Nachdem es seit dem Pensionsabwehrkampf und dem Eisenbahnerstreik im Jahr 2003 eher wieder ruhiger wurde, machen drei Unternehmen mit Arbeitskonflikten von sich reden: Siemens PSE, Generali Versicherung und AUA. Trotz manchen Unterschieden lohnt es sich die drei Konflikte gemeinsam unter die Lupe zu nehmen.
Jeder der drei Arbeitskonflikte hat Besonderheiten. So geht es bei der AUA darum, dass sich das Unternehmen auf Kosten der Beschäftigten sanieren will, während bei Siemens PSE und Generali trotz Rekordgewinnen die Zahl der Beschäftigten reduziert werden soll.
Auffallend ist die Arroganz und Aggressivität mit der das Kapital in allen drei Unternehmen gegen die Beschäftigten vorgeht und sie regelrecht zum Kampf zwingt. Eine Arroganz, die im internationalen Maßstab zwar heute normal ist, für Österreich aber neu.
Bei der AUA gibt es zwar keine Rekordgewinne, die Manager verdoppelten sich jedoch im Verlustjahr 2005 die Gehälter. Gleichzeitig sollen 350 Stellen abgebaut werden, obwohl das fliegende Personal schon seit Jahren eine Verschlechterung nach der anderen für die Sanierung des Konzerns hinnehmen musste.
Bei Generali droht die Kündigung von 390 Beschäftigten, obwohl der Konzern im Jahr 2005 einen Rekordgewinn von 1″9 Mrd. € einfuhr.
Ähnlich sieht es bei Siemens PSE aus. Dort sollen 200 Programmierer ausgegliedert werden, obwohl Siemens 2005 einen Gewinn von 2″25 Mrd. € erzielte. Auch bei Siemens haben die Vorstandsmitglieder für sich selbst eine Gehaltserhöhung von 30% beschlossen. Pikantes Detail am Rande: Die Programmierer wären durchaus auch in anderen Sparten des Konzerns einsetzbar. Die Ausgliederung wird von den Beschäftigten deshalb so entschlossen abgelehnt, weil bisher ausnahmslos alle Beispiele von Ausgliederungen zu Entlassungen und Frühpensionierungen geführt haben. Die neu geschaffenen Unternehmen bleiben zwar meist erhalten, sie tauschen ihre Belegschaften aber gegen billigere, jüngere und gewerkschaftlich unorganisierte Menschen aus.
Beeindruckende Kampfbereitschaft der KollegInnen
Beeindruckenden Kampfwillen zeigen die Belegschaften in allen drei Betrieben – allen voran bei Siemens PSE. Von 2800 MitarbeiterInnen in ganz Österreich, kamen 1500 am 28. September ins Wiener Austria Center und stimmten in einer geheimen Abstimmung mit 97″3% für Streik. Das alleine beweist das Potential, das es – allen Skandalen zum Trotz – an sich für gewerkschaftlichen Kampf gibt und straft alle Skeptiker Lügen. Dasselbe Bild zeigt sich bei der Generali. Dort demonstrierten Ende Juli bei strömendem Regen in Kitzbühl 700 MitarbeiterInnen, die aus ganz Österreich angereist waren. Bei der AUA nahmen am 4. Oktober 700 Beschäftigte bei der Betriebsversammlung teil.
Dabei sind die Belegschaften von Generali und Siemens PSE, – fast ausschließlich hoch qualifizierte und gut ausgebildete KollegInnen – nicht gerade für ihre Kampfbereitschaft bekannt. Auch die kämpferische Tradition der AUA-Piloten und des fliegenden Personals ist noch jüngeren Datums.
Das ist eine große Lehre für all jene weltfremden bürgerlichen Soziologen, die mit einem Verweis auf die steigende Bedeutung des Dienstleistungssektors den Niedergang der Gewerkschaften und das Verschwinden der Arbeiterklasse zu „beweisen, versuchen.
Es ist gar kein Zufall, dass gerade diese besser gestellten Sektoren die Pioniere einer neuen Welle betrieblicher Kämpfe sind. Denn in diesen Sektoren ist der konservative Apparat der Gewerkschaft nicht so verankert, um den Kampfwillen der Belegschaften zu bremsen. Außerdem haben einE AkademikerIn und einE PilotIn heute meist eine ganz andere gesellschaftliche Stellung wie vor 20/30 Jahren. Das Kapital, der ewige Gleichmacher – wie es Marx nannte -, macht in seiner unendlichen Gier vor niemandem halt. Ingenieure, Piloten, Versicherungsangestellte, Programmierer usw. stehen heute in einer relativ großen Zahl dem Kapital gegenüber, und werden von diesem täglich in ihrer Sicherheit und in ihrem Lebensstandard bedroht. Weil sie um ihre wichtige, oft unersetzliche Rolle in der Produktion wissen, sind sie nicht bereit, sich alles gefallen zu lassen. Ob der Betroffene einen „Blaumann, trägt, Uniform, oder Anzug ist reine Formsache. Die oben genannten Sektoren der Lohnabhängigen könnten in Zukunft dieselbe Rolle spielen, wie in der Vergangenheit Lokomotivführer, Facharbeiter in der Industrie: ein zentraler Teil der Gewerkschaftsbewegung.
