Vergangenen September besuchte Orlando Chirino, Nationaler Koordinator der neuen venezolanischen Gewerkschaft UNT, Großbritannien. Die internationale Kampagne „Hands off Venezuela“ führte mit ihm ein Interview über die Entstehung der UNT, die Debatte über den Sozialismus des 21. Jahrhunderts und die Erfahrungen mit der Arbeiterkontrolle.
Kannst du uns sagen, wer du bist und wen du repräsentierst?
Mein Name ist Orlando Chirino und ich bin Mitglied des nationalen Koordinationskomitees der Nationalen Gewerkschaft der ArbeiterInnen (UNT), die neue Gewerkschaftsorganisation die sich in der Hitze des revolutionären Prozesse, der in Venezuela stattfindet, entstanden ist. Ich bin hier in Großbritannien auf Einladung der „Hands off Venezuela, Kampagne und nutze die Gelegenheit an der Konferenz der TUC teilzunehmen. Das Hauptziel meiner Arbeit ist es an Veranstaltungen teilzunehmen, damit die Menschen wissen, was in Venezuela passiert.
Wie ist die UNT entstanden?
Die UNT entstand nach einer erfolgreichen Revolution in meinem Land. Während der Aussperrungen in der Ölindustrie hatten wir lange Diskussionen. Wir kamen zu dem Schluss, dass, wenn das alte Management der PDVSA (Venezuelas Ölunternehmen – staatlich; Anm.) und die Oligarchie des Landes mit den Aussperrungen gewänne, die Regierung fallen würde – es gab darüber keinen Zweifel. Wie du weißt, errangen wir einen wichtigen Sieg, und seit diesem Kampf entwickelte sich die neue Gewerkschaftsorganisation, weil die alte, die CTV, eine führende Rolle in der Herstellung einer Allianz mit dem Imperialismus und der venezolanischen Bourgeoisie spielte, die die Aussperrungen organisierte. Zuerst hatten sie es mit dem Putsch im April 2002 versucht, und nun auf diese Weise. Darauf machten wir ArbeiterInnen einen wichtigen Schritt vorwärts in unserem politischen Bewusstsein, was uns zum Schluss führte, dass die CTV aufgehört hat eine ArbeiterInnenorganisation zu sein und zu einem Instrument der Bourgeoisie und der Oligarchie verkommen war. Dies war der Hauptgrund, warum alle Gewerkschaftsströmungen aller politischer Richtungen des Landes sich zur UNT zusammenschlossen. Sie beschlossen, dass die neue Organisation eine horizontale Führung mit 21 Koordinatoren und 10 StellvertreterInnen haben soll. Das war ein fundamentaler Schritt, weil wir verstanden, dass die ArbeiterInnen nichts mehr mit der CTV zu tun haben wollten, und es darum notwendig war, ein neues Instrument für die Arbeiterschaft zu schaffen. Zu diesem Zeitpunkt sagten wir, dass die UNT aus einer politischen Notwendigkeit heraus entstand – jenseits von politischen Forderungen, in Mitten einer Situation von Klassenauseinandersetzungen. Jetzt haben wir den Beweis dafür, dass wir die Dinge richtig gesehen haben.
Welche Rolle spielt die ArbeiterInnenklasse in der Bolivarischen Revolution und welche Rolle sollte sie spielen?
Zuerst sollte man verstehen, dass in dieser Revolution, die alle Teile der Gesellschaft involvierte, die ArbeiterInnenklasse eine zweitrangige Rolle spielte. Die Geburt der UNT zeigte, dass sie ein Werkzeug der Revolution in Opposition zur CTV, einem Instrument der Konterrevolution, war. Wir kämpfen nun dafür, dass die UNT zum Rückgrat des Prozesses wird, um die venezolanische Revolution zu vertiefen. Ich glaube, dass der ArbeiterInnenklasse eine fundamentale Rolle zukommt, um den kapitalistischen Charakter des Landes zu verändern. Wie wir sagen: Es gibt keinen Weg vorwärts, wenn wir nicht Richtung Sozialismus schreiten. Dies ist eine direkte Kampfansage an das Privateigentum und erhebt auch die Forderung, dass die ArbeiterInnen die Fabriken sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor führen soll. Zusätzlich sollen die Profite der Unternehmen nicht in die Tasche einer Person oder einer Gruppe von ArbeiterInnen fließen, sondern sollen genutzt werden, um die Probleme des Landes zu lösen und Fortschritte in Bezug auf Gesundheit, Bildung, Wohnen und Arbeitsplätze zu bringen.
