handel. Auch wenn die Gewerkschaftsführung bis jetzt sich prinzipiell gegen die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten ausspricht, lassen einzelne FunktionärInnen schon durchblicken, daß man/frau zu einem Kompromiss bereit sei. Die UnternehmerInnen sind sich ihrer Sache schon sehr sicher, dementsprechend dreist treten sie auch auf.
Gerade deshalb ist es wichtig, dass sich die ArbeitnehmerInnen zusammenschließen, ihre Forderungen formulieren und so Druck auf ihre Gewerkschaften machen. Laut einer Umfrage sind 93% der KonsumentInnen mit den jetzigen Öffnungszeiten zufrieden. Proteste gegen Verschlechterungen würden sicher auf Sympathie stoßen.
Die aktionhandeln, ein Zusammenschluß von engagierten Handelsangestellten, BetriebsrätInnen und ArbeitnehmerInnen aus allen Bereichen, organisiert im Oktober eine Kampagne, um gegen die geplanten Verschlechterungen aufzutreten.
- Nein zur weiteren Flexibilisierung
- Nein zur Sonntagsarbeit
- Nein zu atypischen Beschäftigungen
- Löhne, von denen man/frau auch leben kann
- Schaffung von Betriebskindergärten
- Arbeitszeitverkürzung auf 30h bei vollem Lohnausgleich
Kundgebung gegen Atypische Beschäftigungen
Zeit: am Dienstag, dem 24.10.2000, ab 18 Uhr
Ort: Mariahilferstr. 26-30 (vor der Peek&Cloppenburg-Filiale)