„Die tragische Erfahrung Spaniens ist eine bittere Warnung – vielleicht die letzte Warnung vor noch größeren Ereignissen – eine Warnung für alle fortgeschrittenen Arbeiter der Welt. „Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte“, sagte Marx. Sie fahren schneller als das Denken der halb- oder viertelrevolutionären Parteien. Wer stehen bleibt, gerät unter die Räder der Lokomotive und bringt – das ist die Hauptgefahr – nicht selten dabei die Lokomotive selbst zum Entgleisen.“ (Trotzki)
Menschewismus und Bolschewismus in Spanien
Die militärischen Operationen in Abessinien, Spanien und im Fernen Osten werden heute von allen Generalstäben, die sich auf den kommenden großen Krieg vorbereiten, sorgfältig studiert. Die Kämpfe des spanischen Proletariats, Wetterleuchten der künftigen internationalen Revolution, müssen nicht minder aufmerksam von den revolutionären Stäben studiert werden: nur unter dieser Bedingung werden die kommenden Ereignisse uns nicht überrumpeln.
Drei Konzeptionen bekämpften sich – mit ungleichen Kräften – im sogenannten republikanischen Lager: die menschewistische, die bolschewistische und die anarchistische. Was die bürgerlich-republikanischen Parteien betrifft, so besaßen sie weder eigene Ideen noch eigene politische Bedeutung und hielten sich nur im Nacken der Reformisten und Anarchisten. Man kann weiterhin ohne Übertreibung sagen, die Führer des spanischen Anarchosyndikalismus haben alles getan, um ihre Doktrin zu desavouieren und praktisch ihre Bedeutung auf Null zu reduzieren. Faktisch standen sich im sogenannten republikanischen Lager zwei Doktrinen gegenüber: die menschewistische und die bolschewistische.
Nach Auffassung der Sozialisten und Stalinisten, d.h. der Menschewiki ersten und zweiten Aufgebots, sollte die spanische Revolution nur ihre „demokratischen“ Aufgaben lösen, und dazu sei Einheitsfront mit der „demokratischen“ Bourgeoisie erforderlich. Jeder Versuch des Proletariats, über den Rahmen der bürgerlichen Demokratie hinauszugehen, ist von diesem Gesichtspunkt aus gesehen nicht nur verfrüht, sondern auch verhängnisvoll. Außerdem stehe nicht die Revolution, sondern der Kampf gegen den Rebellen Franco auf der Tagesordnung. Der Faschismus ist die „Reaktion“. Gegen die „Reaktion“ gälte es, alle Kräfte des „Fortschritts“ zu einen. Dass der Faschismus nicht feudale, sondern bürgerliche Reaktion ist, dass die bürgerliche Reaktion erfolgreich nur mit den Kräften und Methoden der proletarischen Revolution zu bekämpfen ist, dafür hat der Menschewismus, selbst ein Zweig des bürgerlichen Denkens, kein Verständnis und kann es auch nicht haben.
Der bolschewistische Standpunkt, dem nur die junge Sektion der Vierten Internationale vollendeten Ausdruck verlieh, ging von der Theorie der permanenten Revolution aus, nämlich: selbst rein demokratische Aufgaben wie die Liquidierung des halbfeudalen Grundbesitzes sind ohne Machteroberung durch das Proletariat nicht zu lösen, dies aber stellt seinerseits die sozialistische Revolution auf die Tagesordnung. Übrigens setzten sich die spanischen Arbeiter selbst vom ersten Tage der Revolution an praktisch nicht nur demokratische sondern auch rein sozialistische Ziele. Die Forderung, nicht über die Grenzen der bürgerlichen Demokratie hinauszugehen, bedeutet in Wirklichkeit nicht eine Verteidigung der demokratischen Revolution, sondern Verzicht auf sie. Nur durch Umwälzung der Bodenverhältnisse könnte man die Bauern, die Hauptmasse der Bevölkerung, zu einem mächtigen Bollwerk gegen den Faschismus machen. Doch die Grundbesitzer sind durch unlösliche Bande mit Finanz-, Handels-, Industriebourgeoisie und der von ihr abhängigen bürgerlichen Intelligenz verknüpft. Die Partei des Proletariats stand somit vor der notwendigen Wahl: mit den Bauernmassen oder mit der liberalen Bourgeoisie? In eine allgemeine Koalition sowohl die Bauern wie die liberale Bourgeoisie aufnehmen, konnte nur mit einem einzigen Ziel geschehen: der Bourgeoisie helfen, die Bauern zu betrügen und sie so von den Arbeitern zu isolieren. Die Agrarrevolution war nur gegen die Bourgeoisie durchzuführen, folglich nur durch Maßnahmen einer Diktatur des Proletariats. Irgendein mittleres, ein Zwischenregime gibt es nicht.
Was vom Standpunkt der Theorie in Stalins Spanienpolitik am meisten überrascht, ist das vollständige Vergessen des ABC des Leninismus. Mit der Verspätung von einigen Jahrzehnten – und was für Jahrzehnte! – hat die Komintern die Doktrin des Menschewismus wieder ganz in ihre Rechte eingesetzt. Mehr: sie bekam es fertig, dieser Doktrin den „konsequentesten“ und damit absurdesten Ausdruck zu verleihen. Im zaristischen Russland an der Schwelle des Jahres 1905 verfügte die Formel der „rein demokratischen Revolution“ jedenfalls über ungleich mehr Argumente als 1937 in Spanien. Kein Wunder, wenn im heutigen Spanien die „liberale Arbeiterpolitik“ des Menschewismus sich in die reaktionäre Anti-Arbeiterpolitik des Stalinismus verwandelte. Zugleich damit verwandelte sich die Doktrin der Menschewiki, diese Karikatur auf den Marxismus, in ihre eigene Karikatur.
Die „Theorie“ der Volksfront
Es wäre indessen naiv zu meinen, der Kominternpolitik in Spanien läge ein theoretischer „Fehler“ zugrunde. Der Stalinismus lässt sich nicht von der Theorie des Marxismus oder überhaupt von irgendeiner Theorie leiten, sondern von den empirischen Interessen der Sowjetbürokratie. Unter sich machen sich die Moskauer Zyniker über die Dimitrowsche Volksfront-„Philosophie“ lustig. Doch zur Täuschung der Massen stehen ihnen zahlreiche Kader von Predigern dieser geheiligten Formel zur Verfügung. Aufrichtige und Schelme, Einfaltspinsel und Scharlatane. Louis Fischer mit seiner Unwissenheit und Selbstzufriedenheit, mit seiner provinziellen Klugrednerei und seiner organischen Taubheit für die Revolution ist der abstoßendste Vertreter dieser wenig anziehenden Sippschaft. „Bündnis der fortschrittlichen Kräfte“!, „Triumph der Volksfrontidee“!, „Anschlag der Trotzkisten auf die Einheit der antifaschistischen Reihen“! … wer sollte glauben, dass das Kommunistische Manifest vor 90 Jahren geschrieben wurde?
