Andreas Spechtenhauser (KPÖ) ist GLB-Betriebsrat im Bregenzer Werk des Beschlägeherstellers Blum. Seine Liste hält drei Mandate im Werk. Im November 2023 fand im Zuge der KV-Verhandlungen erstmals ein Streik im Blum statt. Genosse Andreas berichtet im Interview mit Jodok Schwarzmann (aufgezeichnet am 13.12.2023), wie dieser Streik durch Absprache zwischen Betriebsratsspitzen und Geschäftsführung von Anfang an in geregelten Bahnen gehalten wurde und wie die GLB-Opposition damit umgeht. Er gibt eine gesamthafte Einschätzung des KV-Herbstes der Metaller und berichtet von den Arbeitsbedingungen und vom Druck im Betrieb auf seine Liste.
Jodok Schwarzmann: Ok, erste Frage: wie siehst du das Ergebnis der KV-Verhandlungen der Metaller?
Andreas Spechtenhauser: Es ist wieder ein typisch sozialpartnerschafltiches Ergebnis, ein Kompromiss eben, wo beide mit ein wenig Kosmetik ihr Gesicht bewahren, und zwar die Unternehmerseite dadurch, dass sie unter der rollierenden Inflation zahlt, und der ÖGB die zweistelligen 10 Prozent erreicht, allerdings nur auf den Grundlohn und nicht bei den Zulagen. Es war so abzusehen, aber es ist typisch für die Sozialpartnerschaft. Es ist nicht das Schlechteste, aber es ist auch nicht wirklich das, was die Gewerkschaft versprochen hat.
J: Wie siehst du den zweijährigen Abschluss und die Öffnungsklausel?
A: Das ist eine ganz große Gefahr, die Härtefallregelung. Bis jetzt ist bekannt, dass 25% der Unternehmen berechtigt sind, sie zu beantragen. Wie viele es dann im Endeffekt werden, werden wir Ende Dezember wissen und schwierig sehe ich natürlich auch, dass die fehlenden Prozente konsumiert werden können als Freizeit oder mit einer Einmalzahlung. Und für die nächsten Verhandlungen steht ja im Raum, dass die Härtefallregelung auch noch ausgedehnt wird. Das ist schwer abzuschätzen, das ist aber eine große Gefahr.
J: Im Blum Bregenz gab es erstmals Streik, wenn auch nur einstündig und auf überschaubare Bereiche begrenzt. Was ist genau passiert?
A: Auf einer Betriebsausschusssitzung am Montag 13.11. war der Informationsstand, es wird eine Versammlung geben mit Jause. Darüber habe ich mich einen Tag lang lustig gemacht. Dann ging vom Betriebsrat am Dienstag eine mail an alle Mitarbeitenden: es wird am Mittwoch eine Arbeitsniederlegung stattfinden, im Werk 4, in festgelegten Bereichen. Ohne Zeitangabe.
J: Und das passierte ausdrücklich „in Austausch mit der Geschäftsführung“?
A: Ja, das ist in der mail wortwörtlich so mitgeteilt worden. Außerdem wurden große Teile des Betriebsrats, vor allem alle GLB-Aktivisten, nicht informiert vom Zeitpunkt der Arbeitsniederlegung. Es war spürbar, dass ja keine Selbstorganisation der Mitarbeitenden entstehen sollte und alles ganz fest unter Kontrolle der Betriebsratsspitzen stattfindet. Ich habe von der Arbeitsniederlegung über den ORF im Nachhinein erfahren. Also ich stelle mir das ein bisschen anders vor (lacht). Ich weiß nicht ob das üblich ist, das kommt mir ein wenig fragwürdig vor wenn die Geschäftsführung besser informiert ist als die Mitarbeiter.
