„Um den Sozialismus aufzubauen: Die Arbeiterklasse muss sich an die Spitze der Revolution stellen“ – unter diesem Titel fand am 28. und 29. April die IV. Konferenz der Corriente Marxista Revolucionaria (CMR) in den Räumlichkeiten der besetzten Fabrik INVEVAL in Los Teques statt. Insgesamt 65 GenossInnen, Gäste und SympathisantInnen nahmen an dem zweittägigen Treffen teil. Ein Bericht von unseren GenossInnen aus Venezuela.
Jorge Paredes, Arbeiterdirektor von INVEVAL, Proponent der Partido Socialista Unido de Venezuela (PSUV) und Führungspersönlichkeit der FRETECO (Revolutionäre Einheitsfront der besetzten Ebtriebe und Betriebe in Cohestion) eröffnete gemeinsam mit einem zweiten Kollegen die Tagung.
Grußworte von der FNCEZ, von den ArbeiterInnen von Sanatarios Maracay und INAF
Die erste Begrügungsansprache wurde von den Genossen der Frente Nacional Campesino Ezequiel Zamora (FNCEZ) gehalten. Sie betonten ihre Absicht, die Zusammenarbeit zwischen der CMR, der FRETECO, anderen ausgewiesenen linken Kräften der Revolution und der revolutionären Bauernbewegung, die rund um die Wahlen am 3. Dezember unter dem Namen „Die Oligarchen zittern“ begonnen hatte, zu vertiefen. Die Focusierung der revolutionären Bewegung auf die Frage des Eigentums, der Besetzungen, sowie die Haltung zur PSUV wurden als zentrale Gemeinsamkeiten zwischen der Bauernbewegung den der MarxistInnen der CMR herausgearbeitet.
Nach den Genossen der Bauernbewegung ergriffen Repräsentanten der FRETECO und von INAF das Wort. José Villegas, der Anführer der Fabriksbesetzung von Sanatarios Maracay überbrachter der Konferenz die Grüße des ArbeiterInnenkollektivs der Fabrik. Er selbst war einer jener 24 Verhafteten der brutalen Übergriffe auf die ArbeiterInnen der Fabrik, die auf Order des Gouverneurs des Bundesstaates Aragua Didalco Bolivar am 24. April von Polizei und Natioanlgarde durchgeführt wurde. Er betonte, dass der Kampf für die ArbeiterInnenkontrolle und den Sozialismus allen Widerständen der Konterrevolution, der ReformistInnen und KapitalistInnen zum Trotz mit voller Energie weitergeführt werde und bedankte sich für die Solidaritätsaktionen.
Die internationale Situation
Francisco Rivero eröffnete die Diskussion der Konferenz mit einem Referat über die internationale Situation. Er betonte den krisenhaften Charakter des Weltkapitalismus, eines Systems, dem es unmöglich ist die Produktivkräfte so zu entwickeln, dass der Weltbevölkerung eines menschlichen Lebens ermöglicht werde. Die Instabilität an den Börsen zeige die Nervosität der KapitalistInnen; ihr mangelndes Vertrauen, die Wachstumsraten beibehalten zu können. Die Epoche des kapitalistischen Aufstieges und der Blüte des Kapitalismus sei endgültig vorbei, so Rivero.
Ferner betonte er den kapitalistischen Charakter Chinas und warnte vor einer einseitigen Sicht des Nahen und Mittleren Ostens. Die Popularität von Chávez in dieser Region verweise auf das enorme Vakuum der Linken, aber auch das revolutionäre Potential der Region.
Schließlich ging er in seiner Rede auf Lateinamerika, die “Vorhut der Weltrevolution”, ein.
Perspektiven und Aufgaben der Arbeiterinenklasse in der bolivarischen Revolution
José Antonio Hernández leitete die Perspektivdiskussion zu Venezuela unter dem Titel „Perspektiven und Aufgaben der Arbeiterinnenklasse in der bolivarischen Revolution“. Er analysiert den Wahlerfolg vom 3. Dezember als weiteren harten Schlag gegen die Konterrevolution, der eine neue revolutionäre Phase einleitete. Dabei wurde die Analyse der letztjährigen Konferenz der CMR, dass nach der Wahl die Widersprüche innerhalb der bolivarischen Bewegung stark zunehmen würden, voll von den Ereignissen bestätigt. Die Initiative zur Gründung der PSUV, die Auseinandersetzung zwischen Chávez und den Gouverneuren der Bundesstaaten Sucre und Aragua (Ramón Martínez und Didalco Bolívar), die brutalen Übergriffe gegen die ArbeiterInnen von Sanatarios Maracay etc.: „Wir gehen Richtung einer entscheidenden Auseinandersetzung gegen Kapital und ReformistInnen“, so Hernandez.
