Am Sonntagabend wurde der erste KV-Abschluss in der Metallindustrie unterschrieben. Die Löhne steigen in der Metalltechnischen Industrie um durchschnittlich 3,46%. Ein erster Kommentar zu den Ergebnissen der Metaller-Runde 2018. Von der Funke-Redaktion.
Christian Knill, der Obmann der FMTI (des Unternehmerverbandes) meinte dazu: „Dieses Paket ist eine Anerkennung für die Leistungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie erhalten damit bei einer aktuellen Inflationsrate von rund 2 % einen deutlichen Reallohnzuwachs, das haben wir auch von Beginn an garantiert“.
Lohnabschluss
Das ist nicht haltbar, wenn man sich den Abschluss im Detail ansieht. Die Löhne und Gehälter steigen um mindestens 80 € brutto, prozentuell zwischen 4,3 % in der untersten Lohnkategorie der Arbeiter bis 3 % in der höchsten Lohnkategorie. Abzüglich der Steuern und Abgaben jedoch ergibt sich für die niedrigste Lohnkategorie A wegen der Lohnerhöhung um mindestens 80€ dieses Bild:
Alt: Brutto 1.848,08 € Netto 1.413,70 €
Neu: Brutto 1928,08€, Netto 1.456,79 €
Das ergibt eine Nettoerhöhung von 43,09€; das sind 3,05% mehr als letztes Jahr. Wenn man die steuerliche Besserstellung des 13. Und 14. Monatsgehalt mitberechnet ergibt sich durch diesen Abschluss eine Nettolohnerhöhung von 3,22%. Die Nettolohnerhöhung fällt bei allen höheren Lohnkategorien noch niedriger aus, besonders in jenen, bei denen die Mindesterhöhung von 80€ nicht schlagend wird. Außerdem müssen wir feststellen, dass der Unternehmervertreter Knill natürlich sehr sparsam mit der Inflationsrate rechnet – sie liegt im Oktober offiziell bei 2,2%. Im Miniwarenkorb, der sich auf Dinge des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Sprit und Heizkosten bezieht, sogar bei 4,9%. Dieser Abschluss bedeutet also so für viele Metaller und Metallinnen, in etwa den Ausgleich der Teuerung aufs Konto zu bekommen. Für die höheren Lohngruppen gibt es auch heuer fix einen realen Lohnverlust. Wenn Knill also sagt: „Wir haben heute die gute aktuelle Konjunktur berücksichtigt“, hat das also wenig mit der Realität zu tun. Ursprünglich gefordert wurde von den Gewerkschaften dementsprechend auch eine Erhöhung um (brutto) 5 %.
Die betriebliche Lehrlingsentschädigung wird dagegen deutlich erhöht (im Durchschnitt um 16 %, nach Lehrjahr gestaffelt), Lehrlinge im ersten Lehrjahr bekommen 100€ mehr. Hier waren auch im Verhandlungsweg Erfolge zu erzielen, weil die Unternehmer selbst nach potentiell guten Fachkräften lechzen. Bei den Nachtzuschlägen wurde eine Erhöhung um 7 % in vier aufeinanderfolgenden Jahren vereinbart (2023 sind es dann 2,52 €).
Arbeitszeit
Ein besonderes Anliegen der Gewerkschaften war es dieses Jahr, durch Festschreibungen im Rahmenrecht die Arbeitszeit einzugrenzen und das Recht auf Freizeit zu bestärken. Dazu gefordert wurde die Verteuerung der Überstunden durch Zuschläge von 75% ab der 9. und 100% ab der 11. Arbeitsstunde, eine bezahlte Pause nach der 10. Stunde, das Recht die Überstunden selbstgewählt in Form (Zeit oder Geld) und zum selbstbestbestimmten Zeitpunkt zu verbrauchen. Auch wurde eine 6. Urlaubswoche gefordert.
