„Der Funke“ ist an einer Reihe von Unis an der Organisierung der Uni-Proteste aktiv beteiligt. Hier einige Berichte.
Graz:
„Dieser Hörsaal ist nicht der erste besetzte Hörsaal in Graz, es ist der erste befreite. Frei nämlich vom Geist der Ökonomisierung unserer Unis“, ruft der frühere ÖH-Vorsitzende der Uni Graz Philipp Funovits unter tosendem Applaus den Studierenden im Hörsaal A der Grazer Vorklinik entgegen. Rund 900 sind es, die sich am 27. Oktober im und um den HS-A zu einer HörerInnenversammlung treffen. Eine erkleckliche Zahl für Grazer Verhältnisse, zumal dann, wenn man sich des Beginns der Proteste entsinnt.
Einen Tag nach der Besetzung des Audimax sammelt sich um die Mittagszeit vor der Grazer Vorklinik eine erlauchte Schar von knapp 30 Personen. Zuvor war die geplante Besetzung der Hauptuniversität gescheitert. Geduldig warten die AtivistInnen ganze vier Stunden darauf, dass die letzte Vorlesung um 18:10 Uhr vorüber ist. Erst dann macht man sich zum „Stürmen“ bereit, wie es eine Aktivistin des VSSTÖ begeistert nennt. Zu diesem Zeitpunkt ist an der Organisation der Besetzung die ÖH wesentlich beteiligt. In Graz schloss das bis vor kurzem gar die bürgerliche Aktionsgemeinschaft (AG) mit ein.
Seither ist mehr als eine Woche vergangen und die Besetzerbewegung an der Uni Graz ist qualitativ und quantitativ gereift. Unmittelbar nach der HörerInnenversammlung am 27. Oktober „befreien“ die Grazer Studierenden auch die Hörsäle B und C und zwei Tage danach folgen 3000 Menschen dem Demoaufruf der BesetzerInnen. „Das war erst der Anfang“, sagt Plenumsaktivist Hanno Wisiak vom KSV. Und tatsächlich hat die letztwöchige Demo der Bewegung weiteren Aufschwung beschert. Rund 100 Studierende nehmen seither regelmäßig an den Plena im Hörsaal A teil und auch die diversen Arbeitsgruppen werken fleißig. Gegenwärtig etwa an einer Konkretisierung des Forderungskatalogs und an der Frage, wie alle drei besetzten Hörsäle adäquat zu bespielen wären. Ganz oben auf der Agenda steht zudem die Vernetzung mit anderen gesellschaftlichen Gruppen. Die Ausweitung des Kampffeldes auf Arbeiterinnen und Arbeiter wird auch nötig sein, will man der Bewegung Schlagkraft wie auch Atem stärken. Eine erste diesbezügliche Annäherung hat indes schon stattgefunden. Am 1. November luden die BesetzerInnen zum Soli-Mittagessen in die Grazer Vorklinik. Gast wie Gönner: die Gewerkschaft der Privatangestellten.
von Samuel Stuhlpfarrer
Innsbruck:
Spät aber doch – Protest goes West
„Endlich!“ so Claudia von Werlhof, Professorin and der Politikwissenschaftlichen Fakultät Innsbrucks, nach der Besetzung der Aula der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (SOWI) der Universität Innsbruck.
Spät aber doch schwappt die Welle des Studentenprotests selbst über die höchsten Berge bis hinein ins Herz der Alpen.
Niemand hätte es wirklich für möglich gehalten, aber vergangenen Donnerstag wurde die Aula eine Woche nach der Besetzung des Audimax in Wien tatsächlich in Beschlag genommen.
Symptomatisch sind zwei Dinge, nämlich die erste Rede, welche von der bereits erwähnten Professorin Claudia von Werlhof gehalten wurde und die Sowi-Aula, welche prompt in SOWIMAX umbenannt wurde. Dies lässt zwei Schlüsse zu, erstens fehlt es an einer studentischen Speerspitze, die diese Bewegung in eine Richtung bringt, zweitens ist das symbolische Zentrum der Proteste klar – der Audimax.
Ganz nach eben diesem Vorbild wurden Arbeitsgruppen geformt, die für die Ausformulierung von Forderungen, Aktionsplänen und Vernetzung verantwortlich sind, um diese später in den Plena zu diskutieren und abzustimmen.
Eines wurde den Studenten ziemlich schnell klar, nämlich dass Basisdemokratie nicht ganz so einfach ist wie erwartet, und das Selbstorganisation, wahrscheinlich durch die zunehmende Verschulung des Universitätsbetriebs, wieder erlernt werden muss.