Wir haben über Cogestión (Co-Management; Anm.) und die Teilnahme der ArbeiterInnen an der Wirtschaft gesprochen. Kannst du uns Beispiel geben, wie das funktioniert, wie es die Produktivität der Arbeit gesteigert hat und welche Probleme es in Verbindung damit gibt?
Ja, das ist ein Thema, dass viele wichtige Fragen aufgeworfen hat, und aus diesem Grund haben wir beschlossen das Thema Cogestión aufzugreifen, als ein Ergebnis des Sieges während der Aussperrungen in der Ölindustrie. Für uns hat revolutionäres Cogestión nichts zu tun mit dem System der Klassenzusammenarbeit in anderen Ländern. Bei uns ist es nicht deshalb ein Thema, weil es eine Krise im Land gibt und die Bosse und die Regierung Nutzen aus der Schwäche der Gewerkschaftsbewegung oder der Krise in verschiedenen Betrieben ziehen möchten. In Venezuela haben wir ein stattliches Wirtschaftswachstum und eine neue Gewerkschaftsbewegung, die in der Hitze der stattfindenden Kämpfe entstanden ist. Unserer Ansicht nach ist Cogestión, obwohl es im Rahmen des kapitalistischen Systems entstanden ist, eine fortschrittliche Entwicklung. Natürlich ist es nicht das gleiche wie Sozialismus, aber es werden viele wichtige Fragen aufgeworfen. Eine davon ist die Frage der Doppelherrschaft sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor, da wir de facto die Macht mit den BürokratInnen des Staatsapparates oder den EigentümerInnen der Firmen teilen.
Dass sie gezwungen sind, aufgrund der Stärke der Revolution die Leitung mit uns zu teilen ist, eine sehr wichtige und fortschrittliche Entwicklung. Auf lange Sicht gewinnen entweder wir oder sie. Auf lange Sicht werden wir zeigen, dass es keine Notwendigkeit für einEn EigentümerIn oder einEn BürokratIn gibt, welchEr das Sagen in den Staatsbetrieben haben.
Zweitens ist das eine Art Lehrzeit für die ArbeiterInnen. 63 Tage lang führten wir die PDVSA unter ArbeiterInnenkontrolle und haben gezeigt, dass wir fähig sind sie zu leiten – zur Überraschung unsrer GegnerInnen, die gesagt haben das ArbeiterInnen dazu nicht fähig wären. Das hieß für uns: Wenn wir fähig sind, ein Ölunternehmen, dass 5.000 oder 6.000 TechnikerInnen benötigt, zu leiten – wie viel leichter muss es dann sein, Unternehmen mit einem/r EigentümerIn zu führen. Und drittens ist es auch wichtig zu sehen, in wie weit die Regierung, und in diesem Fall die MinisterInnen, DirektorInnen und PräsidentInnen der Unternehmen, bereit sind zu gehen.
Dies ist notwendig trotz der Tatsache, dass dies alles im Rahmen des Kapitalismus stattfindet: Unsere Ansichten haben zu Auseinandersetzungen mit Teilen der Regierung geführt. Zum Beispiel hat der Minister für Energie und Öl öffentlich in verschiedenen Medien gesagt, dass ihr nicht damit übereinstimmt, dass in strategischen Unternehmen, die für die Sicherheit des Staates relevant sind, wie Öl oder Elektrizität, bzw. in Grundstoffindustrien wie Aluminium, Cogestión eingeführt werden soll. In dieser Frage gibt es ernsthafte Streitigkeiten, gerade weil die Gewerkschaftsbewegung es nicht geschafft hat, Veränderungen im Management der Ölindustrie durchzusetzen. Das ist eines der Themen, mit den wir den Minister konfrontieren. Es ist nicht wie in der Elektrizitätsindustrie, die von revolutionären GenossInnen geführt wird, die selbst bei den Kollektivverträgen wichtige Siege erringen konnten. Zum Beispiel haben sie eine Klausel hineinbekommen, die erstens ein Privatisierungsverbot in der Elektrizitätsindustrie festschreibt und zweitens davon spricht, dass nicht nur die ArbeiterInnen, sondern auch die KonsumentInnen in die Cogetión integriert werden sollen. Und das ist ein Schritt vorwärts.
