Mit schlafwandlerischer Sicherheit produziert der Kapitalismus fortlaufend neue Katastrophen, ohne ein einziges Problem lösen zu können. Die Epoche der „Globalisierung“ endete in einer Spirale von (Handels-)kriegen, Aufrüstung und Völkermord. Von Emanuel Tomaselli.
Hier wirkt der grundlegende Widerspruch der kapitalistischen Wirtschaft: die Überproduktion. Egal ob Autos, Solarzellen, Stahl oder chemische Grundstoffe, riesige Überkapazitäten verstopfen den Weltmarkt und drücken die Profite. Durch Protektionismus versuchen die Kapitalisten ihre jeweils eigene Produktion zu schützen und die Krise zu exportieren. Dies schiebt auch eine militärische Neuaufteilung der Welt zwischen den großen Räubern (USA, EU, China, Russland) an. Die kleinen Räuber, wie Österreich, werden in diesen Sog hineingezogen. Neue Katastrophen wie Kriege, Banken- und Währungskrisen und soziale Aufstände und Revolutionen etc. sind unausweichlich.
Österreich auf der Bruchlinie
Die Stabilität der 2. Republik fußte darauf, dass Österreichs Kapitalisten in stabilen Rahmenbedingungen profitable Beziehungen mit Ost und West (und dem Nahen Osten) haben konnten. Dies ist vorbei. Das politische Österreich steht scheinbar fest hinter der Behauptung, dass in der Ukraine die europäische Demokratie verteidigt würde. Gleichzeitig lebt das heimische Finanzkapital von den Märkten Osteuropa und Russland. Die Raiffeisenbank machte in der ersten Jahreshälfte 705 Mio. Reingewinn in Russland. Dieses Blutgeld macht – wie in den Jahren zuvor – die Hälfte des Gewinnes des führenden Finanzinstitutes aus. Und auch im dritten Kriegsjahr beruht 20 % des Gesamtenergieverbrauches Österreichs weiter auf russischem Gas. Nehammer & Co hoffen, dass die kriegerische Zuspitzung zwischen den imperialistischen Blöcken wieder abflacht und diese Geschäfte sich wieder „normalisieren“.
Die Entwicklung auf den Kriegsschauplätzen und im weltdiplomatischen Zirkus ist aber genau entgegengesetzt. Der ukrainische Angriff auf das russische Kursk beendete diplomatische Initiativen, die den Krieg einfrieren sollten. Die Sanktionen gegen Russland, die das Leben der Arbeiterklasse in der EU verteuern, werden nicht gelockert.
Österreichs Schizophrenie zwischen politischer Einbindung im Westen und starken Profitinteressen des rot-weiß-roten Finanzkapitals im Osten machen Österreich zu einem geopolitischen „Kippkandidaten“. Das US-Magazin Politico analysiert: „Der Eintritt Österreichs in den Einflussbereich des Kremls würde einen Putin-freundlichen Block schaffen, der sich von den Karpaten bis zu den Ostalpen erstreckt, und eine grundlegende Herausforderung für die europäische Sicherheit darstellen.“ Eine FPÖ-ÖVP-Regierung würde eine politische Verschiebung in diese Richtung bedeuten.
Finanzkapital will Einsparungen und soziale Angriffe
In der ständigen politischen Krise Österreichs wurden „Experten“ wie Fiskalratschef Badelt (oder Gabriel Felbermayr vom WIFO) zu den zentralen Sprachrohren des Finanzkapitals. Als „weise alte Männer“ urteilen sie über politische Aussagen der wahlwerbenden Parteienvertreter. Der Befund ist dabei vernichtend. Badelt attestiert allen Parteien „Unseriösität“ in ihren Wahlversprechen und bezeichnet es als die „Krankheit aller wahlwerbenden Parteien darüber zu schweigen, wie das Budgetdefizit von 17 Mrd. € verringert wird“.
Die EU-Kommission fordert von der kommenden Regierung in den Jahren 2025 bis 2028 nachhaltige Einsparungen von 11,7 Mrd. €. Zur Veranschaulichung: das eingeforderte Sparvolumen entspricht dem Streichen des gesamten Bildungsbudgets.
Nach der Wahl: neue Musik
Wir können uns sicher sein, dass nach der kommenden Nationalratswahl am 29. September keine Rede mehr von den Wahlzuckerln sein wird. Die schlechte Lage des Kapitalismus und die spezifischen Probleme des österreichischen Kapitals werden die Basis der kommenden Regierung sein, nicht die Wahlversprechen der Parteien.
Sobald das Kapital eine neue Regierungskonstellation zusammengestellt hat, wird sich herausstellen, dass die gesamte Arbeiterklasse zur Kassa gebeten werden muss, und dass die derzeitige rassistisch gefärbte Sozialhilfedebatte nur der Einstieg in allgemeine Angriffe auf soziale Rechte ist. „Wir müssen Maßnahmen setzen, um in kommenden Krisen finanziellen Spielraum zu haben“, so oder so ähnlich wird die Stoßrichtung für Sparpolitik lauten. Weiters wird anerkannt werden, dass Industrie, Bau und Handel hierzulande tatsächlich in einer hartnäckigen Krise stecken. Siebenmal höhere Energiepreise als in den USA, Protektionismus und Sanktionen, bürokratischer Aufwand durch das EU-Lieferkettengesetz, Verschiebungen und Störanfälligkeit der Handelswege, Technologieunsicherheit im „Green Deal“, etc. sind tatsächliche Faktoren, die in einem immer schärferen internationalen Wettbewerb an den Profiten der österreichischen Kapitalisten nagen.