Die Volksfronttheoretiker gehen im Wesentlichen über die Anfangsgründe der Arithmetik, nämlich die Addition, nicht hinaus: die Summe von „Kommunisten“, Sozialisten, Anarchisten und Liberalen ist größer als jeder Teil für sich. Das ist ihre ganze Weisheit. Allein, die Arithmetik reicht in diesem Fall nicht aus. Es bedarf mindestens der Mechanik: das Gesetz des Parallelogramms der Kräfte ist auch in der Politik gültig. Die Resultante pflegt bekanntlich umso kürzer zu sein, je stärker die zusammenwirkenden Kräfte auseinanderstreben. Ziehen die politischen Verbündeten nach entgegengesetzten Richtungen, so kann die Resultante gleich Null sein. Ein Block verschiedener politischer Gruppen der Arbeiterklasse pflegt zur Lösung gemeinsamer praktischer Aufgaben ganz unerlässlich zu sein. Bei gewissen historischen Bedingungen ist ein solcher Block imstande, die unterdrückten kleinbürgerlichen Massen, deren Interessen denen des Proletariats verwandt sind, mitzureißen. Die Gesamtkraft eines derartigen Blocks kann viel größer sein als die Kraft jedes seiner Bestandteile. Hingegen ein politisches Bündnis des Proletariats mit der Bourgeoisie, deren Interessen in der heutigen Epoche in den Grundfragen um 180° auseinanderklaffen, ist in der Regel nur imstande, die revolutionäre Kraft des Proletariats zu paralysieren.
Der Bürgerkrieg, in dem die Kraft des nackten Zwangs wenig wirksam ist, fordert von seinen Teilnehmern höchste Selbstaufopferung. Die Arbeiter und Bauern vermögen nur dann den Sieg zu erringen, wenn sie um ihre eigene Befreiung kämpfen. In diesen Umständen das Proletariat der Führung der Bourgeoisie unterstellen heißt ihm von vornherein eine Niederlage im Bürgerkrieg garantieren.
Diese einfachen Wahrheiten sind am wenigsten Frucht der rein theoretischen Analyse. Im Gegenteil, sie stellen eine unumstößliche Schlussfolgerung aus der gesamten historischen Erfahrung dar, mindestens seit 1848. Die jüngere Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft ist voll von allen möglichen „Volksfronten“, d.h. verschiedenartigsten politischen Kombinationen zum Betrug an den Werktätigen. Die spanische Erfahrung ist nur ein neues tragisches Glied in dieser Kette von Verbrechen und Verrat.
Bündnis mit dem Schatten der Bourgeoisie
Politisch am erstaunlichsten ist die Tatsache, dass es in der spanischen Volksfront im Grunde nicht einmal ein Parallelogramm der Kräfte gab: an der Stelle der Bourgeoisie stand ihr Schatten. Vermittels der Stalinisten, Sozialisten und Anarchisten unterwarf die spanische Bourgeoisie sich das Proletariat, ohne sich auch nur die Mühe zu geben, an der Volksfront teilzunehmen: die überwiegende Mehrheit der Ausbeuter aller politischen Schattierungen ging offen in Francos Lager über. Auch ohne die Theorie der permanenten Revolution begriff die spanische Bourgeoisie von Anfang an, dass die revolutionäre Bewegung der Massen, welches auch ihr Ausgangspunkt sei, sich gegen das Privateigentum an Grund und Boden und an den Produktionsmitteln richtete, und dass es ganz ausgeschlossen war, dieser Bewegung mit Maßnahmen der Demokratie Herr zu werden. Im republikanischen Lager blieben daher nur winzige Teile der besitzenden Klassen, die Herren Azaña, Companys und ähnliche politische Anwälte der Bourgeoisie, nicht aber die Bourgeoisie selbst. Die besitzenden Klassen setzten gänzlich auf die Militärdiktatur und verstanden es, gleichzeitig diese ihre gestrigen politischen Vertreter auszunutzen, um die sozialistische Bewegung der Massen auf dem „republikanischen“ Gebiet zu paralysieren, zu zersetzen und dann auch abzuwürgen.
Die linken Republikaner, die nicht im geringsten Maße mehr die spanische Bourgeoisie vertraten, vertraten noch weniger die Arbeiter und Bauern. Sie vertraten nichts als sich selbst. Jedoch dank ihren Verbündeten, den Sozialisten, Stalinisten und Anarchisten, spielten diese politischen Gespenster in der Revolution eine entscheidende Rolle. Auf welche Weise? Sehr einfach: als Verkörperung des Prinzips der „demokratischen Revolution“, d.h. der Unantastbarkeit des Privateigentums.
Die Stalinisten in der Volksfront
Die Ursachen des Entstehens der spanischen Volksfront und ihrer inneren Mechanik sind ganz klar. Die Aufgabe der verabschiedeten Führer des linken Flügels der Bourgeoisie war, die Revolution der Massen zum Stillstand zu bringen und sich so das verlorene Vertrauen der Ausbeuter zurückzugewinnen: „Wozu braucht Ihr Franco. wo wir Republikaner doch dasselbe tun können?“ Die Interessen Azañas und Companys‘ fielen in diesem zentralen Punkt völlig mit denen Stalins zusammen, der sich das Vertrauen der französischen und britischen Bourgeoisie erobern musste, indem er ihr mit Taten seine Fähigkeit bewies, die „Ordnung“ gegen die „Anarchie“ zu verteidigen. Azaña und Companys brauchte Stalin als Deckung gegenüber den Arbeitern: er selbst, Stalin, ist natürlich für den Sozialismus, aber man darf doch nicht die republikanische Bourgeoisie abstoßen! Für Azaña und Companys war Stalin notwendig als ein erfahrener Henker mit der Autorität eines Revolutionärs: ohne dies hätte dies verschwindende Häuflein niemals vermocht noch gewagt, die Arbeiter anzugreifen.
Die traditionellen Reformisten der Zweiten Internationale, die der Gang des Klassenkampfes längst aus dem Geleise geworfen hatte, schöpften dank Moskaus Unterstützung neue Zuversicht. Übrigens wurde diese Unterstützung nicht allen Reformisten, sondern nur den reaktionärsten zuteil. Caballero vertrat das Gesicht der sozialistischen Partei, das der Arbeiteraristokratie zugewandt war. Negrins und Prietos Blick war stets auf die Bourgeoisie gerichtet. Negrin besiegte Caballero mit Moskaus Hilfe. Die linken Sozialisten und die Anarchisten, Gefangene der Volksfront, bemühten sich zwar, von der Demokratie zu retten, was zu retten war. Da sie es aber nicht wagten, die Massen gegen die Gendarmen der Volksfront zu mobilisieren, liefen ihre Bemühungen letzten Endes auf klägliches Jammern hinaus. Die Stalinisten standen auf diese Weise mit dem rechtesten, offen bürgerlichen Flügel der sozialistischen Partei im Bunde. Ihre Repression richteten sie gegen die POUM, die Anarchisten und die „linken“ Sozialisten, d.h. gegen die zentristischen Gruppierungen, die, wenn auch nur entfernt, den Druck der revolutionären Massen widerspiegelten.