Aber die größten Fortschritte haben wir bei Alcasa (staatliches Aluminiumwerk) erlangt, wo der Präsident, Carlos Lanz, ein revolutionärer Führer, der aus Linken kommt, es zugelassen hat, dass Methoden aus der ArbeiterInnenbewegung bei der Auswahl von ManagerInnen eingeführt werden. So wählt zum Beispiel die ArbeiterInnenversammlung ManagerInnen für jede Abteilung, die jederzeit abwählbar sind, was sehr wichtig ist. Das ist umso wichtiger, als es sich um ein Unternehmen handelt, das die letzten Jahre dem Staat Verluste bescherte. Die Effizienz steigt nun und es ist eine zufriedene Atmosphäre unter den ArbeiterInnen, die diskutieren, wie man Rohmaterial bekommt, was zu produzieren usw. Ich glaube, das ist eine Herausforderung für die ArbeiterInnenbewegung, und das diese Erfahrung erfolgreich sein müssen um vorwärts zu schreiten. Darum unterstützt die UNT, oder die Mehrheit der Führung der UNT, der ich angehöre, diese Erfahrung.
Im privaten Sektor wurden zwei Unternehmen übernommen. Eines, Invepal, produziert Papier, und arbeitet auch auf einem hohen Effizienzniveau. Es ist unter vollständigem Selbstmanagement, obwohl der Regierung 51% des Unternehmens gehören. Es ist notwendig zu betonen, dass die ArbeiterInnen die Produktion wieder starteten und verantwortlich waren, Rohmaterial zu bekommen. Dies ist ein sehr wichtiger Schritt vorwärts und ein Beispiel dafür, wozu die ArbeiterInnen fähig sind.
Die Ventilfabrik Constructora Nacional de Valvulas (Inveval) wird ebenfalls bald wieder die Produktion starten, nachdem sie enteignet worden ist, nachdem sie zu einer Angelegenheit des „öffentlichen Interesses, durch die Nationalversammlung erklärt worden ist, was den Präsidenten dazu ermächtigte, die Fabrik zu enteignen. Zu dieser Zeit sind die ArbeiterInnen dabei sie wieder in Betrieb zu nehmen.
Es gibt auch noch einen dritten Sektor. Dieser besteht aus Unternehmen, die geschlossen wurden und schlecht dastehen. Die Regierung hat Geld in Form von Krediten gegeben, die Eigentümer ihre Anteile und die ArbeiterInnen ihre Arbeitskraft um die Betriebe wieder zum Laufen zu bringen. Es gibt einige die ganz normal laufen. Wir glauben, dass sich früher oder später die Widersprüche zwischen den ArbeiterInnen und den EigentümerInnen verschärfen. Wir hoffen, dass die ArbeiterInnen dieser Betriebe fähig sein werden, diese Periode der Cogestión zum Sammeln von Erfahrungen zu nutzen, um in naher Zukunft das Unternehmen leiten zu können. Ich glaube, wir befinden uns in einem Prozess des Co-Managements, der wirtschaftlichen Auswirkungen auf die „misiones, (Sozialprogramme der Regierung) hat. Das schließt auch die Beziehung des Abhängigkeitsverhältnisses der Bosse zu den ArbeiterInnen mit ein. Aber schlußendlich fordern wir das Recht der ArbeiterInnen, auch an diesen Debatten teilzunehmen. Wir starten und enteignen Unternehmen nicht, um sie individuellen Gruppen von ArbeiterInnen zu übergeben, welche dann die neuen Bosse werden. Diese Debatte wird in der UNT geführt und in Strömungen die von Francisco Rondon, Manchuca etc. angeführt werden, und dies bei Sidor (einem Stahlwerk)ja auch bereits schon in der Praxis so durchgeführt haben. In diesem Betrieb wird am Ende der Geschäftsperiode der Profit an die ArbeiterInnen verteilt, da diese gleichzeitig auch die TeilhaberInnen sind. Dies ist eine Beleidigung für den Rest der ArbeiterInnen im Land. Wir glauben, dass diese Unternehmen effizient sein müssen und die Korruption beseitigt werden muss. Aber wir glauben auch, dass diese Betriebe produzieren müssen, damit sie einen enormen Beitrag in der Entwicklung der Bildung, Gesundheit, Wohnen und Arbeitsplätzen leisten können.
Im April (2005, Anm.) gab es in Valencia einen Workshop zu ArbeiterInnenbeteiligung, bei dem einige Fragen aufgeworfen wurden, was die Pläne der ArbeiterInnenführer bei Invepal anbelangt. Diese sagten, man brauche – da nun das Werk unter Selbstmanagement steht – keine Gewerkschaften mehr und haben diese aufgelöst.