Die Antwort der Bürgerlichen wird lauten: Die Arbeiter müssen zahlen! Die konkreten Maßnahmen sind längst in Vorbereitung: die Anhebung des Pensionsalters, die Verlängerung der Wochenarbeitszeit, Stärkung der Arbeitszwangsmechanismen von AMS und Sozialamt, Steuersenkungen für Unternehmen, anhaltende Förderungen für Konzerne, etc.
Fit für Klassenkampf machen!
Vier Bundeskanzler in fünf Jahren und die Ausfransung der Parteienlandschaft vor der Nationalratswahl zeugen von der politischen Instabilität. Das gesellschaftliche Gewebe wurde brüchiger und schockanfällig. Die Gesellschaft ist stark polarisiert, die Glaubwürdigkeit der Parteien und der politischen Institutionen ist historisch niedrig. Noch nie in der 2. Republik werden so viele Menschen Parteien und Listen wählen, die noch nicht im Parlament sind, wie dieses Mal. Alle diese Phänomene zeugen von gesellschaftlicher Polarisierung und Misstrauen gegen jede abgetestete politische Kraft.
Die Sozialdemokratie ist in permanenter Krise. Das gilt international für die reformistischen Arbeiterparteien und ist in letzter Analyse der Unmöglichkeit geschuldet, die Klasseninteressen von Kapital und Arbeit friedlich miteinander zu versöhnen, wie es der Reformismus gerne hätte. Das Programm der sozialen Reformen des SPÖ-Vorsitzenden Bablers wird von den Exponenten des bürgerlichen Flügels der SPÖ „Unernsthaftigkeit“ attestiert. Babler hat nicht mit den staatsorientierten Kräften im SP-Apparat gebrochen – und somit wird umgekehrt die SP-Linke gebrochen.
Menschen die einen solidarischen, linken Ausweg aus der Krise suchen, die eine nicht-korrupte, saubere Repräsentanz der Arbeiterbewegung stärken wollen, wählen daher am 29. September die KPÖ. Wir gehören dazu. Die Öffnung der parlamentarischen Debatte nach links, und der Umstand, dass die Partei nicht direkt unter dem Einfluss des Kapitals steht (im Gegensatz zu den SPÖ-Apparaten) sprechen objektiv für diese Wahl. Unsere Wahlunterstützung ist aber kritisch und erstreckt sich dezidiert nicht auf das Programm und die politische Ausrichtung der KPÖ. Sie will eine „Partei mit einem konkreten Gebrauchswert im Alltag“ sein, nicht eine kommunistische Kampfpartei. Dies ist mutlos und der Versuch, dem notwendigen gesellschaftlichem Konflikt mit den Kapitalisten und ihren Ideologen auszuweichen.
Die revolutionären Kommunisten stellen die Perspektive der sozialen Revolution in den Mittelpunkt. Unsere ideologische Basis ist dafür der unverfälschte Marxismus. Wie Lenin schon 1902 begriff (niedergeschrieben in „Was tun?“) erfordert die Perspektive der Revolution die systematische Organisierung, theoretische Ausbildung und dem Zusammenschluss der Revolutionäre in einer professionellen, zentralisierten Partei mit einer instruktiven Zeitung.
Man kann den Kommunismus nicht improvisieren. Die Revolution muss man geduldig vorbereiten. Die sich ständig neubildende Avantgarde der Klassenkämpfe muss in allen Phasen des Klassenkampfes – den Offensiven wie in den Niederlagen – eine programmatische Richtschnur und einen organisatorischen Rahmen vorfinden. Wir brauchen den Sozialismus zu unseren Lebzeiten, daher müssen wir die dafür notwendige Partei jetzt aufbauen.
Wien, 29.8.2024
Aus dem Inhalt:
- Leserbriefe
- Inland
- KPÖ: Mehr K wäre nett
- Kommunen: Widerstand gegen den Sparzwang
- Teile und Herrsche
- Wir gründen die Revolutionäre Kommunistische Partei!
- Klassenkampf
- Zuspitzung der Wirtschaftskrise erfordert neue Gewerkschaftspolitik
- Ideologiefabrik Schule
- 17 Stunden Arbeit & unterbezahlt
- Klassenkampf Ideologie
- Kunst und Revolution
- Das Scheitern der „Letzten Generation“
- Schwerpunkt
- Ein Gespenst geht um: Eine kurze Geschichte der KPÖ
- Imperialismus und Krieg bekämpfen!
- Weltgeschehen
- US-Wahlen: Harris, Trump …oder Klassenkampf?
- UK: Bevölkerung schlägt Rassisten zurück
- Revolution in Bangladesch
- Nein zum Krieg im Nahen Osten!
- Die „Zweistaatenlösung“ ist keine Lösung
- Venezuela: Wie sind wir in diese politische Sackgasse geraten?
- Herrschende im Rassismusfieber: Smash Capitalism!