Diese an sich schon hoch bedeutende politische Tatsache lässt uns gleichzeitig auch die Entartung der Komintern in den letzten Jahren ermessen. Wir definierten seinerzeit den Stalinismus als bürokratischen Zentrismus, und die Ereignisse gaben eine Reihe von Beweisen für die Richtigkeit dieser Definition. Doch jetzt ist sie sichtlich veraltet. Die Interessen der bonapartistischen Bürokratie vertragen sich nicht mehr mit zentristischer Halbheit. Indem die Stalinclique Versöhnung mit der Bourgeoisie anstrebt, vermag sie nur noch mit den konservativsten Gruppierungen der internationalen Arbeiteraristokratie einen Bund einzugehen. Damit ist endgültig der konterrevolutionäre Charakter des Stalinismus auf der internationalen Arena erwiesen.
Die konterrevolutionären Vorzüge des Stalinismus
Wir nähern uns hier dicht der Lösung des Rätsels, wie und warum die an Zahl und Niveau der Führung so unbedeutende „kommunistische“ Partei Spaniens imstande war, in ihren Händen trotz Vorhandenseins der ungleich mächtigeren Organisationen der Sozialisten und Anarchisten alle Machthebel zu vereinigen. Die landläufige Erklärung, die da lautet, die Stalinisten hätten die Macht im Tausch gegen die Sowjetwaffen erhalten, ist zu oberflächlich. Als Preis für die Waffen erhielt Moskau spanisches Gold. Nach den Gesetzen des kapitalistischen Markts genügt das. Wie aber brachte Stalin es fertig, als Zugabe auch noch die Macht zu bekommen? Darauf wird gewöhnlich geantwortet: indem die Sowjetregierung mit ihren Kriegslieferungen ihre Autorität in den Augen der Massen hob, machte sie entschiedene Maßnahmen gegen die Revolutionäre zur Bedingung ihrer „Mitarbeit“ und räumte so die gefährlichen Gegner aus dem Wege. All das ist ganz unbestreitbar, aber das ist nur eine, und dabei die unwichtigere Seite der Sache. Trotz der durch die Sowjetlieferungen geschaffenen „Autorität“ blieb die spanische kommunistische Partei eine kleine Minderheit, und bei den Arbeitern stieß sie auf steigenden Hass. Andererseits genügte es nicht, dass Moskau Bedingungen stellte, nötig war, dass Valencia sie annahm. Das ist das Wesen der Sache. Nicht nur Zamora, Companys und Negrin, sondern auch Caballero, als er Ministerpräsident war, kamen alle mehr oder weniger bereitwillig Moskaus Forderungen entgegen. Warum? Weil diese Herren selber die Revolution im bürgerlichen Rahmen halten wollten. Nicht nur die Sozialisten, sondern auch die Anarchisten leisteten dem stalinistischen Programm keinen ernsthaften Widerstand. Sie fürchteten selbst einen Bruch mit der Bourgeoisie. Tödlich erschraken sie vor jedem revolutionären Ansturm der Arbeiter.
Stalin mit seinen Waffen und seinem konterrevolutionären Ultimatum war für alle diese Gruppen der Erlöser. Er garantierte ihnen, so hofften sie, den militärischen Sieg über Franco und befreite sie gleichzeitig von der Verantwortung für den Gang der Revolution. Sie beeilten sich, ihre sozialistische und anarchistische Maske in der Garderobe abzugeben, in der Hoffnung, sie später, wenn Moskau für sie die bürgerliche Demokratie wiederhergestellt haben wird, wieder aufzusetzen. Sehr bequem konnten diese Herrschaften nunmehr ihren Verrat am Proletariat mit der Notwendigkeit der militärischen Verständigung mit Stalin rechtfertigen. Stalin seinerseits rechtfertigte seine konterrevolutionäre Politik mit der Notwendigkeit einer Verständigung mit der republikanischen Bourgeoisie.
Nur unter diesem breiteren Gesichtswinkel wird uns die Engelsgeduld klar, die solche Ritter des Rechts und der Freiheit wie Azaña, Negrin, Companys, Caballero, Garcia Oliver u.a. gegenüber den Verbrechen der GPU bewiesen. Wenn sie, wie sie behaupten, keine andere Wahl hatten, so keineswegs deswegen, weil sie die Flugzeuge und Tanks nicht anders als mit den Köpfen der Revolutionäre und den Rechten der Arbeiter bezahlen konnten, sondern weil ihr eigenes „rein demokratisches“, d.h. antisozialistisches Programm sich mit keinen anderen Maßnahmen als mit Terror verwirklichen ließ. Sobald die Arbeiter und Bauern den Weg ihrer Revolution betreten, d.h. Fabriken und Gutsbesitze in Beschlag nehmen, die alten Inhaber davon jagen, stellenweise die Macht erobern, so hat die bürgerliche Konterrevolution – ob demokratische, stalinistische oder faschistische, ist ganz gleichgültig – kein anderes Mittel, um dieser Bewegung Einhalt zu gebieten, als blutige Gewalt, ergänzt durch Lüge und Betrug. Der Vorzug der Stalinclique auf diesem Wege war der, dass sie sofort die Methoden anzuwenden begann, denen Azaña, Companys, Negrin und ihre linken Verbündeten nicht gewachsen waren.
Stalin bestätigt auf seine Weise die Richtigkeit der Theorie von der permanenten Revolution
Auf dem Territorium des republikanischen Spaniens rangen auf diese Weise zwei unversöhnliche Programme miteinander. Einerseits das Programm der Rettung des Privateigentums vor dem Proletariat, koste es, was es wolle, und – soweit es möglich ist – Rettung der Demokratie vor Franco. Auf der anderen Seite das Programm der Vernichtung des Privateigentums auf dem Wege der Machteroberung durch das Proletariat. Das erste Programm bringt, durch Vermittlung der Arbeiteraristokratie, der Spitzen des Kleinbürgertums und insbesondere der Sowjetbürokratie, die Interessen des Kapitals zum Ausdruck. Das zweite Programm übersetzte in die Sprache des Marxismus die nicht voll bewussten, aber mächtigen Tendenzen der revolutionären Massenbewegung. Zum Unglück für die Revolution stand zwischen der Handvoll Bolschewiki und dem revolutionären Proletariat die konterrevolutionäre Scheidewand der Volksfront.
Die Politik der Volksfront war ihrerseits durchaus nicht von der Erpressung Stalins, als des Waffenlieferanten, bestimmt. An Erpressung hat es natürlich nicht gemangelt. Aber der Grund für den Erfolg dieser Erpressung ist in den inneren Bedingungen der Revolution selbst zu suchen. Ihr sozialer Untergrund war während der ganzen sechs Jahre ein wachsendes Andrängen der Massen gegen das Regime des halbfeudalen und bürgerlichen Eigentums gewesen. Die Notwendigkeit, dieses Eigentum mit den extremsten Mitteln zu verteidigen, hat eben die Bourgeoisie in Francos Arme getrieben. Die republikanische Regierung versprach der Bourgeoisie, das Eigentum mit „demokratischen“ Maßnahmen zu schützen, legte aber vor allem im Juli 1936 völlige Haltlosigkeit an den Tag. Als die Lage an der Front des Eigentums noch bedrohlicher wurde als an der militärischen Front, gaben die Demokraten aller Schattierungen einschließlich der Anarchisten Stalin nach, dieser aber fand in seinem Arsenal keine anderen Methoden als die Francos.