Dies ist eine sehr gute Frage. Wir wussten damals bereits, dass sie ihre Gewerkschaft aufgelöst hatten. Wir gaben sofort bekannt, dass wir gegen diese Entscheidungen und absolute VerteidigerInnen von Gewerkschaften sind, weil sie die Waffen sind, um für die Forderungen der ArbeiterInnen zu kämpfen. Ich glaube nicht, dass die GenossInnen dies aus politischen Gründen oder schlechten Absichten heraus gemacht haben. Heute diskutieren wir erneut die Rolle von Gewerkschaften. Wenn wir uns die Erfahrungen ansehen, werden wir Lösungen für diese Probleme finden. Der Weg, den die Regierung gewählt hat, ist, dass die ArbeiterInnen eine Kooperative gründen, so dass ihnen die Anteile übergeben werden können. Wir glauben allerdings nicht, dass damit die Gewerkschaft entledigt ist. Wie ich bereits sagte, dass ist eine Debatte die in vollem Gange ist und ich glaube, dass die ArbeiterInnen ein gutes Verständnis dafür haben. Es gab keine Opposition, aber wie du verstehen wirst, gibt es ArbeiterInnen die nicht nur Lohn wollen, sondern auch einen Teil des Unternehmens. Dies ist ein politischer Kampf, der inmitten der venezolanischen Revolution stattfindet und sich nun voll entwickelt. Unser Wunsch ist es viele, viele ArbeiterInnen zu gewinnen um eine Beziehung aufzubauen die nicht durch Abhängigkeit, wie Boss und ArbeiterIn, sondern in letzter Konsequenz durch das kollektive Handeln bestimmt ist.
Welche Reaktion hatte die Debatte über den Sozialismus im 21. Jahrhundert innerhalb der UNT? Welche Position hat die UNT eingenommen?
Es gab heftige Konfrontationen in der UNT, mit dem Resultat, dass eine Strömung nicht mehr zu den Versammlungen kommt. Dies ist ein großes Hindernis für die zukünftige Entwicklung der Debatte, aber wir, der revolutionäre, klassenkämpferische Teil, der sich auf die ArbeiterInnenklasse stützt, haben diese Diskussion selbst mit den Regierungsparteien geführt. Diese Diskussion begann vor kurzem und die reformistischen Sektoren sind in dieser Debatte, nämlich das Thema Sozialismus im 21. Jahrhundert anzusprechen, nicht konsequent. Das muss in die Öffentlichkeit getragen werden. Was das betrifft, sind sie sehr kurzsichtig. Sie haben eine stalinistische Sichtweise und aus diesem Grund sind sie extrem gegen diese Debatte, ebenso wie gegen die Cogestión. Ich glaube, dies wird eine erstklassige Debatte. Ich glaube, wir haben dem Präsidenten für seinen Mut zu applaudieren – dafür, dass er eine öffentliche Diskussion darüber entfacht hat, dass, wenn wir den Kapitalismus nicht überschreiten, es keine Weg aus der Armut und der Lösung der historischen Probleme des venezolanischen Volkes geben kann. Wir müssen diesen günstigen Moment nutzen, um die Diskussion so weit wie möglich zu entwickeln. Ich bin überzeugt, dass es viele GenossInnen gibt, die betrogen wurden, verwirrt sind, sich in die eigenen vier Wände zurückgezogen haben wegen dem Fall der Berliner Mauer und der Sowjetunion, die aber jetzt wieder aktiv werden. Diese Debatte hat viele Menschen wieder zurück zur Aktivität gebracht. Ich bin ehrlich überzeugt, dass es große Möglichkeiten gibt, diese Debatte zu gewinnen, Möglichkeiten eine revolutionäre Organisation in Venezuela aufzubauen.
Wir haben das Thema bereits zu Sprache gebracht. Aber am Ende des Tages gibt es keine magischen Formeln. Wir sind, wo wir sind. Wir haben die Position verteidigt, dass wir Sozialismus mit Arbeiterdemokratie wollen und wir haben klar gestellt, dass die Gesellschaft, die wir aufbauen wollen, Demokratie garantiert, die viel weiter geht als die bürgerliche Demokratie. Wir glauben, dass die ArbeiterInnenklasse die zentrale soziale Kraft in dieser Revolution bleibt, unabhängig davon ob es Allianzen mit Vertreten anderer Schichten gibt. Wir sind überzeugt, dass es notwendig ist, die Ideen des Marxismus und des Leninismus und all die Beiträge Trotzkis zurückzuerobern.