Ich glaube entscheidend war allerdings im Vorfeld die erste, gut besuchte Betriebsversammlung und es hat dann Wortmeldungen gegeben von jemandem, der irgendwo so getan hat, als ob das sowieso nur die Betriebsratsspitzen machen, beziehungsweise die Verhandler. Ich habe sehr emotional appelliert: die Leute am Verhandlungstisch können sich nur einigen, aber wir müssen, um sie zu unterstützen, einen Druck erzeugen mit Solidarität und Kampfmaßnahmen. Ich glaube, dass sich die Betriebsratsspitzen dadurch zum Streik genötigt sahen.
J: Wie viele haben schließlich gestreikt?
A: Es waren so vier, fünf Teilbereiche, hauptsächlich Produktionsanlagen mit schlechter Auftragslage. Meine Abteilung war ausgeklammert. Da haben Verschiedene Angst gehabt, dass mehr entstehen könnte oder mehr Selbstorganisation dahinter sein könnte.
J: Bei einer Betriebsflyeraktion nach dem Streik erzählte uns ein Arbeiter sehr enthusiastisch vom Streik, aber auf die Frage: „Hat´s dem Betrieb weh getan?“ meinte er: „Wie denn? Es steht ja sowieso alles.“ Trotzdem war der Wille, auch entschlossener zu streiken, bei vielen Kollegen spürbar. Hast du im Nachhinein mit Streikenden gute Gespräche führen können? Habt ihr einen Schlachtplan als Liste, wie ihr mit der Erfahrung im Blum jetzt weiter macht?
A: Prinzipiell ist schon hervorzuheben, dass dieses Mal die Streikbereitschaft der Arbeitenden wesentlich höher war wie in vergangenen Jahren. Aber ich weiß in Wirklichkeit nicht wer dabei war, weil es betraf erstens eine andere Schicht, und zweitens andere Abteilungen.
Es muss in der Interessensvertretung einfach die Basis mehr einbezogen werden. Und im Moment ist es so, dass in großen Betrieben die Interessensvertretung einfach eine Abgehobenheit entwickelt, wo sie drüber steht, wo Wahlen durchgeführt werden so unter dem Motto: „Gib mir deine Stimme und ich mache dann eh alles für dich.“ Und das ist mir einfach zu wenig. Die Leute müssen beteiligt werden, sie müssen einbezogen werden, und nur so kann eine Demokratisierung am Arbeitsplatz stattfinden. Es könnte durchaus sein, dass wir regelmäßig eine firmeninterne Zeitung herausgeben. Und da haben wir dann mannigfaltige Möglichkeiten, unsere Sicht der Dinge und die Probleme vom „Fußvolk“ mehr zu etablieren. Ganz allgemein steigt der Arbeits- und Leistungsdruck immer mehr. Der Zeitdruck ist einfach schlimm. Unsere Betriebsratsspitzen behaupten, sie können da nichts machen und das stimmt einfach nicht, sie wollen nichts machen.
J: Wir hören bei Flyeraktionen vor Blum häufiger Klagen deiner Kollegen über die Arbeitsbedingungen in diesem Vorarlberger „Prestige-Unternehmen“…
A: Unter 30 Jahre, die Leute haben Gelenksprobleme en masse. Das ist klar, es ist vielleicht eine leichte Arbeit, Karton zu falten. Aber wenn du den Karton so schnell falten musst, dass du an deine Leistungsgrenze stößt, dann wird’s schlimm.
J: Zur Vernetzung der Kämpfe: Die Metallerstreiks waren teilweise sehr kämpferisch, aber vom ÖGB weder koordiniert noch vernetzt. Bei Liebherr in Nenzing wurde eine ganze Schicht lang gestreikt, es gab eine kämpferische Demo vor Ort mit vielen TV-Interviews und Stimmen der Arbeiter. Auch bei Hydro Nenzing wurde intensiver gestreikt. Außerdem führte die aggressive Haltung der Unternehmer erstmals seit Jahren zu Ansätzen branchenübergreifender Solidarität. Findet ein Austausch deiner Liste mit Aktivisten anderer Betriebe statt?
