Zur Politischen Ökonomie der Privatisierung
Die schwarz-blaue Regierung ist gerade dabei die letzten staatlichen Anteile an verstaatlichten Schlüsselbetrieben (VOEST, Telekom…) zu privatisieren. Das Thema Privatisierung betrifft jedoch schon längst nicht mehr nur die großen Industrieunternehmen sondern auch alle denkbaren Dienstleistungsbereiche und sogar die sozialen Sicherungssysteme (Pensionen, Gesundheit) – und zwar international. Welche polit-ökonomischen Triebkräfte stehen hinter dieser Privatisierungswelle?
Die weltweiten Erlöse aus den Privatisierungen haben sich zwischen 1990 und 1997 von jährlich 30 auf 154 Mrd. US-Dollar etwa verfünffacht. In den letzten ein, zwei Jahrzehnten wurde in allen Nationalstaaten, egal welche Parteien die Regierung bildeten, unter dem Druck des Kapitals der öffentliche Sektor „modernisiert“, um ausnahmsweise einen Begriff aus der bürgerlichen Schönfärberei zu verwenden. Staatliche Unternehmen in der Grundstoffindustrie wurden verscherbelt. Im Bereich der Infrastruktur (z.B. Telekom, Bahn, Wasserwirtschaft) wurde der Marktzugang liberalisiert, d.h. profitorientierte Konzerne können nun vormals öffentlichen Monopolen Konkurrenz machen. Was dem Staat (vorerst) noch an Aufgaben verblieb – die öffentlichen Dienste im engeren Sinne (Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen), sowie die klassische „Hoheitsverwaltung, (Polizei, Steuerwesen, Justiz usw.) – wurde durch interne Rationalisierung und die Übernahme marktorientierter Kosten-Nutzen-Kalküle „gesund, geschrumpft.
Die öffentlichen Betriebe sind nun rechtlich dazu verpflichtet (nunmehr in Konkurrenz zu neuen Anbietern stehend) Profit zu erwirtschaften. Um dies zu gewährleisten werden gegebenenfalls die Preise stark angehoben oder unrentable Angebote, die gesellschaftlich aber erwünscht wären, gestrichen. Konkurrenznachteile, die durch die Einhaltung gemeinwohlorientierter Vorgaben entstehen, sollen eliminiert werden. Die profitorientierte, private Warenproduktion bestimmt so mehr und mehr auch die Funktionsweise des öffentlichen Dienstes. Durch diese „Modernisierung, werden ganze Bevölkerungsteile, die über wenig Kaufkraft verfügen, vom Zugang zu grundlegender Infrastruktur ganz einfach ausgeschlossen.
Ausweg aus der Krise?
Dieser Wandel der Rolle der Nationalstaaten ist das Resultat konkreter gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, genauer gesagt der erfolgreichen Offensive der Bürgerlichen zur Verbesserung der Kapitalverwertungsbedingungen. Die Entwicklung des bürgerlichen Staates als Bereitsteller von öffentlichen Gütern und Dienstleistungen ist letztlich vom Gang der kapitalistischen Produktions- und Akkumulationsweise (Machtverhältnissen, Widersprüchen und vom Verlauf der Krisen) des Kapitalismus abhängig. Steckt der Kapitalismus in der Krise, wie wir es in den letzten Jahren einmal mehr erleben mussten, dann fällt es dem Staat natürlich umso schwerer, öffentliche Dienste zu finanzieren. Die dazu notwendigen Steuern „fehlen, dann irgendwo: entweder auf der Einkommensseite der privaten Haushalte oder bei den Profiten der Unternehmungen.
Aus der Sicht des Kapitals gibt es vor dem Hintergrund wachsender Konkurrenz keinen Spielraum. Die Forderung der Wirtschaft als Antwort auf die dem System inhärente Überakkumulationskrise: weitere Steuerreformen zugunsten von Unternehmen, Kapital- und Vermögensbesitzern bzw. Bereitstellung ausreichender Kapitalmassen für Forschung und Entwicklung, Technologieförderung, Investitionen in die Infrastruktur als zentrale Instrumente im Standortwettbewerb. Durch Privatisierungserlöse sollen dazu nötige Finanzmittel aufgetrieben werden.
In der Krise ist das Kapital gezwungen, bei Gefahr des eigenen Untergangs, unprofitable Ausgaben rigoros zu streichen. Was wir erleben, ist eine „Politik der leeren Kassen“, welche darauf abzielt, durch Steuersenkungen dem Staat systematisch die finanziellen Ressourcen zu entziehen bzw. eine Umschichtung von Budgetmitteln hin zu mehr oder weniger direkter Förderung des Kapitals. Dies wird über die Regierungen auf national- wie auch suprastaatlicher Ebene politisch durchgesetzt. Durch den Zwang zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, wie sie in den Stabilitätspakten der EU festgelegt wurde, trieben die erwähnten kapitalfreundlichen Steuerreformen den bürgerlichen Staat in eine echte Finanzkrise, welche die lohnabhängige Bevölkerung auszubaden hat. Einerseits weil von ihren Einkommen ein Großteil der Steuereinnahmen stammt, andererseits weil sie von den Kürzungen bei Sozialleistungen (Pensionen, Arbeitslose“…) besonders betroffen ist.