Hetze gegen „Trotzkisten“, POUMisten, revolutionäre Anarchisten und linke Sozialisten, schmutzige Verleumdung, gefälschte Dokumente, Folterungen in den stalinistischen Gefängnissen, Meuchelmorde – ohne all das hätte das bürgerliche Regime unter republikanischer Flagge keine zwei Monate standgehalten. Die GPU blieb Herr der Lage, nur weil sie konsequenter als die anderen, d.h. mit größerer Niedertracht und Blutrünstigkeit die Interessen der Bourgeoisie gegen das Proletariat wahrnahm.
Im Kampfe gegen die sozialistische Revolution suchte der „Demokrat“ Kerenski zuerst eine Stütze in einer Militärdiktatur Kornilows und versuchte dann, im Tross des monarchistischen Generals Krasnow in Petrograd Einzug zu halten. Andererseits sahen sich die Bolschewiki, um die demokratische Revolution zu Ende zu führen, gezwungen, die Regierung der „demokratischen“ Scharlatane und Schwätzer zu stürzen. Damit bereiteten sie beiläufig auch jeder Art Versuch, eine Militär- (oder „faschistische“) Diktatur zu errichten, ein Ende.
Die spanische Revolution zeigt aufs Neue, dass die Demokratie gegen die revolutionären Massen nicht anders als mit den Methoden der faschistischen Reaktion zu schützen ist. Und umgekehrt: ein wirklicher Kampf gegen den Faschismus ist nicht anders zu führen als mit den Methoden der proletarischen Revolution. Stalin bekämpfte den „Trotzkismus“ (die proletarische Revolution), indem er die Demokratie mit den bonapartistischen Maßnahmen der GPU zerstörte. Damit ist aufs Neue und endgültig die von der Komintern übernommene alte menschewistische Theorie zuschanden geworden, die da aus der demokratischen und der sozialistischen Revolution zwei selbständige, zeitlich voneinander geschiedene Kapitel macht. Das Werk der Moskauer Henker bestätigt auf seine Weise die Richtigkeit der Theorie von der permanenten Revolution.
Die Rolle der Anarchisten
Die Anarchisten besaßen in der spanischen Revolution keinerlei eigene Position. Sie taten nichts weiter, als zwischen Bolschewismus und Menschewismus hin und her schwanken. Genauer: die anarchistischen Arbeiter waren bestrebt, den bolschewistischen Weg zu gehen (19. Juli 1936, Maitage 1937), während die Führer umgekehrt mit aller Kraft die Massen ins Lager der Volksfront, d.h. des bürgerlichen Regimes zurücktrieben.
Die Anarchisten zeichneten sich durch fatales Unverständnis für die Gesetze der Revolution und ihrer Aufgaben aus, als sie versuchten, sich auf ihre Gewerkschaften, d.h. mit Routine durchtränkten Organisationen der Friedenszeit zu beschränken, und alles, was jenseits der Gewerkschaftsgrenzen in den Massen, in den politischen Parteien und im Staatsapparat vor sich ging, ignorierten. Wären die Anarchisten Revolutionäre gewesen, so hätten sie vor allem zur Bildung von Sowjets aufgerufen, in denen sich Vertreter aller Werktätigen von Stadt und Land versammeln, darunter auch die unterdrücktesten Schichten, die niemals den Gewerkschaften angehörten. In diesen Sowjets hätten die revolutionären Arbeiter natürlich die dominierende Stellung innegehabt. Die Stalinisten wären eine winzige Minderheit gewesen. Das Proletariat wäre sich seiner unüberwindlichen Kraft bewusst geworden. Der bürgerliche Staatsapparat hätte in der Luft gehangen. Ein starker Hieb würde genügt haben, um diesen Apparat vollends zu zertrümmern. Die sozialistische Revolution würde einen mächtigen Antrieb erfahren haben. Das französische Proletariat würde es Leon Blum nicht lange erlaubt haben, die proletarische Revolution jenseits der Pyrenäen zu blockieren. Kaum hätte sich auch die Moskauer Bürokratie diesen Luxus leisten können. Die schwierigsten Fragen wären von selbst gelöst gewesen.
Stattdessen erwiesen sich die Anarchosyndikalisten, die sich vor der „Politik“ in die Gewerkschaften verkriechen wollten, zum großen Erstaunen aller Welt und ihrer selbst als fünftes Rad am Wagen der bürgerlichen Demokratie. Nicht lange: ein fünftes Rad braucht niemand. Nachdem Garcia Oliver & Co. Stalin und seinen Spießgesellen geholfen hatten, den Arbeitern die Macht wegzunehmen, sahen sich die Anarchisten selbst aus der Volksfrontregierung verjagt. Auch dann fanden sie nichts Besseres zu tun, als hinter dem Wagen des Siegers einher zu laufen und diesen ihrer Ergebenheit zu versichern. Die Furcht des Kleinbürgers vor dem großen Bourgeois, des kleinen Bürokraten vor dem großen Bürokraten verhüllten sie mit weinerlichen Reden über die Heiligkeit der Einheitsfront (der Opfer mit den Henkern) und die Unzulässigkeit jeglicher Diktatur, darunter auch ihrer eigenen. „Hätten wir ja doch im Juni 1936 die Macht ergreifen können…“ „Hätten wir ja doch im Mai 1937 die Macht ergreifen können…“ Die Anarchisten flehten Negrin-Stalin an, ihren Verrat an der Revolution anzuerkennen und zu belohnen. Widerwärtiges Bild!
Diese Selbstrechtfertigung: „Wir ergriffen die Macht nicht, nicht weil wir nicht konnten, sondern weil wir nicht wollten, weil wir gegen jede Diktatur sind“ usw., enthält allein schon die unwiderrufliche Verurteilung des Anarchismus als einer durch und durch antirevolutionären Doktrin. Auf die Eroberung der Macht verzichten heißt freiwillig die Macht dem zu überlassen, der sie besitzt, d.h. den Ausbeutern. Das Wesen jeder Revolution bestand und besteht darin, dass sie eine neue Klasse an die Macht bringt und ihr so die Möglichkeit gibt, ihr Programm zu verwirklichen. Man kann nicht Krieg führen, ohne den Sieg zu wollen. Man kann die Massen nicht zum Aufstand führen, ohne sich auf die Eroberung der Macht vorzubereiten. Niemand konnte die Anarchisten hindern, nach der Machtergreifung das Regime einzuführen, das sie für notwendig halten, angenommen natürlich, dass ihr Programm verwirklichbar sei. Aber die anarchistischen Führer verloren selbst den Glauben daran. Sie flohen die Macht nicht, weil sie gegen „jede Diktatur“ waren – in Wirklichkeit unterstützten und unterstützen sie murrend und flennend die Diktatur Negrin-Stalins –, sondern weil sie vollkommen ihre Prinzipien und ihren Mut verloren hatten, wenn sie diese überhaupt je besessen haben. Sie hatten Angst, Angst vor allem: vor „Isolierung“, „Intervention“, „Faschismus“. Sie hatten Angst vor Stalin. Angst vor Negrin. Vor Frankreich und England. Am meisten hatten diese Phrasendrescher Angst vor den revolutionären Massen.