Wir glauben, dass der Präsident einen großen Schritt vorwärts gemacht hat, aber wir glauben auch, dass er manchmal Dinge sagt, die nicht korrekt sind. Wir glauben, dass es nicht möglich ist, dass UnternehmerInnen und ArbeiterInnen gemeinsam im Sozialismus existieren können. Deswegen sollten wir allerdings nicht entmutigen lassen und uns vom Präsidenten abwenden. Wir sollten Vertrauen haben in die reichen Erfahrungen der venezolanischen ArbeiterInnenklasse, ins Engagement ihrer FührerInnen und in die Arbeit eurer Gruppe – dem CMR (Corriente Marxista Revolucionaria; Revolutionäre marxistische Strömung; Anm.).
Ich sagte dir gestern, dass es wichtig ist, an der Debatte über den Aufbau einer revolutionären Organisation im Land offen teilzunehmen. Diese Debatte findet statt, weil es keine revolutionäre Partei gibt. Weder die MVR, noch Podemos oder die PPT sind revolutionäre Parteien. Das sind Parteien, die dieselben Traditionen, Methoden und selbst dieselbe Korruption verkörpern wie die traditionellen Parteien der Bourgeoisie, wie die AD oder die COPEI. Wir haben bereits gesagt, dass bei den Lokalwahlen die Methoden der Kandidatenwahl in Frage gestellt wurden. Es herrschte zweitens Unzufriedenheit darüber, dass man sich kaum den WählerInnen inhaltlich verpflichtet sah. Wir haben dies bereits in Verbindung mit dem Stadt- und Gemeindeparlament gesehen. Es gibt jetzt eine Debatte über die Wahl der Kandidaten zur Nationalversammlung sind. Dabei werden wir sehen können, wie schwach die revolutionäre Willenskraft dieser Parteien ist. Die meisten von ihnen haben nichts mit ArbeiterInnen zu tun. Sie sind keine echten VertreterInnen. Ich glaube, es gibt ein bewusstes Bestreben ArbeiterInnenführerInnen und RevolutionärInnen daran zu hindern, in die Nationalversammlung zu gelangen.
Es braucht eine genaue Auseinandersetzungen mit den Fragen des Kampfes für den Aufbau des Sozialismus im 21. Jahrhundert. Wie ihr wisst, bin ich seit einer Woche hier [in Großbritannien, Anm.] und habe gerade erfahren müssen, wer die KandidatInnen für die Nationalversammlung sind. Ich denke, es ist eine Schande, dass Marcela (Maspero, eine weitere nationale Koordinatorin der UNT; Anm.) an sechster Stelle gereiht ist. Sie benutzen die Methode der „Morocha, (Wahlbündnis zwischen MVR, Podemos, PTT, KP und lokal unterschiedlich weiteren Parteien der bolivarischen Bewegung; aufgrund des Wahlrechtes werden größere Partein gegenüber kleineren bevorzugt, Anm.) – aus einer solchen politischen Vorgangsweise kann man nichts gewinnen. Sie haben Bürokraten des rechten (Gewerkschafts-; Anm.) Flügels nominiert – Francsco Terealba und Jose Ramon Ribero, welche beide offen vor dem Gouverneur des Bundesstaats Bolivar kapituliert haben. Und es ist offensichtlich, dass weder ich, noch Stalin Perez, ein weiterer Führer der UNT, oben auf der Liste stehen. Allerdings habe ich zurzeit selber ohnehin keine Absicht, mich als Kandidat aufstellen zu lassen, weil mich die Aufgabe als Revolutionär, die UNT aufzubauen und in ihr eine politische Waffe der Arbeiterklasse zu schmieden ganz einnimmt. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir es völlig ausschließen, uns aufstellen zu lassen.
Was macht die UNT um Frauen, BäuerInnen und Beschäftigte des informellen Sektors zu organisieren?
Das Programm und die Ziele der UNT, die beim Kongress angenommen wurden, sind absolut klar. Die Gewerkschaftsorganisation, die wir aufbauen, muss den Prozess, den wir durchleben widerspiegeln. In den Versammlungen wurde entschieden, eine Aktion namens „Cruz Villegas, zu gründen, die als Aufgabe die Organisierung der ArbeiterInnen des informellen Sektors hat, welcher 51% der arbeitenden Bevölkerung ausmachen. Die Arbeit unter den BäuerInnen erfolgt parallel dazu und ich glaube, seit der Konferenz der „Nationalen Bauern Front Ezequiel Zamora, in Caracas, gibt es keinen Grund warum wir nicht gemeinsam am Aufbau der UNT arbeiten sollten.
