Albrecht Dürer und die Rolle der Kunst im Bauernkrieg

Albrecht Dürer d. Jüngere ist einer der bekanntesten Künstler der Renaissance. Er war zweifelsohne ein Revolutionär seiner Zeit, als Künstler und als Vertreter des aufstrebenden Bürgertums, aber auch als Unterstützer des Bauernkriegs. Noch bis 9. Juni kann man in der Albertina in Wien eine Auswahl seiner Zeichnungen sehen. Von Mio Purgathofer.
Kunstwerke einer Zeit spiegeln immer auch die Klassenverhältnisse einer Zeit wider. Die Obrigkeit im Feudalismus gab prunkvolle Heiligen- und Altarbilder in Auftrag, die den „göttlichen Ursprung“ der herrschenden Ordnung ideologisch unterstreichen sollten. Das aufstrebende Bürgertum brachte die Renaissance in der Kunst hervor, Selbstportraits, das Individuum im Mittelpunkt der Kunst und naturgetreue Zeichnungen und Malereien, die auch biblische Motive zurück auf den Boden der Realität brachten. Künstler selbst stiegen gesellschaftlich auf, von mittelalterlichen Handwerkern, die im Auftrag des Adels arbeiteten, zu Kleinunternehmern, die frei schaffen konnten. Den größten Fortschritt in der Kultur brachten Drucktechniken, die es erlaubten, Bücher und Flugschriften in großer Auflage zu produzieren. Mit dem Aufstieg des Bürgertums ging auch ein Aufschwung der Wissenschaft einher, die Schritt für Schritt aus den Fesseln der katholischen Kirche befreit wurde.
Auch die unterdrückten Schichten eigneten sich die neuen Techniken an. Die wenigsten konnten schreiben, geschweige denn lesen, daher wurden graphische Flugblätter das beliebteste Propaganda- und Mobilisierungsmittel im Bauernkrieg.
Albrecht Dürers Werke spiegeln die Klassenkämpfe seiner Zeit wider. In seinem Druckwerk „Die heimlich offenbarung iohannis“ (oder „Apokalypse“) füllt er die biblische Geschichte mit zeitgenössischen Inhalten.
Das Werk entstand zu einer Zeit, in der tatsächlich Weltuntergangsstimmung herrschte. Die feudale Ordnung geriet in zunehmenden Widerspruch mit dem sich entwickelnden Kapitalismus. Die Ausbeutung der Bauern hatte ein unerträgliches Ausmaß erreicht. Dürer prangert die Herrschaft der Fürsten und des Papsttums an, indem er sie als Teil des apokalyptischen Unheils darstellt (z. B. Blatt 7, „Die sechste Posaune: Die vier Racheengel und das reitende Heer“). Gleichzeitig ist Dürers „Apokalypse“ kein Weltuntergangswerk, sondern zeigt einen lebendigen Kampf zwischen Unterdrückung und Recht, zwischen der alten und der neuen Zeit (z. B. Blatt 10, „Der Kampf Michaels mit dem Drachen“).
Doch Dürer ging weiter als andere Vertreter seiner Klasse – für breite Teile des Bürgertums gingen die Bauernaufstände zu weit, und sie schlossen Bündnisse mit dem Adel, um ihre eigenen Interessen zu bewahren. Doch Dürer, der eigentlich selbst gute Beziehungen zum Kaiser hatte und auch in seinem Auftrag schuf, sympathisierte mit den revoltierenden Bauern.
Sein Kupferstich „Drei Bauern im Gespräch“ (1497) unterscheidet sich stark von den damals üblichen, herablassenden und karikaturhaften Darstellungen von Bauern. Die Bauern im Bild sind selbstbewusst, nicht unterwürfig, sie sind individuell und würdevoll dargestellt. Einer von ihnen trägt ein Schwert, das heroisch im Mittelpunkt des Bildes steht. In einem anderen Werk von Dürer – „Das tanzende Bauernpaar“ (1514) – findet man ein tanzendes Bauernpaar, glücklich und voller Lebensfreude. Die Bauersfrau blickt schelmisch dem Betrachter entgegen.
Sogar in Zeichnungen für das Gebetbuch von Kaiser Maximilian I., das wahrscheinlich für den persönlichen Gebrauch des Kaisers angefertigt wurde, stellt Dürer eine Schlacht zwischen einem Bauernhaufen und Landsknechten dar.
Der Bauernkrieg wurde brutal niedergeschlagen, zehntausende Bauern starben im Kampf gegen die Konterrevolution, viele wurden brutal gefoltert und ermordet. Im selben Jahr entwarf Dürer ein Denkmal für den Bauernkrieg, um den Widerstand zu würdigen und die adligen Kriegsherren, für die zahlreiche Denkmäler errichtet wurden, zu beschämen.
An der Spitze sitzt ein Bauer, der von hinten mit dem Schwert erstochen wurde (ein besonders heimtückischer Mord), auf einem Thron von bäuerlichen Alltagsgegenständen. Erst 500 Jahre später wurde der Entwurf in Mühlhausen zum ersten Mal vollständig verwirklicht.
Die Bilder mit Bezug zum Bauernkrieg machen nur einen winzigen Teil von Dürers vielseitigem Werk aus. Doch er ist ein Revolutionär der Kunst und – wenn auch versteckt – Sympathisant der Unterdrückten.