Der Verzicht auf die Machteroberung wirft unausbleiblich jede Arbeiterorganisation in den Sumpf des Reformismus und verwandelt sie in ein Spielzeug der Bourgeoisie: anders kann es bei der Klassenstruktur der Gesellschaft nicht sein. Da die Anarchisten das Ziel ablehnten, nämlich die Machteroberung, konnten sie letzten Endes auch nicht umhin, das Mittel abzulehnen, d.h. die Revolution. Die Führer der CNT und der FAI halfen der Bourgeoisie nicht nur, im Juli 1936 einen Schatten der Macht zu behalten, sondern auch stückweise das wiederherzustellen, was sie plötzlich verloren hatte. Im Mai 1937 sabotierten sie den Aufstand der Arbeiter und retteten damit die Diktatur der Bourgeoisie. So erwies sich der Anarchismus, der nur antipolitisch sein wollte, in Wirklichkeit als antirevolutionär und in den kritischsten Augenblicken als konterrevolutionär.
Die anarchistischen Theoretiker, die nach dem großen Examen von 1931 bis 1937 immer noch das alte reaktionäre Gewäsch über Kronstadt wiederholen und behaupten: „Der Stalinismus ist eine unvermeidliche Folge des Marxismus und Bolschewismus“, beweisen damit nur, dass sie für die Revolution ein für allemal tot sind. Ihr sagt, der Marxismus sei schon an sich verrufen und der Stalinismus sein legitimes Kind? Warum aber stehen denn wir revolutionäre Marxisten auf Leben und Tod im Kampf gegen den Stalinismus auf der ganzen Welt? Warum erblickt die Stalinbande im Trotzkismus den Hauptfeind? Warum veranlasst jede Annäherung an unsere Anschauungen oder an unser Aktionssystem (Durruti, Andres Nin, Landau u.a.) die Gangster des Stalinismus, mit einem Blutgericht zu antworten? Warum wurden andererseits die Führer des spanischen Anarchismus während der Moskauer und Madrider GPU-Verbrechen Minister Caballero-Negrins, d.h. Knechte der Bourgeoisie und Stalins? Warum bleiben die Anarchisten auch jetzt unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Faschismus, freiwillige Gefangene Stalin-Negrins, d.h. der Henker der Revolution, die ihre Unfähigkeit bewiesen haben, den Faschismus zu bekämpfen? Die Advokaten des Anarchismus, die sich hinter Kronstadt und Machno verstecken, täuschen niemanden. In der Kronstädter Episode und im Kampf gegen Machno verteidigten wir die proletarische Revolution gegen die bäuerliche Konterrevolution. Die spanischen Anarchisten verteidigten und verteidigen die bürgerliche Konterrevolution gegen die proletarische Revolution. Kein Sophismus wird aus der Geschichte die Tatsache streichen, dass in der spanischen Revolution Anarchismus und Stalinismus auf der einen Seite der Barrikaden standen, die Arbeitermassen und revolutionären Marxisten aber auf der anderen. Das ist die Wahrheit, die ins Bewusstsein des Proletariats für allezeit eingehen wird!
Die Rolle der POUM
Nicht viel besser stand es mit der POUM. Theoretisch versuchte sie wohl, sich auf die Formel der permanenten Revolution zu stützen (darum nannten die Stalinisten die POUMisten eben Trotzkisten). Aber die Revolution befriedigt sich nicht mit theoretischen Anerkennungen. Statt die Massen gegen die reformistischen Führer einschließlich der Anarchisten zu mobilisieren, suchte die POUM diese Herren von den Vorzügen des Sozialismus vor dem Kapitalismus zu überzeugen. Auf diesen Kammerton waren alle Artikel und Reden der POUM-Führer abgestimmt. Um sich mit den anarchistischen Führern nicht zu entzweien, haben sie in der CNT weder Zellen gebaut, noch überhaupt gearbeitet. Scharfen Konflikten ausweichend, leisteten sie keine revolutionäre Arbeit in der republikanischen Armee. Stattdessen bauten sie „ihre eigenen“ Gewerkschaften und „ihre eigene“ Miliz auf, die „ihre eigenen“ Gebäude schützte oder „ihren eigenen“ Frontabschnitt besetzte. Indem die POUM die revolutionäre Vorhut von der Klasse isolierte, entkräftete sie die Vorhut und ließ die Klasse ohne Führung, Politisch stand die POUM die ganze Zeit der Volksfront, deren linken Flügel sie deckte, viel näher als dem Bolschewismus. Wenn die POUM dennoch einer blutigen und gemeinen Repression zum Opfer fiel, so weil die Volksfront ihre Sendung, die sozialistische Revolution abzuwürgen, nicht anders erfüllen konnte als durch stückweises Abhauen ihres eigenen linken Flügels.
Trotz ihrer Absichten war die POUM letzten Endes das Haupthindernis auf dem Wege zur Schaffung einer revolutionären Partei. Eine gewaltige Verantwortung haben die platonischen oder diplomatischen Anhänger der Vierten Internationale auf sich geladen, die wie der Führer der holländischen Revolutionär-Sozialistischen Arbeiterpartei. Sneevliet, demonstrativ die POUM in ihrer Halbheit, Unentschiedenheit, ihrem Ausweichen, mit einem Wort in ihrem Zentrismus unterstützten, Die Revolution verträgt sich nicht mit Zentrismus. Sie entlarvt und vernichtet ihn. Nebenbei kompromittiert sie auch die Freunde und Advokaten des Zentrismus. Das ist eine der Hauptlehren der spanischen Revolution.
Das Problem der Bewaffnung
Die Sozialisten und Anarchisten, die ihre Kapitulation vor Stalin mit der Notwendigkeit, die Moskauer Waffen mit Prinzipien und Gewissen zu bezahlen, zu rechtfertigen suchen, lügen einfach und lügen dumm. Natürlich hätten viele von ihnen vorgezogen, ohne Morde und Fälschungen auszukommen. Aber jedes Ziel verlangt nach entsprechenden Mitteln. Seit April 1931, d.h. lange vor dem militärischen Eingreifen Moskaus, haben die Sozialisten und Anarchisten alles getan, was sie konnten, um die proletarische Revolution zu bremsen. Stalin lehrte sie, wie diese Arbeit zu Ende zu führen ist. Sie wurden Stalins kriminelle Mitschuldige nur, weil sie seine politischen Gesinnungsgenossen waren.