Darüber hinaus behandelte er das politische Bewusstsein der venezolanischen Massen, die erstmals ihre Leben selbst in die Hand nehmen. „Der politische Faktor, das Bewusstsein der Menschen über ihre gesellschaftlichen Möglichkeiten, ist heute wichtiger als die ökonomische Situation und die daraus abgeleiteten Handlungsmuster. Dies trifft nicht nur auf die ArbeiterInnen zu, sondern auch auf die UnternehmerInnen. Daraus ergibt sich die permanente ökonomische Sabotage seitens der Oligarchie – ganz im Einverständnis mit der konterrevolutionären und reformistischen Bürokratie.“
“Das Wichtigste im revolutionären Prozess ist, dass die ArbeiterInnenklasse sich an die Spitze stellt, nur so kann sie Erfolg haben. Der Aufbau der Consejos de Trabajadores (ArbeiterInnenräte) in Kombination mit der Schaffung von Consejos Comunales (Kommunalräte) ermöglichen eine Koordination aller gesellschaftlicher Bereiche. Damit haben die Menschen die Möglichkeit die alte staatliche Struktur, die von der Bourgeoisie geschaffen wurde, zu beseitigen. Die einzige Möglichkeit der Kommunalräte ihre Beschlüsse durchzusetzen besteht in ihrer engen Zusammenarbeit mit der ArbeiterInnenklasse, die sich damit an die Spitze des revolutionären Prozesses stellt. Die Koordination der Räte auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene wird den alten Staatsapparat ersetzen.“
José Antonio hob die historische Chance hervor, die durch den Aufruf Chávez’ an die ArbeiterInnenklasse, dass sie “die Rolle in der Revolution einnehmen sollen, die ihnen zustehe”, geschaffen wurde. Desgleichen, dass Chávez dazu aufruft das Übergangsprogramm Trotzkis zu studieren. „Noch nie seit 1917 hat ein von den Massen allgemein anerkannter Führer einer Revolution sich öffentlich zu Trotzki bekannt und dazu aufgerufen seine Ideen zu studieren. Die Situation ist unglaublich fruchtbar, vorausgesetzt man versteht was passiert und greift mit einem vorwärtstreibenden Programm und den richtigen Methoden in den Prozess ein.“
Zum Schluss seiner Ausführungen betonte er nochmals die Notwendigkeit dass die ArbeiterInnenklasse sich ins Zentrum der Revolution rückt, sich in Räten organisiert und das Kapital in ihrem Herzen angereift. Die Rolle einer revolutionär marxistischen Führung wird auch in kommenden Ereignissen eine wichtige, wenn nicht entscheidende Rolle spielen, daher die Aufgabe die marxistische Strömung weiter zu verbreitern und vergrößern und neue revolutionäre Kader herauszubilden.
Die ArbeiterInnenräte, die PSUV und die anstehenden Aufgaben der Revolution
In der anschließenden sehr lebhaften Debatte wurden zentrale Aspekte eingehender erörtert. Es wurde etwa hervorgehoben, dass MarxistInnen auf jeden Fall in die neu gegründete PSUV eintreten müssen um gegen den Reformismus mit einem sozialistischen Programm anzutreten, und die ArbeiterInnenklasse geschlossen in die Partei zu führen. Im Zuge der Diskussion wurde auch auf die Verwirrung von Teilen der UNT bezüglich der ArbeiterInnenräte hingewiesen. Verschiedene KollegInnen glauben, dass diese Räte anti-gewerkschaftlich seien – eine Annahme die grundfalsch ist. Die Gewerkschaft soll und kann in diesen Räten für eine revolutionäre Orientierung der Belegschaft eintreten.
Hervorzuheben sind die Redebeiträge von Luis Primo, UNT-Koordinator in Caracas-Miranda und Proponent der PSUV in der ArbeiterInnenbewegung; jene der GenossInnen von INVEVAL, die in der Fabrik ein „Sozialistisches Batallion“ (so der Name der Parteiorganisation in den Betrieben, Anm.) gegründet haben; oder auch jene von Pablo Cormenzana, Gründer der CMR in Los Teques und Proponent der PSUV in der Region. Darüber hinaus beteiligten sich an der Debatte: Elizabeth Alves, Mitgründerin der CMR, ehemalige Vizerektorin der Bolivarischen Universität und aktuelle Beraterin des Vizekanzleramts für Lateinamerika, sowie Jacobo Moro, Veteran der kommunistischen Partei in den 1970er Jahren und ehemaliger Vizeminister für Gesundheit während des Putsches vom April 2002, die beide die Wichtigkeit der Arbeit in und für die Besetzung von Betrieben als zentrale Achse zur Bildung einer neuen revolutionären Staatlichkeit hervorhoben.
Interessant waren auch die Beiträge der Delegierten aus Bolivar und Merida. In Bolivar stellen GenossInnen der CMR die Führung der regionalen Studierendenbewegung, in Merida ist die Ortsgruppe der CMR konstituierender Bestandteil der Frente de Fuerzas Socialistas, der Einheitsfront aller linksbolivarischen Kräfte in der Andenregion, die sich unabhängig vom offiziellen korrupten Bolivarianismus organisiert haben.