Die die bezahlte 10-Minuten Pause und die 100% Zuschläge auf die 11. und 12. Stunde kommt, aber erst ab 1. Juli 2019. Darauf abgestimmt ist auch der erzielte Wochenstundenzuschlag von 100 % für die Arbeitsstunde 51 bis Arbeitsstunde 60 in der Woche. Die 11. Und 12. Stunde Arbeit sind so tatsächlich relativ unattraktiv für Unternehmer geworden.
Doch sonst ist von diesem Forderungspaket nicht viel durchgesetzt worden – mit einer gewichtigen Folge. Es gibt eine Reihe von Änderungen, doch das wichtigste Ergebnis ist: Mit der nicht erzielten Verteuerung der Stunden neun und zehn im Kollektivvertrag wurde in der Produktion einer Erhöhung der Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden pro Tag Tür und Tor geöffnet, wo dem nicht direkt durch Kampf auf betrieblicher Ebene Grenzen gesetzt werden können. Es ergibt sich folgendes Bild: eine 50 Stunden-Woche aufgeteilt auf fünf Tage ist für die Unternehmen mit diesem Kollektivvertrag bei herrschender Konjunktur eine hochprofitable Angelegenheit. Denn eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung wurde in keiner Weise durchgesetzt, auch nicht in Form der 6. Urlaubswoche nach 25 Jahren Arbeit, und die Arbeiterinnen und Arbeiter haben auch keine individuellen Antrittsrechte auf selbstbestimmte Freizeit (außer bei Gleitzeitmodellen, die jedoch im Arbeiterbereich bisher kaum üblich sind). Zusammenfassend kann man sagen, dass mit diesem Abschluss die Grundlage für die 50-Stundenwoche in der Metallindustrie gelegt wurde.
Die größere Dimension
Doch den Abschluss nur aus diesen Perspektiven zu sehen, würde zu kurz greifen. Zuerst einmal: Die abschließende Bewertung der diesjährigen Metaller-Runde wird erst möglich sein, wenn alle Verhandlungen abgeschlossen sind (es fehlen noch die Abschlüsse in Stahl/Bergbau, Fahrzeug und Energie), damit kann man zurzeit noch nicht feststellen, ob das Ziel den Metall-KV einheitlich zu halten, erreicht wird.
Und eine erste Einschätzung zur Gesamtbedeutung dieses Abschlusses muss auch unter diesem Gesichtspunkt stattfinden: die in den Tagen vor dem Abschluss betonte Solidarität innerhalb der Arbeiterbewegung wird durch diesen Abschluss stark untergraben. Die letzten Betriebsratskonferenzen wurden gemeinsam mit den Eisenbahnern und Bierbrauern abgehalten. Der Abschluss in der FMTI ohne Rücksicht auf jene zwei Branchen schwächt die Position aller anderen Sektoren, die derzeit in Verhandlungen stehen oder sich darauf vorbereiten. Auch innerhalb der Metallerbranche selbst haben die Gewerkschaften nur in einem Sektor (eben der FMTI) zu Kampfmaßnahmen aufgerufen.
Im Funke Nr. 166 (September 2018) schrieben wir: „Ein heißer Herbst [ist] in den Betrieben angelegt. Doch so ein Kampf muss mit offenem Visier geführt werden. Das tabuisierte S-Wort (nicht jenes mit den Blumen und Bienen, sondern jenes mit den stillstehenden Maschinen und Rädern) muss nicht nur ausgesprochen, sondern praktisch organisiert werden. Auf den Betriebsrätekonferenzen und Betriebsversammlungen muss eine offene Debatte über die Methoden und Ziele unseres Kampfs geführt werden. ArbeiterInnen sind keine Verschubmasse für Sozialpartnerverhandlungen mit Unternehmern und Regierung. Diese eingelebte Praxis der vergangen Jahre und Jahrzehnte führte zu Passivität, Zynismus und großer Skepsis gegenüber der Kraft der Solidarität. Dies macht uns schwach und angreifbar.“
Der nach dem parlamentarischen Beschluss des 12 Stunden Tages/der 60 Stunde Woche ausgerufene verallgemeinerte Kampf um die Absicherung der sozialen Rechte aller Arbeitnehmer in einem „heißen Herbst“ wurde in der Stunde der Wahrheit von den Gewerkschaftsspitzen zur Drohung in Richtung Unternehmer und zur Mobilisierung der eigenen Basis genutzt. Sie wurde nicht als Kampfstrategie gehandhabt. Doch das wäre letztendlich nötig gewesen.
