Gesamt-jugoslawische Mobilisierung!

Die Studentenproteste in Serbien, die am 26.11.24 begannen, haben sich zu einer massiven Bewegung entwickelt. Was als Uniblockade gegen Polizeigewalt begann, breitete sich im ganzen Land aus und zog Studenten, Schüler und Arbeiter an. Heute haben die Proteste 302 Orte in ganz Serbien erreicht, vereint unterstützen sie die Forderungen der Studierenden. Von Helene Biberic (RKI, Komunisticka Revolucija).
Nach zwei Monaten Unibesetzungen, Demos und Straßenblockaden vereinte der Aufruf zum Generalstreik am 24. Jänner die Studenten mit Arbeitern aus IT, Presse, Bildung und Kultur: der größte Protest seit dem Sturz Miloševićs im Jahr 2000. Nur drei Tage später blockierten Demonstranten 24 Std. lang den Verkehrsknoten Autokomanda in Belgrad.
Das erzwang am 28. Jänner den Sturz der Regierung, Premierminister Vučević trat unter enormem Druck zurück. Die Studenten setzten ihren Kampf fort: Am 1. Februar marschierten Zehntausende von Belgrad nach Novi Sad und blockierten im Gedenken an die 15 Opfer von Novi Sad die drei Hauptbrücken der Stadt für 72 Stunden. Am 14. Februar marschierten Zehntausende in Kragujevac, gefolgt von einem Arbeitskampf in Belgrad gegen die Privatisierung des städtischen O-Busunternehmens. Studenten schlossen sich mit „Generalstreik“-Bannern an.
Schon in seiner Neujahrsansprache sah man Serbiens Präsidenten Vučić die Angst an, er sprach von Bolschewiki und Menschewiki und verglich die Proteste mit der Pariser Kommune: „Ich bin gegen die Pariser Kommune; ich stehe für Demokratie!“
In einem verzweifelten Versuch, dem Generalstreik entgegenzuwirken, organisierte Vučić seine eigene Kundgebung, die „Bewegung für Volk und Staat“ und „mobilisierte“ bezahlte Loyalisten. Dies konnte den Schwung der Proteste jedoch kaum dämpfen.
Das Regime griff auch zur Gewalt – vom Rammen eines Autos in die Menge der Demonstranten bis hin zur brutalen Misshandlung einer Studentin durch regierungsnahe Schläger: Diese Repressionsakte haben die öffentliche Wut nur noch weiter angeheizt.
Als Reaktion auf die Polizeigewalt begannen die Studenten, Verteidigungstaktiken zu entwickeln. Polizeispezialeinheiten („Kobra“) werden häufig gegen Demonstranten eingesetzt. Die Studenten bildeten daher ihre eigenen Einheiten namens „Dabrovi“ (Biber), um die Demos vor Angriffen zu schützen.
Darüber hinaus gründeten sie Gruppen, die sich um Spenden, Hygiene und Logistik kümmerten. Sie haben die Uni-Campusse übernommen und organisieren die Proteste demokratisch durch Plena – Vollversammlungen, bei denen Entscheidungen durch direkte Mehrheitswahl getroffen werden. Um den Kampf auf eine höhere Ebene zu heben, müssen die Plena erweitert und auf die Arbeitsplätze ausgedehnt werden. Dies geschieht bereits an den Schulen. Das Lehrpersonal organisiert sich auch so, um seinen Streik zu organisieren.
Weder die Opposition noch die derzeitige Regierung kann die Massenbewegung übernehmen, weil diese keiner der etablierten politischen Kräfte Vertrauen schenkt. Die Opposition fordert eine Übergangsregierung aus Experten und „faire“ Wahlen, aber viele Studenten lehnen diese Idee ab und erinnern daran, dass ähnliche Versprechen nach dem Sturz Miloševićs gescheitert sind. Sie wissen, dass ein Regierungswechsel allein keine fundamentalen Probleme löst.
Die Oppositionsparteien haben bewiesen, dass sie keine Alternative bieten können. Ein Wechsel des Regierungspersonals wird die Macht der korrupten Eliten nicht untergraben. Die Antwort liegt in der Mobilisierung und dem Aufbau von Organen der Arbeitermacht, die in der Lage sind, die Leitung der Industrie, des Transportwesens, der Krankenhäuser sowie der Schulen und Universitäten zu übernehmen. Die Unis und Schulen sind nur die Speerspitze.
Die spalterische nationalistische Rhetorik aller ex-jugoslawischen Eliten bricht in sich zusammen, während die Solidarität über alle Grenzen hinweg wächst. Der Grund dafür ist, dass Arbeiter und Jugendliche auf dem gesamten Balkan den Kapitalismus zunehmend satt haben. Wir sind alle mit den gleichen Problemen konfrontiert. Die Plena haben sich jetzt im gesamten ehemaligen Jugoslawien ausgebreitet und die Regierungen in Angst versetzt. Kroatien hat sogar den Reiseverkehr nach Serbien eingeschränkt.
