3000 Menschen, einschließlich einiger streikende Betriebe der Sozialwirtschaft, kamen am 16. Dezember vorm Rathaus zu einer Protestdemo gegen die Sparpolitik zusammen und taten ihre Wut lauthals kund. Von Yola Kipcak.
Abgeschirmt hinter den Wänden des Rathauses biederte sich indes SPÖ-Finanzstadträtin Barbara Novak in ihrer Budgetrede dem Unternehmertum, der imperialistischen EU-Außenpolitik und der Wirtschaft als beste Freundin und loyale Dienerin an.
Der Krisenkapitalismus bringt eine Schuldenexplosion der Stadt Wien mit sich. 22 Mrd. € sollen im kommenden Jahr ausgegeben werden. Obwohl eine Milliarde bei den Stadtbewohnern eingespart wird, mit ⅔ Kürzungen und ⅓ Gebührenerhöhungen, das Defizit trotzdem 2,65 Mrd. € betragen. Das wird sich auch nicht ändern: Akzeptiert man die kapitalistische Logik, stehen wir vor unauflösbaren Schuldenbergen TROTZ massiver Einsparungen. Im Jahr 2026 sollen sich allein die Zinsrückzahlungen der Schulden auf 281 Mio. € belaufen.
Novak beschreibt die Lage so: “Wien geht immer einen eigenen Weg … der Wiener Weg ist im Budget 2026 ein Balanceakt” nämlich zwischen “der Finanzierung unseres Budgets im Hinblick auf Stabipakt, Rating Agenturen, auf Sanktionsverfahren – und andererseits aber in die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge, der hohen Qualität des Gesundheitssystems, im Bildungsbereich, im Kulturbereich, im Sozialbereich”.
In dieser Zwickmühle zwischen Finanzkapital und Arbeiterklasse sieht sich die SPÖ-Spitze auf Seite des Kapitals. Ihr Stadtregierungspartner, die rabiaten und ideologischsten EU-Imperialisten von den NEOS, versuchen gezielt, Privatisierungspolitik und Umverteilung für’s Kapital noch weiterzutreiben.
Die reformistische Logik ist einfach: Es gibt keine Reformpolitik ohne Wirtschaftswachstum, daher gilt es, alles zu tun, was die Wirtschaft möchte. Der Klassenwiderspruch wird geleugnet (“wir sitzen alle im selben Boot”), dem Wirtschaftsstandort gehuldigt. Die Perspektive, gegen Profitinteressen für die Interessen der Arbeiterklasse zu kämpfen, die Beschäftigten und Einwohner der Stadt zu mobilisieren, nach dem Motto: lieber Gesetze brechen, statt die Menschen – das liegt den roten Managern fern.
Die Sparpolitik der Stadt Wien wird derzeit in Salamitaktik eingeführt, eine genaue Detailübersicht, was dies für welche Dienstleistungen, Arbeitsplätze usw. bedeutet, gibt es nicht. Von allen Ecken und Enden hört man jedoch im Sozial- und Gesundheitsbereich von Förderungskürzungen, Kündigungen, Arbeitsintensivierung, Einstellung von Services.
Während vor dem Rathaus Sozialarbeiterinnen für höhere Löhne streiken, schwärmt Novak: “5,1% mehr Unternehmensgründungen – da spielen vor allem die Frauen eine ganz große Rolle … das freut mich sehr, dass die Frauen das Unternehmertum für sich entdecken!” Angriffe auf die Frau der Arbeiterklasse, Huldigung der Kapitalistin – das ist der sozialdemokratische Feminismus heute.
Wer die bittere Pille der kapitalistischen Sparlogik schluckt, muss sie bis zum Ende verdauen. Daher darf auch die “Verteidigung der Souveränität und Unabhängigkeit Europas” (lies: EU-Imperialismus) nicht fehlen.
Der Eurovision Song Contest, aufgrund der Teilnahme von Israel unter heftiger Kritik, mit mehreren Ländern, die ihre Teilnahme bereits abgesagt haben, wird von der SPÖ als große Chance für Tourismus-Profite verteidigt, die “leider” politisiert worden sei.
Imperialistische Außenpolitik, rassistische Spaltung und Sparpolitik gehören eben fest zusammen.
Diese Politik wird in der nächsten Periode die SPÖ weiter erodieren und den Aufstieg der rechten FPÖ befeuern. Wie wir immer gesagt haben, kann man die Rechten nicht mit “kleinerer Übel Logik” und “Verteidigung der Demokratie” besiegen.
Für Klassenkampf gegen Sozialabbau, Rassismus und Imperialismus!
Zur Protestkundgebung am 16. Dezember wurde von politischen und gewerkschaftlichen Aktivisten und Organisationen aufgerufen, auch die RKP beteiligte sich. Sie brachte streikende Kolleginnen, aber auch darüber hinaus viele junge Leute zusammen auf die Straße.
In den Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialwirtschaft (SWÖ) ist weiterhin kein Abschluss in Sicht. Ab Jänner läuft der jetzige KV aus – das wird den Druck erhöhen, einen schnellen Abschluss zu unterzeichnen. Die Dynamik, den Unmut auf die Straße zu tragen, geht allein von den Belegschaften und Aktivisten aus, während die Gewerkschaftsspitze kein Interesse daran zeigt. Sie hoffen darauf, dies “SPÖ intern” oder mithilfe der Arbeitgeber regeln zu können. Diese Rechnung wird nicht aufgehen. Die Beschäftigten müssen selbst kämpfen und können kein Vertrauen mehr in das Stellvertretertum haben. Der Kampf muss ausgeweitet werden zu einem Kampf gegen alle Sparpolitik, auch im öffentlichen Bereich! Kein Abschluss ohne Urabstimmung unter den Belegschaften! Keine Hinterzimmerdeals der Gewerkschaftsspitze! Im Jänner gehen die Verhandlungen hier in die nächste Runde.
Die roten Jugendorganisationen (SJ, VSSTÖ) glänzten auf der Demonstration durch Abwesenheit: Sie werden in der kommenden Zeit zwischen der Wut der Jugend auf Spardiktat und Rassismus einerseits, und der Mutterpartei, die diese Politik durchsetzt andererseits, weiter zerrieben werden. Ein Raum für linke Politik abseits der Sozialdemokratie eröffnet sich.
Wir müssen uns jedoch bewusst sein: Die Sparpolitik der SPÖ ist nicht einfach “unvernünftige” Politik. Es ist die Logik des Kapitalismus. Um damit zu brechen, brauchen wir eine umfassende, klassenkämpferische Perspektive.
Die bürgerliche Politik beschränkt sich nicht nur auf das Sparen. Rassismus, Angriffe auf demokratische Rechte (wie in der Palästina-Bewegung vorexerziert wird), die haarsträubende (angebliche) “Antisemitismus”-Strategie der Regierung – all das ist ein Rammbock für die Sparpolitik und die imperialistische EU-Politik, auch im Ukrainekrieg.
Die Forderungen, mit denen zur Demo aufgerufen wurde, gehen an dieser realen Problematik vorbei und bleiben hinter dem kämpferischen Auftritt der Kolleginnen vom SWÖ zurück.
Die “gmiatlichen” Zeiten in Wien sind vorbei. Wir werden alle lernen müssen, selbst zu kämpfen! Nur ein Bruch mit der kapitalistischen Logik kann die Angriffe auf unseren Lebensstandard zurückschlagen!