Hätten die Führer der Anarchisten auch nur ein bisschen Revolutionären gleichgesehen, so mussten sie die allererste Erpressung Moskaus nicht allein mit der Weiterführung des sozialistischen Vorstoßes, sondern auch mit der Entlarvung Stalins konterrevolutionärer Bedingungen vor der Weltarbeiterklasse beantworten. Damit wurden sie die Moskauer Bürokratie genötigt haben, offen zwischen der sozialistischen Revolution und Francos Diktatur zu wählen. Die thermidorianische Bürokratie fürchtet und hasst die Revolution. Aber sie fürchtet auch, von einem faschistischen Ring erdrückt zu werden. Außerdem ist sie von den Arbeitern abhängig. Alles spricht dafür, dass Moskau gezwungen gewesen wäre, Waffen zu liefern, und zwar wohl zu annehmbarerem Preise.
Aber Stalins Moskau ist nicht das A und O der Welt. In anderthalb Jahren Bürgerkrieg konnte und musste man die spanische Kriegsindustrie ausbauen und entwickeln durch Umstellung einer Reihe von Friedensbetrieben auf Kriegsbedarf. Diese Arbeit wurde nur darum nicht durchgeführt, weil die Initiative der Arbeiterorganisationen gleicherweise von Stalin wie von seinen spanischen Verbündeten bekämpft wurde. Eine starke Kriegsindustrie wäre eine mächtige Waffe in den Händen der Arbeiter gewesen. Die Volksfrontführer zogen die Abhängigkeit von Moskau vor.
Gerade in dieser Frage zeigt sich besonders deutlich die perfide Rolle der „Volksfront“, die den proletarischen Organisationen die Verantwortung für den verräterischen Schacher der Bourgeoisie mit Stalin auflud. Insofern die Anarchisten in der Minderheit waren, konnten sie natürlich nicht unmittelbar den regierenden Block daran hindern, Moskau oder Moskaus Herren (London und Paris) gegenüber ihm beliebige Verpflichtungen einzugehen. Aber sie konnten und mussten, ohne deswegen aufzuhören, an der Front die besten Kämpfer zu sein, sich offen vom Verrat und von den Verrätern abgrenzen, der Masse die wahre Lage erklären, sie gegen die bürgerliche Regierung mobilisieren, Tag für Tag an Kraft zunehmen, um schließlich die Macht und damit auch die Moskauer Waffen zu ergreifen.
Wie aber, wenn Moskau mangels einer Volksfront überhaupt davon abgesehen hätte, Waffen herzugeben? Und wie, antworten wir darauf, wenn es überhaupt keine Sowjetunion gegeben hätte? Die Revolutionen siegten bisher durchaus nicht dank hohen ausländischen Gönnern, die ihnen die Waffen lieferten. Die ausländischen Gönner standen gewöhnlich auf Seiten der Konterrevolution. Muss man an die Erfahrung der Intervention französischer, englischer, amerikanischer, japanischer und anderer Truppen gegen die Sowjets erinnern? Das russische Proletariat besiegte die Reaktion im Innern und die ausländischen Interventionen ohne militärische Unterstützung von außen. Die Revolutionen siegen vor allem vermittels eines kühnen sozialen Programms, das es den Massen ermöglicht, die auf ihrem Territorium vorhandenen Waffen zu erobern und die feindliche Armee zu zersetzen. Die Rote Armee beschlagnahmte französische, englische und amerikanische Militärvorräte und warf die fremden Expeditionskorps ins Meer. Ist das etwa schon vergessen?
Hätten an der Spitze der bewaffneten Arbeiter und Bauern, d.h. an der Spitze des sogenannten „republikanischen“ Spaniens Revolutionäre gestanden und nicht feige Agenten der Bourgeoisie, das Problem der Bewaffnung hätte überhaupt keine so erstrangige Rolle gespielt. Francos Armee, einschließlich der marokkanischen Kolonialsöldner und Mussolinis Soldaten, ist keineswegs gegen revolutionäre Ansteckung gefeit. Auf allen Seiten von den Flammen der sozialistischen Umwälzung ergriffen, hätten die Soldaten des Faschismus eine winzige Größe dargestellt. Nicht an Waffen fehlte es in Madrid und Barcelona und auch nicht an Militär-„Genies“: was fehlte, war die revolutionäre Partei!
Die Bedingungen des Sieges
Die Bedingungen des Sieges der Massen im Bürgerkrieg gegen die Armee der Unterdrücker sind im Wesen sehr einfach.
1. Die Kämpfer der revolutionären Armee müssen sich deutlich bewusst sein, dass sie für ihre völlige soziale Befreiung streiten und nicht für die Wiederherstellung der alten („demokratischen“) Ausbeutungsformen.
2. Dasselbe müssen die Arbeiter und Bauern im Hinterland der revolutionären Armee wie in dem des Feindes wissen und begreifen.
3. Die Propaganda an der eigenen Front, an der Front des Gegners und im Hinterlande beider muss tief vom Geiste der sozialen Revolution durchdrungen sein. Die Losung: „Zuerst den Sieg, dann die Reformen“ ist die Losung aller Unterdrücker und Ausbeuter, von den biblischen Königen bis zu Stalin.
4. Die Politik wird von den Klassen und Schichten bestimmt, die am Kampfe teilnehmen. Die revolutionären Massen müssen einen Staatsapparat besitzen, der direkt und unmittelbar ihren Willen ausdrückt. Dieser Apparat kann nichts anderes sein als der Sowjet der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten.
5. Die revolutionäre Armee muss die dringendsten Sofortmaßnahmen der sozialen Revolution nicht nur verkünden, sondern in den eroberten Provinzen auch unverzüglich verwirklichen: Enteignung der vorhandenen Lebensmittel-, Manufakturwaren- und anderen Vorräte und ihre Abgabe an die Bedürftigen, Neuaufteilung der Wohnstätten im Interesse der Werktätigen und insbesondere der Kriegerfamilien, Enteignung des Bodens und des landwirtschaftlichen Inventars im Interesse der Bauern, Errichtung der Arbeiterkontrolle über die Produktion und der Sowjetmacht anstelle der früheren Bürokratie.
6. Aus der revolutionären Armee müssen die Feinde der sozialistischen Revolution, d.h. Ausbeuterelemente und ihre Agenten, und versteckten sie sich auch hinter der Maske von „Demokraten“, „Republikanern“, „Sozialisten“ und „Anarchisten“, schonungslos vertrieben werden.
7. An der Spitze jedes Truppenteils muss ein Kommissar mit untadeliger Autorität eines Revolutionärs und Kämpfers stehen.
8. In jedem Truppenteil muss eine fest geschlossene, aus den opferbereitesten, von den Arbeiterorganisationen vorgeschlagenen Kämpfern gebildete Zelle bestehen. Die Mitglieder der Zelle haben ein einziges Privileg: im Feuer die ersten zu sein.