Jacobo Acosta, Exekutivsekretär der Postarbeitergewerkschaft Caracas, sowie Muigel Montes, Vorsitzender der Partei MDD (Movimiento Democracia Directa) im Bundesstaat Varagas, hoben die Notwendigkeit der Propaganda für ein marxistisches Programm in der PSUV hervor.
Mit großem Enthusiasmus wurde die Intervention der Genossin Maritania Camargo, der Repräsentantin der besetzen Betriebe Brasiliens in Venezuela aufgenommen. Maritiana gehört der marxistischen Strömung „O Trabalho“ aus Brasilien an. Sie und andere Anhänger dieser Strömung arbeiten seit einigen Monaten eng mit den GenossInnen des CMRs zusammen.
Revolutionärer Enthusiasmus
Der Kongress verabschiedete eine Grußadresse an die gleichzeitig stattfindende Konferenz von “O Trabahlo” in Brasilien. Weiters wurde ein Solidaritätsbotschaft an die GenossInnen von “Socialistik Stadpunkt” in Dänemark verabschiedet – ebenso wie eine Soli-Botschaft an die marxistischen GenossInnen der SJ Wien, die die zentrale Rolle in der Organisierung des historischen Meetings in Solidarität mit der venezolanischen Revolution eingenommen hatten. „Hände weg von Venezuela und Kuba“ hatte vor einem Jahr etwa 5.000 Jugendliche zu diesem Treffen mobilisiert, an dem Alan Woods und Präsident Chávez teilnahmen. Diese GenossInnen sehen sich heute den Angriffen und Ausschlüssen des rechten Flügels der ArbeiterInnenbewegung ausgesetzt.
Besonders erhebend war die Verlesung der Grußbotschaften durch GenossInnen aus verschiedenen Ländern, die dem Kongress beiwohnten. Die CMR wurde insbesonders für ihre Verteidigung des Marxismus in der venezolanischen Revolution – gegenüber dem Reformismus und Opportunismus ebenso wie gegenüber dem Sektierertum – gewürdigt.
Abschließend an die Diskussion wurde die Bilanz der vergangenen Arbeit ebenso wie die Aufgaben der nächsten Monate zur Abstimmung gebracht und angenommen.
Die MarxistInnen in der PSUV
Ein wichtiger Beschluss der Konferenz ist der Aufruf an alle Genossinnen der CMR der PSUV beizutreten und in dieser Partei dafür zu kämpfen, dass dies der Aufbau einer revolutionären Partei werde, dass die Partei ein Instrument der Arbeiterklasse und aller Ausgebeuteten werde, um die Revolution zu ihrem Ziel zu führen – zur Überwindung des Kapitalismus. Dafür müsse die Partei demokratisch organisiert und mit einem marxistischen Programm ausgestattet sein.
Positiv bilanziert wurde die Arbeit der FRETECO. Es wurde beschlossen, dass der weitere Aufbau dieser Einheitsfront der besetzten Betriebe weiter die zentrale Achse der CMR sein wird.
Bedeutsam ist weiters die Verdreifachung der Verkaufszahlen ihrer Zeitung El Militante während der letzten Monate. Damit konnte nun aus eigenen Ressourcen, ohne öffentliche oder private Spenden eine Kopiermaschine erworben werden, die es uns ermöglicht Flugblätter, Schulungsbroschüren etc. günstig zu produzieren und in großen Auflagen in der bolivarischen Bewegung, der UNT, der FRETECO und der PSUV zu verbreiten.
Mehrere GenossInnen betonten die Wichtigkeit, dass jedeR GenossIn sich in der “marxistischen Tradition der Opferbereitschaft” (Trotzki) üben müsse, um unsere Aktivitäten finanzieren zu können. Wir lehnen es vollständig ab von öffentlichen Mitteln abhängig zu sein, oder von einzelnen finanzkräftigen Financiers. Solche Fianazierungsmethoden sind dem Kampf der Arbeiterklasse abträglich. Ein Beispiel, was revolutionärer Enthusiasmus vermag, war die Kollekte auf der Konferenz: Von den TeilnehmerInnen wurden fünf Millionen Bolivar (ca. 1900 Euro) in Form von Spenden aufgebracht.
Ein anderer Aspekt, der von vielen GenossInnen hervorgehoben wurde, ist die Verbreitung marxistischer Literatur, die gemeinsam mit dem Verkauf des El Miltante zu einer Art Trade-Mark der CMR n der ArbeiterInnenbewegung und der PSUV geworden sind. Wir sind die einzige Strömung in Venezuela, die programmatische und strategische Literatur, Vorschläge zum Aufbau und Entwicklung der neuen Partei in Form von Flugblättern, Zeitung und Literatur bieten.
Zum krönenden Abschluss der Konferenz durfte die „Internationale“ – die Hymne der weltweiten ArbeiterInnenbewegung – nicht fehlen.