Am 4. Oktober traten die ArbeiterInnen im Magna Seating Werk in Odžaci spontan in einen wilden Streik. Miodrag Mijatovic von Crvena Kritika, unserer Schwesterzeitung in Serbien, berichtet.
Der Auslöser: eine Gehaltskürzung von 25 bis 166 Euro im Monat – bei einem Monatslohn von 388 € im Februar dieses Jahres. Diese Kürzung ist momentan die letzte in einer Reihe von Lohnraubmaßnahmen, die seit Februar rollt– damals betrugen die Löhne noch 46.000 RSD (ca. 380 Euro). Die andauernden Kürzungen wurden mit Ausreden begründet, jetzt reichte es der Belegschaft aber – alle drei Schichten traten spontan in den Streik.
Dies überraschte die Betriebsleitung. Zuerst bat sie die ArbeiterInnen, zur Arbeit zurückzugehen, wobei sie ihnen eine Einmalzahlung in der Höhe von 42 € versprach. Zugleich drohte sie mit Entlassungen: Wer vor seinem Schichtende nach Hause gehe, unterschreibe seine eigene Kündigung, so die Bosse. Zudem versuchte die Leitung, die Belegschaft mit der Auslagerung des Betriebs nach Mexiko zu erpressen.
Doch die ArbeiterInnen ließen sich nicht zum Streikbruch bewegen. So wurde folgendes Ergebnis erkämpft: die Abwehr der Kürzungen, eine Einmalzahlung in der Höhe von 84 € und zusätzliche Lohnerhöhungen.
Allianz von Staat und Kapital
Dieser Streik war der neuste Ausdruck einer Reihe von Arbeitsniederlegungen, die im Sommer 2017 mit einer Streikwelle in mehreren Betrieben begann. Obwohl es in den letzten zwei Jahren auch zu Streiks im Staatssektor kam (z. B. in der Post und im Schulsystem), findet die Mehrheit in privaten Produktionsbetrieben aus.
Viele von ihnen wurden in den letzten zehn Jahren eröffnet und werden vom Staat stark subventioniert. So gibt die Republik Serbien für den Fiat-Betrieb in Kragujevac jährlich 10.000 Euro pro Arbeitsplatz aus, zieht keine Steuern von ihm ein und bürgt auch noch für seine Kredite. Der Magna-Betrieb selbst wurde 2013 eröffnet und bekam bis Mai 2017, als die Belegschaft von 1.100 auf 1.650 ArbeiterInnen vergrößert wurde, Subventionen in der Höhe von 4,45 Millionen Euro – Vergünstigungen, die es für die lohnabhängigen Massen nicht gibt.
Man sieht: Auf der ständigen Suche nach neuen Märkten und größeren Gewinnspannen scheuen sich die parasitären Unternehmer nicht, die Staatskasse zu plündern sowie die ArbeiterInnen mit immer niedrigeren Löhnen und schlimmeren Arbeitsbedingungen abzuzocken! Und das alles mit Unterstützung des Staates selbst! Angesichts dessen entpuppt sich seine Propagandakampagne zum vom Unternehmertum geschaffenen Gemeinwohl als blanke Lüge.
Neue Schicht von AktivistInnen
Das Bemerkenswerte an diesem Streik war, dass er wild – also ohne Gewerkschaft – organisiert wurde, was laut Arbeitsgesetz illegal ist. So sehen wir eine neue Schicht von ArbeiterInnen, die die bisherige Passivität in der Arbeiterklasse hinter sich lässt. Sie wehrt sich gegen die Willkür der Bosse und verlangt einen größeren Anteil am Gewinn ihrer Betriebe, da ihr bewusst ist, dass sie diese mit ihrer eigenen Arbeit erwirtschften. Aus dieser Schicht können neue, aktivistische GewerkschaftsführerInnen entstehen, die die heutigen passiven Führungen der Arbeiterbewegung unter Druck setzen werden, sich konsequenter für ihre Basis – die ArbeiterInnen – einzusetzen.
ies gilt vor allem für UGS „Nezavisnost“ (Vereinigte Branchengewerkschaft „Unabhängigkeit“), die am 5. Oktober eine Gewerkschaftsgruppe mit 150 Mitgliedern im Magna-Betrieb gegründet hat. Begrüßenswert ist ihre Kontaktaufnahme mit Martina Schneller, Leiterin der Internationalen Abteilung der PRO-GE, da die serbischen und österreichischen ArbeiterInnen durch Zusammenarbeit ihre Position im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen noch mehr stärken können.
(Funke Nr. 168 / November 2018)