Letztes Wochenende fand in St. Georgen an der Gusen der erste morgen.rot-Kongress der SPÖ-Oberösterreich statt. Martin Wieland vom Sprecherrat der SPÖ-Linke berichtet von den Stärken und Schwächen.
Über 400 Parteimitglieder waren gekommen um über die erste Phase des morgen.rot-Prozesses zu befinden (die Kritikphase) und die zweite Phase (das Erarbeiten von Lösungsstrategien) zu eröffnen. Bei diesem Kongress wurden auch sofort die Stärken und Schwächen des morgen.rot-Prozesses offenbar. Zu den Stärken: Tatsächlich ist es der SPÖ-Oberösterreich gelungen Bewegung in die Partei zu bringen. Davon zeugte nicht zuletzt die Präsenz der 400 anwesenden Parteimitglieder, wovon viele auch aus entlegenen Regionen in Oberösterreich gekommen sind und bisher eher weniger auf landesweiten Parteiveranstaltungen zu sehen waren. Und so ist es auch sicher der Beteiligung von einem Viertel aller Parteimitglieder am morgen.rot-Prozess (an Befragungen, moderierten Sektionsabenden, Klausuren u.a.) zu verdanken, dass sich die SPOÖ-Parteiführung in den letzten Monaten wieder auf sozialdemokratische Urthemen – wie die Verteilungsgerechtigkeit – besann, mit ihrer parlamentarischen BürgerInneninitiative das bisherige Tabuthema Vermögenssteuern aufgriff und dadurch die Bundespartei unter Zugzwang brachte. Hier zeigte sich das große Potential einer Parteierneuerung unter der aktiven Einbindung von Mitgliedern an der Basis.
Umso mehr war es dann ernüchternd mitzuerleben, dass auf dem morgen.rot-Kongress selber dieses Potential offensichtlich vorerst nicht weiter genutzt werden sollte. So streifte Josef Ackerl in seiner sehr gedämpften Rede am ersten Kongresstag – im Gegensatz zu seiner Rede am Bundesparteitag eine Woche davor – mit keinem einzigen Wort die Bundespolitik und bot keinerlei Perspektive für die kommenden Kämpfe gegen das Sparpaket im Herbst. Da war es noch bewegender den beiden Referenten, Albrecht Müller (leitete Wahlkämpfe für Willy Brandt, Neoliberalismus-Kritiker) und Elisabeth Wehling (war im Führungsstab von Barack Obamas Wahlkampagne, Autorin des Buches „Auf leisen Sohlen ins Gehirn – Politische Sprache und ihre heimliche Macht“) zuzuhören. Doch so sehr alle Bildungsveranstaltungen, die den morgen.rot-Prozess von Anfang an begleiteten, zu befürworten sind, diese allein sind nicht genug. Die Parteierneuerung bedarf auch einer regelmäßigen kollektiven Diskussion und gemeinsamen Beschlüssen soll sie auch die Probleme wirklich an der Wurzel anpacken und durch die Basis erfolgen. Dafür wäre dieser Kongress eine gute Gelegenheit gewesen. Doch eine Diskussion im Plenum war nicht vorgesehen. Auch nicht am zweiten Tag als alle TeilnehmerInnen aufgefordert waren sich auf 15 Workshops (mit Titeln wie z.B.: SPÖ – Bewegung der Hundertausenden?, Rote Wissenschaft, gibt’s denn das?, Für Reiche gilt das Gleiche!, Was brauchst du, OrtsparteivorsitzendeR? usw.) aufzuteilen und einzubringen. Auch hier gilt wieder die Kritik: Zwar wird das Potential der Basis auf diesem Weg genutzt, was auch sicherlich zu vielen kreativen Ideen führt – wie z.B. den Vorschlag im Herbst anlässlich der Budgetrede von Finanzminister Pröll einen „Marsch auf Wien“ zu starten – doch die Basis blieb auch hier wieder in ihrer Vereinzelung. Es gab nach den Workshops kein Plenum, wo die einzelnen Vorschläge vom Kollektiv hätten diskutiert werden können.
Abschließend ist somit zu sagen, dass das weitere Schicksal des morgen.rot-Prozesses noch ungewiss ist. Gelingt es die SPÖ wirklich wieder zu einer Basisbewegung zu machen und ausgehend von Oberösterreich wieder auf einen linken, sprich echt sozialdemokratischen Kurs zu bringen? Übernimmt die SPÖ Oberösterreich also auch die Erneuerungsrolle auf Bundesebene? Oder entwickelt sich das morgen.rot-Projekt zu einer reinen Bildungskampagne und zu einer Anleitung für alle regionalen Parteistrukturen sich in Nabelschau und Selbstbetrachtung zu üben unter Ausklammerung aller brennenden bundespolitischen und internationalen Fragen? Der Ausgang hängt nicht zuletzt von allen Parteimitgliedern ab; also inwiefern sie sich selbst aktiv in den Erneuerungsprozess einbinden und wohin sie die Parteiführung bei den kommenden Verteilungskämpfen drängen wollen. Die SPÖ-Linke richtet sich an all jene, die die SPÖ in Oberösterreich, aber erst recht die Bundespartei im Herbst an der Spitze des Kampfes gegen die Sparpakete unter dem Motto „Eure Krise zahlen wir nicht!“ sehen wollen. Die zahlreichen positiven Rückmeldungen auf das Flugblatt, das SPÖ-Linke Unterstützer am morgen.rot-Kongress verteilten, zeigen, dass die Stimmung der Parteibasis in Oberösterreich in diese Richtung weist.