Es ist gar nicht so einfach, sich ein korrektes Bild von einem Kapitalisten und seiner gesellschaftlichen Klasse zu machen: in den meisten Fällen bekommt man ihn nämlich fast gar nie zu Gesicht. Von Raphael Lins.
Das dürfte daran liegen, dass es nur noch extrem wenige Kapitalisten gibt – und das wiederum ist so, weil sich in unserer Gesellschaft der Reichtum immer mehr an der obersten Spitze konzentriert.
Schauen wir uns diese Konzentration des Kapitals auf weltweiter Ebene an: mittlerweile besitzen gerade noch 42 Personen gleich viel Reichtum wie die 3,7 Mrd. ärmsten Menschen auf der Erde (Oxfam 2018) – 2015 waren es „noch“ 85 Personen. Diese obszön auseinandertreibenden Zahlen erscheinen schon fast unwirklich: bei dieser kleinen Zahl an superreichen Kapitaleigentümern konzentrieren sich Reichtum und wirtschaftliche Macht. Die österreichische kapitalistische Klasse ist übrigens von solchen Zahlen gar nicht weit entfernt: allein die reichsten zehn Familien besitzen 11% des gesamten Vermögens – da findet man Namen wie Porsche/Piëch, Mateschitz (Red Bull), Pierer (KTM), Graf (Novomatic) usw. Zum Vergleich: die ärmste Hälfte der Menschen in Österreich besitzt 2,5% des Vermögens!
Prinzipiell lässt sich an diesen Beispielen bereits gut darstellen, was die Stellung eines Kapitalisten in der Gesellschaft ausmacht: es ist zuallererst der Besitz von Kapital, vor allem in Form von Produktionsmitteln, das sind Grund und Boden, Maschinen, Fabriken, Rohstoffe, usw. – also alles, was der größte Teil der Menschen nicht (in relevantem Umfang) besitzt. Dass mittlerweile oft nicht mehr der „eine“ Chef der Eigentümer der Fabrik ist, sondern ein Aktienkonzern in Streubesitz, aufgeteilt zwischen einer ganzen Reihe von einzelnen Kapitalisten, spielt für die generelle gesellschaftliche Situation keine Rolle, sondern verschleiert sie höchstens.
Dieses Eigentum an den Produktionsmitteln ist es, was der kapitalistischen Klasse (der Bourgeoisie) zu ihrer gesellschaftlichen Stellung verhilft. In ihren Fabriken und Unternehmen arbeiten Menschen, durch deren Arbeit erst ihr Vermögen geschaffen und ausgebaut wird. Der Mythos vom „reich werden durch harte Arbeit“ stimmt also nur insofern, dass alle KapitalistInnen letztendlich deswegen reich sind, weil die ArbeiterInnen hart für sie arbeiten und von ihnen ausgebeutet werden!
Dem Prinzip der ständigen Gewinnmaximierung folgend, wird allerdings die Anzahl der Unternehmen und Gesellschaften immer geringer, ständig schlucken größere Unternehmen, die effizienter produzieren können, ihre kleineren Konkurrenten oder verdrängen sie vom Markt. Immer mehr wirtschaftliche Macht vereinigt sich auf wenige riesige, weltumspannende Aktienkonzerne. Diesem Prozess folgend wird natürlich auch die Anzahl der Eigentümer geringer – immer weniger Menschen besitzen immer mehr Unternehmen und natürlich den Gewinn, den diese erwirtschaften. 82% des im letzten Jahr erwirtschafteten Gelds wanderte in die Taschen von dem einen Prozent, das an der Spitze der Gesellschaft steht (CNBC, 22.1.2018).
Diese „Spirale“ der Konzentration des Reichtums ganz oben ist aus dem kapitalistischen System nicht wegzukriegen: gerade darauf basiert es.
(Funke Nr. 168 / November 2018)