Frauen haben eine sehr bedeutende und dominante Rolle im Land gespielt. Wir müssen Wege finden um sicher zu gehen, dass sie ein Teil der UNT sind. Wir sind auch dabei eine Abteilung für Behinderte zu schaffen, die von der CTV nie organisiert wurden. Im Bezug auf die Arbeitslosigkeit haben wir die Idee aufgegriffen, eine Abteilung dazu in der Gewerkschaft zu bilden. Dies muss aber in allen Teilen der Gewerkschaft passieren, von der Basis aufwärts, sodass alle Teile der Gewerkschaft nach Wegen suchen, wie das Problem der Arbeitslosigkeit zu lösen ist. Eine so hohe Arbeitslosigkeit sollte in einem reichen Land wie Venezuela nicht existieren.
Die UNT muss der wahre Ausdruck des stattfindenden Prozesses werden, das soll heißen dass sie ihn anführt und alle Schichten vorantreibt. Diese Debatte ist eröffnet und es ist wichtig, dass die Leute wissen, dass es reformistische Schichten gibt, die diesen Erfahrungen der UNT ein Ende setzen wollen. Aus diesem Grund müssen wir als RevolutionärInnen uns klar sein über unsere Aufgaben, um soviel Zeit und Ressourcen aufzubringen und mit Solidaritätskomitees wie „Hands off Venezuela, zusammenzuarbeiten. Was hier beim britischen TUC zu Venezuela diskutiert worden ist, trägt mit zum Aufbau der UNT bei. Ich glaube, dass die objektive Situation dafür bereits überreif ist.
Was können Gewerkschafter in Großbritannien und anderen Ländern machen, um der venezolanischen Revolution zu helfen?
An erster Stelle muss die Solidaritätskampagne, durchgeführt von „Hands off Venezuela“, gestärkt werden. Zweitens müssen die Menschen eine klare Idee davon haben, wie sie Solidarität ausdrücken sollen. Wir begrüßen alle Initiativen bezüglich Solidarität. Keine Konferenz oder Veranstaltung in der Gewerkschaft sollte stattfinden, ohne die Solidarität mit unserem Kampf zum Ausdruck zu bringen. Die konkreteste Form die diese Solidarität annehmen ist folgende: Die Gewerkschaften müssen in jedem Land der Falschinformation, die von den Medien, welche auf Seiten der Konterrevolution stehen, verbreitet wird, entgegentreten.
Ich glaube, dass es wichtig ist, in Organisationen wie der ILO oder der UN – wo Chávez selbst gestern deren politischen Bankrott angesprochen hat – zu publizieren, was er gesagt hat. Ebenso müssen unsere Aktivitäten im Ausland bekannt gemacht werden. Das ist in meinen Augen nicht schwierig zu erreichen. Venezuela ist zu einem sehr wichtigen Bezugspunkt geworden. Ich finde, ohne überheblich wirken zu wollen: Unsere Arbeit hat es möglich gemacht, dass die Leute wieder Hoffnung schöpfen. Weiters müssen es schaffen, Sektierertum ebenso sowie die Manöver der Bürokratie zu bekämpfen. Wir müssen uns der Rolle der CIA entgegenstellen, um der internationalen Verbreitung der Revolution jenseits Lateinamerikas zu helfen.
Ich glaube dass die Resolution, die vom TUC angenommen wurde ein historischer Schritt war, aber es kann auch der Fall sein, dass zwar dafür gestimmt wurde und hinterher allerdings nichts gemacht wird. Die Aufgabe sicher zu gehen, dass dies nicht passieren wird, liegt in unseren Händen, bei der UNT und bei „Hands off Venezuela, und all jenen Organisationen die für die Verteidigung der Revolution und für den Sozialismus kämpfen. Es hängt auch von unserer Fähigkeit ab, Verbindungen mit Ländern wie Bolivien zu knüpfen. Diese Art der Solidarität muss dort stattfinden, wo progressive oder linke Regierungen kurz davor sind Wahlen zu gewinnen oder bereits in der Regierung sind. Was für mich klar ist, ist dass die Menschen für diese linken Regierungen gestimmt haben, weil sie wollen, dass diese endlich mit IWF & Co brechen.