Nur die Spitze des Eisbergs
Das Kapital fühlt sich momentan stark und greift mit unglaublicher Überheblichkeit an allen Fronten gleichzeitig an. Im Metallbereich, einer traditionellen Hochburg der Gewerkschaften, werden Betriebsräte bedroht, dass alle freiwilligen Sozialleistungen im Betrieb gestrichen werden, wenn es auch nur Betriebsversammlungen zur Information der KollegInnen gibt. In vielen Betrieben drohen Entlassungen, die ständige Erhöhung des Arbeitsdrucks ist die Regel, und in fast jedem Betrieb tobt ein alles beherrschender Kampf um die Ausdehnung der Wochenarbeitszeit. Deshalb werden wir in Zukunft noch viele betriebliche Kämpfe sehen. Ähnlich wie in Deutschland werden Belegschaften auf Betriebsebene neue Kampftraditionen aufbauen und Widerstand gegen das Kapital organisieren müssen. Dies umso mehr, wenn der Dachverband der Gewerkschaften, der ÖGB, seine Aufgaben nicht erfüllen kann. Deutschland hat in den letzten Jahren gezeigt, dass, wenn der Gewerkschaftsbund versagt, die Betriebsebene besonders gefordert ist.
Neben der Strategie, die Lohnabhängigen auf Betriebsebene zu schwächen, versucht das Kapital auch mit Hilfe der Politik einen Billigstlohnsektor aufzubauen, gemeinsam mit der Massenarbeitslosigkeit ein perfektes Rezept für Massenarmut und Verelendung.
Wir sehen also, dass die drei Arbeitskonflikte bei Siemens PSE, bei Generali und der AUA nur die Spitze des Eisbergs sind, sie sind Teil eines riesigen Kampfes um den Lebensstandard und die soziale Sicherheit der Gesamtbevölkerung, um die Verteidigung der Menschen vor Arbeitslosigkeit und Armut.
Es geht darum den Generalangriff des Kapitals zu stoppen, als Gewerkschaftsbewegung wieder aus der Defensive herauszukommen und zu einer Offensive für „Sozialaufbau, (Lafontaine) überzugehen.
Das ungeheure technisch-wissenschaftliche Potential unserer Gesellschaft muss den Menschen zu Gute kommen. Durch eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich könnte die Arbeitslosigkeit beseitigt werden. Die Produktivitätssteigerungen der letzten 20 Jahre lassen so einen Schritt zu.
Wie kann die Kampfbereitschaft erhöht werden?
Wir sehen momentan zwei Dinge: Den Generalangriff des Kapitals auf Betriebsebene und die weitgehende Handlungsunfähigkeit oder Unwilligkeit der Führung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, die nicht erst mit der BAWAG-Krise begann. Diese Handlungsunwilligkeit zeigt sich schon alleine dadurch, dass kein einziger Versuch unternommen wird, die Arbeitskonflikte miteinander zu vernetzen. Diese unangenehme Kombination führt dazu, dass die Lohnabhängigen auf betrieblicher Ebene mit einer unvorstellbaren Offensive konfrontiert sind. Dagegen gibt es nur eine Strategie: Jeder Betrieb muss zu einer Festung des Widerstands gegen die Angriffe des Kapitals werden. Die Belegschaften der betroffenen Betriebe müssen sich zu einem geschlossenen Abwehrriegel zusammenschließen.
Dazu sind zwei Dinge notwendig: Erstens braucht es die Einbeziehung der Belegschaft in den Konflikt. Die Belegschaft muss selbst über die Kampfmaßnahmen, das Verhandlungsergebnis und den Abbruch der Kampfmaßnahmen diskutieren und entscheiden können. Denn nur eine Belegschaft, die wirklich mitentscheiden kann, ist eine kampfbereite und motivierte Belegschaft. Zweitens müssen gewerkschaftliche Betriebsgruppen aufgebaut werden. Dies ist notwendig um über den Betriebsrat hinaus die bewusstesten Schichten der Belegschaft zu organisieren. Aufgabe der Betriebsgruppen ist es, das organisatorische und politische Rückgrat des Arbeitskampfes zu bilden, die Stimmung in der Belegschaft durch Kampagnen zu verbessern und für einen Arbeitskampf vorzubereiten. Aufgabe der Betriebsgruppen ist es auch, Lehren aus der Vergangenheit oder aus anderen Kämpfen zu ziehen und die Mitglieder gewerkschaftlich und politisch zu schulen. Betriebsgruppen leisten permanent Überzeugungsarbeit in der Belegschaft für die unmittelbaren und längerfristigen Ziele des Kampfes. Solche Betriebsgruppen, die es in Österreich fast nur auf dem Papier oder im Statut gibt, sind in vielen anderen Ländern Normalzustand. Wenn wir nicht vom Kapital mit heruntergelassenen Hosen erwischt werden wollen, müssen wir schleunigst damit beginnen, solche Strukturen aufzubauen.
In einem zweiten Schritt geht es darum die Betriebe miteinander zu vernetzen und die Kämpfe zu zentralisieren. Klar ist, dass die Gewerkschaftsbewegung erst dann aus der Defensive kommt, wenn sich aus den Teilkämpfen ein allgemeiner Kampf entwickelt. Diesen allgemeinen Kampf gegen das Kapital zu schaffen muss die Strategie sein, die über den einzelnen Arbeitskämpfen liegt. Zu diesem Zweck müssen wir ein starkes Netzwerk kämpferischer Belegschaften aufbauen. Zu diesem Projekt möchten wir mir der Kampagne „Wir sind ÖGB – Für einen starken, kämpferischen und demokratischen ÖGB, ein Stück beitragen.
Am 8. November veranstalten wir ein Treffen, an dem auch VertreterInnen der betroffenen Belegschaften teilnahmen werden. Dort sollen neben einem Informations- und Gedankenaustausch auch erste Schritte zu so einer Vernetzung getroffen werden.