9. Das Kommandokorps schließt in der ersten Zeit notwendigerweise viele fremde und unzuverlässige Elemente in sich. Ihre Prüfung und Auslese hat zu geschehen auf Grund der Kampferfahrung, von Zeugnissen seitens der Kommissare und Urteilen der einfachen Kämpfer. Gleichzeitig damit muss die Vorbereitung von Kommandanten aus den Reihen der revolutionären Arbeiter mit Nachdruck betrieben werden.
10. Die Strategie des Bürgerkrieges muss die Regeln der Kriegskunst mit den Aufgaben der sozialen Revolution paaren. Nicht nur in der Propaganda, sondern auch bei den Militäroperationen ist es notwendig, die soziale Zusammensetzung der verschiedenen Truppenteile des Gegners zu studieren (bürgerliche Freiwillige, mobilisierte Bauern, oder wie bei Franco Kolonialsklaven) und bei der Wahl der Operationslinien sich streng nach der sozialen Struktur der betreffenden Landesteile zu richten (revolutionäre oder reaktionäre, Industrie- oder Bauernbezirke, Bezirke unterdrückter Nationalitäten, usw.). Kurz, die revolutionäre Politik beherrscht die Strategie.
11. Die revolutionäre Regierung als der Vollzugsausschuss der Arbeiter und Bauern muss es verstehen, das volle Vertrauen der Armee und der werktätigen Bevölkerung zu erobern.
12. Die Außenpolitik muss ihr Hauptziel darin erblicken, das revolutionäre Bewusstsein der Arbeiter, ausgebeuteten Bauern und unterdrückten Nationalitäten der ganzen Welt zu wecken.
Stalin sicherte die Bedingungen für die Niederlage
Die Bedingungen des Sieges sind wie man sieht ganz einfach. In ihrer Gesamtheit heißen sie sozialistische Revolution. Keine einzige dieser Bedingungen war in Spanien vorhanden. Hauptursache: es gab keine revolutionäre Partei. Stalin versuchte zwar, die äußerlichen Manieren des Bolschewismus auf Spaniens Boden zu verpflanzen: Politbüro, Kommissare, Zellen, GPU usw. Aber diese Form entleerte er ihres sozialistischen Inhalts. Er verwarf das bolschewistische Programm und damit die Sowjets, die unerlässliche Form für die revolutionäre Initiative der Massen. Er stellte die Technik des Bolschewismus in den Dienst des bürgerlichen Eigentums. In seiner bürokratischen Beschränktheit bildete er sich ein, „Kommissare“ seien schon an sich imstande, den Sieg zu gewährleisten. Aber die Kommissare des Privateigentums erwiesen sich nur imstande, die Niederlage zu garantieren.
Das spanische Proletariat hat erstklassige Kampfeigenschaften an den Tag gelegt. Seinem spezifischen Gewicht in der Wirtschaft des Landes, seinem politischen und kulturellen Niveau nach stand es vom ersten Tag der Revolution an nicht unter, sondern über dem russischen Proletariat vom Beginn des Jahres 1917. Die Haupthindernisse, die seinem Sieg im Wege standen, waren seine eigenen Organisationen. Die kommandierende Clique der Stalinisten bestand ihren konterrevolutionären Funktionen entsprechend aus bezahlten Agenten, Karrieristen, deklassierten Elementen und überhaupt allem möglichen sozialen Abfall. Die Vertreter der anderen Arbeiterorganisationen – schwächlichen Reformisten, anarchistischen Phrasendreschern, hilflosen POUM-Zentristen – brummten, seufzten, schwankten, manövrierten, passten sich aber letzten Endes den Stalinisten an. Das Ergebnis dieses ihres Handinhandarbeitens war, dass das Lager der sozialen Revolution – die Arbeiter und Bauern – sich der Bourgeoisie, richtiger ihrem Schatten unterstellt, seines Wesens, seiner Seele und seines Blutes beraubt sah. Am Heldentum der Massen oder am Mut einzelner Revolutionäre fehlte es nicht. Aber die Massen waren sich selbst überlassen und die Revolutionäre isoliert, ohne Programm, ohne Aktionsplan. Die „republikanischen“ Heerführer kümmerten sich mehr um die Unterdrückung der sozialen Revolution als um militärische Siege. Die Soldaten verloren das Vertrauen zu den Kommandanten, die Massen das Vertrauen zur Regierung, die Bauern hielten sich abseits, die Arbeiter ermüdeten, Niederlage folgte auf Niederlage, die Demoralisierung wuchs. All das war unschwer schon zu Beginn des Bürgerkrieges vorauszusehen. Dadurch, dass die Volksfront sich die Aufgabe stellte, das kapitalistische Regime zu retten, weihte sie sich der militärischen Niederlage. Den Bolschewismus auf den Kopf stellend, spielte Stalin mit vollem Erfolg die Rolle des Haupttotengräbers der Revolution.
Die spanische Erfahrung beweist übrigens wieder einmal, dass Stalin weder von der Oktoberrevolution noch vom Bürgerkrieg irgendetwas begriffen hat. Sein träges provinzielles Denken blieb hoffnungslos hinter dem stürmischen Lauf der Ereignisse von 1917 bis 1921 zurück. In jenen seiner Reden und Artikel des Jahres 1917, wo er eigene Gedanken äußerte, ist seine spätere thermidorianische „Doktrin“ schon vollkommen enthalten. In diesem Sinne ist der Stalin von Spanien 1937 der Fortsetzer des Stalins von der Märzkonferenz der Bolschewiki im Jahre 1917. Aber 1917 fürchtete er die revolutionären Arbeiter nur, 1937 indessen erstickte er sie. Der Opportunist wurde zum Henker.
„Bürgerkrieg im Hinterland“
Aber zum Sieg über die Caballero- und die Negrin-Regierung wäre doch Bürgerkrieg im Hinterland der republikanischen Armee nötig! – ruft der demokratische Philister mit Entsetzen aus. Als ob im republikanischen Spanien nicht auch ohnedies Bürgerkrieg wütete, und zwar der gemeinste und ehrloseste von allen, ein Krieg der Besitzenden und Ausbeuter gegen die Arbeiter und Bauern. Dieser ununterbrochene Krieg findet seinen Ausdruck in der Verhaftung und Ermordung von Revolutionären, der Unterdrückung der Massenbewegung, der Entwaffnung der Arbeiter, der Bewaffnung der bürgerlichen Polizei, der Verwehrung von Waffen und Hilfe für die Arbeiterabteilungen an der Front, schließlich darin, dass die Entwicklung einer Kriegsindustrie künstlich verhindert wird. Jede dieser Handlungen ist ein schwerer Schlag für die Front, direkter, von den Klasseninteressen der Bourgeoisie diktierter militärischer Verrat. Jedoch die „demokratischen“ Philister – einschließlich der Stalinisten, Sozialisten und Anarchisten – halten den Bürgerkrieg der Bourgeoisie gegen das Proletariat selbst unmittelbar im Rücken der Front für einen ganz natürlichen und unvermeidlichen Krieg, dessen Aufgabe es ist, die „Einheit der Volksfront“ zu erhalten. Dagegen ist der Bürgerkrieg des Proletariats gegen die „republikanische“ Konterrevolution in den Augen dieser Philister ein frevelhafter, „faschistischer“, trotzkistischer Krieg, der die…„Einheit der antifaschistischen Kräfte“ zerstört. Dutzende von Norman Thomas, Major Attlee, Otto Bauer, Zyromski, Malraux und kleiner Lügenkrämer wie die Duranty und Louis Fischer gehen mit dieser Sklavenweisheit in der Welt hausieren. Unterdessen übersiedelt die „Volks“frontregierung von Madrid nach Valencia, von Valencia nach Barcelona.
