Durch die Hypo-Krise gerät das Wutbürgertum wieder in Bewegung – allein es kann keine politische Alternative formulieren. Nur die Arbeiterbewegung könnte den unerträglichen Zuständen etwas entgegensetzen. Doch die verharrt noch in Passivität.
Traditionsgemäß werden einer neuen Regierung 100 Tage eingeräumt, bevor politische Kommentatoren eine erste Bilanz ziehen. Diese fiel in den bürgerlichen Medien überraschend positiv aus. Eric Frey etwa schreibt, dass die „Emotionalität in der Hypo-Debatte besorgniserregend ist und eine politische Kultur fördert, die das Hypo-Desaster erst ermöglicht hat“ (?!). Dieser zusammenhangsfreie Buchstabensalat, wird dann zur inhaltlichen Konklusio verdichtet, dass die Regierung mehr Rücksicht auf die Stabilität des Finanzmarktes als auf das Budget genommen habe, und da gäbe es höchstens „Details“ zu kritisieren (Der Standard, 22.3.2014). Die Reihen werden nun dichtgemacht, die Herrn Chefredakteure verschreiben sich der eingeforderten politischen Stabilität. Die Raiffeisen gibt wieder launische Interviews im Stil höfischer Berichterstattung, und die Industriellenvereinigung fordert schon offen „Reformen in Verwaltung, im Gesundheits- und Pensionssystem“, um die durch die Bankenrettung aufgerissenen Milliardenlöcher zu stopfen. Ein von der Regierung eingesetztes „Untersuchungskomitee“ wird den größten politischen Skandal der Geschichte der Republik „unpolitisch, objektiv und rechtskonform (?)“ (Spindelegger, 22. März) untersuchen.
In der Zwischenzeit sollen der Steuerzahler und die Tranferleistungsempfängerin für die Bankenrettung die Rechnung zahlen. Industrielle, Banken, Minister, Spitzengewerkschafter und Chefkommentatoren sammeln sich derweil zum Zeremoniell und spenden dem Zug durchs Jammertal die verheißungsvollen Worte politischer und wirtschaftlicher Stabilität.
Die Wut wird bald verfliegen, so kalkulieren die Damen und Herren in der Regierung: Bald schon wird sie wieder der Geschäftigigkeit des Kleinbürgers und der Suche nach dem Seelenheil des NEOS-pinkfarbenen Schamanentums weichen. Die Niederlage der Regierungsparteien bei den EU-Wahlen wird von der SPÖ-Führung mit der Mine des Stoikers als unvermeidlicher Preis für die Rettung der „Stabilität“ hingenommen werden. Der drohende Erfolg der Rechtsextremen wird als politische Peitsche zur inneren Disziplinierung der Sozialdemokratie herhalten und soll die Wutbürger nochmal ins Lager des kleineren Übels zwingen.
Die ÖVP wird ihrem Obmann die ganze Verantwortung aufhalsen und ihn dann in die Privatwirtschaft oder nach Brüssel vertreiben. Die stärkste Stütze für Spindelegger ist bisweilen Faymann, der jede Kritik an der ÖVP untersagt hat und von seinen Abgeordneten Kadavergehorsam einfordert.
Derweil wird eine Politik der Luftblasen und der „Leuchtturmprojekte“ betrieben. Beispiel: Der Sozialminister kündigt neue Mittel für den Arbeitsmarkt an, verschweigt aber das gleichzeitige Auslaufen ebensolcher Arbeitsmarktgelder. Am besten werden solche Polit-Fata Morganas dann in den Regierungs-Doppelconferencen in allen Bundesländern lanciert. Vor geladenem Publikum, wo vom Bischof bis zum Betriebsrat des lokalen Großunternehmens beim ministeriellen Brötchenempfang der nationale Schulterschluss zelebriert werden soll. So ungefähr stellen sich die Politstrategen die kommenden Wochen vor. Länger denken diese Poltiker nicht voraus.
Faymann führt die SPÖ – mit sicherer Hand – auf den Weg der PASOK. Der Unterschied zwischen den “Großen” Koalitionen in Athen und Wien liegt allein im größeren ökonomischen Spielraum Österreichs. Dieser jedoch wird kleiner, und eine wirtschaftliche und soziale Stabilisierung ist weit und breit nicht in Sicht. Unter den gegebenen globalen ökonomischen Bedingungen ist die soziale Ruhe eine Illusion. Das Grundproblem jeder zeitgenössischen reformistischen Politik liegt darin, dass man sich diese nur als Mittel zur Wiederherstellung ökonomischer Stabilität vorstellt. Realpolitisch bedeutet dies die permanente ökonomische, soziale und politische Unterordnung der Arbeiterbewegung unter die unmittelbaren Bedürfnisse des Marktes. Und der Markt – das erleben wir bei der Hypo nun live – ist nicht die „unsichtbare Hand“, sondern das sind Banken, Konzerne und Lobbyisten mit Namen und Adressen. Diese Politik führt zu Frust, Desorientierung und weitverbreiteter politischer Abstinenz und Ablehnung „des Systems“.
So bereitet der Reformismus, der in den Organisationen der Arbeiterbewegung seit Jahrzehnten das Sagen hat, große Niederlagen für und Spaltungen in der Arbeiterbewegung vor.
Auch die Gewerkschaften haben dem wenig entgegenzusetzen. Eingezwängt zwischen einer ungenießbaren Regierungspolitk und der selbstgewählten Standortlogik hat die Gewerkschaftsbewegung den Rückwärtsgang eingelegt. Das einzige was bleibt ist die Hoffnung, in Zukunft unter besseren ökonomischen Bedingungen verhandeln zu können. Allein diese Strategie scheitert, und in einem Betrieb nach dem andern gehen die Unternehmer in die Offensive und schaffen Tatsachen. Eine gemeinsame Strategie, würde es brauchen, die fehlt bisher aber völlig.
Politische Umwälzungen, neue Ideen und Methoden, soziale Kämpfe sowie der Ruf nach Demokratie in den eigenen Organisationen werden die Phase der Lethargie ablösen. Allerdings deutet alles drauf hin, dass die Arbeiterbewegung durch die Politik der SPÖ- und ÖGB-Spitze noch tiefer in die Krise gestürzt wird, bevor sie sich erneuern wird können.
Wien, 25. März 2014
Weitere Themen der neuen Ausgabe
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- Antifaschismus ist kein Verbrechen
- Arbeitskampf bei Mahle König (Vorarlberg)
- Betriebsbericht Schoeller-Bleckmann (NÖ)
- Permanentes Sparpaket bei voestalpine
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- Bedeutung der Krim-Krise
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- Spanien: Marsch der Würde
- Frühling in Bosnien – ein politischer Reisebericht
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