Heute organisiert das Kollektiv „Kindergartenaufstand“, in dem sich KindergartenpädagogInnen zusammengeschlossen haben, einen Flashmob um auf ihre Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. Wir veröffentlichen hier den Aufruf zu dieser Aktion und einen Artikel zum Thema „Gratis“-Kindergarten.
Aufruf zum Flashmob:
Das Kollektiv Kindergartenaufstand lädt ein:
Liebe Leute!
Wir erheben uns von den zu kleinen Kindergartensesseln und proben den
Aufstand!
Am Donnerstag geht´s los: wir veranstalten einen Flashmob, wir treten an
die Öffentlichkeit!
Das ist ein Versuch und das ist auch ein Auftakt: wir wollen uns zeigen,
über unsere Bedingungen sprechen und nicht zuletzt ein bisschen mehr Mut
bekommen!
Was erwartet dich dort?
Am Donnerstag, den 25. Juni um 18.30 treffen wir uns beim U2-Lift neben
dem Museumsquartier.
Unser Ziel: wir tauchen schnell auf und schnell unter. Wir sind noch nicht
formiert genug für eine Demonstration? Aber frech genug, zu zeigen, dass
es langsam zu viel des Guten ist!
„Das Gute“ bringen wir mit – in Form eines Gläschens Babynahrung (vgl.
Hippglas).
In den fünf Minuten des Flashmobs wirst du es dir schmecken lassen.
Doch kannst du wirklich noch?
Hast du noch Appetit auf mehr?
Willst du dich von politischer Seite mit noch unverdaulicheren
Arbeitsbedingungen füttern lassen?
Die Antwort werden wir alle wissen lassen – NEIN!
Hab Mut und lass dich mit uns am Donnerstag blicken! Wir schaffen das
gemeinsam und unbürokratisch! Lass es ein Anfang sein!
Was mitzubringen ist und wo du uns helfen kannst:
Bitte ein Babynahrungsglas und einen Löffel.
Ein Latzerl oder eine Serviette, wenn du das willst. Wenn du extra
Servietten organisieren kannst, dann bring bitte welche mit!
Wir werden dein Glas mit der Aufschrift „Kindergartenaufstand“ verzieren!
Wenn du also Zugang zu Malerkrepp (Papierklebeband) und Plakatmalstiften
besitzt, dann bring welche mit!
Und zuletzt: informiere viele Leute, die du kennst, die von diesen
Zuständen auch betroffen sind und die sich von dieser Idee garantiert
anstecken lassen!!
Wir freuen uns bereits riesig auf dein Kommen!
Liebe Grüße, dein Flashmob-Team!
„Gratis“-Kindergarten in Wien – Alles leiwand?
Die SPÖ Wien plakatiert derzeit in der ganzen Stadt „Für unsere Jüngsten das Beste: Krippen und Kindergärten ab September zum Nulltarif“. Was hat es auf sich mit dem „Gratis“-Kindergarten?
Die Umsetzung dieser langjährigen Forderung ist zweifelsohne ein wichtiger Schritt zur finanziellen Entlastung von vielen Eltern. Kinderbetreuung ist nämlich alles andere als günstig. Derzeit gibt es in den städtischen Kindergärten rund 20.865 Kindergartenplätze für Kinder von 3-6 Jahren, in städtischen Krippen stehen rund 4.829 Krippenplätze für Kinder von 0-3 zur Verfügung. Bisher kostete ein Ganztages-Betreuungsplatz in einem städtischen Kindergarten monatlich 218,99 Euro (plus ein Beitrag für das Mittagessen in der Höhe von 57,41 Euro). Etwa die Hälfte der in Wien lebenden Kinder ist jedoch auf einen Platz in einem Privatkindergarten angewiesen. Wenn nicht beide Elternteile berufstätig sind, ist es deswegen nämlich meist unmöglich einen Platz in einem städtischen Kindergarten zu bekommen. Dies gilt vor allem für die Krippen, wo es einen eklatanten Platzmangel gibt.
Die Rechnung der Gemeinde Wien ist offensichtlich: Da ein Platz in einem städtischen Kindergarten teurer kommt als die Förderung eines Teils der Kosten in einer privaten Kinderbetreuungseinrichtung, wird ein Großteil der vorschulischen Kinderbetreuung privatisiert. Selbst das eher fragwürdige Konzept der Tagesmütter, ein Liebkind der ÖVP, wird so von der öffentlichen Hand gefördert. Die privaten Einrichtungen sind dabei meist noch um vieles teurer als die städtischen. Selbst von der Stadt geförderte Unternehmen wie „KinderCompany“ (der Name sagt wohl schon alles!) verlangen für einen Ganztagsplatz bis zu 429 Euro. Auch in elternverwalteten Kindergruppen gibt es kaum einen Platz unter 300 Euro monatlich. Gerade über diesen schwebt ständig das Damoklesschwert der Unfinanzierbarkeit, was oft nur durch zusätzliche Belastungen der Eltern (Beitragserhöhungen, Elterndienste, …) abgewendet werden kann.
