Die Ankündigungen von Israels Premierminister Netanjahu, Rafah zu erobern, drohen den gesamten Nahen Osten zu destabilisieren. Die Gefahr eines allgemeinen Krieges wird immer realer. Alle Regimes in der Region sind von Revolutionen bedroht, da die Wut der Massen immer weiter ansteigt. Von Fred Weston.
Rafah ist eine Stadt, in der normalerweise etwa 250.000 Menschen leben. Jetzt sind 1,5 Millionen Palästinenser dort zusammengepfercht, fast drei Viertel der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens vor dem Krieg. Diese Menschen leben unter unerträglichen Bedingungen. Eine große Zahl kampiert in Zelten unter der ständigen Bedrohung weiterer brutaler Angriffe. Viele dieser Menschen waren zunächst aus Gaza-Stadt und dann aus Khan Younis geflohen und stehen nun mit dem Rücken zur Wand an der ägyptischen Grenze. Sie haben buchstäblich keinen sicheren Ort, an den sie gehen könnten, noch dazu machen Hunger und Krankheiten sich unter den zusammengepferchten Massen breit. Die Bedingungen sind unvorstellbar.
In dieser Situation schlug der israelische Premierminister Netanjahu vor, dass sie ja wieder nach Norden gehen könnten: „Dort gibt es viele Gebiete.“ Das ist an Zynismus und Hass auf die Palästinenser nur schwer zu überbieten: Ja, es gibt viele zerbombte Gebiete, viele Trümmer. Die Palästinenser haben zwei Möglichkeiten: Entweder sie fliehen an die Strände oder sie versuchen sich nach Norden durchzuschlagen.
Die Aussicht auf noch schrecklichere Szenen auf noch höherem Niveau, die Millionen von einfachen, arbeitenden Menschen im gesamten Nahen Osten und Milliarden Menschen weltweit sehen werden, lässt die Nerven der westlichen Imperialisten flattern. Dies hat jedoch nichts mit humanitären Bedenken zu tun. Sie haben zugesehen und zugelassen, dass in den letzten vier Monaten fast 30.000 Palästinenser durch das israelische Militär getötet wurden und die israelische Regierung mit Waffen und Munition versorgt.
Ihre Sorge gilt nicht dem Leben der Palästinenser, sondern sie haben Angst vor einer weiteren Destabilisierung der Region und der realen Gefahr des Zusammenbruchs von Regimes in benachbarten Ländern.
Pläne neuer Siedlungen im Gazastreifen
Denn der Krieg hat eine eigene Logik: In der sich verschärfenden inneren Krise Israels mit scharfen politischen Spaltungen sieht sich Netanjahu mehr und mehr den rechtsextremen Parteien gegenüber in der Pflicht. Das erklärt auch, warum die Rechte in Israel jetzt in die Offensive geht und davon spricht, das 2005 aufgegebene Siedlungsprogramm in Gaza wieder aufzunehmen. Es wird als die einzige Möglichkeit dargestellt, die „Sicherheit“ zu gewährleisten.
Bei einer dazu kürzlich in Jerusalem organisierten Konferenz mit tausenden Teilnehmern waren nicht weniger als 12 Minister von Netanjahus Likud-Partei sowie 15 Mitglieder der Regierungskoalition anwesend. Der israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, sagte in seiner Rede: „Wenn wir keinen weiteren 7. Oktober wollen, müssen wir nach Hause zurückkehren und [Gaza] kontrollieren. Wir müssen einen legalen Weg finden, damit [Palästinenser] freiwillig auswandern.“ Der rechtsextreme Finanzminister Smotrich fügte hinzu: „Ohne Siedlungen [in Gaza] gibt es keine Sicherheit.“
Diese Leute sind davon überzeugt, dass Gaza ihnen gehört. Auf die gleiche Weise glauben sie, dass das Westjordanland Teil ihres „gelobten Landes“ ist, und sie planen, mit dem Gazastreifen das zu tun, was sie mit dem Westjordanland getan haben: Soldaten und Siedler schicken und die Palästinenser allmählich vertreiben. Die Mehrheit der Israelis unterstützt diese Position nicht, aber sie gewinnt an Zustimmung. Laut einem Artikel im „The New Arab“, der über die Konferenz berichtete, ergab „eine kürzlich durchgeführte Umfrage des israelischen Senders Kanal 12 […], dass 4 von 10 Israelis die Wiederbelebung der Siedlungen in Gaza unterstützen.“
Das ist die Stimmung, die im rechten Flügel vorherrscht. Netanjahu ist auf diese Leute angewiesen, und deshalb muss er sie bei Laune halten.
Breitere Eskalation am Horizont
Die Lage ist so angespannt, dass sogar das ägyptische Regime von Al-Sisi droht, dass das 1979 zwischen Israel und Ägypten unterzeichnete Friedensabkommen in Gefahr sein könnte, sollte Israel eine humanitäre Katastrophe in Rafah provozieren.
Das Al-Sisi-Regime ist kein Freund des ägyptischen Volkes und auch nicht der Palästinenser. Dennoch spürt selbst dieses reaktionäre Regime den Druck, der sich in den Tiefen der ägyptischen Gesellschaft aufbaut. Eine neue arabische Revolution im Stil von 2011 bereitet sich vor und das Leiden der Palästinenser könnte sich als der Tropfen erweisen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Das erklärt auch, warum Ägypten Druck auf die Hamas-Führer ausübt, damit sie einer Art Vereinbarung zustimmen, die zu einem Waffenstillstand führen kann. Sie müssen dringend das Feuer löschen. Das Problem ist, dass die zionistischen Pläne für den Gaza-streifen sehr wenig Spielraum für solche Manöver lassen.
Und wenn die Flammen in Gaza nicht gelöscht werden, könnten sie sich von einem Regime zum nächsten in einer Welle von Massenaufständen ausbreiten, die viele der reaktionären Despoten in der Region zu Fall bringen könnten. Auch der jordanische König, der auf einem ebenso explosiven Pulverfass sitzt, zeigt sich besorgt.
Die globale Krise des Kapitalismus hat in der gesamten Region soziale und wirtschaftliche Bedingungen geschaffen, die den Boden für ein solches Szenario bereiten. Die Imperialisten zittern vor dieser Perspektive. Aber sie haben keine wirkliche, dauerhafte Lösung. Der Grund dafür ist, dass sie selbst das Hauptproblem sind. Sie haben diese Situation verursacht, und die einzige wirkliche Lösung besteht darin, sie alle zu stürzen.
Das Beste, was wir als Kommunisten auf der ganzen Welt für das palästinensische Volk tun können, ist, in unseren eigenen Ländern gegen unsere eigenen herrschenden Klassen zu kämpfen. Das kann nur durch revolutionären Klassenkampf erreicht werden, der, um erfolgreich zu sein, eine revolutionäre kommunistische Führung benötigt. Wut über die Situation ist nicht genug. Organisiert euch und schließt euch den Kommunisten im Kampf an, um diesen Albtraum zu beenden.
(Funke Nr. 221/27.02.2024)