Johanna Dohnal (geb. 1939 † 2010) gilt als Idol für die österreichische, vor allem sozialdemokratische, Frauenbewegung. Anlässlich ihres 10-jährigen Todestages erschien eine Dokumentation über ihr Wirken.
In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, engagierte sich Johanna Dohnal als junge Arbeiterfrau in der SPÖ und wurde 1969 Bezirksrätin in Wien. In den folgenden Jahrzehnten avancierte sie zunächst zur Wiener Frauensekretärin, wurde 1979 als eine von vier Staatssekretärinnen in die sozialdemokratische Kreisky-Regierung berufen und 1990 unter Kanzler Vranitzky die erste Frauenministerin Österreichs – ein Posten, den sie 1995 gegen ihren Willen auf Druck von ÖVP und SPÖ-Spitze in der Großen Koalition räumen musste.
Dohnal war aufmüpfig und kämpfte für, aus der Sicht des bürgerlichen Konservatismus und auch vieler „Genossen“, schockierende Positionen. Mit dem Ruf als vorlaute Feministin machte sie sich nicht wenige Feinde (auch in der eigenen Partei) – jedoch auch viele Freundinnen. Der Film „Die Dohnal” zeigt neben Mitschnitten aus Fernsehauftritten auch ausgedehnte Interviews mit Freundinnen, Verwandten und feministischen Journalistinnen sowie SPÖ-Politikerinnen, die sie als Heldin würdigen.
Ihre Heldentaten? Durch ihr Mitwirken entstanden u.a. die ersten Frauenhäuser Österreichs. Sie setzte sich laut für die Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe ein (strafbar seit 1989). 1990 wurden die Karenzgelder für AlleinerzieherInnen angehoben und ein 2. Karenzjahr eingeführt. 1994 wurde die Anrechnung von Kindererziehungszeiten an die Pension auf 4 Jahre erhöht. Und das von ihr initiierte, 1997 in Kraft getretene, Gewaltschutzpaket brachte größeren Schutz gegen Gewalt in der Familie.
Tatsächlich wurden zentrale Reformen aber bereits vor Dohnals Wirkzeit eingeführt: 1961 die bezahlte Mutterkarenz, 1970-71 die Familienrechtsreform, 1975 die Fristenregelung, die Abtreibung straffrei stellt.
Dohnal selbst war das persönliche Bindeglied für die Institutionalisierung der Frauenbewegung in Österreich in der letzten Phase einer „Sozialpartnerschaft“ in den 80er und 90ern, die noch einzelne Reformen bieten konnte, wenn diese nicht zu teuer waren. In der Klassenkampf-Flaute suchte sie sich Verbündete andernorts: für die autonomen Frauenhäuser die radikale Frauenbewegung, beim Karenzgeld u.a. die katholischen Abtreibungsgegner von „Aktion Leben” und sie sah – wie sie in einem Fernsehinterview erklärt – auch die Wirtschaftskammer oder die Industriellenvereinigung als Kooperationspartner. „Wir müssen das soziale Regulativ sein, das ist die historische Aufgabe der Sozialdemokratie,” findet Dohnal.
Diese parlamentarische Ausrichtung, anstatt einer Orientierung auf die Mobilisierung der Arbeiterinnen und Druck von unten, ging einher mit einem starken Fokus auf Gesetzgebungsverfahren und Quotenregelungen. Die Quote muss her, denn nur Frauen können Fraueninteressen vertreten, so Dohnals Logik.
Doch der einzig wirksame Widerstand gegen den Klassenkampf von oben ist ein Klassenkampf von unten, aber diesen sah die Sozialdemokratie, voll aufgegangen in Sozialpartnerschaft und dem bürgerlichen Parlament, nicht als ihre Aufgabe. Und nach dem Ende des Nachkriegsboom zog das Kapital auch andere Saiten auf.
Die 1990er Jahre sahen so auch schon eine ganze Reihe von Konterreformen, unter anderem auch Sparmaßnahmen im Wirkungsbereich von Dohnal. In entscheidenden Momenten gab sie dem Druck von oben nach: So bei der Rücknahme des 2. Karenzjahres und des erhöhten Karenzgeldes für Alleinerzieher und Bedürftige und bei der schrittweisen Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen ab 2024.
Den Rechtsruck der SPÖ und damit einhergehend den schon in den 1980er Jahren bemerkbaren Stimmenabfluss zur FPÖ analysierte sie zwar richtig als Resultat fehlender, entschlossener Sozialpolitik der Sozialdemokratie und beschwor gegen diese Tendenz in der Partei laut auftreten zu wollen. Doch in der Realität wurde sie selbst zum Opfer der „Regierungsverantwortung” der SPÖ, die ihr 1995 den Rücktritt nahelegte.
In bedrückender Ratlosigkeit führt nun der Dohnal-Film die Themen an, für die sich Dohnal einsetzte und die so bis heute unverändert herrschen: Etwa die Tatsache, dass ausschließlich Frauen in Karenz gehen – die „Elternkarenz” wurde von Dohnal erstritten, doch auch im Jahr 2019 nahmen Männer nur 3,73% (!) der Karenzzeit in Anspruch. Die geschlechtliche Segregation in bestimmte Berufsfelder, gegen die Dohnal sich aussprach, ist für Frauenberufe sogar gestiegen. Statt 30 Stunden Wochenarbeitszeit ist heute der 12-Stundentag wieder Realität.
Die politische Message des Films: Unter Kreisky war alles am richtigen Weg. Doch der Neoliberalismus – der wie eine unerklärliche Naturkatastrophe dargestellt wird – läutete eine Wende ein. Die Heldengeschichte Dohnals schließt mit dem Märtyrer-Ende ihres Regierungsausscheidens.
Wir sollten jedoch politisch verstehen wann Johanna Dohnal die war, die sie war, und auch die Lehren aus den Grenzen der parlamentarischen und auf Klassenkompromiss ausgerichteten Logik ziehen: Nur die Selbstaktivität der Arbeiterklasse, nur der Klassenkampf kann Verbesserungen unseres Lebens erkämpfen – und verteidigen!
(Funke Nr. 181/25.2.2020)