A: Nein nicht wirklich, muss ich ganz ehrlich sagen. Wäre sinnvoll, aber es ist nicht wirklich so. Innerhalb vom GLB teilen wir uns natürlich auf in verschiedene Branchen, dort sind wir schon vernetzt. Was jetzt uns in Vorarlberg betrifft mit Kontakten zu anderen Branchen und Betriebsräten, das ist eher schwach ausgeprägt im Vergleich zur Mehrheitsfraktion des Betriebsrats. Sie haben wesentlich mehr Kontakte zu anderen Betriebsräten.
J: Insgesamt sieht man in ganz Österreich und Vorarlberg, auch medial thematisiert, Druck von Unternehmensseite auf Betriebsräte und kritische Kollegen. Im Blum scheint es so zu sein, dass Teile des Betriebsrats versuchen, andere auszugrenzen. Kannst du was dazu sagen wie das im Blum aussieht?
A: Beim Blum ists halt so, dass der Betriebsrat aus einer einzigen Liste bestanden hat, darin sind verschiedene Fraktionen vereinigt und die waren das so gewohnt. Sie waren es nicht gewohnt, dass eine linke Fraktion ihnen ein Mandat wegnehmen kann beim ersten Antritt, und dann gleich drei Mandate bei der Wahl 2022. Und die müssen vielleicht an den Umgang mit Oppositionellen Gruppen auch noch ein wenig gewöhnt werden. Ich hoffe, dass es in Zukunft besser läuft, aber im Moment ist es sehr schwierig, ein vertrauensvolles Miteinander zu finden.
J: Ist es für dich in der Praxis als Betriebsrat auch eine Ausgabe, Druck vom Betrieb auf einzelne Kollegen abzuwenden? Vielleicht spezifisch wenn es darum geht, dass sich Kollegen politisch oder gewerkschaftlich organisieren wollen?
A: Wir hatten im Jänner ein Gespräch, und zwar unser Arbeiterbetriebsratsvorsitzender, ein Kollege von mir der für unsere Liste kandidiert hat, und ich. Er wollte vom Werk in Gaißau nach Bregenz wechseln. Und sein Meister hat gesagt: „Das geht nicht, denn wenn du im Werk 4 bist dann machst du mit dem Spechtenhauser Politik.“ Und den Weg gezeigt hat ihm ein Kollege, der zu ihm gesagt hat: „Du hast einen großen Fehler gemacht, du hast auf der Liste kandidiert, du wirst nie im Werk 4 arbeiten.“ Das habe ich kritisiert und Dem Betriebsratsvorsitzen vorgetragen, der aber daraufhin verweigert hat, irgendetwas zu unternehmen. Also es war wohl in seinem Interesse. Die einzige Reaktion eine Woche später, da haben wir eine Absprache getroffen. In Wirklichkeit war es so, dass bei Bildungsveranstaltungen der Mehrheitsfraktion bei uns im Betriebsrat die GLB-Aktivisten ausgeschlossen wurden. Wir müssen jetzt also eigene Bildungsprogramme machen, bekommen dafür aber einen Etat. Und zwar adäquat zu unserer Größe.
J: Ich hätte noch eine Frage: du bist bei der KPÖ, ich bin beim Funke. Ganz allgemein: wie stehst du zum Marxismus?
A: Der Marxismus bildet die Grundlage meiner Kritik einerseits zur Vermögensverteilung, andererseits zur Arbeitswelt. Und ich kann im Marxismus weniger Fehler entdecken als im herrschenden System.
J: Und wie ist das unter deinen Kollegen von der GLB-Liste? Ist Marxismus, Kommunismus, Revolution ein Thema?
A: Oh ja. Es sind durchaus auch einige dabei, die mich links überholen. Aber genauer sind wir da noch nicht drauf gestoßen, das wird sich alles noch kristallisieren. Im Moment haben wir eher organisatorische Aufgaben.
J: Wir danken für das Gespräch!