Ist der Faschismus, wie die Tatsachen es bezeugen, nur durch die sozialistische Revolution niederzuringen, so ist andererseits ein siegreicher Aufstand des Proletariats nur dann denkbar, wenn die herrschenden Klassen infolge sehr großer Schwierigkeiten in die Klemme geraten. Allein, die demokratischen Philister berufen sich eben auf diese Schwierigkeiten, um die Unzulässigkeit eines proletarischen Aufstandes zu beweisen. Wollte das Proletariat warten, bis die demokratischen Philister ihm die Stunde seiner Befreiung ankünden, so würde es ewig Sklave bleiben. Die Arbeiter lehren, die reaktionären Philister hinter all ihren Masken zu erkennen und sie ungeachtet dieser Masken zu verabscheuen, ist erste und oberste Pflicht des Revolutionärs!
Wie wird es enden?
Die Diktatur der Stalinisten über das republikanische Lager ist ihrem ureigenen Wesen nach kurzlebig. Wenn die durch die Volksfrontpolitik bedingte Niederlage das spanische Proletariat noch einmal zum revolutionären Angriff treibt, und diesmal mit Erfolg, dann wird die Stalinclique mit eisernem Besen hinweggefegt werden. Wenn es aber, was leider wahrscheinlicher ist, Stalin gelingt, sein Totengräberwerk an der Revolution zu vollenden, darf er auch in diesem Falle keinen Dank erwarten. Die spanische Bourgeoisie brauchte ihn als Henker, aber als Beschirmer und Schulmeister hat sie ihn keineswegs nötig. London und Paris einerseits, Berlin und Rom andererseits, sind in ihren Augen viel solidere Firmen als Moskau. Möglich, dass Stalin selbst noch vor der endgültigen Katastrophe seine Hand von Spanien abziehen will: er hofft auf diese Weise die Verantwortung für die Niederlage seinen nächsten Verbündeten aufzuladen. Nachher wird dann Litwinow bei Franco um die Herstellung diplomatischer Beziehungen ansuchen. All das haben wir schon mehr als einmal gesehen.
Indes würde sogar ein voller militärischer Sieg der sogenannten republikanischen Armee über General Franco nicht den Triumph der „Demokratie“ bedeuten. Die Arbeiter und Bauern haben die bürgerlichen Republikaner und ihre linken Agenten zweimal an die Macht gebracht: im April 1931 und im Februar 1936. Beide Male lieferten die Volksfronthelden den Sieg des Volkes reaktionäreren und seriöseren Vertretern der Bourgeoisie aus. Der dritte, von den Volksfrontgenerälen erfochtene Sieg wird unausbleiblich ihre Verständigung mit der faschistischen Bourgeoisie auf den Gebeinen der Arbeiter und Bauern bedeuten. Dieses Regime wird nichts anderes sein als eine Form der Militärdiktatur, vielleicht ohne Monarchie und ohne offene Herrschaft der katholischen Kirche.
Schließlich ist es möglich, dass Teilsiege der Republikaner von den „selbstlosen“ englisch-französischen Vermittlern dazu benutzt werden, um die sich befehdenden Lager auszusöhnen. Es ist nicht schwer zu verstehen, dass bei dieser Variante die letzten Reste der Demokratie in den brüderlichen Umarmungen der Generäle, Miajas (des Kommunisten!) mit Franco (dem Faschisten!) erstickt würden. Nochmals: zu siegen vermag nur entweder die sozialistische Revolution oder der Faschismus.
Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass die Tragödie im letzten Augenblick der Posse Platz macht. Wenn die Volksfronthelden ihre letzte Hauptstadt im Stich lassen sollten, werden sie vielleicht, bevor sie die Dampfer oder Flugzeuge besteigen, eine Reihe „sozialistischer“ Reformen erlassen, um beim Volk in „guter Erinnerung“ zu bleiben. Es wird ihnen jedoch nichts helfen. Die Arbeiter der ganzen Welt werden sich mit Hass und Verachtung der Parteien erinnern, die die heldenhafte Revolution zugrunde richteten.
Die tragische Erfahrung Spaniens ist eine bittere Warnung – vielleicht die letzte Warnung vor noch größeren Ereignissen – eine Warnung für alle fortgeschrittenen Arbeiter der Welt. „Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte“, sagte Marx. Sie fahren schneller als das Denken der halb- oder viertelrevolutionären Parteien. Wer stehen bleibt, gerät unter die Räder der Lokomotive und bringt – das ist die Hauptgefahr – nicht selten dabei die Lokomotive selbst zur Entgleisung. Das Problem der Revolution heißt es bis zu Ende, bis in die letzten konkreten Schlussfolgerungen hinein durchdenken. Es heißt die Politik auf die Grundgesetze der Revolution, d.h. auf die Bewegung der einander bekämpfenden Klassen einstellen, und nicht auf die Vorurteile und Ängste der oberflächlichen kleinbürgerlichen Gruppen, die sich „Volks“- und wer weiß was noch für welche Front betiteln. Die Linie des geringsten Widerstandes ist in der Revolution die Linie des größten Zusammenbruchs. Die Furcht vor „Isolierung“ von der Bourgeoisie bedeutet Isolierung von den Massen. Anpassung an die konservativen Vorurteile der Arbeiteraristokratie bedeutet Verrat an den Arbeitern und an der Revolution. Übermäßige „Vorsicht“ ist unheilvollste Unvorsichtigkeit. Das sind die Hauptlehren aus dem Zusammenbruch der ehrlichsten politischen Organisationen in Spanien, will sagen der zentristischen POUM. Die Parteien und Gruppen des Londoner Büros sind weder willens noch imstande, aus der letzten Warnung der Geschichte die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Damit geben sie sich selbst dem Verderben preis.
Dafür bildet sich auf Grund der Lehren aus den Niederlagen heute eine neue Generation von Revolutionären heran. Sie hat in der Wirklichkeit den schändlichen Ruf der Zweiten Internationale bestätigt gefunden. Sie hat die ganze Tiefe des Falls der Dritten Internationale ermessen. Sie lernte es, die Anarchisten nicht nach ihren Worten zu beurteilen. Eine gewaltige, unschätzbare Schule, bezahlt mit dem Blut zahlloser Kämpfer! Die revolutionären Kader sammeln sich heute nur um das Banner der Vierten Internationale. Unter dem Donner der Niederlagen ist sie erstanden, um die Werktätigen zum Siege zu führen.
Coyoacan, 17. Dezember 1937