Neben Trommelworkshops und leider sehr dürftigen Forderungen nach mehr Geld wurde aber eines in diesen Plena schnell klar, dass diese Bewegung nicht auf die Universität begrenzt werden kann und eine gesellschaftskritische Diskussion unabdinglich wurde.
Dies ist ein Punkt an dem sich die Geister scheiden und die Bewegung mitunter ihre Zerreißprobe findet. Es werden bereits zwei Tage nach der Besetzung Exit- Strategien diskutiert und es fehlt an einer grundsätzlichen Perspektive dieses Protestes.
Ich hatte die Gelegenheit bei den Herbstprotesten der italienischen Universitäten dabei zu sein. Eine Bewegung, die größer nicht sein konnte. Sie brachte mehrere 100.000 SchülerInnen, StudentInnen und Lehrende in einer nationalen Demonstration auf Roms Straßen. Dennoch war sie ein Tropfen auf dem heißen Stein, da ihr die politische Perspektive vollkommen fehlte. Ähnlich wie in Österreich wurden zwar Hörsäle besetzt, aber der Universitätsbetrieb aufrecht erhalten und die Diskussionen drehten sich vor allem um studentische Freiräume und eine verbesserte Finanzierung der Universitäten.
Unabdinglich jedoch ist es, die Lohnabhängigen, welche nur wenig Verständnis für die grölenden Studenten auf den Straßen zu haben scheinen, auf seine Seite zu ziehen und dieser Spaltung als bald wie möglich entgegen zu wirken.
Dies wird in Innsbruck heftig diskutiert und bietet nicht nur wegen der Tatsache, dass nicht die Geisteswissenschaftliche (Geiwi) sondern die konservativste Fakultät die Sowi als Zentrum der Proteste auserwählt wurde, eine gewisse Ausnahme.
Will diese Bewegung aber wirklich etwas in dieser Gesellschaft bewegen ist es notwendig aus den Fehlern der italienischen StudentInnen zu lernen. Die Unis sind ausnahmslos zu bestreiken und das weitere Ziel muss ein Schulterschluss mit den Lohnabhängigen sein.
von Antonio Della Rossa
Linz:
Dem Beispiel des Wiener Audimax folgend trafen sich am 26. Oktober ca. 25 StudentInnen an der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz um darüber zu beraten, ob und wie man die Proteste auch nach Linz ausweiten könnte. So beriefen wir für den folgenden Tag eine HörerInnenvollversammlung im größten Hörsaal der Uni Linz, dem HS 1 ein, an der ca. 200 StudentInnen teilnahmen und nach zwei Stunden Diskussion haben wir uns mit absoluter Mehrheit dafür entschieden, den Hörsaal zu besetzen.
Gleich zu Beginn versuchten wir, Strukturen zu schaffen, Arbeitsgruppen (AG) zu gründen und die Ergebnisse ins Plenum zu tragen. Mit großem Eifer begannen die KollegInnen zu arbeiten: Es gab AGs zu dem verschiedensten Themen wie Presse, inhaltliche Forderungen, Demokratie, Feminismus und Gender, MigrantInnen, Küche…
Doch sehr bald kristallisierte sich die strukturelle Schwäche der Basisdemokratie, auf der die gesamte Bewegung basiert, heraus. Es ging sehr viel Zeit verloren, die man eigentlich für die Mobilisierung hätte nutzen sollen. Es wurde weder an der Linzer Uni aktiv mobilisiert, noch schaffte man es, die Bewegung auf eine breitere Basis zu stellen. Nichtsdestotrotz muss man die Besetzung in Linz bereits jetzt als großen Erflog bilanzieren.
Der Funke war seit Beginn der Besetzung integraler Bestandteil dieser Bewegung und hat von Anfang an die Perspektive eines bundesweiten Streiktages von SchülerInnen, StudentInnen und ArbeitnehmerInnen hineingetragen. Wir haben bis jetzt mehr als 30 Zeitungen verkauft sowie unsere Forderungen aktiv in das Plenum getragen. Auf unsere Initiative wurde vom Plenum an der JKU Linz ein Beschluss für einen nationalen Aktionstag gefasst, wo wir vor allem im SchülerInnen- und StudentInnenbereich mobilisieren werden. Damit versuchten wir auch der Diskussion an anderen Unis und v.a. im Audimax eine Perspektive zu geben.
Unterstützt wird die Bewegung von sehr vielen Organisationen, Gruppen und Menschen, wie z.B. der FSG OÖ bzw. der Gewerkschaft GMTN, die Unterstützung bei der Demonstration am 5. November zugesagt haben, sowie von verschiedenen BetriebsrätInnen und Belegschaften, die seit Beginn den Protest unterstützt haben. Darüber hinaus haben die SJOÖ und die aks angekündigt, im SchülerInnenbereich zu mobilisieren.