Über die für die Kindergärten zuständige MA 10 konnten sich Eltern schon bisher je nach Einkommenssituation und Bedarf fördern lassen. In Familien, wo beide Eltern berufstätig sind, lag die Chance auf eine Förderung jedoch nahezu bei Null. Dazu kommt noch, dass das Fördersystem extrem intransparent ist, und es völlig unklar ist, wie die Förderungen berechnet werden. Dadurch ergeben sich teilweise recht große Unterschiede zwischen den einzelnen Servicestellen. Selbst sehr einkommensschwache Eltern mussten schon bisher monatlich an die 100 Euro für den Kindergarten zahlen.
Die jetzige Maßnahme der SPÖ-Stadtregierung ist sicherlich ein Schritt vorwärts. Nicht verschweigen sollte mensch aber, dass den Eltern auch in Zukunft Kosten entstehen werden. Der Essensbeitrag wird weiterhin zu zahlen sein. Und Kinder, die in privaten Einrichtungen sind, werden mit Sicherheit nicht voll gefördert werden. Die Stadtregierung hat schon angekündigt, dass die Kosten nicht explodieren dürften. Unter den gegebenen Umständen wird das also heißen, dass die Hälfte der Wiener Kinder keine beitragsfreie Betreuung haben wird.
Und es stellt sich natürlich die Frage, wie diese Maßnahme (Kostenpunkt ca. 75 Millionen Euro) finanziert werden soll. GewerkschafterInnen aus dem Sozialbereich warnen bereits, dass diese Summe aus dem Fonds Soziales Wien (FSW) kommen soll und in anderen Bereichen (z.B. der Behindertenbetreuung) Kürzungen zu befürchten sind.
Qualität
Michael Häupl hat in einem Interview gesagt: „Für uns ist der Kindergarten keine Garderobe, in der man die Kinder abgibt, sondern eine pädagogische Einrichtung.“ Wien nimmt im Vergleich zu den anderen Bundesländern in Sachen Kinderbetreuung sicherlich eine VorreiterInnenrolle ein. Doch bei den derzeitigen Rahmenbedingungen ist es de facto kaum möglich, in Kindergärten und -gruppen qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit zu leisten. Für die medial seit mittlerweile mehr als einem Jahr breit getretene Forderung nach einer Verbesserung der frühkindlichen Bildung – welche sich die SPÖ nun auf die Fahnen heften möchte – ist die derzeitige Personalausstattung nicht genügend.
Der Betreuungsschlüssel reicht vor allem dort, wo immer mehr Kleinstkinder von 1,5-3 Jahren in die alterserweiterten Gruppen aufgenommen werden, gerade mal für eine sichere Aufbewahrung der Kinder. Die PädagogInnen sind zusehends gar nicht mehr in der Lage, Bildungsarbeit zu leisten. Um pädagogisch wertvolle Arbeit leisten zu können, bräuchten die KindergartenpädagogInnen auch viel mehr Vorbereitungsstunden bzw. Zeit für Teamsitzungen, um auf Basis von beobachteten Entwicklungsbedürfnissen der Kinder Bildungsangebote planen zu können. Und Zeit für Fortbildungen, Elternarbeit, Entwicklungsdokumentationen usw. Diese Tätigkeiten müssen momentan entweder unentgeltlich von den PädagogInnen in ihrer Freizeit durchgeführt werden, oder passieren – wie z.B. im Falle von Elternarbeit – oft nur „nebenher“ – also zu Lasten jener Zeit, die für die unmittelbare pädagogische Arbeit mit den Kindern zur Verfügung steht.
Durch den eklatanten Personalmangel wird auch immer öfter unqualifiziertes Personal eingestellt. Das ist – durch eine Verordnung gedeckt – in Zeiten von Personalmangel „vorübergehend“ möglich. Diese Maßnahmen bedrohen nicht nur die Qualität der Arbeit, sondern drücken auch die ohnehin schon erschreckend niedrigen Löhne der PädagogInnen.
Gegen diese Zustände hat sich in Wien die Initiative „Kindergartenaufstand“ (kindergartenaufstand@gmx.at) gegründet, bei der PädagogInnen diverser Trägerinstitutionen von Kinderbetreuungseinrichtungen aktiv sind.
Dieser Artikel von Martin Fritzenwanker erschien in der Mai-Ausgabe (Nr. 88) unserer Zeitung „Der Funke“. Martin Fritzenwanker ist Vater, angehender Kindergartenpädagoge, Funke-Unterstützer und aktiv im „Kindergartenaufstand“.