Am 17. Februar organisierten 400 Studenten in Zagreb ein Plenum gegen Studiengebühren, inspiriert von den serbischen Protesten. Tage später forderten Studenten in Ljubljana eine öffentliche Entschuldigung von Bürgermeister Janković für seine Unterstützung des serbischen Präsidenten Vučić. Tausende wurden in Solidarität mobilisiert. In Mazedonien fanden Proteste gegen einen Femizid statt, während in Banja Luka (Republika Srpska, Bosnien) Tausende in Solidarität demonstrierten. Das Regime von Dodik reagierte mit Repressionen und sperrte sogar Schüler in Schulen ein – erfolglos.
Diese Kämpfe sind eng verbunden. Korruption, Arbeitslosigkeit und sinkende Lebensstandards plagen den Balkan seit der Zerstörung Jugoslawiens. Über fünf Mio. Menschen sind ausgewandert. Von Ljubljana bis Skopje nutzen die Herrscher religiöse Spaltung und Nationalismus, um eine Bevölkerung zu kontrollieren, die gemeinsame Kämpfe und eine gemeinsame Geschichte hat. Diese Spaltung erleichtert die imperialistische Ausplünderung der gesamten Region und ist der Boden, auf dem die Korruption blüht. Die Menschen auf dem Balkan schließen sich jetzt erneut gegen ein System zusammen, das alle außer die korrupten Eliten im Stich gelassen hat.
Die Bewegung wächst, und immer mehr Arbeiter schließen sich ihr an. Die Lehrer gehen voran, trotz der Drohung, die Gehälter derjenigen zu kürzen, die die Studenten unterstützen. Der von Studierenden propagierte Generalstreik war die seit Jahren wirkungsvollste Aktion und treibt das Klassenbewusstsein voran.
Um erfolgreich zu sein, müssen die Studierenden bewusst ihre Ziele mit dem Kampf der Arbeiterklasse im Allgemeinen in Einklang bringen. Die Arbeiter müssen auf die Appelle der Studierenden eingehen und sich als Klasse der Bewegung anschließen. Sie müssen auch ihre Gewerkschaften von korrupten Politikern zurückfordern. Die Proteste haben derzeit keine konkrete Führung. Die Organisierung einer Generalversammlung der Plena mit Delegierten von Studierenden und Arbeitern könnte eine koordinierte Bewegung gewährleisten, die in der Lage ist, soziale und demokratische Verbesserungen zu erringen, die über den Sturz der Regierung hinausgehen.
Der Aufbau einer Massenbewegung in den Nachbarländern Serbiens für die Abschaffung der Studiengebühren und gegen Ausbeutung am gesamten Balkan ist die beste Form der Solidarität. Denn diese Bewegung ist viel mehr als nur wütende Studenten gegen Vučić. Sie ist Ausdruck der Wut gegen die herrschende Klasse und das Establishment. Dies bereitet den Boden für revolutionäre Explosionen, die die Grundpfeiler des Kapitalismus erschüttern werden – Pfeiler, die bereits jetzt zu zersplittern beginnen. Der Kapitalismus bietet keine Lösung für die Krise – nur eine geplante sozialistische Wirtschaft kann eine bessere Zukunft sichern. Der sozialistische Wandel auf dem Balkan ist nicht nur eine Idee – er ist eine Notwendigkeit.
Kapitalismus bedeutet Korruption – für eine sozialistische Revolution auf dem Balkan!
(Funke Nr. 231/26.02.2025)
Auch international mobilisiert sich die Bewegung. In Wien beteiligten sich Genossen der RKP an einer Soli-Kundgebung vor der serbischen Botschaft.
Eine Genossin schreibt:
„Sofort zeigte sich die Stimmung: Wir wurden als Kommunisten mit offenen Armen empfangen. Es wurde ein Lied aus der Zeit der serbischen Revolution 1804 gesungen und wir waren vom Enthusiasmus ganz elektrisiert. Diese fantastische Kundgebung gewährt einen kleinen Einblick darin, wie die Lage wohl gerade in Serbien ist.“
Die österreichischen Banken verdienen gut mit der Ausbeutung der Balkanländer. Auch das Bundesheer ist „zur Stabilisierung“ im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina stationiert. Als Internationalisten in Österreich stellen wir uns klar gegen jede imperialistische Einmischung! Hände weg vom Balkan! Volle Solidarität mit unseren ex-jugoslawischen Klassengeschwistern! Stärken wir die Proteste auch hierzulande:
Veranstaltung der RKP: „Massenproteste in Serbien – wie zur Revolution?“ 12.03., 18:00 vorauss. im Informatikhörsaal, Campus Freihaus (mehr Infos auf Insta @rkp_wien)