Es liegt auf der Hand, dass durch die Ausweitung der Warnstreiks in dieser Woche bessere Ergebnisse erzielt werden hätten können – sowohl direkt im Geldbörserl, als auch im Aufbau einer Abwehrfront gegen die allgemeine Offensive von Kapital und Regierung gegen unsere Rechte. Was bleibt ist ein Abschluss, der nicht das Maximum an sozialer Absicherung herausholt und eine Gewerkschaftsbewegung, die mittelfristig geschwächt aus dieser ersten wichtigen Klassenauseinandersetzung dieses Herbstes herausgehen wird.
Dass trotzdem der Abschluss gestern unterschrieben wurde, ohne es auf einen Vollstreik ankommen zu lassen, ist in der sozialpartnerschaftlichen Logik der Gewerkschaftsapparate und ihrer Führung angelegt. Sobald die Warnstreiks die Hitzköpfe auf Seiten der Unternehmer gekühlt hatten, wurde unmittelbar wieder auf den sozialpartnerschaftlichen Kompromiss am Verhandlungstisch orientiert: Die sozialen Forderungen wurden von der Kampfparole zur Verhandlungsmasse in der Wirtschaftskammer degradiert, und jene Kolleginnen und Kollegen die den Kampf vor Ort gegen den teilweise heftigen Widerstand der Arbeitgeber organisiert haben, werden mit einen „Danke für euren Einsatz!“ bedacht.
Wir müssen es offen aussprechen: So lange die österreichische Arbeiterbewegung nicht mit dieser Logik der Sozialpartnerschaft bricht, wird es keinen besseren Abschluss geben. Selbst wenn es bis zu den nächsten Verhandlungen keine weiteren Angriffe der Unternehmer oder der Regierung geben würde (was eine utopische Hoffnung ist, man erinnere sich an die Reform der Sozialversicherungen, der Notstandshilfe etc.) – der Aufschwung wird nicht ewig halten, und schon jetzt wird das in einigen Betrieben spürbar. Wenn mit sozialpartnerschaftlichen Methoden mitten in der Hochkonjunktur, in der stärksten Gruppe der österreichischen Arbeiterschaft gerade ein Halten des Lebensstandards möglich ist: Wie wird es dann aussehen, wenn in einer Krise das Kapital weitere massive Verschlechterungen fordern wird? Die Antwort liegt auf der Hand.
Die Unternehmer werden ihr Ziel der Zerschlagung der KVs nicht aufgeben. Sie wollen „dankbare Mitarbeiter“, also rechtlose Lohnsklaven schaffen. Auch in diesem Herbst sind sie diesem Ziel in mancherlei Hinsicht einen Schritt näher gekommen. Denn wer auf eine Atempause in den nächsten Jahren hofft, wird bitter enttäuscht werden.
Demgegenüber halten wir die Idee der Selbstbestimmung der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Klassenauseinandersetzung aufrecht. Jetzt gilt es, nicht einfach herunterzuschlucken, das Verhandlungsergebnis abzunicken und zur Tagesordnung überzugehen, sondern das Ergebnis aufzuarbeiten. Diejenigen, die im Betrieb kämpfen und gestreikt haben, müssen auch das letzte Wort haben, ob sie mit dem erzielten Ergebnis einverstanden sind oder nicht – um damit für die kommenden nächsten Kämpfe ein klares Mandat abgeben zu können: Für die Sozialpartnerschaft oder für den sozialen Fortschritt?