Florian Gerard
Salzburg:
Auf der Demo waren ca. 500 Menschen. Danach ging es in den Hörsaal auf der Uni, der war mit mindestens 200 StudentInnen proppevoll. Es wurde beschlossen den Hörsaal zu besetzen und Arbeitsgruppen zu bilden. Beim Plenum wurden mehrere Beschlüsse gefasst: Solidarität mit den Metallern, „Uni brennt“ als Slogan behalten, Rauchverbot im Hörsaal und – mit ein paar wenigen Gegenstimmen – Ächtung von Vandalismus.
Wir konnten an diesem Tag 8 Zeitungen verkaufen und verteilten 100 Flugblätter auf der Demo.
von Flo Keller
TU Wien:
CHUCK NORRIS, studiert in Mindeststudienzeit.
Warum auch an der relativ bevorzugten Technischen Universität Wien die Proteste eine breite Unterstützung genießen
Im Gegensatz zu den StudentInnen der Universität Wien genießen TU-StudentInnen den zweifelhaften Ruf, sehr strebsam, nach vorne blickend und wenig politisch interessiert zu sein. Um gesellschaftspolitischen Problemstellungen aus dem Weg zu gehen, flieht der typische Technik-Nört in die Welt der Differenzialgleichungen und Programmiersprachen. Die relativ besseren Studienbedingungen könnten auch zu dem Schluss führen, dass TU-StudentInnen zufrieden sein sollten. Ganz im Gegensatz dazu steht allerdings die fortgesetzte Besetzung des zentralen Hörsaals der TU Wien, dem HS 1 im sogenannten Freihaus.
Aus Solidarität mit den BesetzerInnen des Audimax und weil wir deren Forderungen voll unterstützen, aber auch weil der Druck auf die Studierenden der aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht ganz so ausgehungerten TU in den letzten Jahren massiv zugenommen hat, wurde im Anschluss an eine HörerInnenversammlung mit mehr als 600 TeilneherInnen beschlossen, den Hörsaal zu besetzten.
„Wir sind gekommen, um zu bleiben!“
Vorallem das Bacchelor-Master-System sorgt bei den StudetInnen der TU für Unmut. Ein Studium an der TU war bekanntlich noch nie einfach und den Ablschluss in Mindeststudiendauer schafften nur die Besten der Besten. Mit der Einführung des Bacchelor-Master-Systems ist es nun aber so, dass beispielsweise die Erlangung des Bacchelor für Bauingenieurwesen in der vorgesehenen Studiendauer von 3 Jahren nicht einmal 2 Prozent der Inskribierten zustande bringen. Zur Erinnerung: Von der Erfüllung oder vielmehr Nichterfüllung der Mindeststudienzeit hängen der Erlass der Studiengebühren, die Studienbeihilfe und die Familienbeihilfe ab. Auch wenn TU-StudentInnen nicht unbedingt Probleme damit haben für wichtige Seminare zugelassen zu werden, der Druck schnell zu studieren ist enorm und ist wahrscheinlich eines der größten TU-spezifischen Probleme. Die Protestierenden der TU trugen diese Problematik mit Ironie in die Öffentlichkeit, indem sie das größte Tranparent des TU-Blocks bei der Mittwochs-Demonstration mit dem in der Überschrift zitierten Chuck-Norris-Fact schmückten (Chuck-Norris-Facts sind absurde Witze, bei denen unmögliche Leistungen dem Action-Darsteller Chuck Norris zugeschrieben werden).
Davon abgesehen unterstützen aber die AktivistInnen der TU alle anderen wesentlichen Forderungen der Bewegung. Zur Zeit wird aber auch diskutiert ob die Forderung nach einer Reichen- oder Vermögenssteuer zur Gegenfinanzierung in den Forderungskatalog aufgenommen werden soll.
Eure Krise zahlen wir nicht
Diese Forderung wird von den an der TU aktiven Funke-UnterstützerInnen natürlich voll unterstützt, denn nur wenn die Forderungen der Studierenden mit einer Gegenfinanzierung im Sinne einer Umverteilung von Oben nach Unten verbunden wird, ist garantiert, dass wir für den Erlass der Studiengebühren nicht mit einer 2prozentigen Mehrwertsteuererhöhung (Vorschlag der Industriellenvereinigung) zahlen. Hier könnte auch der Brückenschlag zwischen einer Studibewegung und der breiten Bevölkerung gelingen. Eine weitere positive Entwicklung ist, dass sich die StudentInnen der TU Wien mit der Metallergewerkschaft in ihrem Kampf gegen einen schlechteren Kollektivvertrag solidarisch erklärten. Die Diskussion zu diesem Punkt war geprägt von der Einsicht, dass StudentInnen allein nicht viel bewegen können, und dass wir in Verteidigung unseres Lebensstandards im selben Boot mit den ArbeiterInnen sitzen.