Anlagemöglichkeiten für überschüssiges Kapital
Mit der Privatisierung verfolgen die Bürgerlichen aber noch ein weiteres ökonomisches Ziel. Durch den Verkauf von öffentlichen Betrieben schafft der Staat Anlagemöglichkeiten für brachliegendes Kapital. Es spiegelt gleichzeitig auch die dem Kapitalismus innewohnende Tendenz wider, alles zur Ware zu machen, vom Stahlwerk bis hin zur kommunalen Wasserversorgung.
Durch die Privatisierung (vor allem des Dienstleistungssektors) sollen dem Kapital neue Märkte eröffnet werden, die bislang noch vor dem Zugriff durch das Kapital größtenteils geschützt waren. Und es handelt sich dabei noch dazu um potentiell sehr profitable Bereiche. Auf dem noch weitgehend staatlich kontrollierten Gesundheitsmarkt werden weltweit jährlich 3.500 Mrd. USD umgesetzt, auf dem Bildungsmarkt rund 2.200 Mrd. USD. Auf dem Wassermarkt schätzt man die zu erwartenden Gewinne auf zirka 800 Milliarden $. Dies ist auch der tiefere Grund, weshalb das Kapital mit Nachdruck eine Deregulierung und Privatisierung des öffentlichen Sektors fordert: um in diesen (potentiell) rentablen Sektoren investieren zu können.
Das Kapital will dabei aber nur jene Bereichen privatisieren, welche hohe Profite versprechen. In der Tat halten sie sich in jenen Bereichen noch zurück, wo trotz großer gesellschaftlicher Nachfrage die Erwartung auf hohe Gewinne (u.a. wegen hoher Arbeitsintensität in der Pflege oder der Erziehung, die sich nur bis zu einem gewissen Grad „rationalisieren, lässt) gering sind. Der Konkurrenzkampf um die profitablen Bereiche hat aber bislang unerreichte Ausmaße erreicht : Vier Fünftel der ausländischen Direktinvestitionen zielen mittlerweile nicht auf die Errichtung neuer, sondern auf die Übernahme bestehender Produktionsstätten. Sie sind also vor allem Rationalisierungsinvestitionen, durch die weitere Arbeitsplätze vernichtet werden. „Investition, bedeutet in diesem Zusammenhang zugespitzte Konzentration und Zentralisation von Kapital – auch auf den zentralen Märkten der Dienstleistungsproduktion.
Nicht selten nutzen private Konzerne Privatisierungen ganz einfach dazu, ihren Markteinfluss zu vergrößern. Ehemalige staatliche Konkurrenten werden zuerst billig übernommen und in der Folge nach einem bewährten Muster behandelt: die privatisierten Unternehmen werden zunächst in feine Scheibchen aufgeschnitten, worauf die Filetstücke (= die Profitträchtigsten) weitergeführt, während die unrentablen oder für die neuen Bosse strategisch uninteressanten nach der Filetierung geschlossen werden.
Bei Privatisierungen gilt das gleiche Prinzip wie bei anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten. Es gibt keine privatwirtschaftlichen Investitionen ohne staatliche Subventionen. Und die sehen folgendermaßen aus: Um die Privatisierung zu ermöglichen, übernimmt die öffentliche Hand die Schulden des öffentlichen Unternehmens. Auf dem Rücken der unselbständig Beschäftigten wird ein ehrgeiziges Modernisierungsprogramm durchgezogen, welches in der Regel mit Rationalisierungen und Personalkürzungen verbunden ist. Am Ende steht der Verkauf an die neuen Besitzer, die sich in ein gemachtes Bett legen können. Und selbst nach der erfolgten Privatisierung hört die Subventionierung nicht auf. Das bekannteste Beispiel ist die privatisierte englische Eisenbahn, die jetzt mehr Subventionen als ihr staatlicher Vorgänger „British Rail, erhält.
Nicht zuletzt verfolgen Privatisierungen auch strategische Ziele in Bezug auf das Kräfteverhältnis der Klassen. Die großen verstaatlichten Unternehmen sammeln nicht nur viele ArbeitnehmerInnen unter einem Dach, sondern verfügen oft über das höchste gewerkschaftliche Organisationsniveau. Sie stellen somit eines der größten Gewichte dar, welche die Gewerkschaften gegen das Kapital in die Wagschale werfen können. Die Privatisierung und Filetierung der ehemaligen Großunternehmen schwächt diese Macht beträchtlich.
Die Privatisierung und somit profitorientierte Verwertung von öffentlichen Diensten ist aus Sicht der Bürgerlichen ein Hebel zur Lösung der immer wieder kehrenden kapitalistischen Krise. Die Triebkräfte der Privatisierungspolitik sind handfeste ökonomische Interessen, zu deren Durchsetzung das Kapital jedoch den bürgerlichen Staat benutzt. SozialistInnen treten deshalb bei der Verteidigung öffentlicher Dienstleistungen dafür ein, den Kampf gegen die Privatisierungen mit einer grundlegenden antikapitalistischen, das System überwindenden Perspektive zu verbinden.