Streik?
Wie sich die Besetzung an der TU Wien weiterentwickelt ist schwer zu sagen. Die Frage ob versucht werden soll einen TU-weiten Streik durchzusetzen ist bis lang in den Plenas nur ungenügend behandelt worden. Es scheint jedoch eine gewisse Skepsis den MitstudentInnen gegenüber vorzuherrschen. In Einzelgesprächen ist vielfach zu entnehen, dass die TU Wien für zu apolitsch gehalten wird, als dass eine solche Kampfform mehrheitsfähig wäre. Ein Vorpreschen der Uni Wien würde auf alle Fälle die Pro-Streik-Stimmung stärken. Dass ein Streik dann auch von der Mehrheit getragen wird, hängt wohl vor allem auch vom konsequenten Auftreten der AktivistInnen ab. Denn selbst wenn tatsächlich die TU nicht unbedingt die politisierteste Gruppe der Studierenden stellt, so ist mit der Besetzung bereits etwas passiert, das kaum wer für möglich gehalten hätte. Das militante Auftreten des TU-Blocks bei der Demo am 28.10., der sicher einer der lautstarksten war, lässt außerdem das enorme Potential dieser Universität erkennen.
Wien: Campus Altes AKH – Hörsaal C1
Nach dem Audimax ist der C1 am Uni Campus der zweitgrößte Hörsaal auf der Uni Wien. Somit kommt ihm eine strategische Wichtigkeit zu und er wurde Mittwochabend nach der Großdemo ebenfalls besetzt.
Die StudentInnen des Campus beschlossen gleich zu Beginn den Hörsaal als ruhigeren Gegenpol zum Audimax zu etablieren. Das Programm beinhaltet Lernzeiten und Lehrveranstaltungen von ProfessorInnen, die sich mit den Protesten solidarisiert haben. Jeden Tag um 16.30 findet ein Plenum statt. Die Abendgestaltung ist mit Filmen und Vorträgen entspannt gehalten. Eine Volksküche gibt es auch.
Auch im C1 wurde die Basisdemokratie als adäquates Mittel zur Entscheidungsfindung anerkannt. Deshalb drehen sich Diskussionen oft stundenlang im Kreis, weil eine Abstimmung nicht erwünscht ist, sondern der Konsens gesucht wird. Gibt es aber zwei gegensätzliche Meinungen, ist es nicht möglich, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Es wird so lange diskutiert, bis es einer Partie reicht und sie den Saal verlässt, um Kaffee zu trinken oder ähnliches. So gewinnt nicht die Meinung, die eine Mehrheit hinter sich hat, sondern die, die am zähesten immer wieder vorgebracht wird. Wenn vor Abstimmungen eine längere Diskussionszeit einkalkuliert wird (bis sich die Diskussion im Kreis dreht oder abschweift), ist diese Methode hundert Mal demokratischer. Immerhin hat jeder, ob organisiert oder unorganisiert, nur eine Stimme…
Auch die Unterteilung in Arbeitsgruppen ist weniger demokratisch als sie auf den ersten Blick scheint. Denn es kann zwar rein theoretisch jeder in einer AG mitarbeiten, wenn er oder sie aber mehrere Themenkomplexe für wichtig hält, wird ihr dies unmöglich gemacht. Da eine AG meist den ganzen Tag hindurch tagt, weil Konsens finden eben seine Zeit braucht, ist der/die AktivistIn von anderen zentralen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Am Plenum wird nämlich, sollte zu einem Vorschlag einer AG Diskussionsbedarf bestehen, die Diskussion meist abgewürgt. Mit dem Argument, dass auch alle anderen Arbeitsgruppen berichten können sollten, wird etwas Zentrales an den Schluss verschoben, wo die Gesamtausrichtung der Bewegung dann einige wenige entscheiden, die bis zuletzt durchgehalten haben.
Die Bewegung entwickelt sich gut und zeichnet sich (bisher) durch einen großen Zusammenhalt aus. Allerdings sollten einige organisatorische Mittel ergriffen werden, um Diskussionen im Plenum möglich, aber nicht unendlich zu machen: Redezeitbeschränkung für jedeN RednerIn und eine Moderation, die die Sache zur Abstimmung bringt, wenn die Diskussion im Kreis läuft oder vom Thema abschweift.
von Julia Eder